Entscheidungsdatum
05.04.2019Norm
BEinstG §14Spruch
W216 2215676-1/3E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marion STEINER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Benedikta TAURER sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , SVNR XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 28.02.2019, OB: XXXX , wegen §§ 2, 14 BEinstG, beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Das (damalige) Bundessozialamt, Landesstelle Niederösterreich, stellte mit Bescheid vom 15.01.2014 fest, dass der Beschwerdeführer ab 13.11.2013 (Antragsdatum) dem Kreis der begünstigten Behinderten mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. angehört.
Mit Schreiben vom 02.11.2018 leitete das nunmehrige Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden: "belangte Behörde") von Amts wegen ein Verfahren zur Überprüfung des Grades der Behinderung des Beschwerdeführers ein. Im Zuge dessen wurde zunächst der Beschwerdeführer aufgefordert, aktuelle Befunde vorzulegen. Dieser Aufforderung kam dieser fristgerecht nach.
Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin und Facharztes für innere Medizin vom 12.12.2018 ein, in welchem nach persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers ein Grad der Behinderung von 30 v.H. festgesellt wurde, wobei das ursprünglich führende Leiden deutlich herabgesetzt wurde.
Im Rahmen des Parteiengehörs erhob der Beschwerdeführer Einwendungen und ersuchte unter anderem um Beiziehung eines Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Dermatologie.
Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers holte die belangte Behörde ein Gutachten eines Facharztes für Dermatologie ein. In diesem Gutachten vom 11.02.2019 wird der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers mit 10 v.H. festgesetzt und keine Änderung des Vorgutachtens vorgeschlagen. Es wurde in diesem Gutachten nur das dermatologische Leiden untersucht und keine Begutachtung zur wechselseitigen Beeinflussung der im Vorgutachten festgestellten Leiden aus dermatologischer Sicht durchgeführt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers nur noch 10 v.H. betrage und der Beschwerdeführer daher nicht mehr die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten erfülle. Daher werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit Ablauf des Monats, welcher auf die Zustellung des Bescheides folge, nicht mehr zum Kreis der begünstigten Behinderten gehöre. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass die ärztliche Untersuchung im Rahmen des amtswegig eingeleiteten Ermittlungsverfahrens ergeben habe, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers nur noch 10 v.H. betrage. Somit sei eine maßgebende Änderung in den Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten eingetreten und ein Ausschließungsgrund gemäß § 2 BEinstG liege vor. Die im Rahmen des Parteiengehörs erhobenen Einwände des Beschwerdeführers seien nicht geeignet gewesen, eine Änderung des Gesamtgrades der Behinderung zu bewirken. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, welche einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Dem Bescheid war nur das Gutachten des Sachverständigen aus dem Bereich Dermatologie angeschlossen.
Mit Schreiben vom 07.03.2019, welches von der belangten Behörde als Beschwerde gewertet und am 08.03.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde, führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, die inhaltliche Richtigkeit des Bescheides werde angezweifelt, da die Dauerinvalidität des Beschwerdeführers von zumindest 30% aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen der Hände gänzlich unerwähnt geblieben sei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer gehört seit seinem Antrag vom 13.11.2013, festgestellt mit Bescheid des damaligen Bundessozialamts, Landesstelle Niederösterreich, dem Kreis der begünstigten Behinderten nach dem BEinstG an.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 10 v.H. beträgt und der Beschwerdeführer daher nicht mehr die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten erfüllt.
Es wurde lediglich das Gutachten des Sachverständigen aus dem Bereich der Dermatologie in die Begründung des Bescheides aufgenommen.
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Akteninhalt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichts (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 19b Abs. 1 iVm Abs. 6 Behinderteneinstellungsgesetz, BGBl. 22/1970 idF BGBl. I 57/2015 (BEinstG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des § 14 Abs. 2 leg. cit. durch einen Senat, in welchem eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken hat. Im Beschwerdefall liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A) Behebung und Zurückverweisung:
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl. etwa das Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.
Der Umstand, dass gegebenenfalls (punktuelle) ergänzende Einvernahmen durchzuführen wären, rechtfertigt nicht die Zurückverweisung; vielmehr wären diese Einvernahmen, sollten sie wirklich erforderlich sein, vom Verwaltungsgericht - zweckmäßigerweise im Rahmen einer mündlichen Verhandlung - durchzuführen. (Ra 2015/08/0178 vom 27.01.2016)
In § 28 VwGVG ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016)
Daraus folgt für den gegenständlichen Fall:
Vorweg ist festzuhalten, dass gegenständlich das tatsächliche Vorliegen einer Beschwerde fraglich war, da der Beschwerdeführer seine Eingabe vom 07.03.2019 zwar auf den Bescheid vom 28.02.2019 inklusive Ordnungsbegriff bezogen hat, das Schreiben aber inhaltlich eher als "Anfrage" an die belangte Behörde formuliert ist. Da die belangte Behörde den gegenständlichen Akt aber an das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerde vorgelegt hat und aus dem Schreiben zumindest die wesentlichen Elemente einer Beschwerde, nämlich die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides samt des Ordnungsbegriffs, Bezeichnung der belangten Behörde, eine Begründung und ein Begehren (hier "Ersuchen um interne Prüfung") herauszulesen sind, wird die Eingabe auch vom Bundesverwaltungsgericht als rechtzeitige und zulässige Beschwerde gewertet.
Bezüglich des angefochtenen Bescheides ist Folgendes auszuführen:
Die belangte Behörde hat im amtswegig eingeleiteten Verfahren zwar den Beschwerdeführer vorschriftsmäßig zunächst um Vorlage aktueller Befunde aufgefordert und danach ein ärztliches Gutachten eingeholt, welches einen Gesamtgrad der Behinderung von 30 v.H. feststellte, sowie, nach Gewährung von Parteiengehör, aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers ein zweites Gutachten aus dem Bereich der Dermatologie eingeholt, welches nur das dermatologische Leiden bewertet, aber nicht die wechselseitige Leidensbeeinflussung aus dermatologischer Sicht. Im angefochtenen Bescheid wurde dann lediglich das Gutachten des dermatologischen Sachverständigen herangezogen und der Entscheidung zugrunde gelegt. Dadurch, dass die belangte Behörde zum einen dem Sachverständigen aus dem Bereich der Dermatologie nicht aufgetragen hat, die wechselseitigen Leidensbeeinflussungen zwischen dem dermatologischen Leiden und den im zuvor eingeholten Gutachten festgestellten weiteren Leiden zu untersuchen und zum anderen das zuvor eingeholte Sachverständigengutachten aus den Bereichen Allgemeinmedizin und innere Medizin nicht in den angefochtenen Bescheid einfließen hat lassen, sondern sich nur auf das zuletzt eingeholte Gutachten gestützt hat, hat die belangte Behörde ihre Ermittlungs- bzw. Begründungspflicht in grober Weise verletzt.
Die aufgezählten Mängel können gegenständlich auch nicht durch eine Sachentscheidung des Bundesverwaltungsgerichts saniert werden: Da Entscheidungen im Bereich des Behindertenrechts in höchstem Maße von ärztlichen Sachverständigengutachten abhängig sind, müsste das Bundesverwaltungsgericht dazu neue Sachverständigengutachten einholen, welche durch die dafür nötige erneute Untersuchung des Beschwerdeführers zu einer erheblichen Verfahrensverzögerung führen würden, welche jedenfalls nicht im Sinne einer raschen und kostengünstigen Verfahrensführung liegen würden. Aus diesem Grund erscheint nach Ansicht des erkennenden Senats gegenständlich die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und Zurückverweisung an die belangte Behörde jedenfalls gerechtfertigt.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Fall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im Fall des Beschwerdeführers noch nicht abschließend feststeht und, wie erörtert, vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3
2. Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Die belangte Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren einerseits den Sachverständigen aus dem Bereich der Dermatologie um Ergänzung seines Gutachtens in Bezug auf die wechselseitigen Leidensbeeinflussungen zwischen dem dermatologischen und den anderen Leiden aufzufordern und in weiterer Folge einen neuen Bescheid unter Berücksichtigung aller verfahrensgegenständlicher Gutachten sowie aller vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde zu erlassen haben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die gegenständlich relevante Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs wurde im gegenständlichen Beschluss zitiert. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W216.2215676.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2019