Index
60/03 Kollektives ArbeitsrechtNorm
B-VG Art140 Abs1 litcLeitsatz
Zurückweisung eines Individualantrags auf Aufhebung einer Bestimmung des Arbeiterkammergesetzes betreffend die Pflichtmitgliedschaft zur Arbeiterkammer mangels LegitimationSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung
1. Mit dem auf Art140 Abs1 litc B-VG gestützten Antrag begehrt der Antragsteller §10 Arbeiterkammergesetz 1992 (im Folgenden: AKG), BGBl 626/1991 idF BGBl I 32/2018, sowie Art120a B-VG zur Gänze als verfassungswidrig aufzuheben. Der Antragsteller sei leitender Angestellter einer Gesellschaft im Bundeseigentum und damit Kraft gesetzlicher Vorgabe Pflichtmitglied der Arbeiterkammer.
2. Zur Antragslegitimation bringt der Antragsteller im Wesentlichen vor, dass es keinen zumutbaren Rechtsweg gäbe, die für verfassungswidrig erachtete Bestimmung zu bekämpfen. Wörtlich begründet er seinen Antrag diesbezüglich wie folgt:
"Der Beschwerdeführer ist Kraft gesetzlicher Regelung Pflichtmitglied der Arbeiterkammer. Die Pflichtmitgliedschaft ist ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides wirksam geworden. Die Beiträge an die AK werden vom Dienstgeber im Wege der Gebietskrankenkassen (§61 Abs4 AKG) an die AK abgeführt (siehe Beilage 'Jahreslohnkonto 2018'). Die AK-Beiträge werden nicht einmal ausgeworfen, sondern unter der Position 'sonstige SV-Beitr. lfd.' abgezogen (vgl handschriftliche Anmerkung der Personalstelle). Es ist daher auch kein Rechtszug zum VfGH im Wege der Beeinspruchung von vorgeschriebenen Pflichtbeiträgen möglich (anders WKÖ, LK-NÖ)."
Die Arbeiterkammer vertrete systematisch Positionen, die den beruflichen, persönlichen und wirtschaftlichen Interessen des Antragstellers als leitender Angestellter, Landwirt und Vermieter entgegenstehen würden. In der Sache behauptete der Antragsteller mit näherer Begründung, §10 AKG widerspreche dem leitenden Grundprinzip der Rechtsstaatlichkeit und Bundesstaatlichkeit, sowie Art11 EMRK, Art18 B-VG sowie Art12 GRC. Überdies stehe Art120a B-VG im Widerspruch zum Grundprinzip der Rechtsstaatlichkeit und zu Art18 B-VG sowie Art11 EMRK.
3. Der Antrag ist unzulässig.
3.1. Der Antrag auf Aufhebung von Art120a B-VG ist schon deshalb zurückzuweisen, weil der Antragsteller in der Sache selbst eine unmittelbare Verletzung nur durch §10 AKG behauptet.
3.2. Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art140 Abs1 Z1 litc B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art140 Abs1 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen verfassungswidrige Gesetze nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.803/1988, 13.871/1994, 15.343/1998, 16.722/2002, 16.867/2003).
3.3. Ein solcher zumutbarer Weg der Rechtsverfolgung steht dem Antragsteller jedoch offen:
Der Verfassungsgerichtshof hat bezugnehmend auf die Vorgängerbestimmungen (§§5 und 19 Bundesgesetz vom 19. Mai 1954 über die Kammern für Arbeiter und den Österreichischen Arbeiterkammertag, BGBl 105/1954) die Antragslegitimation von Dienstnehmern in Verfahren nach Art140 B-VG verneint (VfSlg 8485/1979, 12.550/1990). Dies wurde damit begründet, dass durch das Gesetz ein zumutbarer Weg eröffnet wurde. Die in §5 Abs3 AKG, BGBl 105/1954, vorgesehene Feststellung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales im Streitfall über eine Kammerzugehörigkeit eines bestimmten Dienstnehmers eröffnete einen zumutbaren Weg, die behauptete Rechtsverletzung geltend zu machen und letztendlich gegen eine allenfalls negative Entscheidung Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof einzubringen und darin die Bedenken bezüglich der als verfassungswidrig erachteten Bestimmungen darzulegen.
Die geltende Rechtslage sieht in §11 AKG im Streitfall über die Zugehörigkeit zur Arbeiterkammer ebenfalls vor, dass auf Antrag des Betroffenen oder der Arbeiterkammer der Bundesminister für Arbeit und Soziales über die Kammerzugehörigkeit entscheidet. Somit ist im vorliegenden Fall auf Grund der Möglichkeit der Feststellung gemäß §11 AKG ein zumutbarer Weg für den Antragsteller zur Abwehr der durch die behauptete Verfassungswidrigkeit angeblich bewirkten Rechtsverletzung eröffnet. Der Antragsteller könnte mit der Behauptung, der Arbeiterkammer nicht anzugehören, ein Verwaltungsverfahren eröffnen und in weiterer Folge gegen eine allenfalls negative Entscheidung Beschwerde gemäß Art144 B-VG beim Verfassungsgerichtshof einbringen (vgl VfSlg 12.550/1990).
3.4. Der Antrag ist daher mangels Legitimation als unzulässig zurückzuweisen. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
VfGH / Individualantrag, Arbeiterkammern MitgliedschaftEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:G152.2018Zuletzt aktualisiert am
15.05.2019