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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AufG 1992 §6 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1959 geborenen RS in Wien, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. April 1998, Zl. 308.310/2-III/11/97, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einer am 28. August 1996 bei der österreichischen Botschaft in Belgrad überreichten Eingabe beantragte die Beschwerdeführerin die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Diese Eingabe langte am 9. September 1996 beim Landeshauptmann von Wien ein.
Am 3. Februar 1997 richtete der Landeshauptmann von Wien an die österreichische Botschaft in Belgrad eine Note, in der er den Verdacht äußerte, durch die Einbringung des Antrages durch einen Vertreter bei der österreichischen Botschaft in Belgrad solle die Regelung des § 6 Abs. 2 AufG umgangen werden. Der Landeshauptmann von Wien forderte die österreichische Botschaft in Belgrad auf, "die Antragstellung bis 10.03.1997 vornehmen zu lassen".
Mit Schreiben vom 2. Juni 1997 teilte die österreichische Botschaft in Belgrad mit, dass eine "ha. Verständigung" am 13. Februar 1997 an die Beschwerdeführerin ergangen sei, diese jedoch bis dato nicht vorgesprochen habe.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 7. April 1997 wies dieser den Antrag der Beschwerdeführerin vom 9. September 1996 gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurück. In diesem Bescheid vertrat der Landeshauptmann von Wien die Auffassung, im Falle des Vorliegens eines Verdachtes im Sinne des § 6 Abs. 2 zweiter Satz AufG sei § 13 Abs. 3 AVG anwendbar. Die Behörde habe den Einschreiter zur Behebung "des Formgebrechens" seiner Eingabe durch persönliche Einbringung der Beschwerde aufzufordern. Einem entsprechenden Auftrag sei die Beschwerdeführerin nicht nachgekommen. Der Antrag sei daher zurückzuweisen gewesen.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in der sie insbesondere vorbrachte, sie habe niemals eine Aufforderung zum persönlichen Erscheinen erhalten.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. April 1998 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 14 Abs. 2 und § 10 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe am 9. September 1996 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt, welcher gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen worden sei. Aufgrund der nunmehr geltenden Rechtslage sei der Antrag als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten. Die Beschwerdeführerin sei mit einem Touristensichtvermerk, ausgestellt von der österreichischen Botschaft in Belgrad, mit der Gültigkeitsdauer vom 11. April 1996 bis 2. Mai 1996 in das Bundesgebiet eingereist. Sie habe den Antrag durch einen Dritten am 29. August 1996 bei der österreichischen Botschaft in Belgrad eingebracht, während sie bereits im Bundesgebiet über die Gültigkeitsdauer ihres Touristensichtvermerkes hinausgehend aufhältig gewesen sei. Damit seien die Versagungsgründe des § 14 Abs. 2 und des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 gegeben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 10 Abs. 1 Z. 2 und § 14 Abs. 2 FrG 1997 lauten
(auszugsweise):
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels ist zu versagen, wenn
...
2. der Aufenthaltstitel zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll;
...
§ 14. ...
...
(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. ..."
§ 6 Abs. 2 AufG lautete:
"(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Begründet eine Einbringung auf dem Postweg oder durch Vertreter die Vermutung, daß diese Regelung umgangen werden soll, kann die persönliche Einbringung verlangt werden. ..."
§ 13 Abs. 3 AVG lautet:
"(3) Formgebrechen schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr dem Einschreiter die Behebung der Formgebrechen mit der Wirkung aufzutragen, daß das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden, angemessenen Frist zurückgewiesen wird. Wird das Formgebrechen rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht."
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Judikatur die Auffassung, dass es sich bei dem in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG umschriebenen Erfordernis um eine Erfolgsvoraussetzung handelt, deren Nichterfüllung die Abweisung des Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895). Spricht eine Behörde mangels Vorliegens der Erfolgsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG die "Zurückweisung" eines solchen Antrages aus, so handelt es sich sodann um ein bloßes Vergreifen im Ausdruck mit dem Ergebnis, dass tatsächlich eine meritorische Erledigung in Form einer "Abweisung" desselben vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1998, Zlen. 96/19/1584, 3188).
Diese Judikatur ist aber auf die hier von der erstinstanzlichen Behörde vorgenommene, ausdrücklich auf die Bestimmung des § 13 Abs. 3 AVG gestützte Zurückweisung des Antrages mit der Begründung, die Beschwerdeführerin sei einer Aufforderung gemäß § 6 Abs. 2 zweiter Satz AufG iVm § 13 AVG nicht nachgekommen, ihr Antrag sei daher mit einem Formmangel behaftet, nicht übertragbar.
Durch einen auf § 13 Abs. 3 AVG gestützten Bescheid (mit dem der Antrag zurückgewiesen wird) wird nur der Antrag der Partei, nicht aber sein Thema erledigt (vgl. Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze I2 E. 172 zu § 13 AVG). Im Fall einer Berufung gegen einen Bescheid, mit dem ein Antrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG zurückgewiesen worden ist, ist Gegenstand der Berufungsentscheidung allein die Frage, ob der angefochtene Bescheid dem § 13 Abs. 3 AVG entspricht, also ob die sachliche Behandlung des Antrags mangels Befolgung des Verbesserungsauftrages zu Recht verweigert worden ist (vgl. Walter-Thienel a.a.O. E. 173 zu § 13).
Nunmehr ist die Frage zu klären, ob die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid die den Antrag (gemäß § 13 Abs. 3 AVG) zurückweisende Entscheidung der Behörde erster Instanz durch Abweisung der Berufung bestätigte und somit ihrerseits eine verfahrensrechtliche Entscheidung in Form einer Antragszurückweisung traf oder ob sie den vorliegenden Antrag, gestützt auf die Versagungsgründe des § 14 Abs. 2 FrG 1997 (vgl. zum Charakter auch dieser Bestimmung als Umschreibung einer Erfolgsvoraussetzung das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/19/0269) und des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997, meritorisch (durch Abweisung des Antrags) entschied. Im Allgemeinen stellt sich die vollständige Abweisung der Berufung als vollinhaltliche Bestätigung des Bescheides erster Instanz durch die Berufungsbehörde dar und bedeutet die Erlassung eines mit dem erstinstanzlichen Bescheid inhaltsgleichen Berufungsbescheides. Im vorliegenden Fall werden im Spruch des angefochtenen Bescheides neben der Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG aber auch ausdrücklich die Abweisungsgründe des § 14 Abs. 2 und des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 zitiert.
Die Begründung eines Bescheides darf nur dann zur Auslegung seines Spruches herangezogen werden, wenn dieser für sich allein betrachtet Zweifel an seinem Inhalt offen lässt. Ein derartiger auslegungsbedürftiger Spruch eines Bescheides liegt im Beschwerdefall vor. Unter Zugrundelegung der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich aber eindeutig, dass der Bundesminister für Inneres (im Instanzenzug) den Antrag abweisen (und nicht etwa zurückweisen) wollte, weil sich die Begründung zum einen auf die aktenwidrige Feststellung der Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin (statt richtigerweise der Zurückweisung) durch die Behörde erster Instanz und zum anderen auf die Verwirklichung der Abweisungsgründe des § 14 Abs. 2 und des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG 1997 stützt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1998, Zl. 96/19/1997).
Nach dem Vorgesagten ist im Fall der Zurückweisung eines Antrages (gemäß § 13 Abs. 3 AVG) Sache der Berufungsentscheidung gemäß § 66 Abs. 4 AVG nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Der Berufungsbehörde ist es verwehrt, erstmals - unter Umgehung einer Instanz - den eigentlichen Verfahrensgegenstand einer meritorischen Erledigung zuzuführen. Sich in die sachliche Erledigung des Antrages einzulassen, fällt nicht in die funktionelle Zuständigkeit der Berufungsbehörde.
Diese der Berufungsbehörde gesetzte Grenze wurde von der belangten Behörde im Beschwerdefall überschritten. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. März 1999
Schlagworte
Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Verbesserungsauftrag Nichtentsprechung Zurückweisung BerufungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998190172.X00Im RIS seit
02.05.2001Zuletzt aktualisiert am
05.10.2008