TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/2 W133 2196562-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.04.2019
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Entscheidungsdatum

02.04.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W133 2196562-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Prof. Dr. Gerd GRUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 13.04.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Dem Antrag von XXXX auf Ausstellung eines Behindertenpasses vom 13.02.2018 wird stattgegeben.

Der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt ab dem Antragszeitpunkt 50%.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 13.02.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet) und legte ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor.

Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In diesem Gutachten vom 16.03.2018, welches ohne Untersuchung aufgrund der Aktenlage erstellt wurde, wurden vier Leidenszustände festgestellt und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 % eingeschätzt.

Ohne Gewährung von Parteiengehör zu diesem Gutachten wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13.04.2018 den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 20% die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis der ärztlichen Begutachtung, wonach der Grad der Behinderung 20% betrage.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 18.05.2018 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin wendet er sich gegen das Sachverständigengutachten und verweist insbesondere auf seine Erkrankungen aus dem psychiatrischen Fachbereich und den Umstand, dass er aufgrund dieser Erkrankungen seitens eines Facharztes für Psychiatrie mit Gutachten vom 27.08.2013 bereits als erwerbsunfähig erachtet worden sei. Der Beschwerde legte er neuerlich medizinische Befunde sowie ärztliche Gutachten der PVA betreffend die Gewährung von Invaliditätspension bei.

Die belangte Behörde legte am 25.05.2018 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Im Begleitschreiben vom selben Tag führt sie aus, eine Beschwerdevorentscheidung sei aus Sicht des ärztlichen Dienstes nicht sinnvoll, weshalb die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung abgebrochen worden sei und die Beschwerde weitergeleitet werde.

Aufgrund der erhobenen Einwendungen holte das Bundesverwaltungsgericht ein psychiatrisch-neurologisches Gutachten sowie ein zusammenfassendes Sachverständigengutachten aus den Fachgebieten Unfallchirurgie und Allgemeinmedizin ein.

In ihrem Gutachten vom 02.10.2018 stellte die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie eine "Anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung"/ Position 03.05.05 / 50% / unterer Rahmensatz, da trotz psychorehabilitativen Aufenthalts und medikamentöser Therapie psychisch instabil, aber sonst ambulant behandelbar, fest.

Im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 02.12.2018, welches auch die Ergebnisse des psychiatrisch-neurologisches Gutachtens mitberücksichtigt, wurden folgende Funktionseinschränkungen festgestellt, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden, und nach der Einschätzungsverordnung wie folgt medizinisch beurteilt:

"STELLUNGNAHME:

ad 1) Einschätzung des Grades der Behinderung

1) Anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer

Belastungsstörung 02.05.05 50%

Unterer Rahmensatz, da trotz psychorehabilitativen Aufenthalts und medikamentöser Therapie psychisch instabil, aber sonst ambulant behandelbar.

2) Degenerative Gelenksveränderungen 02.02.01 20%

Oberer Rahmensatz, da geringgradige degenerative Veränderungen und polytope Beschwerden bei geringgradigen funktionellen Einschränkungen vor allem im Bereich des rechten Kniegelenks.

3) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule 02.01.01 10%

Unterer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden ohne relevante funktionelle Einschränkung im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule.

4) Fructoseintoleranz 07.04.04 10%

Unterer Rahmensatz, da weitgehend durch Diät ausgleichbar

Einschätzung und Begründung des Gesamtgrades der Behinderung unter Berücksichtigung des Gutachtens von Dr. Caravias-Krones Abl. 199/21-25: Gesamtgrad der Behinderung: 50%

Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken mit Leiden 1 besteht, die Auswirkungen des führenden Leidens werden durch die anderen Leiden nicht erheblich verstärkt."

Mit Schreiben vom 17.01.2019 informierte das Bundesverwaltungsgericht die Parteien über das Ergebnis der Beweisaufnahme und räumte ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit ein, dazu binnen zwei Wochen eine Stellungnahme abzugeben.

Mit Schreiben vom 28.01.2019 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, worin er zusammengefasst moniert, es liege bei seinen Funktionsbeeinträchtigungen ein Dauerzustand vor, wie dies auch von der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie ausgeführt worden sei. Weiters begehre er die Feststellung, dass er trotz seiner Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne.

Die belangte Behörde erhob keine Einwendungen gegen die Gutachten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der Beschwerdeführer ist österreichischer Staatsbürger und hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich.

Er brachte am 13.02.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bei der belangten Behörde ein.

Bei dem Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung, trotz psychorehabilitativen Aufenthalts und medikamentöser Therapie psychisch instabil, aber sonst ambulant behandelbar.

2) Degenerative Gelenksveränderungen, geringgradige degenerative Veränderungen und polytope Beschwerden bei geringgradigen funktionellen Einschränkungen vor allem im Bereich des rechten Kniegelenks;

3) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, rezidivierende Beschwerden ohne relevante funktionelle Einschränkung im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule;

4) Fructoseintoleranz, weitgehend durch Diät ausgleichbar.

Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken mit Leiden 1 besteht, die Auswirkungen des führenden Leidens werden durch die anderen Leiden nicht erheblich verstärkt.

Der Gesamtgrad der Behinderung des Beschwerdeführers beträgt aktuell 50%. Eine Änderung in den Voraussetzungen ist nicht zu erwarten.

Hinsichtlich der bei dem Beschwerdeführer bestehenden einzelnen Funktionseinschränkungen, deren Ausmaß, wechselseitiger Leidensbeeinflussung und medizinischer Einschätzung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 02.10.2018 sowie in dem zusammenfassenden Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 02.12.2018 der nunmehrigen Entscheidung zu Grunde gelegt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden und rechtlichen Ausführungen verwiesen.

Das von dem Beschwerdeführer erstattete Beschwerdevorbringen führt zu keiner geänderten Einschätzung. Die bestehenden Funktionseinschränkungen wurden in den vorliegenden Gutachten durch die vorgenommene medizinische Beurteilung korrekt berücksichtigt; diesbezüglich wird auf die nachfolgenden beweiswürdigenden Ausführungen verwiesen.

Dem Beschwerdevorbringen, der Beschwerdeführer begehre die Feststellung, dass er trotz seiner Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb einer Erwerbstätigkeit nachgehen könne, konnte nicht gefolgt werden, zumal das vorliegende Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz eine solche Feststellung nicht vorsieht.

2. Beweiswürdigung:

Das Datum der Einbringung des gegenständlichen Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses basiert auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland ergeben sich aus der im Akt aufliegenden Kopie der Meldebestätigung und seinen eigenen Angaben bei der Antragstellung; konkrete Anhaltspunkte dafür, dass er seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Inland hätte, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Auch die belangte Behörde ging vom Vorliegen dieser Voraussetzung aus.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf den seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholten Sachverständigengutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 02.10.2018 und dem Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 02.12.2018. In diesen Gutachten wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterinnen setzen sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden und dem Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Untersuchung auseinander. In den Gutachten berücksichtigten die Sachverständigen auch die im Rahmen der Beschwerde erhobenen Einwendungen und nachgereichten Befunde. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen persönlicher Untersuchung erhobenen Befunden, entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen (diesbezüglich wird auch auf die oben nur auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach der Einschätzungsverordnung auch richtig eingestuft.

Führendes Leiden des Beschwerdeführers ist die anhaltende Persönlichkeitsveränderung nach posttraumatischer Belastungsstörung. Dieses Leiden wurde von der Sachverständigen unter Berücksichtigung des in den Befunden dokumentierten Umstandes, dass trotz psychorehabilitativen Aufenthalts und medikamentöser Therapie ein psychisch instabiler, aber sonst ambulant behandelbarer Zustand vorliegt, korrekt dem unteren Rahmensatz der Positionsnummer 03.05.05 der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche Funktionseinschränkungen durch Posttraumatische Belastungsstörungen mittleren Grades betrifft. Auch die Zuordnung zum unteren Rahmensatz dieser Positionsnummer erweist aufgrund des Umstandes, dass trotz psychorehabilitativen Aufenthalts und medikamentöser Therapie ein psychisch instabiler Zustand vorliegt, als nachvollziehbar und richtig. Diese Beurteilung entspricht auch den vorgelegten medizinischen Befunden.

Zu einer abweichenden Beurteilung vom Sachverständigengutachten der belangten Behörde kommt es, da das Leiden 1 aus nervenfachärztlicher bzw psychiatrischer Sicht zu gering eingestuft worden war, erstens weil die Diagnose primär auf Grund der posttraumatischen Belastungsstörung zu einer Persönlichkeitsveränderung geführt hat und sekundär zu Depressionen und Angstzuständen, und zweitens, weil es zu keiner Stabilisierung gekommen ist, weder durch die laufende Medikation noch durch den Aufenthalt im Zentrum für seelische Gesundheit.

Da die Fachgutachterin, die Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, in ihrem Gutachten vom 02.10.2018 - entgegen den Ausführungen im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 02.12.2018 - ausdrücklich davon ausgegangen ist, dass keine Nachuntersuchung erforderlich ist, also in Bezug auf das psychiatrische Leiden 1 ein Dauerzustand vorliegt, folgt das Bundesverwaltungsgericht diesbezüglich diesen Beurteilungen der auf das Fachgebiet des Leidens 1 spezialisierten Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie.

Die Leiden 2, 3 und 4 wurden in dem Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie mit der Zusatzqualifikation Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 02.12.2018 unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse und der vorliegenden Befunde nach der Anlage zur Einschätzungsverordnung korrekt zugeordnet. Die getroffenen medizinischen Einschätzungen wurden weder vom Beschwerdeführer noch von der belangten Behörde bestritten. Es wurden auch keine Befunde vorgelegt, welche den getroffenen Einschätzungen widersprechen würden.

Im Rahmen der Untersuchung wurde folgender Status erhoben:

"....

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Handgelenke, Fingergelenke: äußerlich unauffällig, keine Schwellung, keine entzündliche Aktivität, Greifformen erhalten.

Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu 2/3 möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich

Kniegelenk beidseits: äußerlich unauffällig, rechts ggr. vordere Instabilität, Seitenbänder stabil, rechts Patella mäßig, links ggr. verbacken, links stabil.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften, Knie rechts 0/5/120, links 0/0/130, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60° bei KG 5 möglich.

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse, symmetrische Taillenfalten. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Deutlich Hartspann. Klopfschmerz über der LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich

BWS/LWS: FBA: 20 cm, Rotation und Seitneigen bds 30°

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar. Gesamtmobilität - Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen, das Gangbild hinkfrei und unauffällig, zügig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt....."

Die von der Gutachterin gewählte Einstufung erweist sich somit auch unter Berücksichtigung der erhobenen sehr guten Beweglichkeit des Beschwerdeführers im Rahmen der Begutachtung als nachvollziehbar und richtig.

Dass die beiden Gutachterinnen die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers tatsachenwidrig beurteilt hätten, kann vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde sowie unter Berücksichtigung der Untersuchungsergebnisse nicht erkannt werden. Die Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers wurden umfassend und differenziert nach den konkret vorliegenden Krankheitsbildern auch im Zusammenwirken zueinander nachvollziehbar und richtig berücksichtigt.

Das unsubstantiierte Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der Stellungnahme ist somit nicht geeignet, die vorliegenden Sachverständigengutachten zu entkräften und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Der Beschwerdeführer ist dem Sachverständigengutachten im Rahmen der Beschwerde auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2000, Zl. 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 02.10.2018 und 02.12.2018. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 59/2018, lauten auszugsweise:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45.

(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

....

§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden."

Wie oben unter Punkt II.2. eingehend ausgeführt wurde, werden der gegenständlichen Entscheidung die vollständigen, schlüssigen und widerspruchsfreien Sachverständigengutachten vom 02.10.2018 und vom 02.12.2018 zu Grunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 50% beträgt. Die Gesundheitsschädigungen wurden in den Gutachten auch nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft; diesbezüglich wird auch auf die obigen detaillierten Ausführungen im Rahmen der Beweiswürdigung und in den Gutachten verwiesen. Wie ebenfalls bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurde, waren die im Rahmen der Stellungnahme erhobenen Einwendungen nicht geeignet, die vorliegenden aktuellen Gutachten zu entkräften. Es ist daher davon auszugehen, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt 50% beträgt. Eine Änderung in den Voraussetzungen ist nicht zu erwarten.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50% sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50%. ein Behindertenpass auszustellen ist, erfüllt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Im gegenständlichen Fall wurde die Frage der Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen (Schmerzen, Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen) gehören dem Bereich zu, der vom Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund der vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachten geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird (vgl. dazu die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 09.06.2017, Zl. E 1162/2017-5).

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W133.2196562.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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