TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/23 98/05/0173

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Veröffentlicht am 23.03.1999
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §37;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs8;
BauO NÖ 1976 §118 Abs9;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Eva Marsalek in Klosterneuburg, vertreten durch Dr. Witt & Partner KEG, Rechtsanwälte in Wien IV, Argentinierstr 20A, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. November 1997, Zl. RU1-V-97171/00, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: 1. Stadtgemeinde Klosterneuburg, vertreten durch den Bürgermeister, 2. Post und Telekom Austria AG, Wien IX, Nordbergstraße 15), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der ursprünglich an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde, aus dem angefochtenen Bescheid, aus dem dem Verfassungsgerichtshof im dortigen Vorverfahren vorgelegten Verwaltungsakt, sowie aus der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes erstatteten Beschwerdeergänzung ergibt sich nachstehender Sachverhalt:

Mit Schreiben vom 9. Mai 1996 beantragte die Zweitmitbeteiligte die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Antennentragemastes für das Mobilfunknetz auf dem Hauptgebäude der Heilanstalt Maria Gugging, Grundstück Nr. 40/2, EZ 247, KG Maria Gugging. Mit Bescheid vom 8. August 1996 erteilte der Bürgermeister der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde der Zweitmitbeteiligten nach Maßgabe der vorgelegten Pläne die begehrte Bewilligung, wobei bestimmte Auflagen vorgeschrieben wurden. Als Rechtsgrundlage wurden die §§ 92 Abs. 1 Z. 2, 99a und 100 der Nö BauO 1976, LGBl. 8200-14, (im folgenden: BO) sowie die Nö Bautechnikverordnung 1996, LGBl. 8200/7-0, angegeben.

Mit Schreiben vom 17. Juni 1997, gerichtet an die Baubehörde, erklärte die Beschwerdeführerin, sie habe in Erfahrung gebracht, daß im August 1996 eine Bewilligung an die Zweitmitbeteiligte erteilt worden sein soll. Sie begehrte die Zustellung des Bewilligungsbescheides vom 8. August 1996. Als Begründung führte sie an, die Behörde habe unrichtigerweise angenommen, es lägen die Voraussetzungen des § 99a BO vor. Es sei aber nicht ausgeschlossen, daß die Beschwerdeführerin durch die Verwirklichung des Bauvorhabens und insbesondere durch die von der geplanten bzw. errichteten Antennenanlage ausgehenden Emissionen elektromagnetischer Natur in ihrer Gesundheit gefährdet werde.

Mit Bescheid vom 27. Februar 1997 stellte die Baubehörde erster Instanz fest, daß der Beschwerdeführerin in jenem mit Bescheid vom 8. August 1996 erledigten Verfahren keine Parteistellung zukomme. Der Antrag auf Bescheidzustellung wurde daher zurückgewiesen. Die Baubehörde räumte in ihrer Begründung ein, daß im Bauverfahren nicht nur die unmittelbaren Anrainer, sondern Nachbarn schlechthin Parteistellung genießen; Nachbarschaft gehe in diesem Sinne soweit, wie die schädlichen Einflüsse, die von dem betreffenden Bauvorhaben ausgingen, wirken könnten. Es komme darauf an, ob diese Personen in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt würden (§ 118 Abs. 8 BO). Der Abstand der Liegenschaftsgrenze der Antragstellerin zum beantragten Antennentragemast betrage 65 m. Vom Antennentragemast selbst gingen keine Emissionen aus, weshalb der Beschwerdeführerin keine Parteistellung zukomme. Auf Bestimmungen des Fernmeldegesetzes wurde hingewiesen.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung machte die Beschwerdeführerin geltend, eine vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr eingeholte Auskunft habe ergeben, daß es für die gegenständliche Sendeanlage weder eine Einzelgenehmigung noch überhaupt ein Verfahren gegeben habe, bei dem Anrainer beigezogen worden wären. Eine derartige Antennenanlage würde Emissionen abgeben und es sei hinsichtlich dieser Emissionen in keinem anderem Gesetz und keiner anderen Verfahrensordnung ein Verfahren unter Beiziehung von Parteien vorgesehen. Daher ergebe sich aus § 118 Abs. 8 und 9 BO zwingend, daß der Beschwerdeführerin Parteistellung zukomme. Der einzige Zweck des Antennentragemastes sei der Betrieb der Antennenanlage, was auch im Bauverfahren Berücksichtigung finden müsse.

Mit Bescheid vom 27. Juni 1997 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde dieser Berufung keine Folge. Die Möglichkeit einer Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin sei dann gegeben, wenn feststehe, daß Gesichtspunkte vorliegen, auf welche sich die baubehördliche Bewilligungspflicht beziehe. Die baubehördliche Bewilligungspflicht könne und müsse sich auf Gesichtspunkte beziehen, die vom Fernmeldewesen nicht erfaßt seien und die in die Landeskompetenz fielen. Regelungsaspekte des Fernmeldewesens seien aber die Sicherung des ungestörten Betriebes anderer Fernmeldeanlagen, die Abwehr von Gefahren und der Schutz des Lebens und der Gesundheit gegenüber diesen Gefahren. Für derartige Aspekte komme der Baubehörde keine Zuständigkeit zu. Welche Parteien dem Fernmeldeverfahren beigezogen würden, spiele bei der Frage der Parteistellung im Bauverfahren keine Rolle. Aufgrund des gegebenen Abstandes des Grundstückes der Beschwerdeführerin zum Bauprojekt scheide die Möglichkeit einer Verletzung subjektiv-öffentlicher Rechte aus.

In ihrer dagegen erstatteten Vorstellung machte die Beschwerdeführerin unter entsprechender Aufzählung insbesondere geltend, daß in einer Vielzahl anderer Gemeinden derartige Anlagen nicht genehmigt würden. Sie verwies auf eine Reihe von Gutachten, aus denen die Gefährlichkeit derartiger Anlagen hervorgehe. Andere Nachbarrechte wurden auch in der Vorstellung nicht geltend gemacht.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Zwar räume § 62 Abs. 2 BO den Nachbarn einen Immissionsschutz ein; hier ginge es aber um eine Fernmeldeanlage, bei der sich die baubehördliche Bewilligungspflicht nur auf Gesichtspunkte beziehen könne, die vom Fernmeldewesen nicht erfaßt seien und in die Landeskompetenz fielen. Der Umfang des Kompetenztatbestandes "Post- und Fernmeldewesen" bringe es bei verfassungskonformer Interpretation des § 1 Abs. 2 BO mit sich, daß die Bauordnung nicht zur Gänze angewendet werden könne, sofern es sich um die Errichtung einer Fernmeldeanlage handle. Die Baubehörde könne nur typisch baurechtliche Aspekte prüfen, während § 62 Abs. 2 BO in solchen Fällen nicht Angelegenheit der Baubehörde sei. Die Beschwerdeführerin habe die geltend gemachte Parteistellung ausschließlich auf die von ihr befürchteten gesundheitlichen Schäden gestützt, die aber nicht Gegenstand des Bauverfahrens seien. Angesichts der Entfernung zwischen dem bewilligten Antennenmast und den Grundstücken der Beschwerdeführerin sei nicht ersichtlich, inwieweit subjektive Rechte der Beschwerdeführerin berührt werden könnten.

Weiters wurde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, daß vom Vorhaben das Grundstück Nr. 297/11, KG Maria Gugging, welches vom Grundstück Nr. 277/1 umschlossen wird, betroffen ist. Bei der Angabe der Grundstücksnummern 40/2 und 40/4 im Kopf des Einreichplanes handle es sich offenbar um eine nicht weiter relevante Verwechslung mit zwei benachbarten Grundstücken.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde mit Beschluß vom 9. Juni 1998, B 98/98-9, ab und trat sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In ihrer Beschwerdeergänzung erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Zuerkennung der Parteistellung infolge Verletzung subjektiver, in der Bauordnung gewährleisteter Rechte, sowie im rechtlichen Gehör verletzt. Es wird die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt. Mit der Beschwerdeergänzung wurden zahlreiche Unterlagen, aus denen sich insbesondere die Gefährlichkeit der Sendeanlage ergeben soll, vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die belangte Behörde hat richtig erkannt, daß das Vorhaben auf dem Grundstück Nr. 297/11 und nicht auf dem Grundstück Nr. 40/2 verwirklicht werden soll. Im Einreichplan wurde die Situierung "auf dem Gebäude der Heilanstalt Maria Gugging Hauptplatz 2 Grundstück Nr. 40/2 40/4 EZ 274 KG Maria Gugging" angegeben. Tatsächlich ist im Plan der Antennenmast auf dem U-förmigen Zentralgebäude eingetragen. Das U-förmige Zentralgebäude befindet sich jedoch auf der Parzelle Nr. 297/11, womit aus dem Bauplan klar ersichtlich ist, wo das Vorhaben errichtet werden soll. Nachbarrechtlich entfaltet die Falschbezeichnung des Baugrundstückes deshalb keine Relevanz, weil die Entfernungsangabe 65 m zwischen dem Baugrundstück Nr. 297/11 und dem Grundstück der Beschwerdeführerin Nr. 175/2 richtig ist; die Entfernung zu den Grundstücken Nr. 40/2 bzw. 40/4 würde rund 230 m ergeben, wie sich aus den vorgelegten Planunterlagen ergibt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt im Erkenntnis vom 16. September 1997, Zlen. 97/05/0194 und 97/05/0085, seine bisherige Rechtsprechung zur Abgrenzung des Kompetenztatbestandes "Fernmeldewesen" zu den von den Baubehörden zu vollziehenden Angelegenheiten dargestellt. Auf die dortigen Erwägungen und Verweise wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG hingewiesen. Als Ergebnis wurde zusammengefasst, daß die Baubehörde gesundheitliche Belange in Zusammenhang mit einer Fernmeldeanlage aus kompetenzrechtlichen Gründen nicht prüfen dürfe. Im hier relevanten Zeitpunkt der Entscheidung der Berufungsbehörde galt noch das Fernmeldegesetz 1993; auch das am 1. August 1997 in Kraft getretene Telekommunikationsgesetz, BGBl. I Nr. 100/1997, sieht im § 67 Abs. 2 vor, daß bei der Errichtung und dem Betrieb von Funkanlagen und Endgeräten u.a. der Schutz des Lebens und die Gesundheit von Menschen gewährleistet sein müsse.

Im Zeitpunkt des gegenständlichen Antrages auf Feststellung der Parteistellung galt die am 1. Jänner 1997 in Kraft getretene Nö BauO 1997, LGBl. 8200-0. Allerdings betrifft dieses Ansuchen ein Verfahren, welches mit Bescheid des Bürgermeisters der erstmitbeteiligten Stadtgemeinde vom 8. August 1996 abgeschlossen wurde und bei welchem die Beschwerdeführerin nicht beigezogen worden war. Für die Beurteilung der Parteistellung der Beschwerdeführerin ist die Rechtslage anzuwenden, die in jenem Verfahren galt, in dem die Beschwerdeführerin Parteistellung wünscht (hg. Erkenntnis vom 2. September 1998, Zlen. 97/05/0157 und 98/05/0013); das Tatbestandsmerkmal der Parteistellung bestimmt sich ja nach dem normativen Gehalt der in der Rechtssache anzuwendenden Vorschriften (hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/05/0150). Auch für das Verfahren betreffend die Feststellung der Parteistellung haben die Behörden zu Recht die Nö. BauO in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-14 (im Folgenden: BO) angewendet.

Nach deren § 99a konnte bei Vorhaben der gegenständlichen Art von einer Bauverhandlung abgesehen werden, wenn eine Verletzung in diesem Gesetz begründeter Rechte der Nachbarn durch das Vorhaben ausgeschlossen erschien. Solche Rechte konnten sich (grundsätzlich) aus § 62 Abs. 2 BO ergeben, wonach für Bauwerke, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen mussten oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten ließen, welche das örtlich zumutbare Ausmaß überstiegen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen waren.

Soweit die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren stets auf die Gefahr einer gesundheitlichen Beeinträchtigung verwiesen hat, konnte damit keine Parteistellung begründet werden, weil derartige Beeinträchtigungen aufgrund der gegebenen Kompetenzrechtslage nicht von der Baubehörde zu berücksichtigen waren. Was die behauptete Wertminderung betrifft, ist der Beschwerdeführerin die Bestimmung des § 118 Abs. 8 BO entgegenzuhalten, wonach als Anrainer alle Grundstückseigentümer Parteistellung genießen, wenn sie in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten berührt werden. Der Verweis auf Art. XXXVII EGZPO geht deshalb fehl, weil dort ein Rechtsverlust nur für den zur Baukommission gehörig und rechtzeitig geladenen Besitzer vorgesehen ist.

Die Beschwerdeführerin macht weiters geltend, daß sie in einem Schreiben vom 16. Dezember 1996 - also vor dem hier gegenständlichen Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung - den Abstand der Antenne zu ihrem Grundstück sowie die Sichtbarkeit der errichteten Antenne gerügt habe. Auch im Zusammenhang mit diesem Vorbringen ist der belangten Behörde beizupflichten, wenn sie angesichts der Entfernung zwischen dem bewilligten Antennenmast und den Grundstücken der Beschwerdeführerin davon ausgegangen ist, daß es nicht einmal denkbar sei, daß (von der Baubehörde wahrzunehmende) Rechte der Beschwerdeführerin berührt würden, zumal es nicht nur keine gemeinsame Grenze gibt, sondern die Grundstücke der Beschwerdeführerin dem Baugrundstück auch nicht unmittelbar gegenüberliegen.

Da somit schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen. Im Hinblick auf die wiedergegebene Vorjudikatur konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Wien, am 23. März 1999

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998050173.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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