Index
E1E;Norm
11992E006 EGV Art6;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* EU-Register: EU 1999/0025 * EuGH-Zahl: C-149/99 * Vorabentscheidungsantrag mit 97/02/0081 B 22. Oktober 1999 (Verfahrenseinstellung wegen Klaglosstellung des Bfr) zurückgezogenBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, in der Beschwerdesache des JB in G, vertreten durch Dr. Hansjörg Schiestl, Rechtsanwalt in Innsbruck, Fallmerayerstraße 12, gegen den Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 14. Jänner 1997, Zl. LGv-584/2, betreffend Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, den Beschluß gefaßt:
Spruch
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Artikel 177 des EG-Vertrages folgende Fragen mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Ist Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht (RL 90/364/EWG) in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 3 und Artikel 3 dieser Richtlinie allenfalls in Verbindung mit Artikel 6 des EG-Vertrages dahingehend auszulegen, daß daraus grundsätzlich auch ein unmittelbar wirksames Recht zum Erwerb von Liegenschaften als Hauptwohnsitz durch Staatsangehörige aus einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union abzuleiten ist?
2. Fällt der Liegenschaftserwerb eines Staatsangehörigen eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union in einem Mitgliedsstaat, für den er eine entsprechende Aufenthaltserlaubnis für Staatsangehörige eines EU-Mitgliedsstaates besitzt und wo er seinen Hauptwohnsitz aufweist, unter die Bestimmungen des Artikel 73b Absatz 1 des EG-Vertrages über die Kapitalverkehrsfreiheit bzw. unter die der Richtlinie des Rates 88/361/EWG vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages (sogenannte Kapitalverkehrsrichtlinie)?
3. Ist - für den Fall der Bejahung von Frage 2. - die Kapitalverkehrsfreiheit nach Artikel 73b Absatz 1 des EG-Vertrages zu den anderen Freiheiten des EG-Vertrages (z.B. zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit) akzessorisch, sodaß etwa der Erwerb einer Liegenschaft, der nicht auf sonstige Freiheiten des EG-Vertrages gestützt werden kann, in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit ein EU-Bürger nicht besitzt, auch nicht unter Berufung auf die Kapitalsverkehrsfreiheit durchgesetzt werden kann?
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 23./29. Juni 1995 erwarb der Beschwerdeführer, ein deutscher Staatsangehöriger nunmehr mit Wohnsitz in G., der in Deutschland einer unselbständigen Erwerbsbetätigung nachgeht, von der M. Ges.m.b.H insgesamt 108/1390 Anteile (Wohnung und Tiefgaragenabstellplatz) einer näher genannten Liegenschaft in der Tiroler Gemeinde G. Dieses Rechtsgeschäft wurde der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel entsprechend den grundverkehrsrechtlichen Vorschriften angezeigt. Als beabsichtigten Verwendungszweck gab der Beschwerdeführer an, er beabsichtige, weil sich in G. sein gesamtes soziales Umfeld befinde, dort seinen ständigen Wohnsitz zu nehmen. Mit Eingabe vom 25. März 1996 teilte der Beschwerdeführer der Behörde erster Instanz mit, er habe seinen Hauptwohnsitz bereits in diese Gemeinde verlegt und die in diesem Zusammenhang erforderlichen Behördenwege
(z.B. Kraftfahrzeugummeldung) bereits getätigt.
Die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel als Grundverkehrsbehörde erster Instanz versagte mit Bescheid vom 9. Juli 1996 gemäß § 9 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 bzw. § 13 Abs. 1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1993 (kurz: TGVG 1993) , LGBl. Nr. 82/1993, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung für diesen Rechtserwerb. In der Begründung wurde u.a. sinngemäß ausgeführt, der Beschwerdeführer könne, weil er deutscher Staatsbürger und auch in Deutschland beschäftigt sei, den Rechtserwerb nicht auf die durch den EG-Vertrag (kurz: EGV) garantierte Freizügigkeit der Arbeitnehmer stützen. Dafür, daß an dem Rechtserwerb ein besonderes öffentliches Interesse im Sinne des § 13 TGVG 1993 bestehe, welches eine Ausnahme von den Grundverkehrsbeschränkungen für Ausländer rechtfertigen könne, seien im Verfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen. Vielmehr liege die mit dem Rechtserwerb verbundene beabsichtigte Dauerwohnsitznahme ausschließlich im privaten Interessensbereich des Käufers.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, er habe im bisherigen Verfahren den Beweis erbracht, daß er seit vielen Jahren in das Ortsleben der Gemeinde G. durch die Mitgliedschaft in diversen Vereinen integriert sei und daß sich dort sein gesamtes soziales Umfeld befinde. Seit 12. März 1996 habe er dort auch seinen ständigen und ausschließlichen Wohnsitz; auch versteuere er sein Einkommen in Österreich. Die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel habe ihm die Aufenthaltsberechtigung in Österreich bis zum 13. März 2001 bescheinigt. Der Wunsch "einer nicht unbedeutenden Anzahl von Gemeindebürgern" an der Wohnsitznahme durch den Beschwerdeführer sei als soziales, die Mitarbeit in mehreren örtlichen Vereinen als kulturelles und die Entrichtung der Einkommensteuer in Österreich als wirtschaftliches Interesse im Sinne des § 13 TGVG 1993 am Rechtserwerb anzusehen. Daß dieser Rechtserwerb staatspolitischen Interessen widerspreche, sei nicht einmal von der Behörde erster Instanz angenommen worden. Dem Beschwerdeführer sei zufolge des Beitrittes Österreichs zur Europäischen Union im Rahmen der Niederlassungsfreiheit, welche als "Hilfsfunktion" die Grunderwerbsfreiheit in sich berge, der Rechtserwerb zu genehmigen. Die Niederlassungsfreiheit schließe das Recht mit ein, sich die Voraussetzungen für einen dauernden Aufenthalt durch Ankauf einer Eigentumswohnung zu verschaffen. Dies setze nicht unbedingt die Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit oder einer bezahlten Beschäftigung voraus, vielmehr begründe auch die unbezahlte Tätigkeit bei mehreren örtlichen Organisationen die entsprechenden Voraussetzungen.
Mit Bescheid vom 14. Jänner 1997 gab die belangte Behörde der Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß sich dieser auf § 9 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 12 Abs. 1 und § 13 Abs. 1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 (kurz: TGVG 1996), LGBl. Nr. 61, zu stützen habe.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde aufgrund der im Zuge des Berufungsverfahrens erfolgten Änderung der Rechtslage unter Berufung auf § 40 TGVG 1996 und unter Berücksichtigung des Umstandes, daß das zugrundeliegende Rechtsgeschäft nach dem 1. Jänner 1994 abgeschlossen worden sei, von der Anwendbarkeit dieses neuen Grundverkehrsgesetzes (Inkrafttreten mit 1. Oktober 1996; vgl. § 41 TGVG 1996) aus. Bei der gegenständlichen Liegenschaft handle es sich um ein Baugrundstück im Sinn des § 2 Abs. 3 TGVG 1996 und der Käufer (Beschwerdeführer) sei dem Personenkreis des § 2 Abs. 5 leg. cit. (Ausländer) zuzuordnen; er sei jedoch EU-Bürger.
Nach Ansicht der belangten Behörde hätte das gegenständliche Rechtsgeschäft sowohl nach dem TGVG 1993 als auch nach § 12 Abs. 1 bzw. § 9 Abs. 1 lit. a TGVG 1996 einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurft. Für die in § 3 Abs. 1 leg. cit. vorgesehenen Ausnahmen der Anwendung der Bestimmungen über den Erwerb von Rechten an Grundstücken durch Ausländer sei (in dessen Abs. 2) eine Umkehr der Beweislast vorgesehen. Es erfolge dabei nicht schlechthin eine Gleichbehandlung der EU- oder EWR-Bürger mit den österreichischen Staatsbürgern, sondern nur im Rahmen der "Ausübung der in Rede stehenden Freiheiten", wobei von einer systematischen Gesamtbetrachtung ausgegangen werde. Es sei unstrittig, daß die Niederlassungsfreiheit (nach dem EGV) auch das Recht umfasse, Grundstücke zur Errichtung von Betriebsstätten unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer zu erwerben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (kurz: EuGH) gehöre zur Niederlassungsfreiheit bei Hauptniederlassungen auch das Recht auf Grunderwerb zu Wohnzwecken. Bei sogenannten "sekundären" Niederlassungen komme es auf die Würdigung des Einzelfalles an, wobei entscheidend sei, ob die betreffende Tätigkeit so viel Zeit in Anspruch nehme, daß ein Wohnsitz benötigt werde. Entscheidend sei aber, daß nur selbständig Erwerbstätige aus der Niederlassungsfreiheit ein Recht zum Liegenschaftserwerb ableiten könnten. Beim Beschwerdeführer (als unselbständigem Erwerbstätigen) könne daher nicht von einem Niederlassungsrecht ausgegangen werden.
Im Fall des Beschwerdeführers komme auch die Freizügigkeit der Arbeitnehmer als Grundlage für die Zulässigkeit des Grunderwerbs nicht in Betracht. Aus den diese Freiheit regelnden Art. 48 bis 51 EGV sei ein Bezug zu einem Recht auf Liegenschaftserwerb nicht ersichtlich; wohl könne aus dem EU-Sekundärrecht (Verordnung des Rates vom 15. Oktober 1968, Nr. 1612/68 (EWG)) unter den dort angeführten Voraussetzungen eine Berechtigung zum Liegenschaftserwerb abgeleitet werden. Im Gegensatz zu dem in der Verordnung 1612/68 geregelten Sachverhalt habe der Beschwerdeführer aber seinen Arbeitsplatz nicht in dem Staat, dessen Staatsbürgerschaft er nicht besitze, sondern sei er vielmehr in seinem Heimatland beschäftigt, sodaß er aus dieser Verordnung ein Recht zum angestrebten Liegenschaftserwerb in Österreich oder auch in einem anderen EU- bzw. EWR-Staat nicht ableiten könne.
Auch aus den sogenannten Aufenthaltsrichtlinien könne der Beschwerdeführer kein Recht auf Erwerb der gegenständlichen Liegenschaft für sich in Anspruch nehmen. § 3 TGVG 1996 (in der Stammfassung LGBl. Nr. 61/1996) sehe keine Gleichbehandlung aufgrund der Richtlinie des Rates über das Aufenthaltsrecht (RL 90/364/EWG), der Richtlinie des Rates über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständigen Erwerbstätigen (RL 90/365/EWG) und der Richtlinie des Rates über das Aufenthaltsrecht der Studenten (RL 90/366/EWG, nunmehr RL 93/96/EWG) vor. Nach § 2 Abs. 3 der Richtlinie über das Aufenthaltsrecht und der Richtlinie über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständigen Erwerbstätigen berühre die jeweilige Richtlinie nicht die geltenden Rechtsvorschriften für den Erwerb von Zweitwohnungen. Ob das Aufenthaltsrecht nach den "Allgemeinen Aufenthaltsrichtlinien" das Recht auf Grunderwerb miteinschließe, werde in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Nach dem TGVG 1996 werde - der Rechtsansicht von Hummer/Schweitzer, Raumordnung und Baurecht in Europa, 1992, S 324f folgend - den nach den Aufenthaltsrichtlinien Berechtigten kein Recht auf Grunderwerb zugestanden. Ferner sei auch aus dem Wortlaut des Art. 8a des EGV nicht unmittelbar ein Recht auf Liegenschaftserwerb abzuleiten. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung können Vorschriften erlassen werden, die das Aufenthaltsrecht erleichtern. Liegenschaftserwerb sei in diesem Zusammenhang aber "sicherlich nicht erforderlich". In Wahrheit handle es sich bei den Aufenthaltsrichtlinien um - typologisch gesehen - fremdenpolizeiliche Bestimmungen.
Aus europarechtlicher Sicht bestehe nach Ansicht der belangten Behörde folglich keine Veranlassung, dem Kaufvertrag die Genehmigung zu erteilen. Es sei daher noch zu prüfen, ob der Rechtserwerb nach § 13 Abs. 1 lit. b TGVG 1996 zu genehmigen sei. Staatspolitische Rücksichten würden durch den gegenständlichen Kaufvertrag nicht beeinträchtigt. Hinsichtlich der übrigen, in § 13 Abs. 1 lit. b TGVG 1996 angeführten Interessen habe die Grundverkehrsbehörde zu prüfen, ob ein besonderes öffentliches Interesse in wirtschaftlicher, kultureller oder sozialer Hinsicht am Rechtserwerb durch den Ausländer bestehe. Besondere derartige öffentliche Interessen am gegenständlichen Rechtserwerb seien nicht hervorgekommen. Die seitens des Beschwerdeführers geltend gemachte Hauptwohnsitznahme im Kaufobjekt reiche nicht zur Begründung öffentlicher Interessen in wirtschaftlicher, kultureller oder sozialer Hinsicht aus. Solche Interessen könnten auch nicht aus dem Wunsch von Gemeindebürgern nach einer Wohnsitznahme durch den Beschwerdeführer, aus seiner ehrenamtlichen Tätigkeit in verschiedenen Vereinen oder aus der Entrichtung der Einkommensteuer in Österreich abgeleitet werden. Es habe nach Ansicht der belangten Behörde dahingestellt bleiben können, ob bezüglich des gegenständlichen Kaufvertrages die Voraussetzungen nach dem dritten Abschnitt (Rechtserwerb an Baugrundstücken) des TGVG 1996 vorlägen, weil die belangte Behörde aufgrund der dargestellten Erwägungen zu keiner anderslautenden Entscheidung hätte kommen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.
Gemäß § 41 des im Beschwerdefall anzuwendenden Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 (kurz: TGVG 1996), LGBl. Nr. 61, tritt dieses Gesetz mit 1. Oktober 1996 in Kraft.
Gemäß § 9 Abs. 1 lit. a TGVG 1996 bedürfen Rechtsgeschäfte der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde, die den Erwerb des Eigentums an Baugrundstücken zum Gegenstand haben.
Nach § 11 Abs. 1 lit. a leg. cit. darf die Genehmigung nach § 9 nur erteilt werden, wenn beim Rechtserwerb an einem bebauten Grundstück glaubhaft gemacht wird, daß durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll.
Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen nach § 12 Abs. 1 leg. cit. Rechtsgeschäfte und Rechtsvorgänge, die den Erwerb von Rechten im Sinne des § 9 an Baugrundstücken oder von Rechten im Sinne des § 4 an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken oder an sonstigen Grundstücken durch Ausländer zum Gegenstand haben.
Gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn gemäß lit. a bei Rechtserwerben an Baugrundstücken die Voraussetzungen nach dem dritten Abschnitt (des TGVG 1996) vorliegen und (lit. b) der Rechtserwerb staatspolitischen Interessen nicht widerspricht und ein öffentliches Interesse am Rechtserwerb durch den Ausländer, insbesondere in wirtschaftlicher, kultureller oder sozialer Hinsicht, besteht.
Abs. 1 lit. b gilt gemäß § 13 Abs. 2 leg. cit. nicht, soweit staatsvertragliche Verpflichtungen entgegenstehen.
§ 3 Abs. 1 TGVG 1996 in der Stammfassung LGBl. Nr. 61 lautet in den im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen wie folgt:
"(1) Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Erwerb von Rechten an Grundstücken durch Ausländer gelten nicht, wenn solche Rechte erworben werden durch
a) Personen im Rahmen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 48 des EGVes bzw. nach Art. 28 des EWR-Abkommens,
b) Personen und Gesellschaften im Rahmen der Niederlassungsfreiheit nach den Art. 52 und 58 des EGVes bzw. nach den Art. 31 und 34 des EWR-Abkommens,
c) Personen und Gesellschaften im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 59 des EGVes bzw. nach Art. 36 des EWR-Abkommens,
d) Personen und Gesellschaften im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 73b des EGVes soweit sich aus Art. 70 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge nichts anderes ergibt, bzw. nach Art. 40 des EWR-Abkommens.
(2) Das Vorliegen einer der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat der Rechtserwerber gleichzeitig mit der Anzeige des Rechtsgeschäftes oder des Rechtsvorganges nach § 23 Abs. 1 nachzuweisen."
Der Beschwerdeführer hat sich im Verwaltungsverfahren vor allem auf die Niederlassungsfreiheit bezogen, wobei er nach vorläufiger Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen der Niederlassungsfreiheit im Sinne des Art. 52 EGV nicht erfüllen würde, weil er einer selbständigen Erwerbsbetätigung in Österreich nicht nachgeht. Aus seinem Gesamtvorbringen kann aber erschlossen werden, daß er die Freizügigkeit der EU-Bürger und das daraus erfließende Aufenthaltsrecht als rechtliche Grundlage seines Anspruches auf Genehmigung des Grunderwerbs verstanden wissen wollte. Bei Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers bezüglich einer Ausnahme von den Bestimmungen für den Ausländergrunderwerb nach dem TGVG 1996 für den beabsichtigten Grunderwerb ist somit jedenfalls auch auf die Richtlinie 90/364/EWG des Rates vom 28. Juni 1990 über das Aufenthaltsrecht ("Allgemeine Aufenthaltsrichtlinie") Bedacht zu nehmen.
Der Tiroler Landesgesetzgeber hat nach Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung des Bescheides erfolgte laut den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten am 16. Jänner 1997 an den Rechtsvertreter des Beschwerdeführers) mit einer Novelle zum TGVG 1996, LGBl. Nr. 59/1997 (herausgegeben am 22. Juli 1997) im § 3 Abs. 1 eine neue lit. e eingefügt. Diese weitere Ausnahme von den Bestimmungen des TGVG 1996 über den Erwerb von Rechten an Grundstücken durch Ausländer betrifft u.a. "Personen im Rahmen der Ausübung ihres Aufenthaltsrechtes nach der Richtlinie 90/364/EWG des Rates über das Aufenthaltsrecht". Diese Bestimmung war jedoch von der belangten Behörde infolge vorangehender Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht anzuwenden und ist daher auch vom Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner nachprüfenden Kontrolle des Beschwerdefalles nicht zu berücksichtigen.
In der Literatur (vgl. Aicher, Grundverkehrsrecht - der europarechtliche Rahmen, in Funk, Grundverkehrsrecht, 1996, S. 91 ff.) wird im Zusammenhang mit der vorgenannten "Allgemeinen Aufenthaltsrichtlinie" und unter Bezugnahme auf das Diskriminierungsverbot nach Art. 6 des EGV die Meinung vertreten, dem TGVG 1996 (in seiner Stammfassung) fehle eine Gleichstellung für die durch die Aufenthaltsrichtlinie begünstigten Personen. Diese Regelung sei gemeinschaftswidrig (gewesen) (vgl. Aicher, a. a.O. S. 105). Gerade aus der Ausnahmebestimmung des Art. 2 Abs. 3 der Allgemeinen Aufenthaltsrichtlinie, wonach die vorliegende Richtlinie nicht die geltenden Rechtsvorschriften für den Erwerb von Zweitwohnungen berührt, wird durch Umkehrschluß in Verbindung mit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 6 EGV (früher Art. 7 EWG-Vertrag) u.a. abgeleitet, daß die für das zeitlich unbegrenzte "allgemeine Aufenthaltsrecht" (nach der Allgemeinen Aufenthaltsrichtlinie) erforderliche Möglichkeit des Liegenschaftserwerbs "in den Schutzbereich des allgemeinen Diskriminierungsverbotes" gerückt sei und diesem Personenkreis (gemeint: Staatsangehörigen aus anderen Mitgliedsstaaten) daher "der inländergleiche Zugang zum Liegenschaftserwerb" offenstehen müsse (vgl. Aicher, a.a.O., S. 102 ff.).
Soweit für den Verwaltungsgerichtshof ersichtlich ist, wurde diese Frage der Auslegung der Richtlinie über das Aufenthaltsrecht in Verbindung mit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 6 EGV bislang durch die Judikatur des EuGH nicht behandelt. Aus Art. 1 Abs. 1 erster Unterabsatz diese Richtlinie ist zu ersehen, daß den Angehörigen anderer Mitgliedsstaaten bei Erfüllung der näher genannten Voraussetzungen das Aufenthaltsrecht gewährt wird. Gemäß Art. 3 dieser Richtlinie besteht das Aufenthaltsrecht, solange die Berechtigten die Bedingungen des Art. 1 erfüllen. Wird aber Angehörigen anderer Mitgliedsstaaten ein Aufenthaltsrecht bis hin zu einem dauernden Aufenthaltsrecht bei Erfüllung der Bedingungen der Richtlinie gewährt, so könnte es Angehörigen eines anderen Mitgliedsstaates auch möglich sein, im Rahmen dieses Aufenthaltes eine Liegenschaft - unter denselben Voraussetzungen wie inländische Staatsangehörige - zu erwerben. Es erscheint dem Verwaltungsgerichtshof nicht ausgeschlossen, daß insbesondere dem Art. 1 erster Unterabsatz in Verbindung mit Art. 3 der genannten Richtlinie sowie allenfalls auch in Verbindung mit Art. 6 EGV - mangels zeitgerechter Umsetzung durch den Tiroler Landesgesetzgeber - hinsichtlich der Möglichkeit des Liegenschaftserwerbs durch Staatsangehörige eines anderen Mitgliedsstaates unmittelbare Anwendbarkeit und Anwendungsvorrang gegenüber den entgegenstehenden innerstaatlichen Vorschriften zukommt. Auch der Hinweis nach Art. 2 Abs. 3 der genannten Richtlinie, wonach diese nicht die geltenden Rechtsvorschriften für den Erwerb von Zweitwohnungen berührt, könnte darauf hindeuten, daß das Aufenthaltsrecht auch den Erwerb von Liegenschaften mitumfaßt.
Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde erstmals auch die Kapitalverkehrsfreiheit als Rechtsgrundlage für die Zulässigkeit des angestrebten Grunderwerbs geltend gemacht. Da es sich bei der Frage, ob der Grunderwerb von dieser Freiheit umfaßt ist, um eine Rechtsfrage handelt, unterliegt der Beschwerdeführer mit diesem Vorbringen nicht dem gemäß § 41 Abs. 1 VwGG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot.
Die Berufung des Beschwerdeführers auf die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 73b EGV macht es erforderlich zu prüfen, welche Auswirkungen diese Freiheit auf das Recht eines Liegenschaftserwerbs (insbesondere als Hauptwohnsitz) hat. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß der Beschwerdeführer im Verlauf des gesamten Verwaltungsverfahrens immer betont hat, den Grunderwerb zum Zweck der Hauptwohnsitznahme anzustreben. Auch die belangte Behörde geht im angefochtenen Bescheid nicht von einem beabsichtigten Erwerb eines "Freizeitwohnsitzes" aus. Der Begriff des "Freizeitwohnsitzes" entspricht etwa dem Begriff "Zweitwohnung" gemäß Art. 70 der Beitrittsakte des EU-Beitrittsvertrages (Österreichs) vom 24. Juni 1994, BGBl. Nr. 45/1995, betreffend Übergangsmaßnahmen bezüglich der Republik Österreich im Rahmen der Freizügigkeit und des freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehrs.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 14. Dezember 1995 in der Rechtssache "Sanz de Lera" u.a., C-163/94, C-195/94 und C-250/94 festgestellt, daß Art. 73b Abs. 1 des (EG-)Vertrages nach seinem Wortlaut ein eindeutiges und nicht an Bedingungen geknüpftes Verbot enthält, das keiner Durchführungsmaßnahme bedarf (RZ. 41). Auch wenn dieses Urteil den Kapitalverkehr mit dritten Ländern (hier mit der Schweiz) und nicht den gleichfalls von Art. 73b Abs. 1 des EGV erfaßten Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten betraf, geht der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der vom EuGH getroffenen Feststellungen zu Art. 73b Abs. 1 EGV davon aus, daß das darin enthaltene Verbot der Beschränkung des Kapitalverkehrs unbeschadet der zu beachtenden Einschränkung "im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels" unmittelbar anwendbar (wirksam) ist, sodaß sich der Einzelne auch darauf berufen kann (vgl. auch von der Groeben-Thiessing-Ehlermann, Kommentar zum EU/EGV, Band I, 5. Auflage, RZ 19 zu Art. 73b des Vertrages, S. 1573 f).
Ferner geht der Verwaltungsgerichtshof davon aus, daß die Liberalisierungspflicht des Art. 73b Abs. 1 EGV auch Immobilieninvestitionen umfaßt; dies kann aus der Erwähnung von "Immobilieninvestitionen von Gebietsfremden im Inland" im Anhang I Z. II lit. A der Richtlinie des Rates 88/361/EWG vom 24. Juni 1988 zur Durchführung von Art. 67 des Vertrages (sogenannte Kapitalverkehrsrichtlinie) sowie aus der ausdrücklichen Erwähnung von "Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien" in Art. 73c (Abs. 1 und 2) des EGV geschlossen werden.
Nach der Aktenlage wurde dem Beschwerdeführer langfristig der Aufenthalt in Österreich gestattet. Daraus ergibt sich, daß nicht von vornherein davon ausgegangen werden kann, es handle sich bei ihm um einen Gebietsfremden im Sinne der zuletzt angeführten Richtlinie. Zufolge Anhang I dieser Richtlinie sind "Gebietsansässige oder Gebietsfremde: Die natürlichen und juristischen Personen im Sinne der Begriffsbestimmungen der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden devisenrechtlichen Vorschriften." Gemäß § 1 Abs. 1 Z 9 des österreichischen Devisengesetzes, BGBl. Nr. 423/1996, sind Inländer natürliche oder juristische Personen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt, Sitz oder Ort der Leitung im Inland haben. Ferner Personen, die sich bei Wirksamkeitsbeginn dieses Bundesgesetzes bereits über drei Monate in Österreich aufgehalten haben oder sich nach diesem Zeitpunkt über drei Monate in Österreich aufhalten. Hinsichtlich der Heranziehung des Anhanges der Kapitalverkehrsrichtlinie zur Auslegung von Kapitalverkehrstransaktionen im Zusammenhang mit Art. 73b ff. des EGV wird auf das vorzitierte Urteil des EuGH in der Rechtssache "Sanz de Lera" u.a. vom 14. Dezember 1995 (RZ. 34) verwiesen.
Auf Grund der zitierten Bestimmungen könnte die Ansicht vertreten werden, beim Beschwerdeführer handle es sich nicht um einen Gebietsfremden, sodaß von ihm getätigte "Immobilieninvestitionen" in Österreich nicht in den Regelungsbereich der Kapitalverkehrsrichtlinie fielen. Der Verwaltungsgerichtshof hegt allerdings gegen ein solches Ergebnis Bedenken, weil - für den Fall, daß der Kapitalverkehrsfreiheit nicht bloß akzessorische Wirkung zukommen sollte, sondern aus ihr ein eigenständig verfolgbares Recht der EU-Bürger abzuleiten wäre - es mit der Kapitalverkehrsfreiheit kaum vereinbar erscheint, daß dann ein nicht in Österreich lebender EU-Ausländer unter Berufung auf diese Freiheit Grund erwerben könnte, während dies einem in Österreich lebenden EU-Ausländer, der seiner Erwerbstätigkeit außerhalb Österreichs nachgeht, nicht möglich wäre.
Für eine lediglich akzessorische Wirkung der Kapitalverkehrsfreiheit könnte die Bestimmung des § 73d Abs. 2 EGV sprechen, wonach dieses Kapitel (betreffend den "Kapital- und Zahlungsverkehr") nicht "die Anwendbarkeit von Beschränkungen des Niederlassungsrechts, die mit dem Vertrag vereinbar sind", berührt. Hiezu wird von Weber (in Lenz, Kommentar zum EGV, RZ 9 zu Art. 73d EGV) abgeleitet, daß damit die Einschränkung des alten Art. 67 EGV übernommen worden sei, wonach die Liberalisierung des Kapitalverkehrs nur soweit gehe, als die Verwirklichung des gemeinsamen Marktes sie erfordere. Damit habe "das personalistisch ausgerichtete Niederlassungsrecht insoweit einen höheren Stellenwert als die materialistische Kapitalverkehrsfreiheit". Auch Generalanwalt Tesauro scheint in seinen Schlußanträgen vom 23. September 1997 in der Rechtssache "Jessica Safir", C-118/96 (Slg. 1998, S. I-1899 ff.) ähnliche Überlegungen anzustellen. Art. 73b EGV sei demnach dahingehend zu verstehen, daß sich aus den Vorschriften, die den freien Dienstleistungs- und Kapitalverkehr regeln, aus ihrer Stellung im Vertrag sowie aus einer "aufmerksamen" Lektüre der genannten einschlägigen Rechtsprechung ergebe, daß die Art. 59 ff. einerseits und Art. 73b ff. (EGV) andererseits nicht dazu bestimmt seien, kumulativ oder gar wahlweise angewandt zu werden, sondern zumindest grundsätzlich verschiedene Sachverhalte regeln würden (vgl. RZ. 9). Er tritt daher grundsätzlich für eine Beurteilung der Vereinbarkeit von innerstaatlichen Maßnahmen entweder nach den Art. 59 ff. oder nach den Art. 73b ff. ein, es sei denn, die Maßnahme behindere gleichzeitig den freien Dienstleistungs- und den freien Kapital- und Zahlungsverkehr. Im diesbezüglichen Urteil des EuGH vom 28. April 1998, C-118/96, Slg. 1998, S. I-1919 ff. wird die Schlußfolgerung gezogen, daß Art. 59 EGV die Anwendung einer nationalen Regelung über die Besteuerung von Kapitallebensversicherungen, wie sie im Ausgangsrechtsstreit in Rede stehe, verbiete (RZ. 36). Der Gerichtshof geht jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes aufgrund der schon im Bereich des Art. 59 des EGV getroffenen Feststellungen insbesondere auf die Frage der Akzessorität der Kapitalverkehrsfreiheit nicht mehr näher ein (RZ. 35). Aus dem Schweigen des Gerichtshofes zur Frage der Akzessorität der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 73b (Abs. 1) EGV dürfte jedoch nicht ableitbar sein, daß sich der Gerichtshof für die Akzessorität ausgesprochen habe (a.a. Toifl, EuGH-Entscheidungen zur Dienstleistungs- und Kapitalverkehrsfreiheit, SWI 1998 S. 261 ff.).
Die Frage der Akzessorität des Art. 73b Abs. 1 EGV, insbesondere zur Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, dürfte aufgrund der bestehenden Rechtsprechung des EuGH nicht ausreichend geklärt sein, weshalb auch diese Frage an den Gerichtshof aufgrund ihrer möglichen Relevanz zur Lösung des Beschwerdefalls herangetragen wird.
Gemäß Art. 177 EGV werden daher die im Spruch formulierten Fragen dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Wien, am 23. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997020081.X00Im RIS seit
17.12.2001Zuletzt aktualisiert am
20.12.2016