Entscheidungsdatum
04.03.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G304 2194154-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.03.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste Ende August 2015 zunächst legal auf dem Luftweg von Bagdad nach Istanbul in die Türkei, bevor er von dort weiter nach Österreich gereist ist und im Bundesgebiet am 17.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
Bei seiner Erstbefragung gab der BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes an, vor zwei Monaten in seinem Herkunftsstaat von einer Gruppe schiitischer Milizen unter Druck gesetzt, von diesen in der Absicht, ihn zu rekrutieren, verfolgt, mit Waffen bedroht und an seiner Arbeit gehindert worden zu sein. Der BF gab an, bei einer Rückkehr zu fürchten, aufgrund seiner Weigerung, mit den schiitischen Milizen zu kämpfen, verfolgt und getötet zu werden. Dies sei "überall bekannt."
2. Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 23.01.2018 gab der BF an, seine bisherigen Angaben im Verfahren seien wahrheitsgetreu, in der Erstbefragung habe er jedoch abgesehen von seinen persönlichen Daten mangels Rückübersetzung der Niederschrift nichts mehr verstanden. Der BF wies befragt nach seinen Fluchtgründen erneut auf eine Verfolgung aufgrund seiner sunnitischen Zugehörigkeit durch schiitische Milizen hin, konnte keine Bedrohung seiner im Herkunftsstaat verbliebenen Familienangehörigen angeben und bezüglich einer erfolgten Bedrohung seines mittlerweile in Deutschland aufhältigen Bruders einen Zusammenhang mit seinem Fluchtgrund ausdrücklich ausschließen.
3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesasylamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurde der gegenständliche Antrag des BF vom 17.09.2015 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 der Antrag bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF gemäß § 57 AsylG 2005 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß 46 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), und festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Die belangte Behörde erachtete das Fluchtvorbringen des BF als unglaubwürdig und nicht asylrelevant, und sah kein Abschiebungshindernis und keine einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entgegenstehenden privaten Interessen des BF als gegeben an.
4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, jedenfalls eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) anzuberaumen und dem BF den Status des Asylberechtigten, in eventu den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären.
5. Am 02.05.2018 langte beim BVwG die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein. Mit Beschwerdevorlage wurde beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger vom Irak, gehört der arabischen Volksgruppe an, ist sunnitischer Moslem und stammt aus Bagdad.
1.2. Er konnte Ende August 2015 problemlos legal aus seinem Herkunftsstaat ausreisen und gelangte zunächst auf dem Luftweg von Bagdad nach Istanbul in die Türkei, bevor er von dort weiter nach Österreich gereist ist und im Bundesgebiet am 17.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
1.3. Der vom BF vorgebrachte Fluchtgrund, als Sunnit von schiitischen Milizen bedroht worden zu sein, weil er sich ihnen nicht anschließen habe wollen, konnte aufgrund unglaubwürdigen Vorbringens nicht festgestellt werden. Dass dem BF bei einer Rückkehr eine individuelle Verfolgung durch schiitische Milizangehörige droht, kann deshalb ausgeschlossen werden.
1.4. Festgestellt wird, dass der BF vielmehr aufgrund der allgemeinen unsicheren Lage in seinem Herkunftsstaat sein Heimatland verlassen hat und nach legaler Ausreise auf dem Luftweg von Bagdad nach Istanbul und nachfolgender Weiterreise nach Österreich durch eine Asylantragstellung im Bundesgebiet ein Bleiberecht mit besseren Lebensbedingungen erwirken wollte.
1.5. Der BF hat im Bundesgebiet keine Familienangehörigen. In Bagdad leben seine Ehegattin, die bei ihren Eltern wohnt und nach Ausreise des BF ein Kind von ihm geboren hat, seine Eltern, eine Schwester, vier Tanten väterlicherseits und ein Onkel mütterlicherseits. Der BF hält den Kontakt zu seinen Verwandten in seinem Herkunftsstaat über Internet aufrecht. Die finanzielle Lage seiner Verwandten im Herkunftsstaat ist gut. Sie wurden zudem nach Ausreise des BF nie bedroht oder verfolgt. Ein Bruder des BF reiste nach Ausreise des BF nach Deutschland. Der BF hat zu ihm ebenfalls aufrechten Kontakt und konnte einen Zusammenhang des Ausreisegrundes seines Bruders mit seinem eigenen Fluchtgrund ausschließen. Die beiden weiteren Brüder des BF leben in der Türkei und in Belgien.
1.6. Der BF ist in seinem Herkunftsstaat bei seiner Familie aufgewachsen und hat nach sechs Jahren Schulbesuch in einer Bäckerei zu arbeiten begonnen und seine Arbeit bis kurze Zeit vor seiner Ausreise Ende Juli bzw. August 2015 fortgesetzt.
1.7. Der BF hat im Bundesgebiet mehrmals für Unruhe gesorgt und die österreichischen Rechts- bzw. Strafvorschriften verletzt:
1.7.1. Der BF wurde am 07.07.2016 seitens der zuständigen Grundversorgungsstelle schriftlich verwarnt, war er doch in der Nacht auf 05.07.2016 in der ihm zugewiesenen Asylunterkunft stark alkoholisiert und aggressiv. Eine mündliche Verwarnung war bereits im Juni 2016, ebenfalls wegen übermäßigen Alkoholkonsums, erfolgt. Daraufhin folgte am 19.06.2017 eine weitere schriftliche Verwarnung wegen körperlicher Auseinandersetzung mit einem Mitbewohner, welche einen Polizeieinsatz und am 21.06.2017 eine disziplinäre Verlegung in eine andere Asylunterkunft erforderlich machte. Eine weitere schriftliche Verwarnung folgte am 30.08.2017 wegen übermäßigen Alkoholkonsums und aggressiven Verhaltens und noch eine am 15.09.2017 wegen übermäßigen Alkoholkonsums und Randalierens im Asylquartier. Aufgrund ständiger Probleme in seiner Unterkunft wurde der BF in eine andere Asylunterkunft verlegt.
1.7.2. Der BF wurde im Bundesgebiet im November 2017 wegen falscher Beweisaussage und Verleumdung im November 2017 rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, strafrechtlich verurteilt.
1.7.3. Am 15.12.2018 wurde der BF wegen tätlicher Auseinandersetzungen im Bundesgebiet angezeigt.
In einem Polizeibericht vom 27.12.2018 wurde diesbezüglich festgehalten:
"(...) Als die Beamten am Vorfallsort eintrafen, waren bereits mehrere Asylwerber in heller Aufruhr. Mehrere Asylwerber, darunter (...), gaben gegenüber den Beamten an, dass der Mitbewohner und amtsbekannte BF mit anderen Asylwerbern in der Unterkunft lautstark herumschrie und stritt, weil er wieder betrunken gewesen sei. Die Situation sei aber nun beruhigt, da der BF in sein Zimmer gegangen sei und nun alle in Frieden lasse. Niemand sei verletzt.
Da der BF durch sein Verhalten die anderen Asylwerber in der Unterkunft derart störte, dass diese die Polizei anrufen musste, wird elektronisch (...) eine Anzeige wegen Ordnungsstörung an die BF (...) übermittelt."
1.8. Der BF wurde am 31.03.2016, 04.04.2016 und 12.04.2016 bei einer Gemeinde im Bundesgebiet für bestimmte Arbeiten eingesetzt. Er ist im Bundesgebiet auch einer illegalen Beschäftigung nachgegangen. Gegen seinen Arbeitgeber wurde wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes verwaltungsstrafrechtlich vorgegangen.
1.9. Der BF hat im Bundesgebiet nachweislich im Zeitraum von 27.06.2016 bis 30.08.2016 den Deutschkurs "Deutsch A1 Teil 1", von 03.10.2016 bis 15.11.2016 einen weiteren Deutschkurs "Deutsch A1 Teil 1 für Asylwerber", von 29.11.2016 bis 23.01.2017 einen nächsten Kurs "Deutsch A1 Teil 1 für Asylwerber", von 30.01.2017 bis 13.03.2017 den Kurs "Deutsch A1 Teil 2 für Asylwerber" und von 21.03.2017 bis 09.05.2017 einen weiteren Kurs "Deutsch A1 Teil 2 für Asylwerber" besucht.
2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:
2.1. Sicherheitslage Bagdad
Die Provinz Bagdad ist die kleinste und am dichtesten bevölkerte Provinz des Irak, mit einer Bevölkerung von mehr als sieben Millionen Menschen. Die Mehrheit der Einwohner Bagdads sind Schiiten. In der Vergangenheit umfasste die Hauptstadt viele gemischte schiitische, sunnitische und christliche Viertel, der Bürgerkrieg von 2006-2007 veränderte jedoch die demografische Verteilung in der Stadt und führte zu einer Verringerung der sozialen Durchmischung sowie zum Entstehen von zunehmend homogenen Vierteln. Viele Sunniten flohen aus der Stadt, um der Bedrohung durch schiitische Milizen zu entkommen. Die Sicherheit der Provinz wird sowohl vom "Baghdad Operations Command" kontrolliert, der seine Mitglieder aus der Armee, der Polizei und dem Geheimdienst zieht, als auch von den schiitischen Milizen, die als stärker werdend beschrieben werden (OFPRA 10.11.2017).
Im Jahr 2016 verzeichnete die Provinz Bagdad noch immer die höchste Zahl an Opfern im gesamten Land. Die Sicherheitslage verbesserte sich jedoch in Bagdad als die Schlacht um Mosul begann. Während Joel Wing im Januar 2016 in Bagdad noch durchschnittlich 11,6 Angriffe pro Tag verzeichnete, sank diese Zahl zwischen April und September 2017 auf durchschnittlich 3 Angriffe pro Tag (OFPRA 10.11.2017; vgl. Joel Wing 8.7.2017, Joel Wing 4.10.2017). Seit 2016 ist das Ausmaß der Gewalt in Bagdad allmählich zurückgegangen. Es gab einen Rückgang an IS-Aktivität, nach den Vorstößen der irakischen Truppen im Nordirak, obwohl der IS weiterhin regelmäßig Angriffe gegen militärische und zivile Ziele durchführt, insbesondere, aber nicht ausschließlich, in schiitischen Stadtvierteln. Darüber hinaus sind sunnitische Bewohner der Gefahr von Übergriffen durch schiitische Milizen ausgesetzt, einschließlich Entführungen und außergerichtlichen Hinrichtungen (OFPRA 10.11.2017).
Terroristische und politisch motivierte Gewalt setzte sich das ganze Jahr 2017 über fort. Bagdad war besonders betroffen. UNAMI berichtete, dass es von Januar bis Oktober 2017 in Bagdad fast täglich zu Angriffen mit improvisierten Sprengkörpern kam. Laut UNAMI zielten einige Angriffe auf Regierungsgebäude oder Checkpoints ab, die von Sicherheitskräften besetzt waren, während viele andere Angriffe auf Zivilisten gerichtet waren. Der IS führte Angriffe gegen die Zivilbevölkerung durch, einschließlich Autobomben- und Selbstmordattentate (USDOS 20.4.2018).
Laut Joel Wing kam es im Januar 2018 noch zu durchschnittlich 3,3 sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad pro Tag, eine Zahl die bis Juni 2018 auf durchschnittlich 1,1 Vorfälle pro Tag sank (Joel Wing 3.7.2018). Seit Juni 2018 ist die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Bagdad langsam wieder auf 1,5 Vorfälle pro Tag im Juli, 1,8 Vorfälle pro Tag im August und 2,1 Vorfälle pro Tag im September gestiegen. Diese Angriffe bleiben Routine, wie Schießereien und improvisierte Sprengkörper und konzentrieren sich hauptsächlich auf die äußeren südlichen und nördlichen Gebiete der Provinz (Joel Wing 6.10.2018).
Insgesamt kam es im September 2018 in der Provinz Bagdad zu 65 sicherheitsrelevanten Vorfällen. Damit verzeichnete Bagdad die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen im ganzen Land (Joel Wing 6.10.2018). Auch in der ersten und dritten Oktoberwoche 2018 führte Bagdad das Land in Bezug auf die Anzahl sicherheitsrelevanter Vorfälle an. Wenn man jedoch die Größe der Stadt bedenkt, sind Angriffe immer noch selten (Joel Wing 9.10.2018 und Joel Wing 30.10.2018).
In Bezug auf die Opferzahlen war Bagdad von Januar bis März 2018, im Mai 2018, sowie von Juli bis September 2018 die am schwersten betroffene Provinz im Land (UNAMI 1.2.2018; UNAMI 2.3.2018; UNAMI 4.4.2018; UNAMI 31.5.2018; UNAMI 1.8.2018; UNAMI 3.9.2018; UNAMI 1.10.2018). Im September 2018 verzeichnete UNAMI beispielsweise 101 zivile Opfer in Bagdad (31 Tote, 70 Verletzte) (UNAMI 1.10.2018).
Quellen:
-Joel Wing - Musings on Iraq (8.7.2017): 3,230 Dead, 1,128 Wounded
In Iraq June 2017,
https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/07/3230-dead-1128-wounded-in-iraq-june-2017.html, Zugriff 1.11.2018
-Joel Wing - Musings on Iraq (4.10.2017): 728 Dead And 549 Wounded
In September 2017 In Iraq,https://musingsoniraq.blogspot.com/2017/10/728-dead-and-549-wounded-in-september.html, Zugriff 1.11.2018
-Joel Wing - Musings on Iraq (6.10.2018): Islamic State Returns To Baghdad While Overall Security In Iraq Remains Steady, https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/islamic-state-returns-to-baghdad-while.html , Zugriff 30.10.2018
-Joel Wing - Musings on Iraq (9.10.2018): Security In Iraq Oct 1-7, 2018,
https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-1-7-2018.html, Zugriff 1.11.2018
-Joel Wing - Musings on Iraq (30.10.2018): Security In Iraq Oct 22-28, 2018,
https://musingsoniraq.blogspot.com/2018/10/security-in-iraq-oct-22-28-2018.html, Zugriff 1.11.2018
-OFPRA - Office Français de Protection des Réfugiés et Apatrides (10.11.2017): The Security situation in Baghdad Governorate, https://www.ofpra.gouv.fr/sites/default/files/atoms/files/39_irq_security_situation_in_baghdad.pdf, Zugriff 31.10.2018
-UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.2.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of January 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8500:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-january-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018
-UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (2.3.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of February 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8643:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-february-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018
-UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (4.4.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of March 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=8801:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-march-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018
-UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (31.5.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of May 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9155:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-may-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018
-UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.8.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of July 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9402:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-july-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018
-UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (3.9.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of August 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9542:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-august-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 1.11.2018
-UNAMI - United Nations Assistance Mission in Iraq (1.10.2018): UN Casualty Figures for Iraq for the Month of September 2018, http://www.uniraq.org/index.php?option=com_k2&view=item&id=9687:un-casualty-figures-for-iraq-for-the-month-of-september-2018&Itemid=633&lang=en, Zugriff 31.10.2018
-USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 31.10.2018
2.2. Minderheiten
In der irakischen Verfassung vom 15.10.2005 ist der Schutz von Minderheiten verankert (AA 12.2.2018). Trotz der verfassungsrechtlichen Gleichberechtigung leiden religiöse Minderheiten unter weitreichender faktischer Diskriminierung und Existenzgefährdung. Der irakische Staat kann den Schutz der Minderheiten nicht sicherstellen.
Offiziell anerkannte Minderheiten, wie chaldäische und assyrische Christen sowie Jesiden, genießen in der Verfassung verbriefte Minderheitenrechte, sind jedoch im täglichen Leben, insbesondere außerhalb der Autonomen Region Kurdistan, oft benachteiligt.
Die wichtigsten ethnisch-religiösen Gruppierungen sind (arabische) Schiiten, die 60 bis 65 Prozent der Bevölkerung ausmachen und vor allem den Südosten/Süden des Landes bewohnen, (arabische) Sunniten (17 bis 22 Prozent) mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak und die vor allem im Norden des Landes lebenden, überwiegend sunnitischen Kurden (15 bis 20 Prozent) (AA 12.2.2018). Genaue demografische Aufschlüsselungen sind jedoch mangels aktueller Bevölkerungsstatistiken sowie aufgrund der politisch heiklen Natur des Themas nicht verfügbar (MRG 5.2018). Zahlenangaben zu einzelnen Gruppen variieren oft massiv (siehe unten).
Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet nicht statt. Allerdings ist nach dem Ende der Herrschaft Saddam Husseins die irakische Gesellschaft teilweise in ihre (konkurrierenden) religiösen und ethnischen Segmente zerfallen - eine Tendenz, die sich durch die IS-Gräuel gegen Schiiten und Angehörige religiöser Minderheiten weiterhin verstärkt hat. Gepaart mit der extremen Korruption im Lande führt diese Spaltung der Gesellschaft dazu, dass im Parlament, in den Ministerien und zu einem großen Teil auch in der nachgeordneten Verwaltung, nicht nach tragfähigen, allgemein akzeptablen und gewaltfrei durchsetzbaren Kompromissen gesucht wird, sondern die zahlreichen ethnisch-konfessionell orientierten Gruppen oder Einzelakteure ausschließlich ihren individuellen Vorteil suchen oder ihre religiös geprägten Vorstellungen durchsetzen. Ein berechenbares Verwaltungshandeln oder gar Rechtssicherheit existieren nicht (AA 12.2.2018).
Die Hauptsiedlungsgebiete der religiösen Minderheiten liegen im Nordirak in den Gebieten, die seit Juni 2014 teilweise unter Kontrolle des IS standen. Hier kam es zu gezielten Verfolgungen von Jesiden, Mandäern, Kakai, Schabak und Christen. Es liegen zahlreiche Berichte über Zwangskonversionen, Versklavung und Menschenhandel, sexuelle Ausbeutung, Folter, Rekrutierung von Kindersoldaten, Massenmord und Massenvertreibungen vor. Auch nach der Befreiung der Gebiete wird die Rückkehr der Bevölkerung durch noch fehlenden Wiederaufbau, eine unzureichende Sicherheitslage, unklare Sicherheitsverantwortlichkeiten sowie durch die Anwesenheit von schiitischen Milizen zum Teil erheblich erschwert (AA 12.2.2018).
In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt. Hier haben viele Angehörige von Minderheiten Zuflucht gefunden (AA 12.2.2018; vgl. KAS 8.2017). Mit der Verabschiedung des Gesetzes zum Schutze der Minderheiten in der Autonomen Region Kurdistan durch das kurdische Regionalparlament im Jahr 2015 wurden die ethnischen und religiösen Minderheiten zumindest rechtlich mit der kurdisch-muslimischen Mehrheitsgesellschaft gleichgestellt. Dennoch ist nicht immer gewährleistet, dass die bestehenden Minderheitsrechte auch tatsächlich umgesetzt werden (KAS 8.2017).
Es gab auch Berichte über die Diskriminierung von Minderheiten (Turkmenen, Arabern, Jesiden, Shabak und Christen) durch Behörden der Kurdischen Autonomieregierung in den sogenannten umstrittenen Gebieten (USDOS 20.4.2018). Darüber hinaus empfinden Angehörige von Minderheiten seit Oktober 2017 erneute Unsicherheit in den sog. umstrittenen Gebieten aufgrund der Präsenz der irakischen Streitkräfte und v.a. der schiitischen Milizen (AA 12.2.2018).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018
-KAS - Konrad Adenauer Stiftung (8.2017): Rechte ethnischer und religiöser Minderheiten in Kurdistan-Irak, http://www.kas.de/wf/doc/kas_50065-1522-1-30.pdf?170918113417, Zugriff 17.8.2018
-MRG - Minority Rights Group International (5.2018): Iraq - Minorities and indigenous peoples, http://minorityrights.org/country/iraq/, Zugriff 17.8.2018
-USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 17.8.2018
2.3.Sunnitische Araber
Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richteten sich 2017 vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.2.2018). Es gab zahlreiche Berichte über Festnahmen und die vorübergehende Internierung von überwiegend sunnitisch-arabischen IDPs durch Regierungskräfte, die PMF und die Peshmerga (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 19.7.2018
-USDOS - United States Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Iraq, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430110.html, Zugriff 17.8.2018
2.4.Grundversorgung und Wirtschaft
Der Staat kann die Grundversorgung der Bürger nicht kontinuierlich und in allen Landesteilen gewährleisten (AA 12.2.2018).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018
2.5.Rückkehr
Die freiwillige Rückkehrbewegung irakischer Flüchtlinge aus anderen Staaten befindet sich im Vergleich zum Umfang der Rückkehr der Binnenflüchtlinge auf einem deutlich niedrigeren, im Vergleich zu anderen Herkunftsstaaten aber auf einem relativ hohen Niveau. Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig - u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. (AA 12.2.2018).
Quellen:
-AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf, Zugriff 12.10.2018
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Zur Person des BF und seinen individuellen Verhältnissen:
2.2.1. Die im Spruch angeführte Identität des BF steht aufgrund seines vorgelegten irakischen Reisepasses fest. Die festgestellte arabische Volksgruppen- und sunnitische Religionszugehörigkeit des BF beruht auf seinen diesbezüglich gleichbleibenden, glaubhaften Angaben im Verfahren, ebenso wie die Feststellungen zu seinen familiären Verhältnissen.
2.2.2. Die festgestellten Integrationsschritte des BF im Bundesgebiet - Mitarbeit bei einer Gemeinde, Besuch einiger Deutschkurse und positive Absolvierung der Prüfung "ÖSD Zertifikat A1" am 31.07.2017 - ergaben sich aus diesbezüglichen dem gegenständlichen Akt einliegenden Nachweisen. Dass die vom BF im Bundesgebiet einmal illegal ausgeübte Beschäftigung ein verwaltungsstrafrechtliches Verfahren gegen seinen Arbeitgeber nach sich gezogen hat, ergab sich aus einem dies bescheinigenden dem Verwaltungsakt einliegenden Strafantrag der Finanzpolizei an die zuständige Bezirkshauptmannschaft von 2016.
2.3. Zur Ausreise des BF
Der BF gab in seiner Erstbefragung am 17.09.2015 an, am 28.08.2015 aus seinem Herkunftsstaat ausgereist zu sein. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 23.01.2018 konnte er nicht mehr einen genauen Einreisezeitpunkt angeben, sondern sprach er davon, glaublich am 25.08.2015 ausgereist zu sein, es jedoch nicht mehr genau sagen zu können. Demzufolge war nur eine Ausreise des BF Ende August 2015 feststellbar. Dass der BF Ende August 2015 legal aus seinem Herkunftsstaat aus- und zunächst auf dem Luftweg von Bagdad nach Istanbul in die Türkei und von dort weiter nach Österreich gereist ist, beruht auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in der Erstbefragung.
2.4. Zum Fluchtvorbringen
Der BF brachte als Fluchtgrund im Wesentlichen zusammengefasst vor, er sei als Sunnit von schiitischen Milizen zur Zusammenarbeit aufgefordert und bedroht worden.
Näher zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, erstmals Mitte Juli 2015 von schiitischen Milizangehörigen zur Zusammenarbeit aufgefordert und nach seiner Ablehnung unbehelligt zurückgelassen worden zu sein. Ungefähr vier Tage bis eine Woche später sei der BF entführt und so lange geschlagen worden, bis er in eine Zusammenarbeit mit ihnen eingewilligt habe (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 7, 8). Es seien vom BF Informationen über die sunnitische Bevölkerung in seiner "Gegend" verlangt worden und sei der BF deshalb als Informant ausgesucht worden, weil er bereits jahrelang in der gefragten Gegend gewohnt habe (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 8).
Der BF sei aufgefordert worden, den Leuten am nächsten Tag Daten zu sunnitischen Bewohner aus seiner Gegend bekanntzugeben. Er konnte bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 23.01.2018 jedoch, näher befragt dazu, nicht genau angeben, wann, wo und an wen er Daten über sunnitische Bewohner bekannt geben hätte müssen. Der BF gab unkonkret an, es sei ihm gesagt worden, er solle sich mit den Leuten dort treffen, wo er mitgenommen worden sei. Er gab an, er habe die ihn bedrohenden Personen nicht gekannt. Sein Name sei ihnen offenbar von irgendjemandem aus seiner Gegend bekannt gegeben worden, wobei der BF hinzufügte, dass dies bloß seine Vermutung sei (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 9).
Die auch nach näherer Befragung allgemeingehalten gebliebenen Angaben des BF zum Fluchtgrund sprechen jedenfalls nicht für die Glaubwürdigkeit seines Fluchtvorbringens, ebenfalls seine Angabe, befragt danach, warum der BF nicht bereits in seiner Erstbefragung von seiner Entführung gesprochen habe, er habe diese ausführlich in der zweiten Befragung schildern wollen, sei er doch in der Erstbefragung zu müde dafür gewesen.
Obwohl die Erstbefragung in erster Linie der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat, wäre doch bei tatsächlich fluchtauslösender Entführung und Misshandlung auch eine Angabe dazu in der Erstbefragung zu erwarten gewesen. Anstelle dessen wurde vorgebracht, von schiitischen Milizen vor zwei Monaten unter Druck gesetzt, verfolgt und mit Waffen bedroht worden zu sein. Der in der Erstbefragung mit den Worten "(...), da ich Familie habe" angeführte Grund für seine Weigerung, sich den schiitischen Milizangehörigen anzuschließen, spricht zudem für ein dem BF freigestelltes Anschließen der schiitischen Miliz, ohne von schiitischen Milizangehörigen unter Druck gesetzt worden zu sein.
Seine Angabe in der Erstbefragung, er habe nicht mehr arbeiten gehen können, sei er doch durchgehend verfolgt und bedroht worden, widerspricht außerdem seinen Angaben in seiner Einvernahme vor dem BFA, er habe in seinem Herkunftsstaat immer problemlos arbeiten gehen können (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 9). Der BF brachte zudem vor dem BFA nie vor, aufgrund einer Bedrohung an seiner Arbeit gehindert worden zu sein, sondern gab vielmehr an:
"(...) im Jahr 2015 als ich den Irak verließ endete meine Tätigkeit (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 4). Sein letzter Arbeitstag sei seinen Angaben vor dem BFA zufolge Ende Juli 2015 (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 6) bzw. anderslautender Angabe zuvor im August 2015 (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 4) gewesen.
Von einer ständigen Verfolgung und Bedrohung, welche der BF in seiner Erstbefragung behauptete, war vor dem BFA jedenfalls nicht die Rede, sprach der BF da doch nur von einem angeblich fluchtauslösenden Vorfall mit Entführung und Misshandlung, bis der BF in die Zusammenarbeit mit schiitischen Milizangehörigen eingewilligt habe, und einer Aufforderung, den Leuten tags darauf Informationen zu Sunniten aus seiner Gegend bekanntzugeben.
Es ist zudem nicht nachvollziehbar, warum der BF Mitte Juli 2015 nach einer Weigerung, sich den schiitischen Milizangehörigen anzuschließen, unversehrt zurückgelassen worden sei, bei seiner nächsten Aufforderung etwa eine Woche später nach anfänglicher Weigerung jedoch bis zur Einwilligung geschlagen und daraufhin mit der Aufforderung einer Informationsweitergabe am nächsten Tag wieder freigelassen worden sein soll.
Einen konkreten Grund, warum gerade der BF als Informant ausgesucht worden sei, konnte der BF auch nicht angeben, sprach er doch vor dem BFA zunächst davon, die Leute hätten zu ihm gesagt, dass er bereits lange in der Gegend lebe und viele Leute kenne, und gab er danach an, sein Name sei den Leuten von irgendjemandem aus seiner Gegend bekanntgegeben worden, wobei er hinzufügte, dass dies nur eine Vermutung seinerseits sei.
Der BF gab in seiner Erstbefragung am 17.09.2015 an, vor zwei Monaten den Entschluss zur Ausreise aus seinem Herkunftsstaat, demnach somit ungefähr Mitte Juli 2015 und damit mehr als ein Monat vor seiner Ausreise Ende August 2015, gefasst zu haben. In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 23.01.2018 gab er wiederum an, im August 2015 - demnach später und kurze Zeit vor seiner Ausreise Ende August 2015 - sich zur Ausreise entschlossen zu haben.
Der BF konnte vor dem BFA jedenfalls nicht genau angeben, wann er zum ersten Mal von schiitischen Milizangehörigen zur Zusammenarbeit aufgefordert sein soll, sondern antwortete auf die Frage, wann er zum ersten Mal angesprochen worden sei, unkonkret: "Das war im Juli. Ich denke so gegen 15. Juli 2015. (...)." Ebenso konnte der BF den zweiten - angeblich fluchtauslösenden Vorfall - zeitlich nur ungefähr festsetzen: "Der zweite Vorfall war ca. 4 Tage bis zu einer Woche."
Die durchwegs unbestimmten Angaben des BF vor dem BFA sprechen jedenfalls nicht für ein tatsächlich erlebtes Geschehen.
Die Angaben des BF über seine erste Aufforderung zur Zusammenarbeit Mitte Juli 2015 und seine ungefähr vier Tage bis eine Woche später erfolgte Entführung und Misshandlung zugrunde legend (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 8) erfolgte die angeblich fluchtauslösende Entführung und Misshandlung, woraufhin sich der BF gleich bei seinen Schwiegereltern zunächst eine Woche und nach Aufsuchen der Polizei weiterhin versteckt gehalten haben soll und bereits während der ersten Woche bei seinen Schwiegereltern sich zwecks Finanzierung einer schlepperunterstützten Ausreise um den Verkauf von Hausinventar gekümmert haben will, noch vor letzter Juli-Woche und fasste der BF demnach seinen Ausreiseentschluss offensichtlich bereits während seines ersten einwöchigen Aufenthalts bei seinen Schwiegereltern noch im Juli 2015 und nicht im August 2015.
Die Antwort des BF auf die vor dem BFA gestellte Frage, ob es noch andere Gründe für seine Ausreise aus seinem Herkunftsstaat gebe, auch die allgemeine Sicherheitslage sei auslösend dafür gewesen und es sei "schwer, eine Anstellung für den staatlichen Dienst zu bekommen", weist auf eine Ausreise aufgrund der allgemeinen prekären Sicherheits- und Wirtschaftslage in seinem Herkunftsstaat hin. Die Aussage, es sei "schwer eine Anstellung für den staatlichen Dienst zu bekommen", ist vor dem Hintergrund, dass die Leute, die ihn entführt und geschlagen haben sollen, aus dem staatlichen Dienst gekommen wären, wie ihm angeblich auf Nachfragen gesagt und mit einem mit "Innenministerium Nationaler Sicherheitsdienst" versehenen Ausweis gezeigt worden sein soll, nicht nachvollziehbar, wäre doch bei tatsächlicher Entführung und Misshandlung durch mit dem Staat eng zusammenarbeitenden schiitischen Milizangehörigen eine Abneigung gegenüber einer Anstellung im staatlichen Dienst zu erwarten gewesen.
Da die Erstbefragung vorwiegend der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden dient und den zur Ausreise zeitnahen Angaben im Zuge der ersten Befragung jedenfalls Vorrang gegenüber Angaben in einer späteren Einvernahme einzuräumen ist, wird der Angabe des BF in seiner Erstbefragung, bereits vor zwei Monaten sich zur Ausreise entschlossen zu haben, gefolgt, und seine spätere Angabe vor dem BFA am 23.01.2018, erst im August 2015 zu diesem Entschluss gekommen zu sein, als bloßer Versuch gewertet, glaubhaft zu machen, durch Außeneinflüsse kurzfristig zur Ausreise angehalten worden zu sein.
Dass der BF bis zum Monat seiner Ausreise im August 2018, wie er vor dem BFA zunächst angab, bzw. bis Ende Juli 2018, wie er etwas später in der Einvernahme angab, problemlos derselben Beschäftigung nachgehen konnte, und er seinen Angaben in Erstbefragung zufolge bereits zwei Monate vor seiner Ausreise seinen Ausreiseentschluss gefasst hat, spricht für eine in Ruhe geplante Ausreisevorbereitung und gegen eine aufgrund eines fluchtauslösenden Vorfalls plötzlich ergriffene Flucht, hätte er doch bei einer tatsächlichen Bedrohung vier Tage bis zu einer Woche nach seiner ersten Aufforderung zur Zusammenarbeit Mitte Julie 2015 nicht noch weiter bis Ende Juli bzw. August 2015 arbeiten gehen und in Ruhe seine Ausreise vorbereiten können.
Dass sich eine Woche lang bei seinen Schwiegereltern versteckt gehalten, in dieser Zeit seine Eltern um den Verkauf all seiner Hausgegenstände gebeten haben und erst danach mit seinem Vater zur Polizei gegangen sein will, welche ihm nicht weiterhelfen können habe, sei auch nicht nachvollziehbar, habe der BF doch seinen Angaben vor dem BFA zufolge während der ersten Woche bei seinen Schwiegereltern bereits mit dem Verkauf seines Hausinventars und damit mit seinen Ausreisevorbereitungen begonnen (Niederschrift über Einvernahme vor BFA, S. 6, 7), wäre bei einer tatsächlichen Entführung und Misshandlung jedoch ein sofortiges Aufsuchen der Polizei zu erwarten gewesen.
Da die Polizei dem BF nicht weiterhelfen können habe, sei der BF wieder zu seinen Schwiegereltern zurückgekehrt und habe sich weiterhin bei ihnen versteckt gehalten. Eine Bedrohungsgefahr war auch deswegen auszuschließen, weil der Vater, der den BF zur Polizeidienststelle begleitet haben soll, und auch seine Mutter, die sich zusammen mit seinem Vater um den Verkauf seines Hausinventars gekümmert haben soll, den Angaben des BF zufolge nie von irgendwelchen Leuten aufgesucht und nach dem BF befragt worden seien.
Der BF konnte sich seinen Angaben vor dem BFA zufolge auch selbst frei in der Öffentlichkeit bewegen und selbst das Flugticket für seine Reise in die Türkei kaufen und die Visagebühr bezahlen, was bei einer tatsächlichen Bedrohung bzw. einer tatsächlichen Furcht vor Bedrohung nicht möglich gewesen wäre.
Mit seinem Fluchtvorbringen konnte der BF jedenfalls keine den BF individuell betroffene Bedrohung glaubhaft machen, sprechen doch die Tatsachen, dass der BF seinen glaubhaften Angaben vor dem BFA zufolge bis Ende Juli bzw. August 2015 stets problemlos seiner Arbeit nachgehen, in Ruhe seine Ausreise vorbereiten, selbst im Reisebüro ein Flugticket kaufen und die Visagebühr bezahlen und dann auf legale Weise ausreisen und zunächst problemlos auf dem Luftweg von Bagdad nach Istanbul gelangen konnte und seine im Herkunftsstaat verbliebenen Familienangehörigen - Eltern, Schwester, Ehegattin und mit ihr gemeinsamer Sohn und weitere Verwandte - auch nach Ausreise des BF weiterhin unbehelligt geblieben sind, dagegen.
Dass dem BF in seiner Heimatstadt wegen Zugehörigkeit zur sunnitischen Bevölkerungsgruppe eine "Gruppenverfolgung" durch schiitische Milizangehörige droht, war nicht feststellbar, bereits deshalb, weil sich die Familienangehörigen des BF, darunter auch seine Eltern und seine Ehegattin mit ihrem gemeinsamen Kind problemlos im Herkunftsstaat des BF aufhalten können.
Dass der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA am 23.01.2018, befragt danach, wie er sich seine Zukunft in Österreich vorstelle, angab, arbeiten und seine Familie nach Österreich bringen zu wollen, spricht dafür, dass der BF nach Österreich gekommen ist, um für sich und seine Familie, die er vorhat nachzuholen, bessere Lebensbedingungen durch ein Aufenthaltsrecht zu erwerben bzw. zu verschaffen.
Auch soweit der BF, befragt danach, ob es noch andere Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates gebe, vor dem BFA angab, auch die allgemeine Sicherheitslage sei Grund für seine Ausreise gewesen und es sei schwer, "eine Anstellung für den staatlichen Dienst zu bekommen", ist daraus ein vom BF in Österreich angestrebter Aufenthalt mit besseren Lebensbedingungen als in seinem Herkunftsstaat ersichtlich.
2.5. Zur allgemeinen Lage im Irak:
Die dieser Entscheidung zugrunde gelegten Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat des BF stützen sich auf unbedenkliche Quellen staatlicher und nichtstaatlicher Natur und widersprechen den vom BFA zugrunde gelegten Länderfeststellungen nicht, sondern ergänzen diese nur - etwa in Bezug auf die Sicherheitslage in Bagdad um einige sicherheitsrelevante Vorfälle.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG), geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Zu Spruchteil A):
3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die "wohlbegründete Furcht vor Verfolgung" (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318;
09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN;
19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131;
25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).
Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die behauptete Furcht des BF, in seinem Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus den in der GFK genannten Gründen verfolgt zu werden, nicht begründet ist.
Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.
Mit dem Fluchtvorbringen des BF, als Angehöriger der sunnitischen Bevölkerungsgruppe von schiitischen Milizen bedroht worden zu sein, konnte der BF keine konkrete dem BF bei einer Rückkehr in den Irak drohende Verfolgung iSv Art. 1 Abschnitt A der GFK - aufgrund seiner sunnitischen Zugehörigkeit glaubhaft machen.
Bereits aufgrund des problemlosen Aufenthalts der Familienangehörigen des BF in seiner Herkunftsstadt ist eine dem BF bei einer Rückkehr aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sunnitischen Bevölkerungsgruppe drohende Verfolgung durch schiitische Milizangehörige auszuschließen.
Im Übrigen ergibt sich aus den länderkundlichen Informationen zum Irak auch kein maßgeblicher Hinweis auf eine systematische Verfolgung der arabisch sunnitischen Bevölkerungsgruppe im gesamten Staatsgebiet und ist eine schwierige allgemeine Lage der Angehörigen einer Religionsgemeinschaft oder Volksgruppe für sich allein nicht geeignet, die für die Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorauszusetzende Bescheinigung einer konkret gegen den Asylwerber gerichteten drohenden Verfolgungshandlung darzutun. Die bloße Zugehörigkeit zur sunnitischen Religion bzw. zur arabischen Volksgruppe bildet daher noch keinen ausreichenden Grund für die Asylgewährung (vgl. VwGH vom 31.01.2002, 2000/20/0358).
In Gesamtbetrachtung aller Umstände war somit kein Asylgrund ersichtlich, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß
§ 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen war.
3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).
Bei der Prüfung und Zuerkennung von subsidiärem Schutz im Rahmen einer gebotenen Einzelfallprüfung sind zunächst konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zur Frage zu treffen, ob einem Fremden im Falle der Abschiebung in seinen Herkunftsstaat ein "real risk" einer gegen Art. 3 MRK verstoßenden Behandlung droht (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0174). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0236; VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwN). Zu berücksichtigen ist auch, ob solche exzeptionellen Umstände vorliegen, die dazu führen, dass der Betroffene im Zielstaat keine Lebensgrundlage vorfindet (VwGH 23.09.2014, Ra 2014/01/0060 mwH).
Unter "real risk" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (grundlegend VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; RV 952 BlgNR XXII. GP 37). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die Feststellung einer Gefahrenlage im Sinn des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 erfordert das Vorliegen einer konkreten, den Beschwerdeführer betreffenden, aktuellen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder (infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt) von diesen nicht abwendbaren Gefährdung bzw. Bedrohung.
Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind dahe