TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/28 W186 2168315-1

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Veröffentlicht am 28.03.2019
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Entscheidungsdatum

28.03.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76

Spruch

W186 2168315-1/15E

I. Schriftliche Ausfertigung des am 29.08.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch ARGE-Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2017, Zl. 801175108-170921952, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt. Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft seit 08.08.2017 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Schriftliches Erkenntnis

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch ARGE-Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2017, Zl. 801175108-170921952, und die Anhaltung in Schubhaft von 08.08.2017 bis 29.08.2017, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.08.2017 zu Recht erkannt:

A)

I. Gemäß § 35 VwGVG iVm § 1 VwG-Aufwandersatzverordnung hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von 1659,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

I. Verfahrensgang:

1. Aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ergibt sich folgender Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: "BF") reiste zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt gemeinsam mit seiner Familie illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.12.2010 seinen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet.

1.2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.04.2011 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Indien nicht zukommt (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde der BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.05.2012 gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen. Gegen den BF besteht eine seit 25.05.2012 rechtskräftige Ausweisung.

Der BF befand sich bereits von 19.06.2012 bis 16.08.2012 in Schubhaft, wobei er wegen Haftuntauglichkeit entlassen werden musste.

Im Jahr 2011 wurde der gemeinsame Sohn des BF und seiner Ehefrau im Bundesgebiet geboren.

Gegen den BF wurde aufgrund seines Alkoholkonsums und seiner Gewalttätigkeit am 11.06.2012 ein Betretungsverbot für zwei Wochen verhängt. Die Ehefrau des BF trennte sich von diesem. Sie stellte für sich und ihre Kinder einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz und wurde ihnen am 20.01.2016 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Der BF war bis zum 24.06.2017 bei seiner Ehefrau behördlich gemeldet. Seit dem war der der BF unbekannten Aufenthaltes.

Am 12.10.2016 wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) ein Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates (HRZ) gestellt. Aufgrund des unbekannten Aufenthaltes des BF konnte die notwendigen Identifizierung und die damit einhergehenden persönlichen Vorführung des BF vor die indische Vertretungsbehörde nicht durchgeführt werden.

1.3. Am 08.08.2017 wurde der BF im Zuge einer polizeilichen Kontrolle in 1020 Wien, Praterstern angetroffen. Der BF konnte bis auf eine Jahreskarte der öffentlichen Verkehrsmittel keine Ausweisdokumente vorweisen. Nach einer EKIS Anfrage wurde der BF aufgrund der ausgeschriebenen Aufenthaltsermittlung zur nächsten Polizeiinspektion gebracht. Nach Rücksprache mit dem Bundesamt wurde die Direkteinlieferung in das PAZ HERNALSER GÜRTEL veranlasst.

Der BF wurde im Anschluss an seine Direkteinlieferung in das PAZ HERNALSER GÜRTEL vor dem Bundesamt unter Beiziehung eines Dolmetschers der Sprache Punjabi niederschriftlich einvernommen.

Die Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

"Stand des Ermittlungsverfahrens/Parteigehör

Wann Sie genau in das Bundesgebiet eingereist sind, entzieht sich der Kenntnis der Behörde.

Sie haben am 14.12.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei Sie angeben den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger von Indien und am XXXX geboren zu sein.

Ihr Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten wurde erstinstanzlich abgewiesen. Sie wurden aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Gegen diese Entscheidung brachten Sie fristgerecht Beschwerde ein. Diese ist negativ beschieden worden, die Entscheidung ist am 25.05.2012 in Rechtskraft II. Instanz erwachsen. Somit ist die Entscheidung - Ausweisung erlassen mit Bescheid des BAA, Erstaufnahmestelle Ost, Zahl. 10 11 751, rechtskräftig geworden (RK II. Instanz am 25.05.2012).

Seit Ihrer Haftentlassung aus der Schubhaft am 16.08.2012 haben Sie sich trotz aufrechter

Ausweisung im Bundesgebiet gemeldet, haben Sie das Land nicht verlassen. Seit

24.06.2014 sind Sie unbekannten Aufenthalts.

Im zentralen Melderegister scheint derzeit keine aufrechte Wohnsitzmeldung auf.

Am 08.08.2017 sind Sie um 09:30 vom Beamten der LPD Wien 20 SPK Brigittenau im Rahmen eines Fußstreifendienstes in 1020 Wien, Praterstern (Bahnhofshalle) am Boden der Halle liegend vorgefunden worden. Sie weigerten sich, nach mehrmaliger Aufforderung - aufzustehen. Sie konnten sich nicht ausweisen, Dokumente hatten Sie keine, außer einer Wr. Linien Jahreskarte.

Es wurde fernmündlich mit dem BFA Journaldienst Kontakt aufgenommen und wurde seitens BFA eine Direkteinlieferung ins PAZ HG verfügt.

Im Zuge Ihrer ns-Einvernahme am 08.08.2017 gaben Sie an:

F: Wie heißen Sie, wann und wo sind Sie geboren?

A: Ich heiße XXXX , bin am XXXX in Indien, XXXX geboren.

F: Haben Sie Dokumente mit? Hatten Sie jemals einen Reisepass?

A: Nein, habe ich keine. RP habe ich einem Taxifahrer, das war ein Afrikaner, gegeben.

Nachgefragt gebe ich an, dass ich eine Jahreskarte der Wr. Linien besitze. Führerschein habe ich nicht.

F: Warum haben Sie sich eine Jahreskarte gekauft, wenn Sie sich gar nicht im Bundesgebiet aufhalten müssen?

A: Weil ich überall hinfahren muss, zum Arzt, diverse Wege... darum habe ich die Jahreskarte.

F: Haben Sie Verlust/ Diebstahl der Dokumente (Reisepass) der Polizei gemeldet?

A: Nein, habe ich nicht. Seit 6 Monaten habe ich mit den Problemen zu kämpfen.

F: Welche Gegenstände befinden sich bei Ihren Effekten, die zur Klärung

Ihrer Identität beitragen könnten (z.B. sonstige Ausweise, Mobiltelefon mit Nummer, Visitenkarten, Rechnungen udgl.)?

A: Nein, gar nichts.

F: Sie stellten erstmals in Österreich am 14.12.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Warum haben Sie nach dem negativen Ausgang Ihres Verfahrens nicht das Bundesgebiet verlassen?

A: Weil ich nicht möchte, dass ich meine Familie hier lasse. Auch gesundheitlich geht es mir nicht so gut und ich habe überhaupt keine Ahnung, dass es solche Bescheide gibt.

F: Am 16.08.2012 sind Sie zuletzt aus der Schubhaft entlassen worden. Sind Sie in Hungerstreik getreten?

A: Ich will nicht Österreich verlassen.

F: Wo haben Sie genächtigt? Sie sind die letzten 3 Jahre nicht gemeldet, genau seit 24.06.2014?

A: Wo ich was gefunden habe... ich bin die ganze Zeit in Österreich, habe das Land nie verlassen. Ich habe keine Ahnung wo ich geschlafen habe.

F: Warum haben Sie sich nicht behördlich gemeldet?

A: Jetzt komme ich langsam zu mir ... ich habe es alles gar nicht

gewußt, was alles zu tun ist.

F: Wie haben Sie Ihr Lebensunterhalt bestritten?

A: Ich habe was zum Essen vom Caritas bekommen, von guten Menschen,...

F: Wie viel Bargeld haben Sie bei sich?

A: Nein, gar nichts.

F: Sind Sie verheiratet? Wo lebt Ihre Ehefrau?

A: Ja, meine Ehefrau heißt XXXX , ist ca. 35 Jahre alt und wohnt in

22. Wien, XXXX , 1220 Wien.

F: Warum wohnen Sie mit Ihrer Frau nicht zusammen in einem Haushalt?

A: Ich war Alkoholiker, deswegen dürfte ich dort nicht wohnen.

Anm.: Sie haben sich dort behördlich anmelden müssen.

A: Eigentlich wohnt meine Frau dort und Jemand vermietet ihr die Wohnung und hat erlaubt, dass nur Sie und zwei Kinder dort wohnen.

F: Haben Sie Kinder, für welche Sie sorgepflichtig sind und wo sind diese wohnhaft?

A: Ich habe zwei Söhne, 12 und 7 Jahre alt. Die Kinder wohnen in Österreich und leben in gemeinsamen Haushalt mit Ihrer Mutter.

Nachgefragt gebe ich an, dass ich keine Alimente für die Kinder zahle. Obsorgeberechtigt ist glaube ich meine Frau.

F: Haben Sie Familie oder Freunde in Österreich?

A: Nein. Familie nicht, Freunde schon ... Inder und Österreicher.

F: Wo lebt Ihre Familie, in Indien?

A: Mein Vater - XXXX und meine Mutter XXXX leben in Indien. Zwei Geschwister, ein Bruder und eine Schwester wohnen auch ebendort.

F: Was haben Sie in Ihrer Freizeit gemacht?

A: Ich bete. Ich habe nie gearbeit. Mein Bein ist nicht ganz funktionsfähig.

Anm.: Fremde gibt keine konkreten Beschwerden an, die seine Haftfähigkeit in Frage stellen würden.

F: Konsumieren Sie Drogen?

A: Ich nehme 5-mal am Tag Opium. Im 2-ten Bezirk in Wien gibt ein Geschät, wo man sich das Zeug kaufen kann. Damit habe ich meine Herz- und andere Probleme in Griff.

F: Sind Sie/ waren Sie in Indien strafrechtlich oder politisch verfolgt/ verurteilt worden?

A: Keine.

Entscheidung

Aufgrund einer Entscheidung der Republik Österreich wurde Ihr artikuliertes Heimatland Indien als sicherer Drittstaat eingestuft und wird seitens der Behörde ein Heimreisezertifikat für Sie beantragt, sodass Sie nach Indien abgeschoben werden können.

Mir wurde zur Kenntnis gebracht, dass vor Ausstellung eines Heimreisezertifikates

durch die für mich in Österreich zuständige Vertretungsbehörde eine entsprechende

Identitätsprüfung vorzunehmen ist. Die HRZ-Formblätter wurden mit der Hilfe des Dolmetschers ausgefüllt.

Im Hinblick auf Ihr persönliches Verhalten, die aktuelle Situation, erhebliche Gefahr des Untertauchens (nicht gemeldet und mittellos), wird über Sie Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gem. § 76 Abs. 2 Zi. 1 verhängt.

Sie sind unterstandslos, verfügen über keinerlei Barmittel, haben in Österreich keine sozialen oder beruflichen Ankerpunkte und haben sich in der Vergangenheit bereits als unzuverlässig erwiesen.

Ihnen wird abermals zur Kenntnis gebracht, dass gegen Sie eine rechtskräftige und durchsetzbare Ausweisung besteht und Sie Österreich fernzubleiben haben. Der Bescheid wird Ihnen im Anschluss an die Niederschrift ausgehändigt.

Ihnen wird zur Kenntnis gebracht, dass Ihre rechtswidriger Aufenthalt im Bundesgebiet eine verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit im Sinne des § 120 Abs 1a FPG nach sich zieht. Ihre ha. getätigten Angaben werden hiermit auch zur Stellungnahme in einem Verwaltungsstrafverfahren vor der Landespolizeidirektion Wien, AFA 2 - Fremdenpolizei (1210 Wien, Hermann Bahr - Straße 3) herangezogen und es ergeht von dort diesbezüglich eine gesonderte Entscheidung.

Ich habe alles verstanden. Meine Angaben entsprechen der Wahrheit.

F: Möchten Sie noch etwas angeben, haben Sie die Entscheidung verstanden?

A: Ja, habe ich verstanden. Ich bin aber über 8 Jahre hier, mein Kind wird jetzt in die Schule gehen und ich will nicht nach Indien zurück".

2. Mit verfahrensgegenständlichen Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 08.08.2017, dem BF zugestellt am selben Tag um 14:40 Uhr durch persönliche Übernahme, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Zum Verfahrensgang führte die belangte Behörde aus:

"Wann Sie genau in das Bundesgebiet eingereist sind, entzieht sich der Kenntnis der Behörde.

Sie haben am 14.12.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, wobei Sie angeben den Namen XXXX zu führen, Staatsangehöriger von Indien und am XXXX geboren zu sein.

Im Zuge der Amtshandlung stellten Sie am 27.06.2011 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

Ihr Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten wurde erstinstanzlich abgewiesen. Sie wurden aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Gegen diese Entscheidung brachten Sie fristgerecht Beschwerde ein. Diese ist negativ beschieden worden, die Entscheidung ist am 25.05.2012 in Rechtskraft II. Instanz erwachsen. Somit ist die Entscheidung - Ausweisung erlassen mit Bescheid des BAA, Erstaufnahmestelle Ost, Zahl. 10 11 751, rechtskräftig geworden (RK II. Instanz am 25.05.2012).

Seit Ihrer Haftentlassung aus der Schubhaft am 16.08.2012 haben Sie sich trotz aufrechter

Ausweisung im Bundesgebiet gemeldet, haben Sie das Land nicht verlassen. Seit

24.06.2014 sind Sie unbekannten Aufenthalts.

Im zentralen Melderegister scheint derzeit keine aufrechte Wohnsitzmeldung auf.

Mir wurde zur Kenntnis gebracht, dass vor Ausstellung eines Heimreisezertifikates

durch die für mich in Österreich zuständige Vertretungsbehörde eine entsprechende

Identitätsprüfung vorzunehmen ist. Am 12.10.2016 wurde bei der Vertretungsbehörde ein HRZ Antrag gestellt.

Am 08.08.2017 sind Sie um 09:30 vom Beamten der LPD Wien 20 SPK Brigittenau im Rahmen eines Fußstreifendienstes in 1020 Wien, Praterstern (Bahnhofshalle) am Boden der Halle liegend vorgefunden worden. Sie weigerten sich, nach mehrmaliger Aufforderung - aufzustehen. Sie konnten sich nicht ausweisen, Dokumente hatten Sie keine, außer einer Wr. Linien Jahreskarte."

Das Bundesamt gründete den Bescheid auf folgende Feststellungen:

" Zu Ihrer Person:

Sie sind indischer Staatsbürger. Ihre Person steht mangels vorgelegter Identitätsdokumente nicht fest.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Es besteht gegen Sie eine rechtskräftige Ausweisung vom 25.05.2012 (Rechtskraft II. Instanz). Somit halten Sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sie leben als U-Boot mehr als 3 Jahre in Österreich, haben sich nie angemeldet, auf die konkreten Fragen antworten Sie ausweichend und zeigen sich nicht kooperativ.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

-

Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie illegal in das österreichische Bundesgebiet einreisten.

-

Trotz des negativ beschiedenen Asylbescheides (Ausweisung), haben Sie sich behördlich im Bundesgebiet angemeldet, statt das Land zu verlassen.

-

Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und hielten sich bislang im Verborgenen auf.

-

Es bestehen keine nennenswerten familiären, sprachlichen, beruflichen oder sozialen Anknüpfungspunkte zu Österreich. Zwar gaben Sie an, verheiratet zu sein, Ihre Frau und 2 minderjährige Kinder wohnen in Österreich, jedoch leben Sie nicht mit Ihnen in einem gemeinsamen Haushalt und sind an der angegeben Adresse auch nicht behördlich gemeldet.

-

Sie haben keine anderen Familienangehörigen in Österreich. Ihre Familie lebt in Indien.

-

Sie konnten oder keine Adresse angeben, an welcher Sie sich aufhalten und somit im fremdenpolizeilichen Verfahren greifbar wären. Sie haben sich seit 24.06.2014 nicht behördlich gemeldet.

-

Sie reisten nach rechtskräftigem negativem Abschluss Ihres Asylverfahrens nicht aus.

-

Sie verfügen über keine finanziellen Mittel, um Ihren Aufenthalt bzw. Ihre Ausreise selbständig zu bestreiten.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Ihre Familie lebt in Indien. Ihre Frau und Kinder leben in Wien, Sie wohnen aber nicht im gemeinsamen Haushalt mit Ihnen und sind auch nicht dort gemeldet. Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert. Es liegen keine verfahrensrelevanten Bindungen zu Österreich vor.

Rechtlich führte das Bundesamt folgendes aus:

"Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende

Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

Ihre Asylverfahren wurden negativ abgeschlossen und besteht gegen Sie eine rechtskräftige Ausweisung. Obwohl Sie gesetzlich dazu verpflichtet waren, reisten Sie nicht innerhalb der gewährten Frist freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet aus. Sie verblieben unrechtmäßig in Österreich.

Das Argument, dass Sie von der negativen Entscheidung nichts wussten, entpuppt sich als inhaltslos.

Sie verfügen seit 24.06.2014 über keine behördliche Meldung im österreichischen Bundesgebiet. Seither hielten Sie sich unter Umgehung des Meldegesetzes im Verborgenen auf. Es ist einer zufälligen Kontrolle durch die Polizei zu verdanken, dass die Behörden Ihrer habhaft wurden.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 08.08.2017 konnten Sie keine Adresse bekanntgeben, an welcher Sie Unterkunft genommen haben und an welcher Sie für die Behörden greifbar wären. Somit sind Sie auch für das fremdenpolizeiliche Verfahren nicht greifbar. Auch haben Sie als äußerst unkooperativ erwiesen.

Sie tauchten in Österreich unter und meldeten sich bewusst behördlich nicht an, um behördlichen Maßnahmen und Ihrer Abschiebung nach Indien zu entgehen.

Es bestehen keine familiären, beruflichen, sprachlichen oder sozialen Bindungen zu Österreich. Ihre Familie lebt in Indien. Sie gehen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine Möglichkeit, dass Sie eine Arbeit finden.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hin künftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Wie bereits angeführt, verfügen Sie über keine Unterkunft und keine behördliche Meldung. Sie verfügen über keine ausreichenden Barmittel, um Ihren Aufenthalt bzw. Ihre Ausreise zu finanzieren. Sie haben weder legale berufliche noch soziale Bindungen zu Österreich. Es liegt daher ein berechtigter Verdacht vor, dass Sie eine Entlassung nur dazu benützen werden, um weiterhin in Österreich zu verbleiben und sich durch Untertauchen einem behördlichen Zugriff entziehen.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Ihr bisheriges Verhalten hat gezeigt, dass Sie nicht gewillt sind, das österreichische Bundesgebiet freiwillig zu verlassen und sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren, auf freiem Fuß belassen, nicht stellen werden. Es ist daher von einem Sicherungsbedarf auszugehen, um Ihren unrechtmäßigen Aufenthalt zu beenden.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung und der öffentlichen Sicherheit hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."

Unter einem wurde dem BF die Verfahrensanordnung vom selben Tag, mit dem ihm die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater beigegeben wurde, zugestellt.

3. Mit Schriftsatz vom 18.08.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 22.08.2017, erhob der BF durch seine Rechtsberatung, der er am 16.08.2017 Vollmacht erteilt hatte, fristgerecht Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 08.08.2017 sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 08.08.2017.

Zusammenfassend wurde vorgebracht, die belangte Behörde habe eine ordnungsgemäße Subsumtion unterlassen, in dem weder im Spruch noch in der Begründung angeführt worden sei, welche der in § 76 Abs. 3 Z 1 bis 9 FPG festgelegten Kriterien durch welchen konkreten Sachverhalt verwirklicht seien. Zudem stütze die belangte Behörde die Fluchtgefahr insbesondere auf die fehlende soziale Verankerung des BF in Österreich (§ 76 Abs. 3 Z 9FPG). Die Behörde führte jedoch im Bescheid selbst aus, dass die Ehefrau und die zwei minderjährigen Kinder des BF in Österreich wohnen würden. Der BF verfüge daher über familiäre und soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Der BF habe der Rechtsberatung mitgeteilt, dass er seine Kinder regelmäßig besuche und in engen Kontakt mit diesen stehe. Ferner treffe es zwar zu, dass der BF seit 24.06.2014 nicht behördlich gemeldet sei. Der BF könne jedoch nach der Haftentlassung bei dessen Freund Unterkunft nehmen. Die Feststellung der belangten Behörde, der BF verfüge über keine sozialen Anknüpfungspunkte erweise sich daher als unbegründet.

Sofern die belangte Behörde die Fluchtgefahr zudem auf § 76 Abs. 3 Z 2 stützt, sei dies unrichtig. Aus der Aktenlage sei nicht zu entnehmen, dass gegen den BF ein Einreiseverbot/Aufenthaltsverbot verhängt worden wäre. Gegen den BF sei lediglich am 11.06.2012 ein Betretungsverbot für zwei Wochen verhängt worden. Es stehe fest, dass der BF mangels Reisedokuments oder Ersatzreisedokuments aus Österreich nicht ausreisen habe können.

Dem Behördenvorbringen, wonach sich der BF aufgrund des oben geschilderten Verhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen habe, sei entgegen zuhalten, dass diesen Ausführungen jeglicher Begründungswert fehle, da kein Bezug zu einem konkreten Verhalten hergestellt werde, das diesen Schluss zulassen würde. Ebenso unzutreffend sei es, dass sich der BF nicht an die österreichischen Rechtsvorschriften halten würde. So sei er unbescholten.

Zum Gesundheitszustand des BF wurde ausgeführt, dass dieser schwer herzkrank sei und regelmäßig verschiedene Medikamente einnehmen müsse. Aus den der Rechtsberatung zur Verfügung gestellten Ärztebriefen und Bedungen gehe zweifelsfrei hervor, dass der BF an einer koronaren Dreigefäßerkrankung, an einem chronischen Alkoholabusus, an Diabetes mellitus sowie an einer muskulären Atrophie der linken unteren Extremität unklarer Genese leide. Nach einem akuten Myokardinfarkt am 03.09.2015 seien dem BF 2 Stents implantiert worden. Am 06.09.2015 sei dem BF ein weiterer Stent implantiert worden. Die belangte Behörde habe den prekären Gesundheitszustand des BF im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung im angefochtenen Bescheid nicht ausreichend berücksichtigt. Für den BF sei kein genaues Ende der Schubhaft absehbar. Dies bedeute für den BF eine aufgrund seines Krankheitsbildes bestehende überdurchschnittliche psychische Belastung, weshalb eine ma0gebliche Verschlechterung seines Krankheitsbildes durch die Anhaltung n Schubhaft zu erwarten sei. Daraus folge, dass die Haftfähigkeit des BF entgegen der Ansicht des BFA ernsthaft in Zweifel zu ziehen sei.

Zur Nichtanwendung gelinderer Mittel wurde ausgeführt, dass der BF bereit sei, mit Behörden zu kooperieren und insbesondere einer periodischen Meldeverpflichtung sowie einer allfälligen angeordneten Unterkunftnahme Folge leisten würde.

Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt, das BVwG möge ein medizinisches Fachgutachten durch einen Facharzt für Kardiologie und Psychiatrie einholen; den angefochtenen Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgten; im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen und der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß VwG - Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen habe, auferlegen

Im Anhang zur Beschwerde wurden medizinische Unterlagen des BF vorgelegt.

4. Der BF stellte am 22.08.2017 aus dem Stande der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

5. Am 22.08.2017 legte das Bundesamt die Akten vor und erstattete nachstehende Stellungnahme:

"Herr XXXX ( BF) wurde am 08.08.2017 um 08:45 Uhr in Wien 2 Praterstern auf den Boden lungern durch Beamte der PI Lassallestrasse angetroffen. Eine Personenkontrolle ergab, dass sich der BF illegal im Bundesgebiet aufhält. Der BF wurde nach den Bestimmungen des FPG angezeigt und nach den Bestimmungen des BFA-VG festgenommen und in das PAZ HG eingeliefert.

Am 08.08.2017 um 13:20 Uhr wurde der BF niederschriftlich einvernommen.

Am 08.08.2017 um 14:40 Uhr wurde dem BF der Schubbescheid persönlich übergeben.

Am 08.08.2017 wurde ein HZ Verfahren gestartet. Am 17.08.2017 wurde ein entsprechendes Ersuchen an die indische Vertretungsbehörde gerichtet.

Am 22.08.2017 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Erstbefragung wurde am gleichen Tag durchgeführt und endete gegen 10:10 Uhr.

Am 22.08.2017 langte auch die Schubhaftbeschwerde des BF ein.

Der Beschwerde muss zunächst entgegengehalten werden, dass im Schubbescheid die Fluchtgefahr, die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung und die Nichtanwendung des gelinderen Mittels entsprechend gewürdigt wurden.

Der BF war seit 24.06.2014 unbekannten Aufenthaltes. Mit 25.05.2012 wurde der erste Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig negativ abgewiesen. Seit diesem Zeitpunkt besteht eine durchsetzbare Ausweisung nach dem AsylG.

Am 12.10.2016 wurde bereits ein Ansuchen auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates gestellt. Zum damaligen Zeitpunkt befand sich der BF jedoch unbekannten Aufenthaltes. Für die Identifizierung ist jedoch eine persönliche Vorführung zum indischen Konsulat erforderlich.

Aufgrund der rechtskräftigen asylrechtlichen Ausweisung und der Androhung der Kontaktaufnahme mit der indischen Vertretungsbehörde zwecks Erlangung eines entsprechenden Heimreisezertifikates muss der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 76 Abs. 6 FPG als Handlung zur Verhinderung der Abschiebung angesehen werden.

Die niederschriftliche Einvernahme ergab, dass der BF keinen gemeinsamen Wohnsitz mit der Familie hat. Laut eigenen Angaben des BF ist ein gemeinsamer Haushalt nicht mehr gestattet. Auf die Frage nach dem Wohnsitz gab der BF an, dass der BF, wo er etwas gefunden hat, übernachtet hat. Auf die Frage nach Freunden gab der BF keine Namen an.

Es muss daher festgestellt werden, dass der namentlich genannter Freund bis dato unbekannt war. Es ist auch nicht nachvollziehbar, warum der BF diesen Freund verschweigt, wenn diese Person eine Unterkunft zur Verfügung stellt und der BF zuvor nie wusste, an welcher Örtlichkeit die Übernachtung erfolgen kann. Es ist verwunderlich, dass dieser Freund erst jetzt auftaucht und zuvor offensichtlich keine Unterkunft zur Verfügung gestellt wurde. Im Rahmen von Schubhaftbeschwerden der ARGE Rechtsberatung tauchen immer wieder angebliche Freunde und Unterkunftgeber auf, welche zuvor durch die BF nie angegeben wurden. Aus ha. Sicht muss diese Unterkunftnahme als Gefälligkeit betrachtete werden, welche nur dazu dient, um die Entlassung des BF zu ermöglichen und in weiterer Folge das Untertauchen des BF zu unterstützen. Es ist daher nicht sichergestellt, dass der BF tatsächlich an der genannten Adresse Unterkunft nehmen wird. Der BF war in den letzten Jahren untergetaucht und hat den illegalen Aufenthalt im Verborgenen fortgesetzt. Das persönliche Verhalten des BF zeigt eindeutig, dass behördliche Entscheidungen nicht eingehalten werden und der Verbleib im Bundesgebiet im Vordergrund steht. Der BF wird sich daher keinen Verfahren stellen, wo zu befürchten ist, dass der BF nach Indien überstellt werden kann. Dem BF muss daher die Vertrauenswürdigkeit abgesprochen werden und konnte ein gelinderes Mittel nicht angewandt werden.

Der nunmehrige Asylantrag wurde offensichtlich zum Zweck des Verbleibes in Österreich und zur Verhinderung der Abschiebung gestellt. In der niederschriftlichen Einvernahme am 08.08.2017 gab der BF an, dass weder strafrechtliche oder politische Verfolgungen in Indien zu erwarten sind. Andere Bedrohungsszenarien wurden durch den BF ebenfalls nicht genannt. Es ist daher zu befürchten, dass der BF den Antrag auf internationalen Schutz dazu benützt, um aus der Haft entlassen zu werden und danach wieder unterzutauchen, so dass das Verfahren internationaler Schutz eingestellt werden muss.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass der BFA untertaucht, um sich dem Verfahren vor dem BFA und der Sicherung der Abschiebung nach Indien zu entziehen, als schlüssig anzusehen ist.

Der Sicherungsbedarf war somit gegeben.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

1. die Beschwerde als unbegründet abweisen unzulässig zurückzuweisen,

2 gemäß § 22a BFA-VG feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen,

3 den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten."

6. Mit Aktenvermerkt der belangten Behörde vom 23.08.2017 wurde festgestellt, dass zum jetzigen Zeitpunkt im Sinne des § 76 Abs. 6 FPG Gründe zur Annahme bestehen würden, dass der am 19.05.2017 (gemeint wohl: 22.08.2017) gestellte Antrag auf internationalen Schutz zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt worden sei. Die Anhaltung in Schubhaft bleibe derzeit aufrecht, da die Voraussetzungen hierfür vorliegen würden.

7. Mit Ladungen vom 28.08.2017 lud das Bundesverwaltungsgericht die Parteien zur mündlichen Verhandlung am 29.08.2017. Die Verhandlung unter Anwesenheit des BF, seines Rechtsberaters und eines Dolmetschers Sprache Punjabi gestaltete sich wie folgt:

"RI: Können Sie sich konzentrieren? Können Sie an der Verhandlung teilnehmen?

BF: Ja, ich wollte seit längerer Zeit, dass jemand mir zuhört. Ich wusste nur nicht, wohin ich gehen soll, damit man mir zuhört.

RI: Wie geht es Ihnen gesundheitlich?

BF: Ich bin in ärztlicher Behandlung wegen einer Herzkrankheit. Ich wurde dreimal operiert und bekam Stents eingesetzt.

RI: Wie oft sehen Sie jetzt einen Arzt?

BF: Alle 20 Tage gehe ich zum Arzt, um mir die Rezepte für die neuen Medikamente zu holen. Dort wird auch mein Blutdruck gemessen und mein Zucker kontrolliert. Auch im Donauspital bekam ich Ladungen. Ich denke, das waren wegen 60-Euro Bezahlung. Das Geld habe ich damals nicht gehabt und ich hatte auch keine Dokumente bzw. E-Card und ich verstehe auch die Sprache nicht. Wenn ich eine E-Card hätte, würde ich auch dort zur Kontrolle gehen.

RI: Seit wann sind Sie in Österreich?

BF: Ich bin Ende 2009 oder 2010 gekommen. Ich kann mich jetzt nicht so genau erinnern.

RI: Wovon haben Sie in Österreich gelebt?

BF: Die ersten anderthalb Jahre bekam ich eine Wohnung für mich und meine Familie durch die Caritas. Dann ist das Asylverfahren negativ entschieden worden und man hat uns die weißen Karten abgenommen. (BF schluchzt.) Meine Gattin hat hier eine Arbeit. Meine Frau hat gesagt, ich soll mit dem Alkohol aufhören und dann kann ich auch bei ihr wohnen und sie würde auf mich aufpassen.... (Anmerkung der D:

"Mehr ist aus dem BF nicht herauszukriegen nach dreimaliger Nachfrage).

RI: Wann haben Sie Ihre Gattin und die Kinder das letzte Mal gesehen?

BF: Mein Kind hatte neulich Geburtstag. Meine Familie hat mich damals im Polizeianhaltezentrum besucht.

RI: Wissen Sie eigentlich, warum Sie im Polizeianhaltezentrum sind?

BF: Ja, weil ich keinen Meldezettel habe und kann ich einen solchen nicht bekommen, weil ich keine Dokumente habe.

RI: Das stimmt zum Teil, aber nicht ganz. Sie sind in Schubhaft genommen worden, weil Sie keinen Aufenthaltstitel in Österreich mehr haben und nach Indien zurückfahren müssen. Deshalb befinden Sie sich im Polizeianhaltezentrum. Verstehen Sie das?

BF: Ich habe mich jetzt in letzter Zeit erfangen. Ich war fünf Jahre lang verwahrlost. Ich bin vor einem Polizeiauto, vor der Rettung geflüchtet. Einmal haben mich die Polizisten von einem Fluss rausgeholt. Dann wurde ich in einer psychiatrischen Anstalt untergebracht, aber jetzt, seit einigen Tagen geht es mir etwas besser und ich bekomme auch meine Behandlung.

RI: Was für eine Behandlung bekommen Sie?

BF: Ich bekomme eine Behandlung wegen meiner Herzkrankheit. Ich habe auch Beschwerden im linken Bein. Außerdem bekomme ich Beschwerden, wenn ich gehe. Deswegen bin ich meistens im Bett.

RI: Fühlen Sie sich dort wohl, wo Sie jetzt sind?

BF: Ich möchte entlassen werden und ich werde zu jedem Termin erscheinen. Darauf gebe ich mein Wort.

RI: Wo würden Sie hingehen, wenn Sie entlassen werden?

BF: Ich habe einen Freund. Vorerst werde ich zu ihm gehen. Ich habe seinen Namen bekannt gegeben. Eventuell möchte ich zu meiner Familie.

RI: Wie heißt der Freund?

BF: XXXX (BF deutet auf seine Vertreterin). Meine Rechtsberaterin weiß seinen richtigen Namen. Ich kenne nur den Rufnamen XXXX . Aber sein richtiger Name (BF deutet auf seine Vertreterin). XXXX ist der Familiennamen.

RI: Ich habe Sie vorher gefragt, ob Sie sich schlecht oder wohlfühlen, dort wo Sie jetzt sind. Können Sie mir das beantworten?

BF: Nein, ich fühle mich dort nicht wohl. Keiner würde sich dort wohl fühlen.

RI: Sie waren schon einmal in Schubhaft. Ist das richtig?

BF: Ja, ich war damals ja psychisch instabil. Wie vorhin gesagt, war ich immer auf der Flucht. Manchmal bin ich in fremde Häuser eingedrungen....

RI an RV: In der Beschwerde ist unter anderem gesagt worden, es gebe ein Konvolut von medizinischen Unterlagen, das zu umfangreich gewesen wäre, um es der Beschwerde beizulegen. Um welche Dokumente handelt es sich dabei?

RV verweist darauf, dass die Dokumente per E-Mail an die Einlaufstelle des Gerichtes des BVwG übermittelt worden seien. (RV legt ein Konvolut von Dokumenten vor, die in Kopie zum Akt genommen werden).

RI: Können Sie mir zusammengefasst sagen, woran der BF leidet?

RV: In der Beschwerde haben wir den Zustand kurz zusammengefasst (Verweis auf die auf der fünften Seite angeführten Krankheitsbilder sowie auf Seite 6 die Stentsetzungen nach dem Myokardinfarkt am 03.09.2015).

Die Verhandlung wird um 13:45 Uhr unterbrochen und um 14:14 Uhr fortgesetzt.

RV: Ich möchte als ersten Punkt die Unterbringungssituation erwähnen: Der BF könnte bei einem Freund der Familie unterkommen, mit dem die Unterbringung des BF bereits abgeklärt ist. Die genauen Kontaktdaten bzw. den genaue Namen und die Telefonnummer haben wir auf Seite 2 der Beschwerde angegeben. Dementsprechend würde auch keine Fluchtgefahr vorliegen, weil er bei diesem Freund der Familie wohnen könnte.

Zudem ist der BF nicht abschiebbar, weil Indien keine Heimreisezertifikate ausstellt. Es wurde bereits am 12.10.2016 die Ausstellung eines Heimreisezertifikats beantragt. Es ist nicht absehbar, wie lange eine Schubhaft dauern würde. Dementsprechend wäre die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft unverhältnismäßig.

Zusätzlich besteht in Österreich ein schützenswertes Familienleben gem. Art. 8 EMRK. Der BF hat zwei minderjährige Kinder, die auf seine Hilfe angewiesen sind. Diese Kinder halten sich legal in Österreich auf, weil sie hier einen Aufenthaltstitel besitzen. Dementsprechend ist es auch für den BF möglich, einen Aufenthaltstitel zu beantragen.

RI: Wissen Sie etwas über den neuen Asylantrag des BF?

RV: Ich persönlich habe es auch gerade erst erfahren. Es gab offensichtlich noch keine Einvernahme. Zur Haftfähigkeit möchte ich noch einmal darauf verweisen, dass der BF schwer krank ist und das auch im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu prüfen sein wird."

Mit Schreiben des Bundesamtes vom 30.08.2017 wurde die schriftliche Ausfertigung des am 29.08.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige BF ist nicht österreichischer Staatsbürger und nach eigenen Angaben indischer Staatsangehöriger. Er verfügte zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung über kein Aufenthaltsrecht für Österreich.

Der BF stellte im Bundesgebiet sowohl 2010 als auch 2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der erste Asylantrag des BF wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 23.05.2012 gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen. Gegen den BF besteht seit 25.05.2012 eine durchsetzbare und durchführbare Ausweisung. Daran ändert auch die Asylfolgeantragsstellung des BF aus dem Stande der Schubhaft am 22.08.2017 nichts, da diesem der faktische Abschiebeschutz nach § 12a AsylG 2005 nicht zukommt.

Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach. Er wurde bereits von 19.06.2012 bis 16.08.2012 in Schubhaft genommen, musste jedoch wegen Haftunfähigkeit freigelassen werden.

Er lebte bis 24.06.2014 bei seiner Ehefrau und seinen beiden minderjährigen Kindern. Danach tauchte er unter und lebte im Verborgenen.

Die Ehefrau sowie die beiden minderjährigen Kinder des BF haben den Status der subsidiär Schutzberechtigten im Bundesgebiet inne.

Der BF befindet sich infolge einer polizeilichen Zufallskontrolle seit 08.08.2017 in Schubhaft, die im Polizeianhaltezentrum HERNALSER GÜRTEL vollzogen wird.

Bereits am 08.08.2017 wurde ein Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der indischen Vertretungsbehörde aufgenommen.

Der BF leidet an einer Koronaren Dreigefäßerkrankung wobei ihm aufgrund eines Herzinfarktes im Jahr 2015 insgesamt drei Stents gesetzt werden mussten. Zusätzlich ist der BF an Diabetes mellitus und einer muskulären Atrophie der linken unteren Extremität erkrankt und leidet unter chronischer Alkoholabhängigkeit.

Der belangten Behörde war zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides zumindest bekannt, dass der BF zumindest an Herzproblemen leidet.

Der BF leidet unter massiven gesundheitlichen Problemen.

2. Beweiswürdigung:

Dass der BF nicht österreichischer Staatsbürger ist, ergibt sich aus dem IZR und den damit in Einklang stehenden Angaben des BF. Dass der BF indischer Staatsangehöriger ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben in seinen bisherigen Verfahren.

Dass der BF zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung über kein Aufenthaltsrecht für Österreich oder einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union verfügt, ergibt sich aus dem IZR und seinen gleichbleibenden Angaben.

Die Angaben zu seinem abgeschlossenen Asylverfahren sowie seinem Folgeantrag ergeben sich aus den beigeschafften Akten des Bundesamtes und des Bundesverwaltungsgerichts.

Dass der BF seit seiner Asylantragsstellung im Bundesgebiet nicht durchgehend behördlich gemeldet war, und lediglich bis 24.06.2017 bei seiner Ehefrau behördlich gemeldet war, ergibt sich aus der Einsicht in das ZMR.

Die Angaben zur Festnahme des BF ergeben sich aus dem vorliegenden Akt, die Angaben zum Vollzug der Schubhaft ergeben sich aus der Anhaltedatei.

Die Angaben zur bereits beantragten Ausstellung eines Heimreisezertifikates ergeben sich aus der Stellungnahme der belangten Behörde vom 22.08.2017.

Dass der BF in einem prekären gesundheitlichen Zustand ist, ist ergibt sich zum einen aus dem vorliegenden Konvolut an medizinischen Unterlagen über die stationären Behandlungen und Befunde des BF sowie zum anderen aus dem persönlichen Eindruck der erkennenden Richterin im Rahmen der hg. Verhandlung. Laut vorliegenden medizinischen Unterlagen, insbesondere dem Patientenbrief der Rudolfstiftung vom 03.02.2016, leidet der BF an einer Koronaren Dreigefäßerkrankung wobei ihm 2015/2016 aufgrund eines Herzinfarktes insgesamt drei Stents gesetzt werden mussten. Zusätzlich ist der BF an Diabetes mellitus und einer muskulären Atrophie der linken unteren Extremität erkrankt und leidet unter chronischer Alkoholabhängigkeit.

Dass der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung zumindest bekannt war, dass der BF an Herzproblemen leidet, ergibt sich aus dem Umstand, dass dieser gelegentlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt am 08.08.2017 auf die Frage ob er Drogen konsumiere angab, Opium zu konsumieren und damit seine "Herz- und anderen Probleme in Griff habe".

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen. Gegen die Anordnung der Schubhaft ist gemäß § 22a Abs. 5 BFA-VG eine Vorstellung nicht zulässig.

2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem BF gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgeset

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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