Entscheidungsdatum
14.03.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G301 2210761-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde der XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die GRADISCHNIG und GRADISCHNIG Rechtsanwälte GmbH in Villach, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Kärnten, vom 20.11.2018, Zl. XXXX, betreffend Rückkehrentscheidung und befristetes Einreiseverbot, zu Recht:
A) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid
aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Kärnten, der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) zugestellt am 22.11.2018, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt IV.) sowie gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 7 FPG gegen die BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).
Mit dem am 03.12.2018 beim BFA, RD Kärnten, eingelangten und mit 30.11.2018 datierten Schriftsatz erhob die BF durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. Darin wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe zur behaupteten Rechtswidrigkeit des Bescheides unter anderem beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den Bescheid aufheben.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 06.12.2018 vom BFA vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist Staatsangehörige von Bosnien und Herzegowina.
Der BF wurde von der Bezirkshauptmannschaft Villach-Land ein von XXXX2018 bis XXXX2019 gültiger Aufenthaltstitel "Aufenthaltsbewilligung - Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit", XXXX, erteilt.
Die BF stand ab XXXX2018 in einem "Au-pair-Kraft"-Verhältnis und war seitdem auch bei der Kärntner Gebietskrankenkasse sozialversicherungsrechtlich als geringfügig beschäftigte Arbeiterin im Rahmen einer Selbstversicherung angemeldet.
Die für den Zeitraum von XXXX2018 bis XXXX2019 von den privaten Dienstgebern der BF beantragte Verlängerung einer Anzeigenbestätigung für die Tätigkeit als Au-pair-Kraft nach der Ausländerbeschäftigungsverordnung wurde mit Bescheid des Arbeitsmarktservice (AMS) XXXX vom 08.11.2018, Zl. XXXX, ABA-Nr. XXXX, abgewiesen.
Die gegen diesen abweisenden Bescheid des AMS XXXX von den Dienstgebern der BF erhobene Beschwerde ist seit 09.01.2019 ebenso beim BVwG, Außenstelle Graz, anhängig (GZ: G311 2212510-1).
Das gegen die privaten Dienstgeber der BF nach einer Anzeige der Finanzpolizei eingeleitete Verwaltungsstrafverfahren wegen des Verdachts der Übertretung versicherungs- und melderechtlicher Bestimmungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz (ASVG) ist bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX anhängig und noch nicht entschieden.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG. Diese Feststellungen werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die Feststellung zur Anhängigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens beruht auf einer Auskunft der Bezirkshauptmannschaft XXXX vom 07.03.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Aufhebung des Bescheides (Spruchpunkt A.):
Wie sich aus den folgenden Erwägungen ergibt, erweist sich der angefochtene Bescheid auf Grund von inhaltlichen Mängeln und unzureichenden Sachverhaltsfeststellungen sowie infolge Verkennung der maßgeblichen Rechtslage in seiner Gesamtheit als rechtswidrig:
Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung erlassen hat, welche in Spruchpunkt II. sowie in der Begründung ausschließlich auf den Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, gestützt wurde.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
In den Feststellungen des Bescheides weist die belangte Behörde darauf hin, dass der BF ein bis XXXX2019 gültiger Aufenthaltstitel "Sonderfälle unselbstständiger Erwerbstätigkeit" erteilt wurde. Daran anschließend wird ausgeführt, dass sich die BF "derzeit unrechtmäßig in Österreich" aufhalte. Abgesehen davon, dass es sich dabei um keine Sachverhaltsfeststellung, sondern um eine rechtliche Erwägung handelt, erweisen sich diese Ausführungen als widersprüchlich und unzutreffend.
Der belangten Behörde ist vorzuwerfen, dass sie hier die relevante Rechtslage völlig verkennt. Dadurch, dass sich die BF nämlich zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde aufgrund eines gültigen Aufenthaltstitels in Österreich aufgehalten hat, ist die im Bescheid dargelegte Ansicht, dass sich die BF unrechtmäßig in Österreich aufhalte, unzutreffend, zumal auch in rechtlicher Hinsicht nicht näher dargelegt wurde, weshalb dem von der BH XXXXerteilten und zeitlich nach wie vor aufrechten Aufenthaltstitel allenfalls aus Sicht der belangten Behörde keine Gültigkeit mehr zukommen sollte (siehe dazu § 31 Abs. 1 Z 2 FPG).
Vielmehr hätte die belangte Behörde für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung das Vorliegen der Voraussetzungen nach Maßgabe des § 52 Abs. 4 FPG in Verbindung mit den darin genannten Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) prüfen müssen. Da die gegenständliche, in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides erlassene Rückkehrentscheidung aber auf eine unzutreffende Rechtsgrundlage gestützt wurde, erweist sich diese als rechtswidrig.
Da auch die Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 das Vorliegen eines unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet voraussetzt (siehe § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005), erweist sich folglich auch Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides als rechtswidrig.
Im Hinblick auf die Rechtswidrigkeit der Rückkehrentscheidung erweisen sich des Weiteren die damit zusammenhängenden Aussprüche über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat (Spruchpunkt III.) und über die Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt IV.) ebenso als rechtswidrig.
Letztlich erweist sich auch das in Spruchpunkt V. erlassene Einreiseverbot (in der Dauer von zwei Jahren) als rechtswidrig, und zwar schon allein deshalb, weil sich die gleichzeitig erlassene Rückkehrentscheidung als rechtswidrig erwiesen hat und ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 FPG nur im Zusammenhalt mit einer Rückkehrentscheidung erlassen werden kann.
Unbeachtlich dessen erweist sich das Einreiseverbot aber auch deshalb als rechtswidrig, als sich die belangte Behörde in Spruchpunkt V. allein auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG gestützt hat, ohne dies jedoch näher zu begründen. In der rechtlichen Beurteilung wird die Erlassung des Einreiseverbotes hingegen einzig mit dem Vorliegen des Tatbestandes des § 53 Abs. 2 Z 6 FPG begründet.
Insoweit die belangte Behörde der BF vorwirft, über die zulässige Beschäftigung als Au-pair-Kraft hinaus einer "Schwarzarbeit" nachgegangen zu sein (durch illegale entgeltliche Reinigungs- und Pflegedienste für Dritte), ist festzuhalten, dass das betreffende Verwaltungsstrafverfahren bei der Bezirkshauptmannschaft XXXX zwar anhängig, aber noch nicht entschieden ist.
Die Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass sich die BF "nicht an die österreichische Ordnung und Gesetze gehalten" habe, erweist sich ohnehin auch als völlig vage und zu unbestimmt, zumal einerseits zutreffend festgehalten wird, dass die BF strafgerichtlich unbescholten ist, andererseits aber nicht näher dargelegt wird, gegen welche gesetzlichen Bestimmungen die BF konkret verstoßen haben sollte. Unbeachtlich dessen wird auch nicht näher dargelegt, weshalb die BF eine - für die Erlassung eines Einreiseverbotes relevante - "Gefahr für die öffentliche Ordnung und das wirtschaftliche Wohl in Österreich" darstellen würde.
Insgesamt war der belangten Behörde somit vorzuwerfen, dass sie die bei der Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes geforderte Genauigkeit und Sorgfalt jedenfalls vermissen ließ und die Erlassung der Rückkehrentscheidung und des Einreiseverbotes nur völlig unzureichend begründet hat.
Die Gründe, die zu den im Spruch getroffenen Entscheidungen der belangten Behörde geführt haben, sind in der Bescheidbegründung (§ 60 AVG) klar und umfassend darzulegen. Die im angefochtenen Bescheid auf Grund des von der belangten Behörde geführten Ermittlungsverfahrens getroffenen Feststellungen und Erwägungen entsprechen aber jedenfalls nicht den Erfordernissen einer umfassenden und in sich schlüssigen Begründung einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung (§ 60 iVm. § 58 Abs. 2 AVG).
Da sich der angefochtene Bescheid auf Grund der dargelegten Erwägungen in seiner Gesamtheit als rechtswidrig erweist, war gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG der Bescheid in Stattgebung der Beschwerde zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Der Vollständigkeit halber ist abschließend darauf hinzuweisen, dass die Aufhebung des gegenständlich angefochtenen Bescheides der neuerlichen Erlassung einer Rückkehrentscheidung (allenfalls in Verbindung mit einem Einreiseverbot) durch die belangte Behörde - jedenfalls unter Beachtung der Rechtsansicht des BVwG in der vorliegenden Entscheidung - nicht entgegensteht.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.
3.3. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Schlagworte
Rechtswidrigkeit, RückkehrentscheidungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G301.2210761.1.00Zuletzt aktualisiert am
13.05.2019