Entscheidungsdatum
03.04.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W265 2215314-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER als Einzelrichterin über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , vom 22.02.2019, mit welchem die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Wien vom XXXX Zahl: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ersatz des Verdienstentganges, beschlossen:
A)
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer begehrte mit Antrag vom 19.04.2016 beim Sozialministeriumservice Landesstelle Wien (im Folgenden: belangte Behörde) Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form von Ersatzes des Verdienstentganges.
2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 07.01.2019 wurde der Antrag vom 19.04.2016 auf Ersatz des Verdienstentganges abgewiesen.
3. Dieser Bescheid wurde dem bevollmächtigten Vertreter des Beschwerdeführers nachweislich laut unbedenklichem Rückschein RSb am 10.01.2019 persönlich zugestellt.
4. Am 22.02.2019 langte bei der belangten Behörde ein Antrag auf Verfahrenshilfe zum Abfassen einer Beschwerde beim Sozialministeriumservice gegen den negativen Bescheid auf Ersatz des Verdienstentganges nach dem VOG ein. Dem Antrag war ein Vermögensbekenntnis angeschlossen.
5. Die belangte Behörde legte den Antrag auf Verfahrenshilfe samt dem Verwaltungsakt am 25.02.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vor und langte dieser am 28.02.2019 hg. ein.
6. Am 08.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer ein gerichtlicher Verspätungsvorhalt übermittelt und ihm nach näherer Erläuterung der Rechtsgrundlagen mitgeteilt, dass ihm laut Rechtsmittelbelehrung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheides der belangten Behörde das Recht zustand, eine Beschwerde einzubringen. Der Bescheid der belangten Behörde galt mit 10.01.2019 als zugestellt, die Frist zur Einbringung der Beschwerde endete mit 21.02.2019. Folglich stellt sich der Verfahrenshilfeantrag dahingehend als verspätet dar, als auch bei Bewilligung desselben die Beschwerde nicht innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist eingebracht hätte werden können.
7. Mit Schreiben vom 21.03.2019, welches am 25.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht einlangte, nahm der Beschwerdeführer zum Verspätungsvorhalt Stellung und führte aus, gemäß § 17 VwGVG iVm § 33 Abs. 3 AVG würden die Tage des Postlaufes nicht in die Frist eingerechnet werden, folglich genüge daher Postaufgabe innerhalb offener Frist. Er habe somit die Bewilligung der Verfahrenshilfe am 21.02.2019 (und damit innerhalb der Beschwerdefrist) beantragt.
8. Am 27.03.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein als Nachreichung bezeichnetes Schreiben ein, womit der Beschwerdeführer eine Kopie des Aufgabescheines der Österreichischen Post AG, datiert mit Datum vom 21.02.2019, übermittelte.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 9 Abs. 1 BVwGG leitet und führt der Vorsitzende eines Senates das Verfahren bis zur Verhandlung. Die dabei erforderlichen Beschlüsse bedürfen keines Senatsbeschlusses. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (RV 2008 BlgNR 24. GP, S. 4) bedeutet dies, dass der Senatsvorsitzende "insbesondere die Entscheidung über den Antrag auf aufschiebende Wirkung, gegebenenfalls über den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und über die Gewährung eines Verfahrenshilfeverteidigers" ohne Senatsbeschluss erlassen darf. Die Entscheidung über die Gewährung der Verfahrenshilfe unterliegt somit der Einzelrichterzuständigkeit.
Zu A) Verfahrenshilfe:
Der Antragsteller beantragte in seinem Schreiben vom 19.02.2019, bei der belangten Behörde eingelangt am 22.02.2019, die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Einbringung einer Beschwerde beim Sozialministeriumservice gegen den negativen Bescheid auf Ersatz des Verdienstentganges nach dem VOG.
Im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ist die Gewährung der Verfahrenshilfe seit der Novelle BGBl I 24/2017 in § 8a geregelt und trat gemäß § 58 Abs 4 VwGVG mit 01.01.2017 in Kraft.
§ 8a VwGVG idgF lautet wie folgt:
(1) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.
(2) Soweit in diesem Paragraphen nicht anderes bestimmt ist, sind die Voraussetzungen und die Wirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung - ZPO, RGBl. Nr. 113/1895, zu beurteilen. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe schließt das Recht ein, dass der Partei ohne weiteres Begehren zur Abfassung und Einbringung der Beschwerde, des Vorlageantrags, des Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens oder des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder zur Vertretung bei der Verhandlung ein Rechtsanwalt beigegeben wird.
(3) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist schriftlich zu stellen. Er ist bis zur Vorlage der Beschwerde bei der Behörde, ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Für Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG ist der Antrag unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen.
(4) Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe kann ab Erlassung des Bescheides bzw. ab dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat, gestellt werden. Wird die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Abfassung und Einbringung einer Säumnisbeschwerde beantragt, kann dieser Antrag erst nach Ablauf der Entscheidungsfrist gestellt werden. Sobald eine Partei Säumnisbeschwerde erhoben hat, kann der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe auch von den anderen Parteien gestellt werden.
(5) In dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist die Rechtssache bestimmt zu bezeichnen, für die die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrt wird.
(6) Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe und die Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Hat das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Verfahrenshilfe beschlossen, so hat es den Ausschuss der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichtigen, damit der Ausschuss einen Rechtsanwalt zum Vertreter bestelle. Dabei hat der Ausschuss Wünschen der Partei zur Auswahl der Person des Vertreters im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen.
(7) Hat die Partei innerhalb der Beschwerdefrist die Bewilligung der Verfahrenshilfe beantragt, so beginnt für sie die Beschwerdefrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, in dem der Beschluss über die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter und der anzufechtende Bescheid diesem zugestellt sind. Wird der rechtzeitig gestellte Antrag abgewiesen, so beginnt die Beschwerdefrist mit der Zustellung des abweisenden Beschlusses an die Partei zu laufen. Entsprechendes gilt für die Fristen, die sich auf die sonstigen in Abs. 2 genannten Anträge beziehen.
(8) Die Bestellung des Rechtsanwalts zum Vertreter erlischt mit dem Einschreiten eines Bevollmächtigten.
(9) In Verfahrenshilfesachen ist die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zulässig.
(10) Der Aufwand ist von jenem Rechtsträger zu tragen, in dessen Namen das Verwaltungsgericht in der Angelegenheit handelt.
Gemäß § 8a Abs 1 VwGVG ist Verfahrenshilfe einer Partei zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art 6 Abs 1 EMRK oder des Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.3.2010 S. 389, geboten ist. Durch den Verweis auf Art 6 Abs 1 EMRK und Art 47 GRC ist sichergestellt, dass die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Anforderungen des Europäischen Menschenrechtsschutzes entspricht (siehe auch VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0032).
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist. Vielmehr bedarf es einer Prüfung im Einzelfall. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss, welcher zur Aufhebung des § 40 VwGVG führte, die Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte dahingehend zusammengefasst, dass der "Zugang zu einem Gericht nicht bloß theoretisch und illusorisch, sondern effektiv gewährleistet sein müsse"; in jenen Fällen, in denen es "unentbehrlich sei, dass der Partei eines Verfahrens ein unentgeltlicher Verfahrenshelfer beigestellt werde," müsse ein solcher beigestellt werden.
Für diese Beurteilung sind verschiedene Kriterien maßgeblich. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP - Regierungsvorlage - Erläuterungen zu § 8a VwGVG).
Zunächst ist auszuführen, dass der Antragsteller, über entsprechende Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden verfügt und aus der Formulierung seiner bisherigen Eingaben hervorkommt, dass er durchaus in der Lage ist, seine Rechte selbst wahrzunehmen. Dies stellte er zum einen durch seinen eigenständig eingebrachten Antrag auf Gewährung von Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz unter Beweis.
Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im gegenständlichen Fall wurde der abweisende Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 07.01.2019 laut Aktenlage am selben Tag abgefertigt. Laut Übernahmebestätigung wurde der Bescheid vom 07.01.2019 nachweislich am 10.01.2019 vom bevollmächtigten Vertreter übernommen. Laut Rechtsmittelbelehrung stand dem Antragsteller das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheides beim Sozialministeriumservice die Beschwerde einzubringen. Der Bescheid gilt mit 10.01.2019 als zugestellt, die Frist zur Einbringung der Beschwerde endete mit 21.02.2019.
Der Antragsteller brachte zwar laut Aufgabeschein der Österreichischen Post AG einen Antrag auf Verfahrenshilfe am 21.02.2019 ein, welcher am 22.02.2019 bei der belangten Behörde einlangte. Insofern der Antragsteller in seiner Stellungnahme vom 21.03.2019 auf die Rechtzeitigkeit des gestellten Verfahrenshilfeantrages hinweist, da die Tage des Postlaufes nicht in die Frist eingerechnet würden, ist zunächst anzumerken, dass der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab Vorlage der Beschwerde beim Verwaltungsgericht einzubringen ist. Auch wenn der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der sechswöchigen Rechtsmittelfrist eingebracht wurde, begann dadurch die Rechtsmittelfrist nicht neu zu laufen bzw. führte zu keiner Fristverlängerung zur rechtzeitigen Einbringung einer Beschwerde. Innerhalb der sechswöchigen Rechtsmittelfrist wurde jedoch keine Beschwerde eingebracht. Folglich stellt sich der Verfahrenshilfeantrag dahingehend als verspätet dar, als auch bei Bewilligung desselben die Beschwerde nicht innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist eingebracht hätte werden können.
Das Bundesverwaltungsgericht hat dem Beschwerdeführer diese Verspätung entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorgehalten (siehe dazu VwGH 29.08.2013, 2013/16/0050).
Die sechswöchige Beschwerdefrist endete am 21.02.2019. Folglich ist das Vorbringen des Antragstellers, er habe den Antrag auf Verfahrenshilfe rechtzeig, nämlich innerhalb der sechswöchigen Rechtsmittelfrist, erhoben, nicht zielführend, da es der (rechtzeitigen) Einbringung einer Beschwerde nach Bescheiderlassung bedarf.
Folglich war der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe spruchgemäß gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abzuweisen.
Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Beschwerde, Rechtsmittelfrist, Verfahrenshilfe, VerspätungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W265.2215314.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2019