TE Bvwg Beschluss 2019/3/7 G311 2215085-1

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Veröffentlicht am 07.03.2019
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Entscheidungsdatum

07.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G311 2215085-1/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Kosovo, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt IV. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.01.2019, Zahl: XXXX, betreffend Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende

Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer stellte in Österreich am 16.10.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo.

Im Wesentlichen brachte der Beschwerdeführer in der Erstbefragung und in der Einvernahme vor dem Bundesamt zu seinen Fluchtgründen vor, dass, im Rahmen eines bereits viele Jahre währenden Nachbarschaftsstreits, zwei seiner Brüder im Jahr 2016 von der Nachbarsfamilie erschossen worden seien. Die Mörder seien 2018 zu langen Haftstrafen verurteilt worden, ein örtlicher Polizist sei jedoch mit den Mördern verwandt und habe der Beschwerdeführer - neben den Problemen mit der Nachbarsfamilie - auch seit mehreren Jahren Probleme mit der örtlichen Polizei. Diese halte ihn willkürlich an, schikaniere und schlage ihn. 2013 sei der Beschwerdeführer wegen Tätlichkeit gegenüber einem Polizeibeamten verurteilt worden. Tatsächlich aber sei der Beschwerdeführer von den Polizisten geschlagen worden.

Der Beschwerdeführer legte entsprechende Beweismittel für die Ermordung seiner Brüder und die Verurteilung vor.

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, dem Beschwerdeführer zugestellt am 01.02.2019, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 16.10.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß "§§ 57 und 55 AsylG 2005" nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß "§ 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG" die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.).

In der Begründung führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass die Inhalte der vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismittel glaubhaft seien und dem Verfahren zu Grunde gelegt würden. Hingegen sei der kosovarische Staat schutzfähig und schutzwillig gegenüber der behaupteten Verfolgung durch die Nachbarn und auch durch die Polizei. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung führt das Bundesamt entgegen dem im Spruch zitierten § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG ohne nähere Begründung jedoch aus, dass im Fall des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG vorliegen würden und somit das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche. Im weiteren Verlauf zitiert das Bundesamt als Rechtsgrundlage die Z 1 leg. cit. Zur Sache führte das Bundesamt lediglich allgemein und ohne nähere Begründung aus, dass für das Bundesamt feststehe, dass für den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung gegeben sei und er nicht des Schutzes von Österreich bedürfe. Die sofortige Umsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme sei im Interesse des geordneten Fremdenwesens geboten und sei es dem Beschwerdeführer aufgrund des Umstandes, dass seinem Antrag auf internationalen Schutz kein Erfolg beschieden sei und ihm auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat drohe, zumutbar, den Ausgang seines Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten. Das Interesse an einem Verbleib in Österreich während des gesamten Asylverfahrens trete hinter das Interesse Österreichs auf eine rasche und effektive Durchsetzung der Rückkehrentscheidung zurück.

Mit dem am 20.02.2019 beim Bundesamt eingebrachten und mit 20.02.2019 datierten Schriftsatz erhob die beschwerdeführende Partei durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid. Darin wurde - unter anderem - beantragt, den Bescheid hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung aufzuheben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 25.02.2019 vom Bundesamt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die getroffenen Feststellungen werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt, da in der Beschwerde kein dem im angefochtenen Bescheid zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet wurde.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A.): Zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde:

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist § 18 Abs. 2 BFA-VG auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Der Verwaltungsgerichtshof (im Folgenden: VwGH) hat mit Beschluss vom 13.09.2016, Fr 2016/01/0014, zu § 18 Abs. 5 BFA-VG in der damals geltenden Fassung vor dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017 (FrÄG 2017) ausgeführt, dass diese Bestimmung nur so gelesen werden kann, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des Bundesamtes gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden hat. Eine solche dringende Behandlung der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung entspricht dem Anliegen des Gesetzgebers, in jenen Fällen, in denen nach der Erfahrung das Rechtsschutzinteresse mangels echter Gefährdung des Antragstellers am geringsten ist, ein beschleunigtes Verfahren durchzuführen (Rz 25 und 26).

Der VwGH hat mit Beschluss vom 19.06.2017, Fr 2017/19/0023 und 0024-4, ausgeführt, dass das BVwG über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des BFA gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde (förmlich) zu entscheiden hat.

Mit Erkenntnis vom 13.12.2018, Ro 2018/18/0008, hat sich der VwGH im Zusammenhang mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden in Verfahren auf Grund von Anträgen auf internationalen Schutz nach § 18 Abs. 1 BFA-VG mit den Urteilen des Gerichtshofes der Europäischen Union (im Folgenden: EuGH) vom 19.06.2018, Gnandi, C-181/16, und vom 05.07.2018, C., J. und S., C-269/18 PPU, auseinandergesetzt und auf Grund dessen ausgeführt, dass § 18 Abs. 5 und § 16 Abs. 4 BFA-VG im Sinne unionsrechtlicher Vorgaben, insbesondere der Richtlinie 2013/32/EU (sog. Verfahrensrichtlinie), auszulegen sind. In Entsprechung einer solchen unionsrechtskonformen Auslegung hat das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über den Verbleib eines Antragstellers in Österreich nach Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesamt zunächst zu klären, ob eine besondere Verfahrenskonstellation vorliegt, in der unter Bedachtnahme auf Art. 31 Abs. 8 der Verfahrensrichtlinie eine Beendigung des Verbleibs des Antragstellers vor der Entscheidung über seine Beschwerde in der Hauptsache gerechtfertigt ist. Diese gerichtliche Überprüfung entspricht im Wesentlichen jener, die auch bei Entscheidung über die Beschwerde des Asylwerbers gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung durch das Bundesamt gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG vorgenommen werden muss. Die bereits in der oben angeführten Entscheidung des VwGH vom 13.09.2016 dem Bundesverwaltungsgericht auferlegte Verpflichtung, über die Beschwerde gegen die aufschiebende Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden, wird vom VwGH - zur Herstellung eines unionsrechtskonformen Zustandes der nationalen Rechtslage - ungeachtet der erfolgten Änderungen im Gesetzestext auch für die novellierte Fassung des § 18 Abs. 5 BFA-VG durch das FrÄG 2017 aufrechterhalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat nach den Vorgaben des § 18 Abs. 5 BFA-VG auch im Blick zu haben, ob anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dadurch wird auch dem Grundsatz der Nichtzurückweisung nach Art. 18, 19 Abs. 2 GRC entsprochen. Nach den unionsrechtlichen Vorgaben müssen die Rechtswirkungen der Rückkehrentscheidung überdies gesetzlich solange ausgesetzt sein, solange der Betroffene gemäß Art. 46 Abs. 8 der Verfahrensrichtlinie im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates verbleiben darf. Im Zusammenhalt mit Art. 46 Abs. 6 der Verfahrensrichtlinie hat dies zur Folge, dass die Aussetzung der Rechtswirkungen jedenfalls bis zur Entscheidung des Gerichtes, ob der Antragsteller (zumindest) während des Rechtsmittelverfahrens im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates verleiben darf, vorgesehen sein muss. Dem wird im österreichischen Recht grundsätzlich - und zwar jedenfalls im Zusammenhang mit der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme - durch die siebentägige Wartepflicht nach § 16 Abs. 4 BFA-VG entsprochen. Ist bei Ablauf dieser Frist aber noch keine gerichtliche Entscheidung über die aufschiebende Wirkung ergangen, muss zur Erzielung eines unionsrechtskonformen Zustandes davon ausgegangen werden, dass sich die gesetzlich angeordnete Wartepflicht bis zur tatsächlichen Entscheidung des Gerichtes über die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung verlängert und die Wirkungen der Rückkehrentscheidung jedenfalls bis dahin ausgesetzt sind.

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Zunächst ist unter Zugrundelegung der oben angeführten Entscheidung des VwGH vom 13.12.2018 (Rz 23 und 28) zu prüfen, ob eine besondere Verfahrenskonstellation vorliegt, die unter Bedachtnahme auf Art. 31 Abs. 8 der Verfahrensrichtlinie eine Aufenthaltsbeendigung vor der Entscheidung über die Beschwerde in der Hauptsache gerechtfertigt ist.

Gemäß dem mit "Beschleunigtes Verfahren" betitelten § 27a Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, kann in den in § 18 Abs. 1 BFA-VG genannten Fällen das Verfahren beschleunigt geführt werden. Diese Verfahren sind längstens innerhalb von fünf Monaten zu entscheiden. Diese Frist kann jedoch überschritten werden, sofern dies zur angemessenen und vollständigen Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz erforderlich ist. Diesfalls gilt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung in Spruchpunkt IV. auf § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG und damit darauf gestützt, dass "der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat".

Sowohl aus der Erstbefragung als auch aus der ausführlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt ergibt sich aber sehr wohl, dass der Beschwerdeführer entsprechende Verfolgungsgründe geltend gemacht hat. Die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG liegen somit im gegenständlichen Fall nicht vor.

Im Gegensatz zum Spruch des angefochtenen Bescheides wird die Abweisung der aufschiebenden Wirkung in dessen Begründung und rechtlicher Beurteilung auf § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG und damit darauf gestützt, dass "das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht".

Die Z 5 leg. cit. ist erfüllt, wenn der Asylwerber qualifiziert unglaubwürdig ist. Dazu regelte die Verfahrensrichtlinie zum beschleunigten Verfahren (2005) in deren Art. 23 Abs. 4 lit. g, dass dies der Fall ist, wenn "[...] der Antragsteller inkohärente, widersprüchliche, unwahrscheinliche oder unvollständige Angaben gemacht hat, die als Begründung für seine Behauptung, dass er eine verfolgte Person im Sinne der Richtlinie 2004/83/EG ist, offensichtlich nicht überzeugend sind [...] (vgl Böckmann-Winkler in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, § 18 BFA-VG Anm. 5 (Stand 01.03.2016, rdb.at)).

Der Tatbestand des § 6 Z 3 AsylG 1997 (nunmehr § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG) kann nur dann als erfüllt angenommen werden, wenn Umstände vorliegen, die besonders deutlich die Unrichtigkeit der erstatteten Angaben vor Augen führen. Es muss unmittelbar einsichtig ("eindeutig", "offensichtlich") sein, dass die abgegebene Schilderung tatsächlich wahrheitswidrig ist. Dieses Urteil muss sich quasi "aufdrängen", der (die) dazu führende(n) Gesichtspunkt(e) muss (müssen) klar auf der Hand liegen, sei es allenfalls auch deshalb, weil nach einem Ermittlungsverfahren "Hilfstatsachen" (zB fehlende Kenntnis der behaupteten Stammessprache) substantiell unbestritten bleiben. Im Ergebnis setzt die erforderliche "qualifizierte Unglaubwürdigkeit" somit voraus, dass es weder weitwendiger Überlegungen noch einer langen Argumentationskette bedarf, um zu erkennen, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Insoweit stellt die Regelung des Gesetzgebers [...] eine adäquate Reaktion dar, weil es dann bei der Entscheidung über die Asylgewährung typischerweise nur um die Klarstellung einfacher Fragen, nicht aber um diffizile Beweiswürdigungsprobleme gehen kann. Dem entspricht - bezogen auf die rechtliche Würdigung des Sachverhaltes - die Rechtsprechung des VwGH, wonach das Erfordernis deiner Beurteilung komplexer asylrechtlicher Zusammenhänge die Abweisung eines Asylantrages als offensichtlich unbegründet ausschließt (vgl Böckmann-Winkler in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, § 18 BFA-VG E1 mit Verweis auf VwGH 99/20/0196 und 2000/01/0214).

Die belangte Behörde geht in ihrer Begründung ohne weitere, auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers bezogene, Ausführungen vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG aus. Dabei hat die belangte Behörde das Vorbringen und die Beweismittel des Beschwerdeführers zum Nachbarschaftsstreit, der Ermordung der Brüder des Beschwerdeführers, der Verurteilung seiner Mörder sowie der Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Tätlichkeit gegenüber einem Polizisten als glaubwürdig beurteilt. Schon aus diesem Grund kann vom Vorliegen der soeben dargestellten Voraussetzungen der Z 5 leg. cit. nicht ausgegangen werden.

Zudem stimmen Spruch und Begründung nicht überein. Dies steigert sich weiter in dem Umstand, dass das Bundesamt in seiner Begründung zuerst ausführt, die Voraussetzungen der Z 5 leg. cit. lägen vor und am Ende des Absatzes plötzlich ausführt, dass die Z 1 ("sicherer Herkunftsstaat") gegeben sei.

Auch zu § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG finden sich keinerlei Ausführungen im angefochtenen Bescheid.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG ist - anders als jene nach § 18 Abs. 2 BFA-VG - nicht zwingend, sondern sie setzt eine Abwägung der für und gegen die zu treffende Anordnung sprechenden Interessen voraus. Dabei ist das öffentliche Interesse an einer raschen Aufenthaltsbeendigung von Asylwerbern, die aus "sicheren Herkunftsstaaten2 nach § 19 Abs. 5 BFA-VG iVm § 1 Z 6 der Herkunftsstaaten-Verordnung kommen, den im Einzelfall allenfalls entgegenstehenden privaten Interessen dieser Personen gegenüberzustellen (vgl Böckmann-Winkler in Schrefler-König/Szymanski, Fremdenpolizei- und Asylrecht, § 18 BFA-VG E4 mit Verweis auf VwGH Ra 2014/18/0146).

Zwar stammt der Beschwerdeführer aus dem Kosovo und damit aus einem in der Herkunftsstaaten-Verordnung genannten sicheren Herkunftsstaat. In Anbetracht des konkreten Vorbringens des Beschwerdeführers, der eine familiäre Beziehung der örtlichen Polizei zu den Mördern seiner Brüder - und damit implizit auch das Fehlen ausreichenden Schutzes sowohl vor der verfeindeten Nachbarsfamilie als auch vor Misshandlungen und Korruption durch die örtliche Polizei - geltend gemacht hat, kann ohne weitergehende Ermittlungen dazu - auch im Falle allfälliger Diskrepanzen in den Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtgrund im erstinstanzlichen Verfahren - sowie aufgrund der vorliegenden - wesentlich voneinander divergierenden - Begründungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung eine Verletzung der maßgeblichen Artikel der EMRK im Fall einer Abschiebung des Beschwerdeführers derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Partei als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Im vorliegenden Fall kann eine Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde innerhalb der relativ kurzen Frist des § 16 Abs. 4 BFA-VG nicht getroffen werden.

Der Beschwerde war aus den genannten Gründen daher die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zu Spruchteil B.): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen vor dem Hintergrund der in der rechtlichen Beurteilung angeführten Rechtsprechung des VwGH keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G311.2215085.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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