TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/2 W154 2208036-5

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Veröffentlicht am 02.04.2019
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Entscheidungsdatum

02.04.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76

Spruch

W154 2208036-5/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , nigerianischer Staatsangehöriger, vertreten durch RA Dr. Peter LECHENAUER und Dr. Margrit SWOZIL, im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) reiste zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 22.12.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 21.02.2018 vollinhaltlich abgewiesen. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung getroffen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Unter einem wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.04.2018 mit Ausnahme des ein Einreiseverbot verfügenden Spruchpunktes abgewiesen. Die Zustellung dieses Erkenntnisses an den Rechtsvertreter des BF erfolgte am 14.04.2018.

Die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde wurde mit Beschluss vom 11.06.2018 abgelehnt, die außerordentliche Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 02.08.2018 zurückgewiesen.

Das Bundesamt leitete am 08.06.2018 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bei der nigerianischen Vertretungsbehörde ein, von welcher der BF am 27.07.2018 positiv identifiziert wurde.

Da der Aufenthaltsort des BF nicht bekannt war, erließ das Bundesamt am 27.07.2018 gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG einen Festnahmeauftrag den BF betreffend.

Am 10.09.2018 wurde der BF in einem Reisezug von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen und auf Grund des Festnahmeauftrages festgenommen.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 10.09.2018 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Auf Grund der vom BF gegen den Schubhaftbescheid eingebrachten Beschwerde führte das Bundesverwaltungsgericht am 25.10.2018 eine mündliche Verhandlung durch, in deren Verlauf der BF angab, nicht freiwillig nach Nigeria zurückkehren zu wollen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.10.2018 wurde die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

Das Bundesamt urgierte die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der nigerianischen Vertretungsbehörde am 13.09.2018 und 23.10.2018. Am 21.12.2018 wurde der BF der nigerianischen Botschaft vorgeführt, um auf die Dringlichkeit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates hinzuweisen. Auch bei diesem Vorführungstermin wurde der BF als nigerianischer Staatsbürger identifiziert, die nigerianische Vertretungsbehörde werde den Fall jedoch weiter prüfen.

Am 16.01.2019, 07.02.2019 und 06.03.2019 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.01.2019, W250 2208036-2/10E, 14.02.2019, W117 2208036-3/6E, und 07.03.2019, W197 2208036-4/3E, wurde gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig sei. In den Entscheidungen wurde unter anderem davon ausgegangen, dass die Behörde rechtzeitig und zielführend Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet und fortgeführt habe. Die Erlangung eines Heimreisezertifikates hinsichtlich des Herkunftsstaates Nigerias sei möglich. Da der BF nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren wolle, dauere das Verfahren der nigerianischen Behörden zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates länger, als wenn der BF freiwillig zurückkehren würde. Im Hinblick auf sein Verhalten sei der BF selbst ursächlich für die Dauer der Schubhaft. Der BF sei von der nigerianischen Vertretungsbehörde als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert worden.

Am 27.03.2019 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG abermals dem Bundesverwaltungsgericht zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit vor.

Anlässlich der Aktenvorlage führte das Bundesamt in einer Stellungnahme im Wesentlichen aus, dass der BF absolut nicht rückkehrwillig sei. Aus dem Amtswissen des Bundesamtes gehe hervor, dass bei nicht rückkehrwilligen Personen die nigerianische Botschaft einen längeren Zeitraum zur Prüfung bzw. Ausstellung von Heimreisezertifikaten benötige. Dies sei aber nur darauf zurückzuführen, dass der BF absolut nicht rückkehrwillig sei. Eine freiwillige Rückkehr werde von der Botschaft empfohlen, hierzu habe der BF bisher aber nicht bewegt werden können. Die Botschaft gebe an, diesen Fall weiter prüfen zu müssen. Der BF habe deshalb nicht abgeschoben werden können, weil die für die Ein-oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorgelegen sei. Da eine Identifizierung des BF durch die nigerianische Botschaft zeitlich absehbar sei, sei eine Anhaltung weiterhin verhältnismäßig und sei davon auszugehen, dass die nigerianische Botschaft in absehbarer Zeit ein Heimreisezertifikat ausstelle. Eine Identifizierung sei bereits erfolgt. Die durchschnittliche Dauer eines Heimreisezertifikatsverfahrens betrage 3 bis 4 Monate. Aufgrund des Verhaltens vor und während der Schubhaft könne von einer erheblichen Fluchtgefahr ausgegangen werden. Nach Ansicht der Behörde sei nach wie vor Sicherungsbedarf sowie Verhältnismäßigkeit gegeben.

Im gegenständlichen Verfahren wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eine Anfrage an die für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständige Abteilung des BFA zum bisher geführten Verfahren und zur Wahrscheinlichkeit einer baldigen Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer gerichtet.

In der Anfragebeantwortung vom 28.03.2019 teilte die zuständige Abteilung dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass der Antrag auf Erteilung eines Heimreisezertifikates am 13.06.2018 an die nigerianische Botschaft weitergeleitet worden sei. Anzumerken sei, dass der BF in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte verfüge - der Vater des BF sei im Besitz eines österreichischen Aufenthaltstitels.

Am 27.07.2018 habe das erste Interview vor der nigerianischen Delegation stattgefunden, der BF sei als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert worden. Im Zuge dieses Interviews sei dem BF von Seiten des Konsuls nahegelegt worden, freiwillig auszureisen, es stünde ihm die Möglichkeit offen, von Nigeria aus auf legalem Wege mittels Visums nach Österreich einzureisen, um die familiären Kontakte zu pflegen. Das zweite Interview sei am 21.12.2018 vor der nigerianischen Delegation durchgeführt worden, die nigerianische Staatsangehörigkeit sei bestätigt worden. Es sei neuerlich von nigerianischer Seite die freiwillige Ausreise empfohlen worden bzw. sei auch angeregt worden, die freiwillige Rückkehr zu organisieren.

Der BF wolle jedoch nicht freiwillig ausreisen.

Im Zuge des Verfahrens sei die Ausstellung eines Heimreisezertifikates laufend urgiert worden, zuletzt am 12.02.2019.

Es bestehe eine sehr intensive Zusammenarbeit mit der nigerianischen Botschaft, zudem erhalte die Abteilung regelmäßig Identifizierungsergebnisse und laufend würden Heimreisezertifikate ausgestellt. Das nächste Treffen mit der nigerianischen Delegation fände am 29.03.2019 statt, es werde der Fall des BF nochmals angesprochen und auf die besondere Priorität des Falles hingewiesen.

Eine Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates von Seiten der nigerianischen Botschaft sei nicht erteilt worden mit der Begründung, dass sich der Vater des BF in Österreich befände, die Botschaft würde den Fall nochmals genau prüfen.

Wann mit einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates in dem konkreten Fall zu rechnen sei, könne leider dem Gericht nicht mitgeteilt werden, so die für die Ausstellung von Heimreisezertifikat zuständige Abteilung des Bundesamtes.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 01.04.2019 teilte die genannte Abteilung mit, dass der Fall des BF am Freitag, den 29.03.2019, bei der nigerianischen Delegation angesprochen worden sei. Seitens der nigerianischen Botschaft werde nochmals Kontakt mit dem Vater aufgenommen und werde diesem auch nahegelegt werden, dass er seinem Sohn zur freiwilligen Ausreise raten solle. Weiters wurde ausgeführt, dass es bei dem genannten Botschaftstermin keine Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF seitens der nigerianischen Vertretungsbehörde gegeben habe, darüber hinaus sei seitens der Behörde abermals auf die Ausreiseunwilligkeit des BF hingewiesen worden. Beim nächsten Botschaftstermin am 05.04.2019 werde nochmals nachgefragt, ob der Vater des BF erreicht habe werden können und werden neuerlich die Ausstellung eines Heimreisezertifikates urgiert werden. Laut einer weiteren Mitteilung der zuständigen Mitarbeiterin der Abteilung zur Erlangung von Heimreisezertifikaten vom 02.04.2019 sei der nächste Botschaftstermin am 05.04.2019 abberaumt und auf den 26.04.2019 verlegt worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF befindet sich seit 10.09.2018 in Schubhaft.

Der Antrag auf Erteilung eines Heimreisezertifikates für den BF ist am 13.06.2018 an die nigerianische Botschaft weitergeleitet worden.

Am 27.07.2018 hat das erste Interview vor der nigerianischen Delegation stattgefunden, der BF ist als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert worden.

Das zweite Interview ist am 21.12.2018 vor der nigerianischen Delegation durchgeführt worden, die nigerianische Staatsangehörigkeit des BF ist bestätigt worden.

Im Zuge des Heimreisezertifikatsverfahrens ist die Ausstellung eines Heimreisezertifikates seitens der Behörde laufend urgiert worden.

Der Vater des BF verfügt in Österreich über einen Aufenthaltstitel.

Eine Zustimmung zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates von Seiten der nigerianischen Botschaft ist bislang mit der Begründung, dass sich der Vater des BF in Österreich befindet und über einen Aufenthaltstitel in Österreich verfügt, nicht erteilt worden.

Festgestellt wird, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gesagt werden kann, wann und ob überhaupt mit der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF zu rechnen ist.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Es sind seit der letzten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 07.03.2019 Umstände hervorgekommen, wonach die Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die nigerianische Botschaft zeitnah nicht mehr möglich erscheint. Wie sich aus den im gegenständlichen Verfahren übermittelten Stellungnahmen der für die Erlangung von Heimreisezertifikaten zuständigen Abteilung des Bundesamtes ergibt, stellt sich gegenwärtig nicht mehr die Frage, ob ein Heimreisezertifikat zeitnah ausgestellt werden wird, als vielmehr die Frage, ob ein Heimreisezertifikat für den BF überhaupt ausgestellt werden wird, zumal seitens der nigerianischen Botschaft auf den im Bundesgebiet aufhältigen Vater des BF, der in Österreich über einen Aufenthaltstitel verfügt, abgestellt wird. Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF dauert mittlerweile nahezu zehn Monate. Im Zuge des Verfahrens wurde der BF zweimal als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert. Die zuständige Abteilung des Bundesamtes hat das verfahrensgegenständliche Heimreisezertifikatsverfahren, wie die zahlreichen Urgenzen und Gespräche zeigen, zügig und effizient geführt. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates scheiterte aktuell - wie sich aus der Stellungnahme der zuständigen Abteilung des Bundesamtes vom 01.04.2019 und aus dem gesamten Verfahrensablauf insgesamt ergibt - an der Tatsache, dass sich der Vater des BF in Österreich befindet und über einen Aufenthaltstitel in Österreich verfügt. Die Botschaft ist - wie sich zeigt - wenig geneigt, in solchen Fällen Heimreisezertifikate für seine Staatsbürger überhaupt auszustellen. So ist seitens der nigerianischen Botschaft offensichtlich weniger an die Ausstellung eines Heimreisezertifikates gedacht als vielmehr daran, den BF zur freiwilligen Ausreise aus Österreich zu bewegen.

Das Bundesamt wies im Verfahren darauf hin, dass die durchschnittliche Dauer einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates im Fall Nigerias drei bis vier Monate in Anspruch nähme. Bei nicht rückkehrwilligen Personen benötige die nigerianische Vertretungsbehörde einen längeren Zeitraum zur Prüfung bzw. Ausstellung von Heimreisezertifikaten. Im gegenständlichen Fall dauert das Verfahren zur Erlangung des Heimreisezertifikates bereits fast zehn Monate, durch die Verschiebung des nächsten Botschaftstermins von 05.04.2019 auf 26.04.2019 wird die mögliche Ausstellung eines Heimreisezertifikates weiter hinausgezögert, ohne dass die Ausstellung eines solchen danach garantiert wäre, wie oben bereits dargelegt wurde. Von der zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates und damit von der unmittelbar bevorstehenden Außerlandesbringung des BF kann sohin nicht weiter ausgegangen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. - Fortsetzung der Schubhaft

3.1. Gesetzliche Grundlagen

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

Dauer der Schubhaft

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrechterhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(5) Abweichend von Abs. 2 und vorbehaltlich der Dublin-Verordnung darf die Schubhaft, sofern sie gegen einen Asylwerber oder einen Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, angeordnet wurde, bis zum Zeitpunkt des Eintritts der Durchsetzbarkeit der aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Dauer von 10 Monaten nicht überschreiten. Wird die Schubhaft über diesen Zeitpunkt hinaus aufrechterhalten oder nach diesem Zeitpunkt neuerlich angeordnet, ist die Dauer der bis dahin vollzogenen Schubhaft auf die Dauer gemäß Abs. 2 oder 4 anzurechnen.

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(7) Das Bundesamt hat einen Fremden, der ausschließlich aus den Gründen des Abs. 3 oder 4 in Schubhaft anzuhalten ist, hievon unverzüglich schriftlich in Kenntnis zu setzen.

3.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich - auch im Sinne der RV (952 BlgNR 22. GP 105 f) - als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FrPolG idF FrÄG 2011 ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Diesen Verlängerungstatbeständen liegt freilich zugrunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann (VwGH 26. 09.2007, 2007/21/0253; 23.10.2008, 2006/21/0128; 19.04.2012, 2009/21/0047; 11.06.2013, 2013/21/0024).

3.3. Voraussetzung für die Anordnung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.4. Im gegenständlichen Verfahren sind mittlerweile Umstände eingetreten, aus denen erkennbar ist, dass sich die Schubhaft für die Erreichung des Haftzweckes (die Abschiebung des BF) als nutzlos erweist. Wie sich im gegenständlichen Verfahren ergeben hat, stellt sich gegenwärtig nicht mehr die Frage, ob ein Heimreisezertifikat zeitnah ausgestellt werden kann, als vielmehr die Frage, ob ein Heimreisezertifikat für den BF überhaupt ausgestellt werden wird, zumal seitens der nigerianischen Botschaft bei der Ausstellung des Heimreisezertifikates auf den im Bundesgebiet aufhältigen Vater des BF, der in Österreich über einen Aufenthaltstitel verfügt, abgestellt wird. Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF dauert mittlerweile nahezu zehn Monate. Im Zuge des Verfahrens wurde der BF bereits zweimal als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert. Obwohl die zuständige Abteilung des Bundesamtes das verfahrensgegenständliche Heimreisezertifikatsverfahren, wie die zahlreichen Urgenzen und Gespräche zeigen, zügig und effizient geführt hat, konnte ein Heimreisezertifikat für den BF noch immer nicht erlangt werden. Die Ausstellung eines Heimreisezertifikates scheiterte aktuell - wie sich aus der Stellungnahme der zuständigen Abteilung des Bundesamtes vom 01.04.2019 ergibt - nicht am Verhalten des BF als vielmehr an der Tatsache, dass sich der Vater des BF in Österreich befindet und über einen Aufenthaltstitel in Österreich verfügt. Die Botschaft ist - wie sich zeigt - wenig geneigt, in solchen Fällen Heimreisezertifikate für seine Staatsbürger überhaupt auszustellen. So ist seitens der nigerianischen Botschaft offensichtlich weniger an die Ausstellung eines Heimreisezertifikates gedacht als vielmehr daran, den BF zur freiwilligen Ausreise aus Österreich zu bewegen.

Das Bundesamt wies im Verfahren darauf hin, dass die durchschnittliche Dauer einer Ausstellung eines Heimreisezertifikates im Fall Nigerias drei bis vier Monate in Anspruch nähme. Bei nicht rückkehrwilligen Personen benötige die nigerianische Vertretungsbehörde einen längeren Zeitraum zur Prüfung bzw. Ausstellung von Heimreisezertifikaten. Im gegenständlichen Fall dauert das Verfahren zur Erlangung des Heimreisezertifikates bereits fast zehn Monate, der BF befindet sich bereits seit nahezu 6 Monaten in Schubhaft. Durch die Verschiebung des nächsten Botschaftstermins von 05.04.2019 auf 26.04.2019 wird die mögliche Ausstellung eines Heimreisezertifikates weiter hinausgezögert, ohne dass die Ausstellung eines solchen danach garantiert wäre, wie oben bereits dargelegt wurde. Von der zeitnahen Ausstellung eines Heimreisezertifikates und damit von der unmittelbar bevorstehenden Außerlandesbringung des BF kann sohin nicht weiter ausgegangen werden.

Daraus ergibt sich auch, dass die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft nicht weiter gegeben ist. Die Interessen des BF an der Schonung seiner persönlichen Freiheit überwiegen gegenwärtig die öffentlichen Interessen an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. - Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Da keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen sind, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen, war die Revision daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Interessenabwägung, persönliches Interesse, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W154.2208036.5.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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