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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AufG 1992 §6 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Brandtner, über die Beschwerde der 1997 geborenen D P in Wien, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. September 1998, Zl. 305.999/5-III/11/98, betreffend Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin wurde am 23. Februar 1997 in Wien geboren. Sie beantragte am 30. Oktober 1997 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Vater. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. November 1997 "gemäß § 4 Abs. 1 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 "des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte der Landeshauptmann von Wien aus, vorliegendenfalls handle es sich "um keine echte Familienzusammenführung", weil die Mutter der Beschwerdeführerin über keine Aufenthaltsbewilligung verfüge.
§ 3 Abs. 1 AufG sei daher teleologisch dahingehend zu reduzieren, daß "der gegenständliche Antrag bei Abwägung der Interessenslage nicht als eine genehmigungsfähige Familienzusammenführung" gewertet werden könne. Auch für eine positive Ermessensentscheidung bestehe im Hinblick auf den hohen Ausländeranteil im Bundesland Wien keine Grundlage.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung, in welcher sie insbesondere vorbrachte, ihr Vater lebe bereits rechtmäßig seit 1991 im Bundesgebiet. Die ihm zuletzt erteilte Aufenthaltsbewilligung sei bis 23. August 1998 gültig.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. September 1998 wurde diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 14 Abs. 2 und § 28 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 (FrG 1997) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Antrag der Beschwerdeführerin vom 30. Oktober 1997 sei nach Inkrafttreten des FrG 1997 als solcher auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung zu werten. Gemäß § 14 Abs. 2 FrG 1997 seien Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag könne im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen sei, und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigt oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt habe. Gemäß § 28 Abs. 2 FrG 1997 seien in Österreich geborene Kinder Fremder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, während ihrer ersten drei Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter über einen Aufenthaltstitel verfüge oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genieße; dies gelte jedoch nur, solange das Aufenthaltsrecht der Mutter weiterhin bestehe. Die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt der Antragstellung im Bundesgebiet aufgehalten. Ihre Mutter habe lediglich bis 17. Juni 1995 über eine Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich verfügt. § 28 Abs. 2 FrG 1997 sei auf die Beschwerdeführerin daher nicht anwendbar. Weil die Mutter der Beschwerdeführerin über keinen Aufenthaltstitel verfügt habe, sei von einer Stattgebung des Antrages Abstand zu nehmen gewesen. Dies ungeachtet der Tatsache, daß der Vater der Beschwerdeführerin über einen unbefristet gültigen Aufenthaltstitel verfüge. Gemäß § 37 FrG 1997 habe eine Abwägung der öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen unter Anwendung des Art. 8 MRK zu erfolgen. Allerdings habe der Gesetzgeber des FrG 1997 bei der Erlassung des § 14 Abs. 2 FrG 1997 bereits auf die persönlichen Verhältnisse der Antragsteller Rücksicht genommen. Eine nähere Erörterung der persönlichen Verhältnisse sei daher auch im Hinblick auf Art. 8 MRK entbehrlich.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 14 Abs. 2, § 23 Abs. 6, § 28 Abs. 2 und § 112 FrG 1997
lauten:
"§ 14. ....
(2) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sind vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag kann im Inland gestellt werden, wenn der Antragsteller bereits niedergelassen ist und entweder bisher für die Rechtmäßigkeit des Aufenthaltes keinen Aufenthaltstitel benötigte oder bereits über einen Aufenthaltstitel verfügt hat;
....
§ 23. ....
(6) Eine weitere Niederlassungsbewilligung ist schließlich Fremden auf Antrag zu erteilen, die auf Dauer niedergelassen bleiben, aber bisher österreichische Staatsbürger waren oder als in Österreich geborene Kinder aus dem Grund des § 28 Abs. 2 keinen Aufenthaltstitel benötigten; Abs. 4 gilt. Verfügt jedoch ein Elternteil eines in Österreich geborenen Kindes über eine Niederlassungsbewilligung mit längerer Gültigkeitsdauer, so ist dem Kind eine Niederlassungsbewilligung mit gleicher Gültigkeitsdauer auszustellen.
....
§ 28. ....
(2) In Österreich geborene Kinder Fremder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, sind während ihrer ersten drei Lebensmonate von der Sichtvermerkspflicht befreit, sofern die Mutter über einen Aufenthaltstitel verfügt oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt; dies gilt jedoch nur, solange das Aufenthaltsrecht der Mutter weiterhin besteht.
....
§ 112. Verfahren zur Erteilung eines Sichtvermerkes sowie Verfahren auf Erteilung oder Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung, die bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes anhängig sind, oder gemäß der §§ 113 und 114 anhängig werden, sind nach dessen Bestimmungen - je nach dem Zweck der Reise oder des Aufenthaltes - als Verfahren zur Erteilung eines Einreisetitels oder als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen...."
In den Erläuterungen zum FrG 1997 RV 685 Blg NR 20. GP heißt
es:
"Antragstellung
Der Grundsatz der Auslandsantragstellung des geltenden Rechts
wird beibehalten. Anträge auf Einreise- oder Aufenthaltstitel sind
vor der Einreise vom Ausland aus zu stellen.
Hier sind drei Varianten denkbar:
Der Fremde kann sich schriftlich vom Ausland aus an die Inlandsbehörde wenden, der Fremde kann seinen Antrag an die Berufsvertretungsbehörde schicken, die diesen an die zuständige Inlandsbehörde weiterleitet, oder der Fremde kann sich persönlich zur Vertretungsbehörde begeben und dort die notwendigen Formalitäten (Antragsausfüllung usw.) erledigen. Wesentliches Kriterium in all diesen Fällen ist, daß sich der Antragsteller im Ausland befindet. ....
.....
Zu § 23:
.....
In Abs. 5 bis 7 wird der generelle Regimewechsel innerhalb von
Aufenthaltstiteln geregelt und festgelegt, daß Fremden, die auf
Dauer im Bundesgebiet niedergelassen sind und bleiben und diesen
Wechsel vornehmen müssen oder wollen, auf Antrag und bei Vorliegen
der Voraussetzungen eine weitere Niederlassungsbewilligung zu
erteilen ist (keine Erstniederlassungsbewilligung). Ebenfalls von
dieser Regelung erfaßt sind die in Österreich geborenen Kinder
Fremder, die während ihrer ersten drei Monate von der
Sichtvermerkspflicht befreit sind, ......
......
Zu § 28:
......
In Österreich geborene Kinder von Fremden sollen sich nicht a
priori "illegal" in Österreich aufhalten. Hiezu wird eine
befristete Befreiung von der Sichtvermerkspflicht vorgesehen.
Innerhalb von drei Monaten besteht dann die Möglichkeit, den
weiteren rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet unter den
sonstigen Voraussetzungen dieses Bundesgesetzes zu erwirken.
Freilich ist diese besondere Art der gesetzlich befristeten
Aufenthaltsberechtigung untrennbar mit dem Aufenthaltsrecht der
Mutter verbunden."
§ 2 Abs. 3 Z. 4, § 3 Abs. 1 Z. 2 und § 6 Abs. 2 AufG lauteten:
"§ 2. ......
(3) Die Bundesregierung kann in dieser Verordnung insbesondere
4. in Österreich geborene Kinder von Fremden (§ 3 Abs. 1 Z 2),
.........., insoweit von der Anrechnung auf die Zahl der
Bewilligungen ausnehmen, als dadurch der Ziel der
Zuwanderungsregelung nicht beeinträchtigt wird, und ..........
...
§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern
und Ehegatten
.....
2. von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem
1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerks oder sonst gemäß § 1
Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren
Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3
Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein
Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
§ 6. .....
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der
Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ...... Eine
Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: .....;
schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung und auf Änderung des Aufenthaltszwecks kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."
Im Zeitpunkt der Geburt der Beschwerdeführerin sowie der hier gegenständlichen Antragstellung stand die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996 in Geltung. § 3 Z. 1 und § 4 Z. 1 dieser Verordnung lauteten:
"§ 3. Folgende Personengruppen werden von der Anrechnung auf die in § 1 festgelegte Zahl von Bewilligungen ausgenommen:
1. In Österreich geborene und seit Geburt aufhältige minderjährige Kinder von Fremden, die auf Grund einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder gemäß § 1 Abs. 3 Z 4 und 5 des Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind,
....
§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
-. In Österreich geborenen und seit Geburt aufhältigen
minderjährigen Kindern von Fremden, die auf Grund einer
Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem l. Juli 1993
ausgestellten Sichtvermerks oder gemäß § 1 Abs. 3 Z 4 und 5 des
Aufenthaltsgesetzes zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind,
......"
§ 6 Abs. 2 und 3 AufG in der Fassung vor Inkrafttreten der am
19. Mai 1995 ausgegebenen Novelle BGBl. Nr. 351/1995 lautete:
"§ 6. .......
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung kann auch vom Inland aus gestellt werden.
(3) Anträge auf Verlängerung einer Bewilligung sind so rechtzeitig zu stellen, daß darüber vor Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung entschieden werden kann; ..... "
Der Antrag der Beschwerdeführerin vom 30. Oktober 1997 war am Tag des Inkrafttretens des FrG 1997, dem 1. Jänner 1998 bei den Verwaltungsbehörden anhängig. Gemäß § 112 FrG 1997 waren derartige Verfahren zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung als Verfahren zur Erteilung eines Erstaufenthaltstitels oder eines weiteren Aufenthaltstitels fortzuführen. Aus dem Grunde des § 23 Abs. 6 FrG 1997 wäre das Verfahren dann als solches zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung fortzuführen gewesen, wenn die Beschwerdeführerin als in Österreich geborenes Kind gemäß § 28 Abs. 2 FrG 1997 keinen Aufenthaltstitel benötigt hätte. Diese Voraussetzungen erfüllte die Beschwerdeführerin aber schon deshalb nicht, weil das FrG 1997 während ihrer ersten drei Lebensmonate nicht in Geltung stand und auch § 112 FrG 1997 eine andere Betrachtungsweise nicht anordnet. Selbst wenn man jedoch davon ausgehen wollte, daß entsprechend der dem FrG 1997 zugrundeliegenden Wertung auch Kindern, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes in Österreich geboren wurden und die die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 FrG 1997 - wäre er während ihrer ersten drei Lebensmonate in Geltung gestanden - erfüllt hätten, weitere Niederlassungsbewilligungen zu erteilen sind, führte dies nicht zur Weiterführung des gegenständlichen Verfahrens als solches zur Erteilung einer weiteren Niederlassungsbewilligung. Die Mutter der Beschwerdeführerin verfügte nach den insofern unbestrittenen Bescheidfeststellungen nämlich in den ersten drei Lebensmonaten der Beschwerdeführerin über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet. Nach dem Vorgesagten wertete die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 30. Oktober 1997 zutreffend als solchen auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung.
Die belangte Behörde hat die Versagung der Erteilung der Bewilligung vorliegendenfalls auf § 14 Abs. 2 FrG 1997 gestützt. Der im Spruch weiters zitierte § 28 Abs. 2 FrG 1997 regelt nicht die Versagung einer Niederlassungsbewilligung.
§ 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 enthält eine dem § 6 Abs. 2 erster Satz AufG vergleichbare Regelung. Zur letztgenannten Bestimmung des Aufenthaltsgesetzes hat der Verwaltungsgerichtshof folgende wesentliche Rechtssätze geprägt:
Bei dem in § 6 Abs. 2 erster Satz AufG normierten Erfordernis handelt es sich nicht um eine bloße Formvorschrift, sondern um eine Voraussetzung, deren Nichterfüllung die Abweisung eines Antrages nach sich zieht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/0895). Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht nur voraussetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag grundsätzlich im Ausland abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. November 1998, Zl. 96/19/0502). Eine Antragstellung durch einen Vertreter, während der Fremde in Österreich aufhältig ist, erfüllt § 6 Abs. 2 erster Satz AufG nicht (vgl das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168).
Nach dem Vorgesagten regelte § 6 Abs. 2 AufG daher - wie sich aus dem Normzweck klar ergibt - nicht bloß die formellen Modalitäten der als Prozeßhandlung verstandenen Antragstellung, sondern das für den Antragserfolg erforderliche Verhalten des Antragstellers vom Zeitpunkt der Antragseinbringung bis zur Entscheidung der Aufenthaltsbehörden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 95/19/1475). Im Verständnis dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes war § 6 Abs. 2 erster Satz AufG als Anordnung an die entscheidende Behörde aufzufassen, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung einer Bewilligung nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2356, 2357).
Eine Lücke des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG in Ansehung von vor dem 1. Juli 1993 nach Österreich eingereisten Personen nahm der Verwaltungsgerichtshof nicht an. Weiters vertrat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, daß für die Beurteilung der in § 6 Abs. 2 AufG umschriebenen Erfolgsvoraussetzung ungeachtet des Zeitpunktes der Antragstellung die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich ist (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 1997). Auch vor Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes gestellte, gemäß § 7 Abs. 7 FrG 1992 als Anträge auf Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz zu wertende Anträge konnten nur dann zur Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung führen, wenn sie vor der Einreise des Fremden in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 95/19/0677).
Wie sich aus den angeführten Erläuterungen zum FrG 1997 ergibt, sollten die Grundsätze des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG durch § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 übernommen werden. Die oben wiedergegebenen Rechtssätze haben daher auch für die Auslegung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 Geltung. Auch diese Norm ist folglich als Anordnung an die entscheidende Behörde aufzufassen, die beantragte Rechtsgestaltung durch Erteilung eines Aufenthaltstitels nur dann vorzunehmen, wenn der Antrag vor der Einreise des Antragsstellers in das Bundesgebiet vom Ausland aus gestellt wurde (wobei die Erledigung grundsätzlich vom Ausland aus abzuwarten ist).
Diese Anordnung ist jedoch auf in Österreich geborene und (wie dies die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof - im Einklang mit der Aktenlage - ausdrücklich behauptet) seit der Geburt durchgehend im Inland aufhältige Kinder nicht unmittelbar anwendbar, weil diese zu keinem Zeitpunkt nach Österreich eingereist sind.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Mai 1995 ausführte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Jänner 1996, Zl. 95/19/0129), setzt das Erfüllen der Voraussetzung der Antragstellung vor der Einreise nach Österreich jedenfalls voraus, daß sich der Antragsteller jemals im Ausland befunden hat. § 6 Abs. 2 erster Satz AufG war daher auf den Antragsteller, der in Österreich geboren wurde und das Bundesgebiet nicht verlassen hatte, nicht unmittelbar anwendbar. Es bestand daher insofern eine (echte) Gesetzeslücke, welche im Fall des damaligen Beschwerdeführers, dessen Vater über eine Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz verfügte, analog zu den in § 6 Abs. 3 AufG geregelten Fällen zu schließen war.
Auf diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Gesetzgeber nicht etwa derart reagiert, daß er durch eine gegenüber der Formulierung des § 6 Abs. 2 AufG geänderte Wortwahl klar zum Ausdruck brachte, die Antragstellung vom Ausland aus sei zwingende Erfolgsvoraussetzung in allen Fällen, somit auch in denjenigen, in denen ein Aufenthalt des Antragstellers im Ausland und eine Einreise nach Österreich gar nicht stattgefunden hat. Aufgrund des in den entscheidenden Punkten (Abstellen auf eine Einreise in das Bundesgebiet) gegenüber § 6 Abs. 2 AufG unveränderten Wortlautes des § 14 Abs. 2 FrG 1997 geht der Verwaltungsgerichtshof daher davon aus, daß auch diese Bestimmung auf in Österreich geborene und seit der Geburt ununterbrochen aufhältige Fremde nicht unmittelbar anwendbar ist.
Allerdings ist aus den auch in den Gesetzesmaterialien erkennbaren Wertungsgesichtspunkten des FrG 1997 die weiterhin bestehende Regelungslücke in Ansehung solcher Fremder, die nicht gemäß § 28 Abs. 2 FrG 1997 von der Sichtvermerkspflicht befreit waren, in der Regel analog zum ersten Satz des § 14 Abs. 2 leg. cit. zu schließen. Grundsätzlich ist für solche Fremde daher zu verlangen, daß sie durch Ausreise aus dem Bundesgebiet den rechtmäßigen Zustand herstellen und vor einer weiteren Einreise nach Österreich ihre Niederlassungsbewilligung vom Ausland aus beantragen.
Im Fall der Beschwerdeführerin erscheint es jedoch nicht ausgeschlossen, daß ausnahmsweise das Schließen der Lücke durch eine Analogie zu § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 geboten wäre:
Auf Grund ihres Vorbringens war es naheliegend, daß die Beschwerdeführerin Tochter eines Fremden war, der sich - schon im Zeitpunkt der Geburt der Beschwerdeführerin - auf Grund von Bewilligungen oder vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerken rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren mit Hauptwohnsitz in Österreich aufhielt. Der Beschwerdeführerin wäre diesfalls gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG im Zeitpunkt ihrer Antragstellung am 30. Oktober 1997 ein Rechtsanspruch auf die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zugestanden. Die gegenteilige Auffassung der erstinstanzlichen Behörde beruht auf einer Verkennung der Rechtslage (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zl. 96/19/3352). Gemäß § 3 Z. 1 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, war die Durchsetzung dieses Rechtsanspruches vom Vorhandensein eines Quotenplatzes nicht abhängig. Gemäß § 4 Z. 1 dieser Verordnung stand die während des Aufenthaltes der Beschwerdeführerin im Inland erfolgte Antragstellung der Durchsetzung des der Beschwerdeführerin zugestandenen Rechtsanspruches nicht entgegen.
Bei analoger Anwendung des § 14 Abs. 2 erster Satz FrG 1997 auf die Beschwerdeführerin führte die - für sich genommen unbedenkliche - Anordnung des § 112 FrG 1997, wonach ihr Verfahren als solches zur Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung fortzuführen sei, zum Verlust des nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des FrG 1997 bestandenen Anspruches auf Familiennachzug zu ihrem Vater.
Mit einem Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - soferne, wie gesagt, die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG vorlagen - hatte die Beschwerdeführerin aber ungeachtet des Umstandes, daß die Bewilligung noch nicht erteilt war, noch unter dem Regime des AufG eine Rechtsposition erworben. Sie konnte dann in Ermangelung von Versagungsgründen damit rechnen, in relativ kurzer Zeit (somit vor dem 1. Jänner 1998) jene Bewilligung zu erhalten, auf deren Ausstellung sie einen Rechtsanspruch hatte. Es ist nicht auszuschließen, daß für die Beschwerdeführerin im Hinblick auf diesen (allfälligen) Rechtsanspruch bereits (zu seiner Durchsetzung erforderliche) Dispositionen hinsichtlich Obsorge, Erziehung und Unterbringung im Bundesgebiet getroffen wurden.
Es kann dahingestellt bleiben, ob eine ausdrückliche gesetzliche Regelung, welche Fremden, die unter dem Regime des Aufenthaltsgesetzes einen Rechtanspruch auf Erteilung einer zur dauernden Niederlassung berechtigenden Bewilligung erworben und ihren Antrag (vor dem Hintergrund der bestehenden Rechtslage) zulässigerweise im Inland so rechtzeitig gestellt haben, daß bei Beachtung des § 73 Abs. 1 AVG durch die Aufenthaltsbehörde mit einer Bewilligungserteilung vor dem 1. Jänner 1998 zu rechnen gewesen wäre (was regelmäßig bei einer Antragstellung vor dem 1. Dezember 1997 vorauszusetzen ist), eben diesen Anspruch durch Statuierung abweichender Erfolgsvoraussetzungen wiederum aberkennen würde, dem verfassungsrechtlichen Dispositionsschutz widerspräche und damit gegen das Sachlichkeitsgebot verstieße (vgl. hiezu die bei Holoubek, Verfassungsrechtlicher Vertrauensschutz gegenüber dem Gesetzgeber in Machacek/Pahr/Stadler, Grund- und Menschenrechte in Österreich III, S. 795 ff, insbesondere 818, enthaltene Zusammenfassung der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes zu dieser Frage).
Selbst wenn man davon ausginge, daß sogar eine solche Regelung noch innerhalb des Gestaltungsspielraumes des einfachen Gesetzgebers gelegen wäre, erscheint dem Verwaltungsgerichtshof - und nur dies ist für die Auswahl der zur Lückenfüllung durch Gesetzesanalogie als optimal heranzuziehenden Norm von Belang - in diesen Fällen die zur Zulässigkeit der Inlandsantragstellung führende analoge Anwendung des § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 als die sachgerechtere Lösung, weil sie die oben aufgezeigten, in der österreichischen Rechtsordnung jedenfalls eher unüblichen Konsequenzen vermeidet. Zwingende öffentliche Interessen scheinen dieser Lösung nicht entgegenzustehen.
Nach dem Vorgesagten ist daher die aufgezeigte Regelungslücke in § 14 Abs. 2 FrG 1997 in Ansehung von in Österreich geborenen und seit der Geburt aufhältigen Fremden, die vor dem 1. Dezember 1997 den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gestellt haben und noch unter der Geltungsdauer des AufG einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung auf Grund dieses Antrages erworben hatten, in Analogie zu den in § 14 Abs. 2 zweiter Satz FrG 1997 geregelten Fallgruppen zu schließen.
In Verkennung dieser Rechtslage unterließ es die belangte Behörde, Feststellungen darüber zu treffen, ob die Beschwerdeführerin einen solchen Anspruch erworben hatte, bzw. ob sie seit ihrer Geburt ununterbrochen im Inland aufhältig war. Bejahendenfalls stünde die Antragstellung im Inland dem Erfolg des Antrages aus dem Grunde des § 14 Abs. 2 FrG 1997 nicht entgegen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. März 1999
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998190269.X00Im RIS seit
11.07.2001