TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/1 W210 1412097-2

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Veröffentlicht am 01.03.2019
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Entscheidungsdatum

01.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs1
AsylG 2005 §34 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W210 1412097-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER die Beschwerde von XXXX , geb. 30.03.1986, StA. Afghanistan, vertreten durch den RA Edward W. Daigneault, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.04.2018, Zl. 790216507-170207141, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 34 Abs. 1 und 2 iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste bereits 2009 nach Österreich ein und stellte seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Ihm wurde mit Bescheid vom 08.07.2010 der Status des Subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, die zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung der belangten Behörde bis 20.06.2018 verlängert worden war.

2. Mit Bescheid vom 01.02.2017 wurde der nachgereisten Ehegattin des Beschwerdeführers zur Zl. XXXX der Status einer Asylberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt, wobei dem gemeinsamen, mit der Frau mitgereisten Kind im Familienverfahren zur Mutter ebenso der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde.

3. Mit Folgeantrag vom 16.02.2017 beantragte der Beschwerdeführer die Gewährung desselben Schutzstatus wie seine nachgereiste Ehefrau und das gemeinsame Kind.

4. Am 28.11.2017 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich zu seinem Antrag einvernommen.

5. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 11.04.2018 wurde der Antrag auf Gewährung des Status eines Asylberechtigten gemäß §§ 3 iVm 34 AsylG 2005 abgewiesen, wobei die belangte Behörde dies zusammengefasst damit begründete, dass die im Jahr 2008 in Afghanistan geschlossene Ehe nicht rechtsgültig geschlossen worden sei, sondern bloß traditionell. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 17.04.2018 durch Hinterlegung zugestellt.

6. Mit Verfahrensanordnung vom 12.04.2018 wurde dem Beschwerdeführer ein Rechtsberater von Amts wegen beigegeben.

7. Mit Schriftsatz vom 11.05.2018 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen gewillkürten Vertreter, Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und begründete dies unter Verweis auf eine auch zitierte ACCORD-Anfragebeantwortung (a-9413) vom 18.11.2015 damit, dass die belangte Behörde ihm zu Unrecht die Flüchtlingseigenschaft verweigert habe, da die belangte Behörde die im Herkunftsstaat geltende Rechtslage zur Gültigkeit auch bloß traditionell geschlossener Ehe übersehen habe.

8. Mit Schreiben vom 11.05.2018 wurde die Beschwerde von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, die belangte Behörde verzichtete unter einem auf die Teilnahme an einer allfälligen mündlichen Beschwerdeverhandlung. Eine Stellungnahme hinsichtlich der in der Beschwerde vorgebrachten Beschwerdepunkte enthält das Vorlageschreiben nicht.

9. Mit Schreiben vom 30.01.2019 wurde dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 05.01.2018 zur Frage der rechtlichen Voraussetzungen von "Ehen in Afghanistan - Registrierung und Gültigkeit" nachweislich zur Kenntnis gebracht und eine Frist von zwei Wochen zur Stellungnahme gewährt.

10. Mit Schriftsatz vom 11.02.2019 nahm der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter Stellung zum Ergebnis der Anfrage an die Staatendokumentation und verwies darauf, dass dies bestätige, dass auch die bloß traditionelle Ehe in Afghanistan rechtsgültig geschlossen sei.

11. Bis zum heutigen Tage langte keine Stellungnahme der belangten Behörde ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den zugrundeliegenden Verwaltungsakt des Beschwerdeführers sowie den vorgelegten Verwaltungsakt zum vorangegangenen Verfahren des Beschwerdeführers, die Entscheidung der belangten Behörde und durch Einbringung einer Anfrage an die Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.01.2018 zur Frage der rechtlichen Voraussetzungen von "Ehen in Afghanistan - Registrierung und Gültigkeit":

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer wurde am 30.03.1986 geboren, ist ein Staatsangehöriger Afghanistans aus der Provinz Maidan Wardak und reiste 2009 nach Österreich ein. Er ist unbescholten und volljährig.

Sein ursprünglicher Antrag auf internationalen Schutz wurde im Hinblick auf die Gewährung des Status eines Asylberechtigten rechtskräftig abgewiesen, mit Bescheid vom 08.07.2010 wurde ihm aber der Status des Subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, die zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung der belangten Behörde bis 20.06.2018 verlängert worden war.

Am 19.07.2008 heiratete der Beschwerdeführer die afghanische Staatsangehörige XXXX , IFA XXXX , traditionell vor einem Mullah in Afghanistan in Anwesenheit von zumindest zwei Zeugen, das festgelegte Brautgeld belief sich auf 500.000 Afghani. Die Ehe wurde am 04.01.2010 in Afghanistan gerichtlich registriert.

Der Beschwerdeführer traf seine Gattin 2011 und 2014 in Pakistan, die gemeinsame Tochter kam im Jahr 2012 in Afghanistan zur Welt. Ein weiteres gemeinsames Kind kam am 25.12.2017 im Bundesgebiet zur Welt. Die Familie lebt gemeinsam in XXXX , XXXX .

Mit Bescheid vom 01.02.2017 wurde der nachgereisten Ehegattin des Beschwerdeführers zur Zl. XXXX der Status einer Asylberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt, wobei der gemeinsamen Tochter im Familienverfahren zur Mutter ebenso der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Beschwerdeführer, seinem Aufenthaltsstatus, seinen Familienverhältnissen und der Eheschließung in Afghanistan ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde sowie aus der vorgelegten Beurkundung des Ehevertrages durch den Mullah (gegenständlicher BFA-Akt, AS 129) und der Registrierungsurkunde im ersten Verfahren des BF (BFA-Akt im ersten Verfahren, AS 81 ff.), wurden bereits von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt und in der Beschwerde nicht bekämpft. Das Bundesverwaltungsgericht sieht keinen Anlass von diesen Feststellungen der belangten Behörde abzugehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Der gegenständliche angefochtene Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 17.04.2018 zugestellt, die am 11.05.2018 erhobene Beschwerde ist rechtzeitig und zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet:

3.1. Zu A) Zur Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

§ 34 Abs. 1 AsylG lautet:

"Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz,

gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes".

Gemäß Abs. 2 leg. cit. hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung des Asylstatus anhängig ist (§ 7).

Gemäß Abs. 4 leg. cit. hat die Behörde Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen, und es erhalten unter den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

Gemäß Abs. 5 leg. cit. gelten diese Bestimmungen sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

§ 34 Abs. 4 erster Satz AsylG 2005 verlangte eine gesonderte Prüfung aller Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers. Die gegenständliche Beschwerde richtet sich aber einzig gegen die Verwehrung des Status eines Asylberechtigten wegen Verkennung der Rechtslage wegen mangelnder Angehörigeneigenschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005, da die Ehe des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau im Jahr 2008 bloß traditionell vor einem Mullah geschlossen worden sei.

Die Definition eines Familienangehörigen lautete bis 31.10.2017 wie folgt (Hervorhebung nicht im Original): ein Familienangehöriger gemäß § 2 Abs 1 Z 22 AsylG ist, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat.

Seit 01.11.2017 lautet § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 infolge BGBl. I 145/2017 wie folgt (Hervorhebung nicht im Original):

"22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat;"

Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Entscheidung grundsätzlich an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten (vgl. VwGH 23.03.2018, Ra 2017/03/0064; 21.10.2014, Ro 2014/03/0076), wobei festzuhalten ist, dass diese neue Rechtslage auch bereits zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde bestand.

Somit ist im gegenständlichen Fall die Frage zu klären, ob die Ehe des Beschwerdeführers bereits vor Einreise seiner Ehefrau nach Österreich tatsächlich bestanden hat. Schon die belangte Behörde hält fest, dass der Beschwerdeführer und seine Ehefrau im Jahr 2008 eine traditionelle Ehe geschlossen haben.

Gemäß § 9 Abs. 1 erster Satz internationales Privatrecht, BGBl. Nr. 304/1978 (IPRG), ist das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht des Staates, dem die Person angehört. § 9 Abs. 3 IPRG regelt, dass das Personalstatut einer Person, die Flüchtling im Sinn der für Österreich geltenden internationalen Übereinkommen ist oder deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen sind, das Recht des Staates ist, in dem sie ihren Wohnsitz, mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; eine Verweisung dieses Rechtes auf das Recht des Heimatstaates (§ 5 IPRG) ist unbeachtlich. Gemäß § 12 IPRG sind die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person nach deren Personalstatut zu beurteilen. Gemäß § 16 Abs. 2 IPRG ist die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung (VwGH 30.01.2007, 2004/18/0374). Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist der Ort des Eheschließungsakts. Die Berufung des Ortsrechts ist als Sachnormverweisung ausgestaltet. Ist die Ortsform erfüllt, so sind die Personalstatute unbeachtlich (OGH 28.06.2011, 10 ObS 55/11b).

Personalstatut des Beschwerdeführers und seiner Frau war im Zeitpunkt der Eheschließung gemäß § 9 Abs. 3 IPRG das afghanische Recht. Der Eheschließungsort im Sinne des § 16 Abs. 2 IPRG war auch die Islamische Republik Afghanistan, weshalb die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung zu prüfen war.

Die Formalitäten eine Eheschließung in Afghanistan sind streng religiös. Zur Gültigkeit der Eheschließung genügt nach islamischem Eherecht das Angebot und die Annahme in Anwesenheit von zwei beziehungsweise drei Zeugen. Auch das afghanische Eherecht beruft sich auf diese Prinzipien (vgl. dazu näher Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung, Ordner I, Verlag für Standesamtswesen GmbH (Frankfurt am Main - Berlin), Religiöse Eherechte-Islam S. 10 sowie Afghanistan S. 16). Das afghanische Zivilgesetzbuch hält fest, dass eine Ehe ein rechtsgültiger Vertrag ist, wenn sie ordnungsgemäß vollzogen wurde und alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt werden. Dazu gehören die Willenserklärungen beider Parteien, die Anwesenheit zweier erwachsener Zeugen und dass keine rechtlichen Verbote oder Einwände gegen einer der Eheparteien vorliegen (Artikel 77 Afghanisches Zivilgesetzbuch). Dies gilt unabhängig davon, ob die Ehe registriert wird oder nicht. Zudem ergibt sich aus der zur Rechtslage eingeholten Anfragebeantwortung, dass die meisten afghanischen Ehen nicht registriert sind und doch gültig sind, wobei darauf hingewiesen wird, dass eine Registrierung oft erst später erwirkt wird, wenn etwa die Vorlage einer Registrierung - wie im vorliegenden Fall von der belangten Behörde im ersten Verfahren - verlangt wird. Eine verpflichtende Registrierung ist im Normalfall nicht vorgesehen, eine Registrierung ist keine rechtliche Voraussetzung für die Gültigkeit der Ehe, wie sich aus Pkt. 6 der Anfragebeantwortung ergibt.

Für den Zeitpunkt der Eheschließung des Beschwerdeführers im Jahr 2008 ergibt sich somit einerseits, dass eine traditionelle, den religiösen Bestimmungen des islamischen Eherechts entsprechend geschlossene Ehe als gültige Eheschließung nach afghanischem Recht rechtswirksam war, und andererseits, dass aus einer nicht erfolgten Registrierung nicht die Unwirksamkeit der Ehe resultiert. Die Ehe des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau wurde am 19.07.2008 somit rechtswirksam geschlossen und hatte somit bereits vor Einreise der Ehefrau nach Österreich rechtsgültig Bestand.

Aus diesem Grund erfüllt der Beschwerdeführer - dessen Ehefrau der Status der Asylberechtigten mit rechtskräftigem Bescheid vom 01.02.2017 zuerkannt worden ist - die oben genannten Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG. Daraus folgt, dass ihm gemäß § 34 Abs. 2 AsylG iVm § 3 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen und festzustellen ist, dass ihm gemäß § 3 Abs. 5 AsylG kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. Der Beschwerde war somit vollinhaltlich stattzugeben.

3.2. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art. 6 EMRK, dessen Garantien nach Art. 47 Abs. 2 GRC auch im vorliegenden Fall Anwendung finden, kann eine mündliche Verhandlung unter bestimmten Voraussetzungen unterbleiben, etwa wenn der Fall auf Grundlage der Akten und der schriftlichen Äußerungen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR 12.11.2002, 28.394/95, Döry vs. Schweden; 08.02.2005, 55.853/00, Miller vs. Schweden).

Der Verfassungsgerichtshof hat betreffend die Anwendung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 4/2008, (also zur wortidenten Vorgängerbestimmung des § 21 Abs. 7 BFA-VG) unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung vor dem - damals bestehenden - Asylgerichtshof in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat der Asylwerber hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor dem - damals bestehenden - Bundesasylamt releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Asylgerichtshof erforderlich, wenn die vom betroffenen Asylwerber bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde an den Asylgerichtshof aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfSlg. 19.632/2012).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, mit der Frage des Entfalls einer mündlichen Verhandlung unter Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG befasst, wobei dem Grunde nach die zuvor zitierte Judikaturlinie der Höchstgerichte beibehalten wurde.

Daraus resultierend ergeben sich für die Auslegung des § 21 Abs. 7 leg.cit. folgende maßgeblichen Kriterien: Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht bleibt wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 leg.cit. festgelegte Neuerungsverbot verstößt.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein hinreichendes Ermittlungsverfahren durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorangegangen. In der Beschwerde wurde auf der Sachverhaltsebene nichts mehr vorgebracht, dem Bundesverwaltungsgericht liegt sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre.

Der maßgebliche Sachverhalt ist sohin aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde iSd § 21 Abs. 7 BFA-VG als geklärt anzusehen, weshalb von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen wurde.

3.3. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, vielmehr konnte sich dieses auf die seit 01.11.2017 geltende, eindeutige Rechtslage in § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 stützen.

Schlagworte

Asylgewährung von Familienangehörigen, Familienverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W210.1412097.2.00

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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