TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/8 G314 2215470-1

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Veröffentlicht am 08.03.2019
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Entscheidungsdatum

08.03.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §55 Abs4

Spruch

G314 2215470-1/3E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, serbischer Staatsangehöriger, vertreten durch die XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2019,

Zl. XXXX, betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung beschlossen und zu Recht erkannt:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung

(Spruchpunkt III. Satz 2 des angefochtenen Bescheids) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde vom 25.02.2019 gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem dem Beschwerdeführer (BF) kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.) sowie die Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien festgestellt wurde (Spruchpunkt II.). Gemäß § 55 Abs 4 FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt und der Beschwerde gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Gegen den BF wurde gemäß § 53 Abs 3 Z 1 FPG ein achtjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.).

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung damit, dass die sofortige Ausreise des BF im Hinblick auf seine strafgerichtliche Verurteilung kurz nach der Einreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei. Mangels einer realen menschenrechtsrelevanten Gefahr sei es ihm zumutbar, den Verfahrensausgang in seinem Herkunftsstaat abzuwarten. Sein Interesse an einem Verbleib in Österreich trete hinter das öffentliche Interesse an der raschen und effektiven Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.

Der BF erhob eine Beschwerde gegen alle Spruchpunkte dieses Bescheids, mit der er die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung, die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sowie die ersatzlose Aufhebung des Bescheids beantragt. Hilfsweise strebt er die Aufhebung des Einreiseverbots bzw. dessen Verkürzung an; außerdem wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt.

Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass sein Parteiengehör nicht gewahrt worden sei. Die ihm übermittelte Aufforderung zur Stellungnahme habe er zwar erhalten, aber mangels ausreichender Deutschkenntnisse nicht verstanden. Die Behörde hätte sich einen persönlichen Eindruck von ihm verschaffen müssen. Die Rückkehrentscheidung verletze sein Privat- und Familienleben, weil seine Eltern und zwei minderjährige Töchter aus seiner ersten Ehe, zu denen er eine innige Beziehung habe, in Österreich lebten und weil er plane, nach der Entlassung aus der Strafhaft mit seiner Ehefrau und seinen beiden jüngeren Kindern nach Deutschland zu übersiedeln, wo er einen Arbeitsplatz in Aussicht habe. Der bloße Umstand, dass sich in seinem Reisepass nach dem 13.05.2018 kein Grenzkontrollstempel befinde, rechtfertige die Annahme der Behörde, er habe fremdenrechtliche Vorschriften verletzt, nicht. Das BFA bei der Gefährdungsprognose nicht berücksichtigt, dass sich der BF vor seiner nunmehrigen Verurteilung fast 20 Jahre lang wohlverhalten habe, und die Dauer des Einreiseverbots nicht näher begründet. Die sofortige Ausreise verletze die von Art 8 EMRK geschützten Rechte des BF, sodass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sei.

Das BFA erstattete eine Gegenäußerung zur Beschwerde und beantragte, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen; hilfsweise wird eine Beschwerdeverhandlung beantragt.

Die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens langten am 05.03.2019 beim BVwG ein.

Feststellungen:

Der BF, der über einen am 26.08.2016 ausgestellten und bis 26.08.2026 gültigen serbischen Reisepass verfügt, wurde am XXXX.2018 in XXXX verhaftet, in Untersuchungshaft genommen und mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX.2019, XXXX, wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 2 zweiter Fall, 15 StGB sowie der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs 3 StGB und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. Ein Teil von zwölf Monaten wurde für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er im XXXX 2018 gemeinsam mit einem Mittäter in XXXX Angriffen die Scheiben parkender Taxis einschlug und Gegenstände aus dem Fahrzeuginneren stahl, wobei es in XXXX Fällen beim Versuch blieb, weil in den Fahrzeugen keine werthaltigen Gegenstände gefunden wurden. In XXXX Fällen nahm der BF mit Gebrauchsverhinderungsvorsatz Bankomatkarten, über die er nicht verfügen durfte, an sich, in zehn Fällen Urkunden, über die er nicht verfügen durfte (Zulassungsscheine, ÖAMTC-Klubkarten, Ausweise, Führerscheine uä). Er und sein Mittäter erbeuteten Bargeld und Wertgegenstände im Wert von ca. EUR 9.000, die sie zur Finanzierung ihrer Heroinsucht verwendeten.

Bei der Strafzumessung wurden der bisher ordentliche Lebenswandel, das reumütige Geständnis und der Beitrag zur Wahrheitsfindung sowie der Umstand, dass es teilweise beim Versuch blieb, als mildernd berücksichtigt, das Zusammentreffen von strafbaren Handlungen und die Tatwiederholung im Rahmen der Gewerbsmäßigkeit dagegen als erschwerend.

Der BF verbüßt den unbedingten Strafteil derzeit in der Justizanstalt XXXX; das urteilsmäßige Strafende ist am 27.03.2019.

Der BF wurde in der serbischen Stadt XXXX geboren und kam XXXX im Alter von ungefähr zwölf Jahren gemeinsam mit seinen Eltern nach Österreich, wo er einen Teil seiner Schulbildung absolvierte und eine Lehre zum Maurer begann, aber nicht abschloss. Er verfügte bis 2002 über Aufenthaltstitel. 2002 wurde gegen ihn wegen mittlerweile getilgter strafgerichtlicher Verurteilungen ein zehnjähriges Aufenthaltsverbot erlassen, worauf er nach Serbien zurückkehrte. Seither war er im Bundesgebiet nicht mehr legal erwerbstätig.

Der BF ist in zweiter Ehe verheiratet und für vier Kinder sorgepflichtig. Seine 2005 geborenen Zwillingstöchter aus erster Ehe leben bei seinen Eltern in XXXX. Seine Ehefrau und die gemeinsamen Kinder im Alter von zwei und vier Jahren leben in Serbien. Ab 2014 hielt er sich immer wieder im Rahmen visumfreier Aufenthalte im Bundesgebiet auf.

Der BF ist an Heroin gewöhnt und ging zuletzt keiner Beschäftigung nach, sondern lebte von finanziellen Zuwendungen seiner Mutter von ca. EUR 500 bis 600 pro Monat. Er hat weder nennenswertes Vermögen noch finanzielle Verbindlichkeiten. Bei einer polizeilichen Kontrolle am 26.09.2018 wurde festgestellt, dass der letzte Grenzkontrollstempel in seinem Reisepass vom 13.05.2018 stammte, worauf er wegen seines nicht rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet angezeigt wurde. Er war zuletzt von 23.03.2018 bis 22.06.2018 an der Adresse seiner Mutter in Wien mit Hauptwohnsitz gemeldet.

Abgesehen vom Beschwerdevorbringen, wonach der BF vorhat, nach der Entlassung aus der Freiheitsstrafe gemeinsam mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern nach Deutschland zu übersiedeln, wo er einen Arbeitsplatz in Aussicht hat, aber auch plant, einen österreichischen Aufenthaltstitel zu beantragen, um das Familienleben mit seinen beiden hier lebenden Töchtern weiterzuführen, von denen eine psychische Probleme hat, wegen denen die Mutter des BF bei der Betreuung seine Unterstützung benötigt, gibt es keine Anhaltspunkte für weitere familiäre oder private Anknüpfungen in Österreich oder in einem anderen Staat, für den die Rückführungsrichtlinie gilt.

Der BF spricht Serbisch und hat auch geringe Deutschkenntnisse. Es können auch keine besonderen Integrationsbemühungen des BF festgestellt werden.

Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister, dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Fremdenregister.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG nunmehr auch ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Da sich die Beschwerde gegen alle Spruchpunkte des angefochtenen Bescheids richtet, ergibt sich zusammen mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und dem Beschwerdevorbringen, wonach der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt werden müsse, zweifelsfrei, dass sie sich auch gegen den zweiten Satz von Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids richtet, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde.

Das BVwG hat über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 BFA-VG (oder gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids) gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden (vgl VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

Gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier aufgrund der gewerbsmäßigen Vermögensdelinquenz des an Heroin gewöhnten BF mit einigermaßen professioneller, arbeitsteiliger Vorgangsweise und seiner tristen Einkommenssituation erfüllt, zumal er den visumfreien Aufenthalt schon vor seiner Festnahme überschritten hatte und sich ohne Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet aufhielt.

Dem Beschwerdevorbringen, wonach das Fehlen von Grenzkotrollstempeln in seinem Reisepass nach dem 13.05.2018 die Annahme der Behörde, er habe fremdenrechtliche Vorschriften verletzt, nicht rechtfertige, ist Art 12 Schengener Grenzkodex entgegenzuhalten, wonach davon auszugehen ist, dass ein Drittstaatsangehöriger (wie der BF) die zulässige Aufenthaltsdauer überschritten hat, wenn er in einem Schengen-Mitgliedstaat ohne entsprechenden Ein- oder Ausreisestempel angetroffen wird und nicht durch andere glaubhafte Nachweise belegen kann, dass er die zulässige Aufenthaltsdauer eingehalten hat, z.B. durch Beförderungsnachweise oder Belege für seinen Aufenthalt außerhalb der Schengen-Staaten. Solche Nachweise wurden bislang nicht vorgelegt.

Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Zwar darf die bei Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot zu beurteilende Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern es ist auch die Situation in den Mitgliedstaaten in den Blick zu nehmen (VwGH 03.07.2018, Ro 2018/21/0007). Angesichts der Gewöhnung des BF an Suchtgift und die Verurteilung wegen Beschaffungskriminalität liegt auch bei Berücksichtigung der behaupteten privaten und familiären Bindungen (Eltern und minderjährige Töchter in Österreich; Arbeitsplatz in Deutschland in Aussicht) kein unverhältnismäßiger Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor, zumal dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aufgrund der gravierenden Straftaten ein sehr großes Gewicht beizumessen ist (vgl VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0271), die Kontakte zwischen dem BF und seinen Bezugspersonen derzeit ohnedies haftbedingt eingeschränkt sind und sich seine Kernfamilie in Serbien befindet. Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen über die aktuelle Lage im Herkunftsstaat des BF (Serbien) ergibt keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG, zumal es sich gemäß § 1 Z 6 HStV um einen sicheren Herkunftsstaat handelt.

Die Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im angefochtenen Bescheid ist zwar sehr knapp und besteht im Wesentlichen aus Textbausteinen, ist aber im Hinblick auf die schwerwiegende Eigentumskriminalität des BF, die Überschreitung des visumfreien Aufenthalts und der fehlenden Wohnsitzmeldung vor seiner Verhaftung als gerade noch ausreichend anzusehen.

Im Ergebnis ist die sofortige Ausreise des BF nach seiner Entlassung aus der Strafhaft aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich; die vom BFA in diesem Zusammenhang vorgenommene Interessenabwägung ist nicht zu beanstanden. Es ist dem BF zumutbar, den Verfahrensausgang nach seiner Entlassung aus der Strafhaft in seinem Herkunftsstaat abzuwarten.

Der Beschwerde ist im Ergebnis derzeit - vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt - die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs 6a BFA-VG.

Zu Spruchteil C):

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2215470.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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