Entscheidungsdatum
28.03.2019Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W175 2215347-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , iranische Staatsangehörige, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.02.2019, Zl. 601002504-181221042, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als
unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang
Die Beschwerdeführerin (in der Folge: BF), eine iranische Staatsangehörige, stellte am 19.12.2018 den vorliegenden Antrag auf internationalen Schutz in Österreich und wurde am selben Tag erstbefragt. Hierbei gab sie an, ihre Heimat im Oktober 2018 mit einem von der niederländischen Botschaft in Teheran ausgestellten Visum (gültig vom 08.10.2018 bis zum 22.11.2018) verlassen zu haben und sich vom 20.10.2018 bis zum 16.12.2018 in den Niederlanden aufgehalten zu haben. Sie habe dort nicht um Asyl angesucht und könne auch nichts über ihren dortigen Aufenthalt angeben. Sie wolle bei ihrer in Österreich lebenden Schwester, die hier eine Aufenthaltsberechtigung habe, bleiben.
Nach Einsicht in die Visa-Datenbank konnte festgestellt werden, dass die BF im Besitz eines niederländischen Schengen-Visums der Kategorie C (gültig vom 08.10.2018 bis zum 22.11.2018) war.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) richtete am 20.12.2018 ein die BF betreffendes Aufnahmeersuchen gemäß Art. 12 Abs. 4 der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") an die Niederlande.
Die Niederlande stimmten mit Schreiben vom 29.01.2019 zu, die BF auf Grundlage des Art. 12 Abs. 4 der Dublin-III-VO aufzunehmen (vgl. AS 111).
Sodann wurde die BF am 07.02.2019 einer Einvernahme durch das BFA unterzogen. Hierbei gab sie an, dass sie im Iran Blutzuckerprobleme gehabt habe. Derzeit sei aber alles in Ordnung; sie sei auch nicht in medizinischer Behandlung. Die BF habe im Iran ein sehr gut funktionierendes Leben gehabt, jedoch wolle sie hier bei ihrer Schwester in Sicherheit leben. Die beiden hätten bis 2006 zusammengewohnt, danach sei ihre Schwester nach Österreich gereist. Sie hätten aber regelmäßig täglich miteinander telefoniert. Zuletzt habe die BF ihre Schwester im April 2017 im Iran gesehen. Auch wenn die BF generell keine finanzielle Hilfe benötige, werde sie von ihrer Schwester finanziell, psychisch und moralisch unterstützt. Ihr Bruder und ihr Vater könnten sie vom Iran aus finanziell unterstützen. Wenn sie Geld brauche, könne sie aber auch ihre Schwester fragen. Sie könnte auch bei ihr wohnen. Die BF habe zu ihrer Schwester kommen wollen, weil diese gesundheitliche Probleme mit der Gebärmutter habe. Sie seien voneinander abhängig. Die BF könne in Österreich eine Hilfe für ihre Schwester und deren Familie sein. Sie habe sich nur deshalb in den Niederlanden aufgehalten, weil ein niederländisches Visum leichter zu bekommen gewesen sei. Ansonsten habe sie aber kein Interesse an den Niederlanden. Die anwesende Schwester der BF gab an, dass sie seit Ende 2017 gesundheitliche Probleme mit der Gebärmutter habe. Sie mache eine Hormontherapie und müsse eventuell erneut operiert werden. Bislang habe sich ihr Mann um sie gekümmert, jedoch sei es für ihn nicht leicht gewesen. Er sei bereits 60 Jahre alt und ihm stehe eine Operation an den Füßen bevor. Zuletzt beantragte die anwesende Rechtsberaterin aufgrund der geschilderten Umstände der BF die Zulassung des Verfahrens bzw. den Selbsteintritt Österreichs.
Im Zuge der Befragung legte die BF einige Unterlagen aus der Heimat, das Schreiben einer islamischen Glaubensgemeinschaft sowie einer evangelischen Pfarrgemeinde und ein Schreiben ihrer Schwester vor. In Letzterem wird ausgeführt, dass die Schwester der BF seit 2008 mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in Österreich lebe und sich gut integriert habe, seit 2015 aber an gesundheitlichen Problemen leide. Sie habe bereits eine Darmoperation und eine Gebärmuttertumorentfernung gehabt; beides ohne Verbesserung.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 14.02.2019 wurde der Antrag der BF auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Niederlande für die Prüfung des Antrages gemäß Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO zuständig seien (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung in die Niederlande gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in den Niederlanden wurden im angefochtenen Bescheid im Wesentlichen Folgendermaßen zusammengefasst:
ALLGEMEINES ZUM ASYLVERFAHREN
Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (AIDA 2.2017; vgl. GoN o.D.a, IND o.D.a für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:
Netherlands,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018
-
GoN - Government of the Netherlands (o.D.a): Asylum policy, https://www.government.nl/topics/asylum-policy, Zugriff 16.02.2018
-
IND - Immigration and Naturalisation Service (o.D.a): Asylum, https://ind.nl/en/asylum, Zugriff 16.02.2018
DUBLIN-RÜCKKEHRER
Dublin-Rückkehrer haben Zugang zum Asylverfahren (allgemeines und erweitertes Verfahren) vor der niederländischen Einwanderungsbehörde (Immigratie-en Naturalisatiedienst - IND). Im Falle eines "take back"-Verfahrens kann der Asylwerber einen Folgeantrag stellen, der neue Elemente enthalten muss. Dieser wird wie der Folgeantrag eines Nicht-Dublin-Rückkehrers behandelt In "take charge"-Fällen kann der Rückkehrer einen Erstantrag stellen. (AIDA 2.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:
Netherlands,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018
UNBEGLEITETE MINDERJÄHRIGE ASYLWERBER / VULNERABLE
Asylwerber werden vor dem persönlichen Interview von einem Mediziner untersucht, um festzustellen, ob sie überhaupt physisch und psychisch in der Lage sind, an der Befragung teilzunehmen. Dieser Mediziner gehört der unabhängigen Agentur FMMU an, welche von IND beauftragt wird. Dieses Verfahren dient nicht dazu eine Vulnerabilität festzustellen. Es geht darum, IND darauf aufmerksam zu machen, auf welche Art und Weise bestimmte Personen befragt werden sollen (z.B. Verschiebung des Interviews, mehr Pausen, Geschlecht des Interviewers etc.). Aufgrund der Neufassung der Asylverfahrensrichtlinie wurde jedoch eine medizinische Untersuchung für Asylwerber zur Feststellung von Vulnerabilität eingeführt. Das niederländische Recht sieht vor, dass diese Untersuchung durchgeführt werden muss, wenn das IND es für notwendig hält. Mit der Untersuchung wird eine unabhängige Stelle wie das Niederländische Institut für Rechtsmedizin (NFI) oder das Niederländische Institut für Forenische Psychiatrie und Psychologie beauftragt. Ist ein Asylwerber der Meinung, dass dieses Verfahren auch bei ihm notwendig sei, aber IND ist nicht einverstanden, kann der Asylwerber die Untersuchung auf eigene Kosten vornehmen lassen. Die NGO namens iMMO ist jedoch auch berechtigt bei Asylwerbern auf deren Wunsch eine medizinische Untersuchung durchzuführen, die staatlich anerkannt wird (AIDA 2.2017).
Die Zentralstelle für die Aufnahme von Asylwerbern (COA) berücksichtigt die speziellen Bedürfnisse der Schutzsuchenden. Es gibt keine eigenen Einrichtungen weder für Vulnerable noch für (alleinstehende) Frauen. Menschen mit Behinderung können aber wie niederländische Staatsbürger die vorhandenen Heimbetreuungseinrichtungen nützen. Es gibt jedoch spezielle Unterbringungseinrichtungen für Asylwerber mit psychischen Problemen und für Kinder (AIDA 2.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:
Netherlands,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018
-
COA - Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.a):
Reception centres for youngsters, https://www.coa.nl/en/reception-centres/types-of-reception-centres/reception-centres-for-youngsters, Zugriff 16.02.2018
-
Nidos (o.D.): Wonen,
https://www.nidos.nl/en/voor-jongeren/living-in-the-netherlands/where-will-you-live/, Zugriff 16.02.2018
NON-REFOULEMENT
Das Gesetz sieht die Freizügigkeit im Inland, die Reisefreiheit, das Recht auf Emigration und Wiedereinbürgerung vor, und die Regierung respektiert generell diese Rechte. Der Staat arbeitet mit dem Büro des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, Asylwerbern, Staatenlosen und anderen Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren (USDOS 3.3.2017).
Nach einer endgültigen Ablehnung des Asylantrags ist eine Folgeantragsstellung möglich. Dies ergibt sich aus den Grundsätzen des Non-Refoulement-Prinzips der Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention (AIDA 2.2017).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:
Netherlands,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Netherland, https://www.ecoi.net/de/dokument/1394769.html, Zugriff 16.02.2018
VERSORGUNG
Gemäß Gesetz haben alle mittellosen Asylwerber ein Recht auf Unterbringung und materielle Versorgung ab Antragstellung (AIDA 2.2017). Die Zentralstelle für die Aufnahme von Asylwerbern (COA) ist für die Unterbringung und Versorgung der grundlegenden Bedürfnisse von Asylwerbern während ihres Asylverfahrens verantwortlich (COA o.D.b; vgl. AIDA 2.2017).
Asylwerber erhalten in der Regel eine monatliche finanzielle Unterstützung/Gutscheine in der Höhe von 296,24 Euro. Das wöchentliche Taschengeld variiert jedoch je nach Art der Unterbringung. Die Versorgung deckt die folgenden Leistungen und Kosten: Unterkunft; wöchentlicher Zuschuss für Nahrung, Kleidung und persönliche Ausgaben; Tickets für öffentliche Verkehrsmittel zum Besuch des Anwalts; Freizeitangebot und Bildungsaktivitäten (z.B. Vorbereitung für die Integrationsprüfung); Krankenversicherung; Haftpflichtversicherung; Sonderkosten (AIDA 2.2017).
Der Asylwerber darf für 24 Wochen im Jahr arbeiten. Daneben ist es für sie möglich, verschiedene Arbeiten in ihrer Unterbringung (z.B. Wartungs- und Reinigungsarbeiten) gegen wöchentliche Bezahlung in der Höhe von 14 Euro zu verrichten. Die Ausübung einer ehrenamtlichen Tätigkeit außerhalb des Unterbringungszentrums ist auch erlaubt (AIDA 2.2017; vgl. CAO o.D.c).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:
Netherlands,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018
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COA - Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.b): Asylum seekers, https://www.coa.nl/en/asylum-seekers, Zugriff 16.02.2018
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CAO - Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.c): Work and education,
https://www.coa.nl/en/asylum-seekers/work-and-education, Zugriff 16.02.2018
Unterbringung
Es gibt in den Niederlanden insgesamt 106 Unterbringungszentren, mit
26.185 Plätzen. Es handelt sich dabei um:
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Antragszentrum in Schipol (Aanmeldcentrum - AC): geschlossenes Zentrum im Grenzverfahren.
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Zentrales Auffanglager Ter Apel (Centraal Opvanglocatie - COL): wo Asylanträge zu stellen sind. Aufenthalt max. 3 Tage.
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4 Verfahrenszentren (Proces Opvanglocatie - POL): dient der Ruhe- und Vorbereitungsphase. Bei allgemeinem Verfahren bleibt der Asylwerber im POL.
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Asylwerberzentren (Asielzoekerscentrum - AZC): hier werden erweiterte Verfahren geführt, aber auch Schutzberechtigte untergebracht, bis sie eine Wohnmöglichkeit finden.
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Freiheitsbeschränkende Unterbringung (Vrijheidsbeperkende locatie - VBL): bis zwölf Wochen Unterbringung möglich, wenn der Fremde bei Organisation der Heimreise kooperiert; keine geschlossene Unterbringung, aber Gebietsbeschränkung.
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8 Familienzentren (Gezinslocatie - GL): für Familien, die das Unterbringungsrecht verloren haben, da Kinder immer unterzubringen sind. Fokus liegt auf Rückkehr. keine geschlossene Unterbringung, aber Gebietsbeschränkung (AIDA 2.2017; vgl. CAO o.D.d).
Die Familienzentren wurden vom niederländischen Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF) kritisiert, da der eingeschränkte Zugang zu Versorgung mit den Regelungen über Kinderrechte nicht übereinstimmen (AIDA 2.2017).
Die zeitlich begrenzte und bedingte Unterstützung der niederländischen Regierung für abgelehnte Asylwerber gab weiterhin Anlass zur Besorgnis. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte kritisiert das Gesetz, welches die medizinische Versorgung, Bildung und Sozialhilfe für Asylwerber mit einem negativen Bescheid von deren Bereitschaft zur Rückkehr in das Herkunftsland abhängig macht (HRW 18.1.2018).
Quellen:
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AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:
Netherlands,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018
-
CAO - Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.d): Types of reception centres,
https://www.coa.nl/en/reception-centres/types-of-reception-centres, Zugriff 16.02.2018
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HRW - Human Rights Watch (18.1.2018): World Report 2018 - European Union, https://www.ecoi.net/de/dokument/1422356.html, Zugriff 16.02.2018
Medizinische Versorgung
Asylwerber sind versichert und haben Anspruch auf medizinische Versorgung (GoN o.D.b). Die allgemeine medizinische Behandlung ist, soweit möglich, dieselbe wie für niederländische Bürger, erweitert um besonderes Augenmerk auf sprachliche und kulturelle Unterschiede, die Lebenssituation von Asylwerbern, das Asylverfahren und deren besondere Bedürfnisse (AIDA 2.2017; vgl. GZA o.D.a). Das Gesundheitszentrum für Asylwerber (GZA) ist die erste Anlaufstelle für Asylwerber in Gesundheitsangelegenheiten. Das GZA verfügt über zahlreiche Standorte in oder in der Nähe fast jedes Asylwerbezentrums. Ein Allgemeinmediziner, eine Krankenschwester und ein psychologischer Berater oder medizinischer Assistent stehen dort zur Verfügung (GZA o.D.b). Außerdem gibt es eine Telefon-Hotline, wo Fragen gestellt, Termine ausgemacht und Dolmetscher für die Untersuchungen bestellt werden können. Die Hotline steht rund um die Uhr bei Notfällen auch zur Verfügung (GZA o.D.c). Bei der Ankunft in Unterbringungszentrum wird eine medizinische Eingangsuntersuchung angeboten, um Behandlungserfordernisse frühzeitig zu erfassen (IND 8.2015). Eine Tuberkulosekontrolle ist jedoch für alle Asylwerber obligatorisch (COA o.D.e).
Asylwerber haben Zugang zu medizinischer Basisversorgung, darunter Zugang zu Allgemeinmedizin, Spitälern, Psychologen, Zahnmedizin (in extremen Fällen) und auf Tagesbasis Zugang zu psychiatrischen Kliniken. Es gibt eine Reihe spezialisierter Institutionen zur Behandlung von Asylwerbern mit psychischen Problemen (z.B. Phoenix). Zugang zu medizinischer Versorgung für Asylwerber in POL, COL, VBL und für Erwachsene in GL ist nur in Notfällen gewährleistet. Gesundheitsdienstleister bekommen Leistungen für irreguläre Migranten bei einer speziellen Stiftung ersetzt. Nach einer Untersuchung rief der Ombudsmann den Gesundheitsminister auf, den Zugang zu medizinischer Versorgung auch für Menschen ohne Aufenthaltstitel zu gewährleisten (AIDA 2.2017).
MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).
Quellen:
-
AIDA - Asylum Information Database (2.2017): Country Report:
Netherlands,
http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_nl_update.v_final.pdf, Zugriff 16.02.2018
-
CAO - Central Organisation Shelter Asylum Seekers (o.D.e): Asylum seeker, https://ind.nl/en/asylum/Pages/Asylum-seeker.aspx, Zugriff 16.02.2018
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GoN - Government of the Netherlands (o.D.b): Health insurance and residence permit,
https://www.government.nl/topics/health-insurance/health-insurance-and-residence-permit, Zugriff 16.02.2018
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GZA - Gzasielzoekers (o.D.a): I am asylum seeker, https://www.gzasielzoekers.nl/en, Zugriff 16.02.2018
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GZA - Gzasielzoekers (o.D.b): About GZA, https://www.gzasielzoekers.nl/en/iamasylumseeker/aboutgza, Zugriff 16.02.2018
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GZA - Gzasielzoekers (o.D.c): Going to the doctor, https://www.gzasielzoekers.nl/en/iamasylumseeker/goingtothedoctor, Zugriff 16.02.2018
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IND - Immigration and Naturalisation Service (8.2015): Before your asylum procedure begins, https://ind.nl/documents/rvt_engels.pdf, Zugriff 16.02.2018
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MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):
Auskunft MedCOI, per E-Mail
Im Bescheid wurde sodann zusammengefasst festgehalten, dass die BF nicht glaubhaft vorgebracht habe, in den Niederlanden Misshandlung, Verfolgung oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein. Die Niederlande hätten mit Schreiben vom 29.01.2019 einer Übernahme der BF ausdrücklich zugestimmt. Die Schwester der BF lebe seit April 2006 (mit ihrem Ehemann und zwei minderjährigen Kindern) in Österreich und verfüge über einen bis zum 28.01.2020 gültigen Aufenthaltstitel (Daueraufenthalt EU). Ein gemeinsamer Wohnsitz der BF und ihrer Schwester habe seit Februar 2006 nicht mehr bestanden. Die BF werde von ihrer Schwester zwar unterstützt, beziehe aber auch Leistungen aus der Grundversorgung. Ihre Schwester leide seit mehreren Jahren an einer Erkrankung, habe ihren Alltag aber bereits vor der Ankunft der BF in Österreich meistern können; sie verfüge hier über ein soziales Netzwerk zur Unterstützung. Die BF habe jedenfalls nicht glaubhaft darlegen können, dass ihre Schwester ausschließlich von ihr unterstützt werden könne und diese daher allein auf die BF angewiesen wäre. Der BF habe klar sein müssen, dass ihr Aufenthalt in Österreich im Falle einer zurück- oder abweisenden Entscheidung hinsichtlich ihrer Antrages auf internationalen Schutz nur ein vorübergehender sein würde. Als Inhaberin eines österreichischen Aufenthaltstitels stünden ihrer Schwester zudem keinerlei Hindernisse oder Einschränkungen entgegen, die es ihr nicht ermöglichen würden, den Kontakt mit der BF durch Besuche in den Niederlanden aufrecht zu erhalten. Insgesamt sei davon auszugehen, dass die Anordnung der Außerlandesbringung nicht zu einer Verletzung der Dublin-III-VO sowie von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK führe und die Zurückweisungsentscheidung daher unter diesen Aspekten zulässig sei. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu. Es habe sich diesbezüglich kein zwingender Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts des Art. 17 Abs. 1 der Dublin-III-VO ergeben.
Gegen den Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher erneut auf die Erkrankung der Schwester der BF und die dadurch notwendige Unterstützung durch die BF verwiesen wurde. Die Schwester der BF leide an einer schmerzhaften Endometriose und brauche in den nächsten Wochen einen umfangreichen operativen gynäkologischen Eingriff. Deren Ehemann sei selbst schwer krank und könne sich nicht im erforderlichen Ausmaß um sie bzw. in der Zeit ihres Krankenhausaufenthaltes um die beiden Kinder kümmern.
Der Beschwerde wurde ein ärztlicher Befundbericht eines Hausarztes vom 26.02.2019 die Schwester der BF und deren Ehemann betreffend vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist eine Staatsangehörige aus dem Iran und stellte am 19.12.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Für sie wurde ein vom 08.10.2018 bis zum 22.11.2018 gültiges niederländisches Schengen-Visum der Kategorie C ausgestellt.
Das BFA richtete am 20.12.2018 ein Aufnahmeersuchen gem. Art. 12 Abs. 4 der Dublin III-VO an die Niederlande. Die Niederlande stimmte mit Schreiben vom 29.01.2019 zu, die BF auf Grundlage von Art. 12 Abs. 4 der Dublin-III-VO zu übernehmen.
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Niederlande an.
Konkrete, in der Person der BF gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.
Die BF leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen.
Die BF hat in Österreich familiäre Anknüpfungspunkte in Form ihrer erwachsenen Schwester (und deren Familie: Ehemann und zwei Kinder). Eine über die üblichen Beziehungen zwischen (erwachsenen) Verwandten hinausgehende Beziehung bzw. ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen den Genannten konnte aber nicht festgestellt werden. Die BF hat während ihres Aufenthaltes in Österreich Anspruch auf Grundversorgung und ist somit in keinster Weise abhängig von anderweitigen Zahlungen. Im Übrigen lebt die von der BF namhaft gemachte Schwester bereits seit 2006 in Österreich und besteht zumindest so lange kein gemeinsamer Haushalt (mehr). Die Schwester der BF verfügt über einen Aufenthaltstitel in Österreich (Daueraufenthalt EU), welcher bis zum 28.01.2020 gültig ist.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der Einreise ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie des gültigen Schengen-Visums ergeben sich aus der - im Verwaltungsakt dokumentierten - Auskunft aus dem VIS-System des Bundesministeriums für Inneres vom 19.12.2018.
Die Feststellung bezüglich der Zustimmung zur Aufnahme der BF seitens der Niederlande leitet sich aus dem durchgeführten Konsultationsverfahren - der diesbezügliche Schriftwechsel liegt den Verwaltungsakten ein - zwischen der österreichischen und der niederländischen Dublin-Behörde ab.
Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seiner Entscheidung neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in den Niederlanden auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.
Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, hat die BF nicht dargetan. Eine die BF konkret treffende Bedrohungssituation in den Niederlanden wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht (siehe dazu die weiteren Ausführungen unten). Aus den im angefochtenen Bescheid dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das niederländische Asylwesen grobe systemische Mängel aufweisen würde.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus der Aktenlage. Diesbezüglich wurde kein Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren.
Die festgestellten, persönlichen Verhältnisse der BF ergeben sich aus den eigenen Angaben und der damit im Einklang stehenden Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:
§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.
(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.
(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.
§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. ...
und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I 70/2015 lautet:
§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I 70/2015 lautet:
§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine
Außerlandesbringung anzuordnen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder
2. ...
(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.
(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.
(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.
Die maßgeblichen Bestimmungen der Dublin III-VO lauten:
Art. 3 Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz
(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.
(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.
Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.
Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.
(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.
Art. 7 Rangfolge der Kriterien
(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.
(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.
(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.
Artikel 12 Ausstellung von Aufenthaltstiteln oder Visa
(1) Besitzt der Antragsteller einen gültigen Aufenthaltstitel, so ist der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel ausgestellt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(2) Besitzt der Antragsteller ein gültiges Visum, so ist der Mitgliedstaat, der das Visum erteilt hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig, es sei denn, dass das Visum im Auftrag eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen einer Vertretungsvereinbarung gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 810/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Juli 2009 über einen Visakodex der Gemeinschaft erteilt wurde. In diesem Fall ist der vertretene Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.
(3) Besitzt der Antragsteller mehrere gültige Aufenthaltstitel oder Visa verschiedener Mitgliedstaaten, so sind die Mitgliedstaaten für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz in folgender Reihenfolge zuständig:
a) der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der den zuletzt ablaufenden Aufenthaltstitel erteilt hat;
b) der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat, wenn es sich um gleichartige Visa handelt;
c) bei nicht gleichartigen Visa der Mitgliedstaat, der das Visum mit der längsten Gültigkeitsdauer erteilt hat, oder bei gleicher Gültigkeitsdauer der Mitgliedstaat, der das zuletzt ablaufende Visum erteilt hat.
(4) Besitzt der Antragsteller nur einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die weniger als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit weniger als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, so sind die Absätze 1, 2 und 3 anwendbar, solange der Antragsteller das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten nicht verlassen hat.
Besitzt der Antragsteller einen oder mehrere Aufenthaltstitel, die mehr als zwei Jahre zuvor abgelaufen sind, oder ein oder mehrere Visa, die seit mehr als sechs Monaten abgelaufen sind, aufgrund deren er in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreisen konnte, und hat er die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten nicht verlassen, so ist der Mitgliedstaat zuständig, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
(5) Der Umstand, dass der Aufenthaltstitel oder das Visum aufgrund einer falschen oder missbräuchlich verwendeten Identität oder nach Vorlage von gefälschten, falschen oder ungültigen Dokumenten erteilt wurde, hindert nicht daran, dem Mitgliedstaat, der den Titel oder das Visum erteilt hat, die Zuständigkeit zuzuweisen. Der Mitgliedstaat, der den Aufenthaltstitel oder das Visum ausgestellt hat, ist nicht zuständig, wenn nachgewiesen werden kann, dass nach Ausstellung des Titels oder des Visums eine betrügerische Handlung vorgenommen wurde.
Art. 16 Abhängige Personen
(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.
(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.
(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.
(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.
Art. 17 Ermessensklauseln
(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.
Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.
Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.
(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, u