TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/15 L517 2198686-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

15.01.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §40
BBG §41
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L517 2198686-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX , vom 05.01.2018, OB:

XXXX , in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs. 2, § 40 Abs. 1, § 41 Abs. 1 und 2, § 45 Abs. 1 bis 3, § 47 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF iVm § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF, stattgegeben, ein Gesamtgrad der Behinderung von 80 v.H. festgestellt und festgestellt, dass die Voraussetzungen hinsichtlich der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass iSd zitierten Bestimmungen des BBG vorliegen. Der Behindertenpass wird bis 31.05.2021 befristet.

B) Das Begehren, den Grad der Behinderung als Dauerzustand zu

qualifizieren, wird abgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz

(B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

05.10.2017 - Antrag der beschwerdeführenden Partei (bP) auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX (belangte Behörde bzw. bB)

27.12.2017 - Erstellung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens, GdB 40 v.H.

05.01.2018 - Bescheid der bB, Abweisung des Antrages der bP, GdB 40 v. H.

15.02.2018 - Beschwerde der bP und Befundvorlage

25.05.2018 - Erstellung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens, GdB 80 v.H. NU 05/2021, Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel

19.06.2018 - Beschwerdevorlage am BVwG

27.09.2018 - Verständigung der bP vom Ergebnis der Beweisaufnahme

30.09.2018 - Stellungnahme der bP

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.0. Feststellungen (Sachverhalt):

Die bP besitzt die österreichische Staatsbürgerschaft und ist an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft.

Am 05.10.2017 stellte die bP unter Vorlage eines Befundes einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Das am 27.12.2017 erstellte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie stellte im Ergebnis der durchgeführten Begutachtung fest:

"Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs

Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

1 Wirbelsäule, Lendenwirbelsäulenschmerzen bei degenerativen Veränderungen

Die hochgradig degenerativen Veränderungen ergeben die Einschätzung. Nervenwurzelirritation oder neurologische Ausfälle zeigen sich nicht.

Pos.Nr. 02.01.02 GdB 40%

2 Hände - Obere Extremitäten, Daumensattelgelenksabnützung rechts

Entsprechend dem klinischen Bild ohne Röntgen wird die Einschätzung durchgeführt.

Pos.Nr. 02.06.26 GdB 10%

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Keine Erhöhung wegen Geringfügigkeit"

Mit Bescheid vom 05.01.2018 wies die bB den Antrag der bP auf Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H., unter Zugrundelegung des eingeholten Sachverständigenbeweises, ab.

Aufgrund ihrer dagegen am 15.02.2018 erhobenen Beschwerde und der dabei vorgelegten Befunde erfolgte im Zuge des Beschwerdevorentscheidungsverfahrens im Auftrag der bB die erneute Erstellung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens, welches nachfolgenden Inhalt aufweist:

"Anamnese:

Vorgutachten 30.11.2017 (40%).

Degenerative Lendenwirbelsäulenveränderungen.

Daumensattelgelenksabnützung rechts.

Beschwerde.

Neu hinzugekommenes Nervenleiden bei Letztgutachten noch nicht vorgelegt. Sensomotorische Polyneuropathie DD hereditär bei familiärer HSMN Belastung.

Derzeitige Beschwerden:

Herr XXXX kommt in Begleitung seiner Tochter zur Untersuchung.

Beschrieben werden Schmerzen im LWS Bereich mit Ausstrahlung bds. links>rechts im Sinne von Dauerschmerzen mit Verstärkung unter längerdauernder, gleichförmiger Körperhaltung.

Immer wieder Infusionen, ein Kuraufenthalt habe nichts gebracht, ein neuerlicher Antrag wurde gestellt.

Bei dem Patienten besteht aufgrund einer familiären PNP und der vertebragen bedingten Gangstörung eine erhebliche Einschränkung der Wegstrecke mit Auftreten einer Claudicatio spinalis Symptomatik nach 100-150 m.

Zuletzt nicht bekannte Polyneuropathie mit Gefühlsstörungen beider Beine, v.a. nachts.

Im Verlauf der Untersuchung wird der Antragsteller immer schmerzgeplagter, eine suffiziente Untersuchung der unteren Extremitäten durch massive Gegenspannung erschwert.

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Amykal, Diclobene, Deflamat, Parkemed,

Sozialanamnese:

Pensionist, Schlosser, seit 1980 in Österreich lebend, verheiratet, 4 erw. Kinder.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

13.2.2018 Dr. XXXX /FA Neurologie:

Verdachtsdiagnose / Fragestellung: Zunehmende Dysästhesien, Gangstörung, Famiiiare Polyneuropathie (Tochter, Cousine) bekannt, zusätzlich deutliche degenerative WS Veränderungen L3-S1, Vertebrostenosis lumbalis betont L3/4 und L4/5 Nn. peronei: Bds. reduzierte MSAP, verlängerte distale Latenzen und links verlangsamte sowie rechts grenzwertige motor. NLG Nn tibiales: Bds. reduzierte MSAP, grenzwertige distale Latenzen und sowie grenzwertige motor. NLG Nn surales; Bds. verlangsamte sensibel antidrome NLG bei links erhaltener SNAP

Zusammenfassung: Befund spricht für axonale und demyelinisierende Läsionen an den untersuchten Nerven, wobei pathogenetisch vertebragene sowie PNP bedingte Ursachen bei familiärer Polyneuropathie anzunehmen sind.

NEUROIOGISCH-FACHÄRZTUCHE STELLUNGNAHME. ATTEST

Bei dem Patienten besteht aufgrund einer familiären PNP und vertebragen bedingten Gangstörung eine erhebliche Einschränkung der Wegstrecke mit Auftreten einer Claudicatio spinalis Symptomatik nach 100-150 m. Wegen der dauerhaften Mobilitätseinschränkung der Patientin ist eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kaum mehr zumutbar.

Diagnosen: Sensomotorische Polyneuropathie DD hereditär bei familiärer HSMN Belastung (Tochter, Schwester), Multisegmentale Diskopathie LWS, Vertebrostenosis lumbalis 13/4 sowie L4/5, Degenerative bedingte Antherolisthese LWIG/4, Claudicatio spinalis, Z.n. CT gezielter Infiltration L5/S1 links (Neurochirurgie XXXX ), Chronische Lumbalgien, tumboischialgien, ISG Syndrom bds.

Untersuchungsbefund:

Allgemeinzustand:

gut

Ernährungszustand:

gut

Größe: 176,00 cm Gewicht: 85,00 kg Blutdruck: n.g.

Klinischer Status - Fachstatus:

Alkohol: gelegentlich, Nikotin: negiert.

Caput/Collum: Lesebrille wird verwendet; Hörvermögen altersentsprechend unauffällig; Gebiß: OK+UK Prothese.

Thorax: symmetrisch, unauffällige Atemexkursionen,

Pulmo: SKS, VA, keine RG's.

Cor: HA rhythmisch, HT rein, normofrequent, keine pathologischen Geräusche.

Abdomen: BD weich, kein DS im Epigastrium, keine pathologischen Resistenzen palpabel, Hepar und Lien nicht palpiert, Nierenlager bds. frei,

Miktion und Defäkation: unauffällig

WS-HWS: gerade, Nackenhartspann, Kinn-Sternumabstand: 3 cm, KS über gesamter HWS; Rotation: 60-0-60°, Klopfschmerz gesamte HWS und BWS.

WS-BWS: erhaltene physiologische Kyphose, paravertebrale Muskulatur mäßig verspannt, Klopfschmerz thorakolumbaler Übergang

WS-LWS: Klopfschmerz über unterer LWS, ISG links druckschmerzhaft;

Lasegue bds. negativ, Lendenlordose, Beckengeradstand; FBA:

Handflächen erreichen knapp die Kniescheiben.

Obere Extremität: KG 5 bds.; Sensibilität stgl. und unauffällig.

Schulter-, Ellbogen-, Hand und Fingergelenke zeigen sich weitgehend unauffällig, frei von äußeren Entzündungszeichen und in ihren jeweiligen Richtungen uneingeschränkt beweglich.

Die Beweglichkeit der oberen Extremität wird von ausgeprägten Schmerzäußerungen begleitet.

Untere Extremität: KG 5 beidseits, Sensibilität UE vermindert.

Hüften bds.: kein Leistendruck- oder Trochanterklopfschmerz; kein Stauchungs- oder Rüttelschmerz,

Extension / Flexion S: 0-90° mit Gegenspannung; Ab/Adduktion:

20-0-10°; Außen/Innenrotation: 30-0-20°

Kniegelnke: Extension / Flexion S: 0-100°endlagig schmerzhaft, Druckschmerz medialer Gelenksspalt, bandstabil, keine Entzündungszeichen; Valgus/Varusstress: positiv; Zohlenzeichen:

positiv, minimale Krepitationen hör- und spürbar. bei Untersuchung unkooperativ, Gegenspannung, schmerzgeplagt.

Pulse allseits palpabel, keine Varizen, keine Ödeme;

Sprunggelenk bds. unauffällig.

Gesamtmobilität - Gangbild:

auf der kurzen Strecke der klinischen Untersuchung frei, vornübergebeugt gehend

Status Psychicus:

Der Patient von klarer Bewusstseinslage, er ist räumlich, örtlich, zeitlich, zur Person und situativ orientiert.

Aufmerksamkeit, Konzentration und formales Denken sind unauffällig.

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktions-einschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs

Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes: 1 Hochgradige degenerative Veränderungen Lendenwirbelsäule mit multisegmentalen Bandscheibenschäden, Vertebrostenosis lumbalis L3/4 sowie L4/5, degeneratives Wirbelgleiten

Schmerzen mit Ausstrahlung, Claudicatio spinalis Symptomatik mit Einschränkung der Mobilität, regelmäßige Schmerzmedikation, Pos.Nr. 02.01.03 GdB 70%

2 Sensomotorische Polyneuropathie zunehmende Dysästhesie der unteren Extremitäten Pos.Nr. 04.06.02 GdB 50%

3 Daumensattelgelenksabnützung rechts übernommen aus Vorgutachten Pos.Nr. 02.06.26 GdB 10%

Gesamtgrad der Behinderung 80 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:

Hauptleiden ist das Leiden in Position 1, durch gegenseitig negative Beeinflussung und zusätzliche erhebliche Einschränkung erhöht das Leiden in Position 2 den GdB um 1 Stufe auf insgesamt 80%, das weitere Leiden erhöht bei Geringfügigkeit nicht weiter.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

keine

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Bei zunehmenden Beschwerden Lendenwirbelsäule entsprechend den Kriterien der EVO höher als zuletzt eingeschätzt.

Bisher nicht bekanntes neurologisches Leiden nach EVO ergänzt

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Durch Erhöhung Lendenwirbelsäulenleiden und neu hinzugekommenes neurologisches Leiden insgesamt 4 Stufen höher als Vorgutachten

[X] Nachuntersuchung 05/2021 - Besserungsmöglichkeit unter adäquaten Therapiemaßnahmen

1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Der Antragsteller ist in seiner Gehleistung höhergradig eingeschränkt, eine Wegstrecke von 300- 400m ist nicht ohne Pause zurücklegbar. Der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist bei der vorhandenen Gangstörung nicht gewährleistet.

Begründung:

Mobilitätseinschränkung durch Wirbelsäulen,-und Nervenleiden."

Die bP führte in der - ihr infolge des nach Beschwerdevorlage am BVwG gewährten Parteiengehörs - erfolgten Stellungnahme vom 30.09.2018 aus, dass sie der Ansicht sei, dass ihr Gesundheitszustand ein Dauerzustand sei. Insgesamt hätten sich ihr Gesundheitszustand und ihre Mobilität sehr stark verschlechtert. Sie leide seit 2000 an chronischen Kopfschmerzen und Ischias-Schmerzen und sei in ihrer Bewegungsfähigkeit sehr stark eingeschränkt. Ihre schwere Nervenerkrankung sei nicht heilbar und fortschreitend. Die aktuelle Messung der Nervenleitgeschwindigkeit zeige eine deutliche Verschlechterung der elektrophysiologischen Parameter, infolgedessen es zu Gangstörung komme und ihre Gehfähigkeit durch die Claudicatio spinalis auf 100 bis 150 Meter eingeschränkt sei. Es sei ihr daher nicht möglich, lange Strecken zu gehen und öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.

Befunde wurden nicht beigebracht.

2.0. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.

2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)". Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.

Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (vgl auch VwGH vom 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030; VwGH vom 17. Juni 2013, 2010/11/0021 mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, 2007/11/0142 und vom 23. Mai 2012, 2008/11/0128; vgl auch VwGH vom 20.03.2001, 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Das im Verfahren vor der bB eingeholte medizinische Sachverständigengutachten zum Grad der Behinderung bedarf nach der Rsp des VwGH (vom 21.06.2017, Ra 2017/11/0040) einer ausreichenden, auf die vorgelegten Befunde eingehenden und die Rahmensätze der Einschätzungsverordnung vergleichenden Begründung (vgl. zu den diesbezüglichen Anforderungen das hg. Erkenntnis vom 08.07.2015, Ra 2015/11/0036).

Dem VwGH zufolge kommt es für die Berechtigung der zusätzlichen Eintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (VwGH vom 22.10.2002, GZ 2001/11/0258).

Unter dem Blickwinkel der Judikatur der Höchstgerichte, insbesondere der zitierten Entscheidungen, ist das orthopädische Sachverständigengutachten, welches aufgrund der Beschwerde der bP und der dabei vorgelegten Befunde eingeholt wurde, schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Nach Würdigung des erkennenden Gerichtes erfüllt es die an ein ärztliches Sachverständigengutachten gestellten Anforderungen.

Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchungen eingehend erhobenen klinischen Befunden, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Im Gutachten wurden alle relevanten von der bP vorgebrachten Leiden sowie die beigebrachten Unterlagen bzw. Befunde berücksichtigt. Die vorgelegten Beweismittel stehen nicht im Widerspruch zum Ergebnis des eingeholten Sachverständigenbeweises.

Im angeführten Gutachten wurde von der Sachverständigen auf die Art der Leiden und deren Ausmaß, sowie die vorgelegten Befunde der bP ausführlich eingegangen.

Das eingeholte Sachverständigengutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

Im angeführten Gutachten wurde von der Fachärztin für Orthopädie auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen, das Ergebnis der durchgeführten Begutachtung - insbesondere im Zusammenhang mit der Änderung der vorgenommenen Einschätzung sowie der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - umfassend dargelegt, sowie die daraus resultierende Einschätzung des Grades der Behinderung mit 80 v.H. und die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erörtert und schlüssig und nachvollziehbar begründet.

Im Ergebnis der durchgeführten Begutachtung stellte die Sachverständige fest, dass das Lendenwirbelsäulenleiden aufgrund der zunehmenden Beschwerden höher als zuletzt eingeschätzt wurde. Neu eingeschätzt, da bisher nicht bekannt, wurde die sensomotorische Polyneuropathie. Durch die Erhöhung des Lendenwirbelsäulenleidens von 40% auf 70% und das neu hinzugekommene neurologische Leiden, welches mit 50% eingeschätzt wurde, wurde der Gesamtgrad um insgesamt vier Stufen höher als im Vorgutachten eingeschätzt. Das Hauptleiden unter der Lfd.Nr. 1, die hochgradigen degenerativen Veränderungen der Lendenwirbelsäule mit multisegmentalen Bandscheibenschäden wird durch die gegenseitige negative Beeinflussung und die erhebliche Einschränkung des Leidens unter der Lfd.Nr. 2, der sensomotorischen Polyneuropathie, um eine Stufe auf 80% gesteigert. Eine Nachuntersuchung für Ende Mai 2021 wurde angeordnet, da eine Besserungsmöglichkeit unter adäquaten Therapiemaßnahmen besteht.

Die Frage der Auswirkung der festgestellten Gesundheitsschädigungen nach Art und Schwere für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde im Gutachten folgendermaßen dargelegt: "Der Antragsteller ist in seiner Gehleistung höhergradig eingeschränkt, eine Wegstrecke von 300- 400m ist nicht ohne Pause zurücklegbar. Der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist bei der vorhandenen Gangstörung nicht gewährleistet."

Das allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten wurde im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.

Aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegung durch die Gutachterin ist der Einschätzung der Ärztin folgend ist von einem Gesamtgrad der Behinderung von 80 v.H. und der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auszugehen, weshalb der Beschwerde stattzugeben war.

Der Einwand der bP in ihrer Stellungnahme, dass es zu einer Gangstörung komme, ihre Gehfähigkeit auf 100 bis 150 Meter eingeschränkt sei und es ihr nicht möglich sei, lange Strecken zu gehen und ÖVM zu benutzen, geht völlig ins Leere, da von der Sachverständigen festgestellt wurde, dass die bP in ihrer Gehleistung höhergradig eingeschränkt ist, der sichere Transport in einem ÖVM aufgrund der Gangstörung nicht gewährleistet ist und eine Wegstrecke von 300 bis 400 Meter nicht ohne Pause zurücklegbar ist. Es liegt aufgrund des Wirbelsäulen- und Nervenleidens eine Mobilitätseinschränkung vor.

Dem Begehren der bP, ihren Gesundheitszustand als Dauerzustand zu qualifizieren, wird nicht Folge gegeben. Wie die Sachverständige darlegt, können adäquate Therapiemaßnahmen zu einer Besserung führen. Dieser Ansicht wird gefolgt. Die Befristung des Behindertenpasses ist bis 31.05.2021 vorgesehen.

3.0. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:

-

Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF

-

Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF

-

Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF

-

Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF

-

Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF

-

Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF

Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.

3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; ...

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.

3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.

Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.

3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.

Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen

Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.

Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.

Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 43 Abs 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sofern Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.

Gemäß § 43 Abs 2 BBG ist der Besitzer des Behindertenpasses verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.

Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

Gemäß § 1 Abs 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:

1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

a) überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen ist;

diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 1 bis 3 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, vorliegen. Bei Kindern und Jugendlichen gelten jedoch dieselben Voraussetzungen ab dem vollendeten 36. Lebensmonat.

b) blind oder hochgradig sehbehindert ist;

diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 4 oder 5 BPGG vorliegen.

c) gehörlos oder schwer hörbehindert ist;

die Eintragung gehörlos ist bei einem Grad der Behinderung von 80% entsprechend der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, bzw. einem Grad der Behinderung von 70% aufgrund der Position 643 nach der Richtsatzverordnung BGBl. Nr. 150/1965, vorzunehmen.

Die Eintragung schwer hörbehindert ist ab einem Grad der Behinderung von 50% auf der Grundlage der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, bzw. der Position 643 nach der Richtsatzverordnung, vorzunehmen.

Bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 10. Lebensjahr muss ein Grad der Behinderung von 90%, vom 11. Lebensjahr bis zum vollendeten 14. Lebensjahr ein Grad der Behinderung von 80% entsprechend der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungs-verordnung vorliegen.

d) taubblind ist;

diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 6 BPGG vorliegen.

e) Träger/Trägerin eines Cochlear-Implantates ist;

f) Epileptiker/Epileptikerin ist;

diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn eine Diagnose entsprechend Abschnitt 04.10.02 oder 04.10.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung bzw. der Positionsnummern 573 oder 574 nach der Richtsatzverordnung vorliegt.

g) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, aufweist;

diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorliegt. Der Zöliakie sind die Phenylketonurie (PKU) und ähnliche schwere Stoffwechselerkrankungen im Sinne des Abschnittes 09.03. der Anlage zur Einschätzungsverordnung gleichzuhalten.

h) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen aufweist;

diese Eintragung ist bei Vorliegen einer Gallen-, Leber- oder Nierenerkrankung mit einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen.

i) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen aufweist;

diese Eintragung ist bei Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne der Abschnitte 07 und 09 der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie bei Malignomen des Verdauungstraktes im Sinne des Abschnittes 13 der Anlage zur Einschätzungsverordnung entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen.

j) Träger/Trägerin von Osteosynthesematerial ist;

k) Träger/Trägerin einer Orthese ist;

l) Träger/Trägerin einer Prothese ist.

2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes

a) einer Begleitperson bedarf;

diese Eintragung ist vorzunehmen bei

-

Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z.1 lit. a verfügen;

-

Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d verfügen;

-

bewegungseingeschränkten Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig der Hilfe einer zweiten Person bedürfen;

-

Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr und Jugendlichen mit deutlicher Entwicklungsverzögerung und/oder ausgeprägten Verhaltensveränderungen;

-

Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr mit kognitiven Einschränkungen, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedürfen, und

-

schwerst behinderten Kindern ab Geburt bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, die dauernd überwacht werden müssen (z. B. Aspirationsgefahr).

b) die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen kann;

diese Eintragung ist bei Menschen mit Behinderung, die dem Personenkreis des § 48 des Bundesbehindertengesetzes angehören, bei Vorliegen eines festgestellten Grades der Behinderung/einer festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70% bzw. bei Bezug von Pflegegeld oder anderen vergleichbaren Leistungen nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften vorzunehmen.

c) einen geprüften Assistenzhund besitzt;

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten