TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/14 G301 2210707-1

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Veröffentlicht am 14.03.2019
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Entscheidungsdatum

14.03.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3

Spruch

G301 2210707-1/10E

Schriftliche Ausfertigung des am 20.02.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag. Dr. René BRUCKNER über die Beschwerde des XXXX (auch: XXXX alias XXXX), geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Slowakei, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe in Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2018, Zl. XXXX, betreffend befristetes Aufenthaltsverbot, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.02.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Oberösterreich, dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) im Stande der Strafhaft zugestellt am 24.10.2018, wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub gewährt (Spruchpunkt II.) und der Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot gemäß § 18 Abs. 3

BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

Mit dem am 16.11.2018 beim BFA, RD Oberösterreich, eingebrachten und mit demselben Tag datierten Schriftsatz erhob der BF durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. Darin wurde nach Darlegung der Beschwerdegründe beantragt, das BVwG möge der Beschwerde den angefochtenen Bescheid zur Gänze beheben; eine mündliche Verhandlung durchführen; in eventu das fünfjährige Aufenthaltsverbot auf eine verhältnismäßige Dauer verkürzen; in eventu Durchsetzungsaufschub gewähren. Weiters wurde ersucht, den Spruchpunkt über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ersatzlos aufzuheben.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 05.12.2018 vom BFA vorgelegt.

Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 20.02.2019 in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF nach Vorführung aus der Strafhaft im Beisein einer bevollmächtigten Rechtsvertreterin teilnahm. Ein Vertreter der belangten Behörde ist nicht erschienen (Teilnahmeverzicht). Nach Schluss der Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet.

Mit dem am 04.03.2019 eingelangten und mit 01.03.2019 datierten Schriftsatz beantragte der BF durch seinen Rechtsvertreter die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger der Slowakischen Republik (Slowakei).

Der BF hält sich eigenen Angaben zufolge seit seinem 12. Lebensjahr in Österreich auf. Der BF weist erstmals ab XXXX2004 eine amtliche Hauptwohnsitzmeldung in Österreich auf.

Der BF weist in Österreich folgende rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf:

01) LG XXXX vom 26.01.2009 RK XXXX

§ 15 127 129/1 130 (4. FALL) StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX2008

Freiheitsstrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3. Jahre

Anordnung der Bewährungshilfe

Jugendstraftat

Vollzugsdatum XXXX2009

zu LG XXXX RK XXXX

Probezeit verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 01.08.2011

zu LG XXXX RK XXXX

Aufhebung der Bewährungshilfe

LG XXXX vom 08.02.2013

zu LG XXXX RK XXXX

(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig

VollzugsdatumXXXX2009

LG LXXXX vom 03.02.2017

02) LG XXXX vom 01.08.2011 RK XXXX

§ 127 129/1 StGB

§ 229/1 StGB

(Urkundenunterdrückung)

269/1 (1.FALL) StGB

(Widerstand gegen die Staatsgewalt)

83/1 84 ABS 2/4 StGB

Datum der (letzten) TatXXXX2011

Freiheitsstrafe 10 Monate, davon Freiheitsstrafe 9 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

zu LG XXXX RK XXXX

Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am XXXX2011

LG XXXX vom 31.08.2011

zu LG XXXX RK 01.08.2011

Probezeit des bedingten Strafteils verlängert auf insgesamt 5 Jahre

LG XXXX vom 31.05.2012

03) LG XXXX vom 31.05.2012 RK XXXX

§§ 142 (1), 143 2. Fall StGB

§ 50 (1) Z 3 WaffG

Datum der (letzten) Tat XXXX2012

Freiheitsstrafe 2 Jahre

Junge(r) Erwachsene(r)

04) LG XXXX vom 19.11.2012 RK XXXX

§ 142 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX2011

Freiheitsstrafe 10 Monate

Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 STGB unter Bedachtnahme auf LG XXXX RK XXXX2012

Junge(r) Erwachsene(r)

05) LG XXXX vom 18.09.2018 RK XXXX

§ 107b (1) StGB

Datum der (letzten) Tat XXXX2016

Freiheitsstrafe 8 Monate

Festgestellt wird, dass der BF die mit den oben genannten Urteilen festgestellten strafbaren Handlungen begangen und das in den Urteilen und im angefochtenen Bescheid jeweils näher umschriebene strafbare Verhalten gesetzt hat.

Der BF wurde zuletzt mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom 18.09.2018, Zl. XXXX, wegen des Vergehens der fortgesetzten Gewaltausübung nach § 107b StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten rechtskräftig verurteilt. Der BF hat gegen seine damalige Lebensgefährtin eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausgeübt, und zwar in der Zeit von Oktober 2009 bis zumindest 2016, indem er sie mehrmals durch Schläge am Körper misshandelte, sowie am XXXX2016, indem er sie durch gefährliche Drohung mit der Zufügung einer Körperverletzung zur Öffnung der Wohnungstüre zu nötigen versuchte. Bei der Strafbemessung wurden das Geständnis als mildernd, hingegen drei einschlägige Vorstrafen und die Tatbegehung über einen langen Tatzeitraum als erschwerend gewertet.

Am XXXX2018 wurde der BF im Zuge einer polizeilichen Amtshandlung bei einem Verkehrsunfall, bei dem der BF beteiligt war, festgenommen, nachdem eine offene SIS-Ausschreibung der Slowakei zur Festnahme zwecks Auslieferung festgestellt worden war. Der BF befindet sich seitdem durchgehend in Haft, welche derzeit aufgrund der zuletzt ergangenen Verurteilung in der Justizanstalt XXXX vollzogen wird.

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 16.11.2012 wurde gegen den BF ein bis 07.06.2018 gültiges Aufenthaltsverbot rechtskräftig erlassen.

Der BF befand sich bereits von XXXX2012 bis XXXX2013 in Strafhaft. In den Zeiträumen von XXXX2012 bis XXXX2012, von XXXX2017 bis XXXX2017, von XXXX2017 bis XXXX2017 befand sich der BF in polizeilicher Verwaltungs- bzw. Schubhaft. Der BF wurde im November 2017 und im Februar 2018 jeweils wegen rechtswidrigen Aufenthalts mit einer Geldstrafe von je 5.000 Euro bzw. 14 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe bestraft. Weiters weist der BF im Verwaltungsstrafregister im Zeitraum von 2014 bis 2015 vier weitere Vormerkungen wegen rechtswidrigen Aufenthalts auf.

Der BF reiste während der Gültigkeit des bis 07.06.2018 aufrechten Aufenthaltsverbotes zumindest 14 Mal nach Österreich und wurde insgesamt 14 Mal aus dem Bundesgebiet in die Slowakei abgeschoben.

Der BF ist im Schengener Informationssystem SIS II gemäß Art. 26 SIS II-Beschluss von der Slowakei zur Festnahme zwecks Auslieferung wegen Straftaten (§ 35 EU-PolKG) ausgeschrieben (Speicherung bis 10.04.2021).

Im Anschluss an das bevorstehende Ende der Strafthaft in Österreich hat der BF in der Slowakei aufgrund einer dortigen Veurteilung noch eine offene Freiheitsstrafe von 10 Monaten zu verbüßen.

Der BF verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse. Die Mutter, die Schwester sowie ein Onkel und eine Tante des BF leben in Österreich. Der BF ist Vater eines am 05.10.2013 von seiner Lebensgefährtin geborenen Sohnes. Der Sohn lebt seit 2014 bei einer Pflegefamilie. Der BF hatte bislang noch nie Kontakt zu seinem Kind.

Der BF wird von seiner Lebensgefährtin, einer österreichischen Staatsbürgerin, regelmäßig in der Strafhaft besucht.

2. Beweiswürdigung:

Der angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Vonseiten der beschwerdeführenden Partei wurde weder in der Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung den entscheidungswesentlichen Feststellungen im angefochtenen Bescheid entgegengetreten. Es wurde auch sonst kein dem festgestellten Sachverhalt entgegenstehendes oder darüber hinaus gehendes Vorbringen in konkreter und substanziierter Weise erstattet. So liegen keine widerstreitenden oder sonst strittigen Ermittlungsergebnisse im Zusammenhang mit der Feststellung des relevanten und oben dargestellten Sachverhaltes vor. Mit der vorliegenden Beschwerde wird im Wesentlichen nur die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid bekämpft.

Die Feststellungen zu den persönlichen und familiären Verhältnissen und zu den Lebensumständen des BF, insbesondere zum gänzlich fehlenden Kontakt zu seinem bei Pflegeeltern lebenden Kind und der erneut bestehenden Beziehung zu seiner früheren Lebensgefährtin, beruhen überdies auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF in der mündlichen Verhandlung, die auch in keinem Widerspruch zu dem sich bereits aus dem Akteninhalt ergebenden und im angefochtenen Bescheid festgestellten Sachverhalt standen.

Die Feststellung zu den sehr guten Deutschkenntnissen des BF beruht auf der eigenen Wahrnehmung des erkennenden Gerichts in der mündlichen Verhandlung, die ohne Inanspruchnahme eines Dolmetschers völlig komplikationslos durchgeführt werden konnte.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zum Aufenthaltsverbot:

Gemäß § 67 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet ist. Das persönliche Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können nicht ohne weiteres diese Maßnahmen begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist.

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden.

Gemäß § 67 Abs. 3 FPG kann ein Aufenthaltsverbot unbefristet erlassen werden, wenn insbesondere

1. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige von einem Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren rechtskräftig verurteilt worden ist;

2. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige einer kriminellen Organisation (§ 278a StGB) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b StGB) angehört oder angehört hat, terroristische Straftaten begeht oder begangen hat (§ 278c StGB), Terrorismus finanziert oder finanziert hat (§ 278d StGB) oder eine Person für terroristische Zwecke ausbildet oder sich ausbilden lässt (§ 278e StGB);

3. auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige durch sein Verhalten, insbesondere durch die öffentliche Beteiligung an Gewalttätigkeiten, durch den öffentlichen Aufruf zur Gewalt oder durch hetzerische Aufforderungen oder Aufreizungen, die nationale Sicherheit gefährdet oder

4. der EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder terroristische Taten von vergleichbarem Gewicht billigt oder dafür wirbt.

Gemäß § 67 Abs. 4 FPG ist bei der Festsetzung der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes auf die für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen. Die Frist des Aufenthaltsverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise.

Wenn der Fremde nach dem Maßstab der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG; vgl. § 2 Abs. 4 Z 18 FPG) das Recht auf Daueraufenthalt erworben hat, ist es geboten, auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gemäß § 67 Abs. 1 FPG den erhöhten Gefährdungsmaßstab des § 66 Abs. 1 letzter Halbsatz FPG heranzuziehen. Demnach darf eine Ausweisung nur "aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit" verfügt werden. Dieser Gefährdungsmaßstab liegt im abgestuften System der Gefährdungsprognosen des FPG über dem Gefährdungsmaßstab nach dem ersten und zweiten Satz des § 67 Abs. 1 FPG (siehe VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057).

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG). Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (§ 9 Abs. 2 BFA-VG).

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Die belangte Behörde hat das gegenständliche auf fünf Jahre befristete Aufenthaltsverbot auf § 67 Abs. 1 und 2 FPG gestützt und insbesondere mit dem Umstand begründet, dass der Aufenthalt des BF auf Grund der zahlreichen von ihm begangenen Straftaten, des bereits gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbotes, der unzähligen illegalen Einreisen und Aufenthalte in Österreich sowie der Schwere seines bisherigen Fehlverhaltens ein Grundinteresse der Gesellschaft beeinträchtige und vom BF eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit ausgehe.

Der BF ist Staatsangehöriger der Slowakei und somit als Angehöriger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union EWR-Bürger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 8 FPG.

Vorauszuschicken ist, dass sich der BF nicht in einem zehn Jahre übersteigenden Zeitraum im Bundesgebiet aufgehalten hat, weshalb der qualifizierte Tatbestand des § 67 Abs. 1 5. Satz FPG (d.h. nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich durch den Verbleib im Bundesgebiet) nicht als Prüfungsmaßstab des vorliegenden Aufenthaltsverbots zur Anwendung kommt. Auch liegt kein zumindest fünfjähriger kontinuierlicher und rechtmäßiger Aufenthalt in Österreich vor, weswegen der BF das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt im Sinne des Art. 16 Freizügigkeitsrichtlinie nicht erworben hat, zumal auch der Zeitraum der Verbüßung einer Freiheitsstrafe grundsätzlich geeignet ist, die Kontinuität des Aufenthalts zu unterbrechen (vgl. VwGH 24.03.2015, Ro 2014/21/0079). Daher ist bei der Prüfung des gegenständlichen Aufenthaltsverbotes der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs. 1 zweiter Satz FPG (d.h. "tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.

Bei der Stellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährlichkeitsprognose ist das Gesamt(fehl)verhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die in § 67 Abs. 1 FPG umschriebene Annahme gerechtfertigt ist. Bei dieser Beurteilung kommt es demnach nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (vgl. VwGH 19.02.2013, Zl. 2012/18/0230).

Der in Österreich bereits fünf Mal und wiederholt einschlägig vorbestrafte BF wurde zuletzt wegen fortgesetzter Gewaltausübung gegen seine Lebensgefährtin über mehrere Jahre hindurch zu einer ausschließlich unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt. Die vom BF über einen Zeitraum von zehn Jahren (von 2008 bis 2018) verübten Straftaten, darunter vorwiegend schwere Eigentums- und Gewaltdelikte (schwere Einbruchsdiebstähle, Urkundenunterdrückung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, schwere Körperverletzung, schwerer bewaffneter Raub sowie fortgesetzte Gewaltausübung) sowie die vom Strafgericht jeweils verhängten Strafen, insbesondere die mehrmalige Anordnung einer unbedingten Freiheitsstrafe, zeigen, dass das persönliche Verhalten des BF eine tatsächliche und gegenwärtige Gefahr darstellt, zumal die letzten Straftaten noch nicht lange zurückliegen und somit der seither verstrichene Zeitraum als zu kurz anzusehen ist, um gänzlich von einem Wegfall der Gefährdung zu sprechen, insbesondere da sich der BF auch zum Zeitpunkt der Entscheidung weiterhin in Strafhaft befunden hat.

Auch die Art der Begehung und die Schwere der vom BF begangenen Straftaten, insbesondere die zuletzt begangene, über viele Jahre fortgesetzte Gewaltausübung gegen seine Lebensgefährtin, zeugen unzweifelhaft von einer hohen Aggressivität und Gewaltbereitschaft des BF. Der überaus lange Zeitraum des bisherigen strafrechtswidrigen Verhaltens und die stetig gesteigerte kriminelle Laufbahn des BF weisen wiederum auf eine hohe kriminelle Energie des BF hin. Überdies war zu berücksichtigen, dass der BF auch in seinem Heimatstaat Slowakei bereits strafgerichtlich verurteilt wurde, wobei der Vollzug einer noch offenen Freiheitsstrafe in der Slowakei unmittelbar nach Beendigung der Strafhaft in Österreich erfolgen soll.

Die mehrfache einschlägige Vorstrafenbelastung und der rasche Rückfall während offener Probezeit lassen eine Prognose für eine Tatwiederholungsgefahr jedenfalls nicht als unbegründet erscheinen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass eine Änderung des persönlichen Verhaltens trotz des bereits mehrmals erlittenen Haftübels nicht stattgefunden hat, weshalb trotz der vom BF erklärten Reue eine (erneute) Rückfälligkeit nicht ausgeschlossen werden kann.

Der vom BF in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung bekundete Reue kommt schon deshalb keine entscheidende Bedeutung zu, zumal der Gesinnungswandel eines Straftäters grundsätzlich daran zu messen ist, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Die in Haft verbrachte Zeit hat bei der Berechnung des Zeitraumes eines behaupteten Wohlverhaltens außer Betracht zu bleiben (VwGH 21.01.2010, Zl. 2009/18/0485).

Schließlich waren auch schwerwiegende Verstöße gegen fremdenrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen. Trotz des gegen ihn bereits erlassenen und bis 07.06.2018 aufrechten Aufenthaltsverbotes reiste der BF nachweislich mindestens 14 Mal (!) illegal nach Österreich, weshalb er auch 14 Mal zwangsweise in die Slowakei abgeschoben werden musste. Weder die Abschiebungen noch mehrmalige verwaltungsstrafrechtliche Sanktionen wegen rechtswidrigen Aufenthalts konnten den BF davon abhalten, immer wieder besseren Wissens nach Österreich zu reisen.

All die aufgezeigten Umstände weisen insgesamt auf ein schwerwiegendes persönliches Fehlverhalten des BF hin, was unzweifelhaft eine Erheblichkeit der Gefahr annehmen lässt.

Das öffentliche Interesse an der Verhinderung von strafbaren Handlungen, insbesondere von Eigentums- und Gewaltkriminalität, ist als sehr groß zu bewerten (vgl. VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0474). Zudem kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH 09.03.2003, Zl. 2002/18/0293).

Bei einer Gesamtbetrachtung aller aufgezeigten Umstände, des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes und in Ansehung der auf Grund des persönlichen Fehlverhaltens getroffenen Gefährdungsprognose kann eine Gefährdung von öffentlichen Interessen, insbesondere an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, als gegeben angenommen werden (vgl. VwGH 19.05.2004, Zl. 2001/18/0074).

Es kann daher der belangten Behörde nicht vorgeworfen werden, wenn sie im vorliegenden Fall durch das dargestellte persönliche Fehlverhalten von einer tatsächlichen, gegenwärtigen und erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausging, welche die Anordnung eines Aufenthaltsverbotes erforderlich machen würde, zumal diese Maßnahme angesichts der vorliegenden Schwere des Verstoßes gegen österreichischen Rechtsnormen und des zum Ausdruck gekommen Fehlverhaltens zur Verwirklichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten erscheint.

Letztlich waren im Lichte der nach § 9 BFA-VG iVm. Art. 8 EMRK gebotenen Abwägung allenfalls vorhandene familiäre oder private Bindungen des BF in Österreich zu berücksichtigen:

Insoweit der BF vorbrachte, dass sowohl seine Mutter und Schwester als auch seine Lebensgefährtin in Österreich leben würden, ist entgegenzuhalten, dass sich der BF seit XXXX2018 in Haft befindet und auch vorher aufgrund des gültigen Aufenthaltsverbotes gar nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt gewesen war. Auch das Vorliegen eines besonderen Abhängigkeitsverhältnisses zwischen dem BF und seiner Mutter bzw. seiner Lebensgefährtin war nicht anzunehmen. Letztlich sind auch keine Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige Integration des BF in Österreich in beruflicher oder sozialer Hinsicht hervorgekommen. Seine bislang in Österreich bestehenden Kontakte zu seiner Lebensgefährtin bzw. zu seiner Mutter können nach Beendigung seines Aufenthalts in Österreich sowohl über diverse Kommunikationsmittel (wie Telefon oder Internet) als auch durch Besuche der Familienangehörigen in der Slowakei oder in anderen Staaten aufrechterhalten werden, zumal auch keinerlei Anhaltspunkte hervorgekommen sind, wonach dies nicht möglich oder zumutbar sein sollte.

Insoweit sich der BF auf sein leibliches Kind bezog, ist entgegenzuhalten, dass der BF - wie er selbst einräumte - schon bislang keinerlei Kontakt zu ihm hatte. Das im Jahr 2013 geborene Kind lebt seit 2014 bei Pflegeeltern. Auch sonst sind keine Umstände hervorgekommen, weshalb gerade im Hinblick auf das dargestellte Gesamtfehlverhalten und die Lebensumstände des BF sein Verbleib im Bundesgebiet zur Wahrung des Kindeswohls notwendig sein sollte.

Bei Abwägung aller relevanten Umstände überwiegt somit hier das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung das persönliche Interesse des BF an einem Verbleib in Österreich.

Was die Dauer des Aufenthaltsverbotes im Ausmaß von fünf Jahren anbelangt, so hat sich diese aus folgenden Erwägungen als gerechtfertigt erwiesen:

Gemäß § 67 Abs. 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Ein Tatbestand des § 67 Abs. 3 FPG liegt hier nicht vor. Bei der Bemessung der Dauer des Aufenthaltsverbotes nach § 67 Abs. 2 FPG sind - in Abgrenzung zu den in § 67 Abs. 3 FPG angeführten besonders qualifizierten Straftaten - auch strafbare Handlungen mit hohem Unrechtsgehalt und Strafen von bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe zu berücksichtigen.

Das dargestellte persönliche Fehlverhalten des BF ist jedenfalls Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an der Verhinderung strafbarer Handlungen und der Einhaltung der Fremdenrechtsordnung massiv zuwidergelaufen. Im Vergleich zum grundsätzlich zulässigen Höchstausmaß von zehn Jahren steht die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Aufenthaltsverbotes von fünf Jahren im Hinblick auf die zuletzt verhängte unbedingte Freiheitsstrafe und den konkreten Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründe jedenfalls in angemessener Relation, weshalb auch eine Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes nicht in Frage kam. Dies vor allem auch deshalb, weil gegen den BF bereits ein Aufenthaltsverbot erlassen wurde, an das sich der BF jedoch in beharrlicher Weise nicht hielt und trotz unzähliger Abschiebungen immer wieder nach Österreich reiste.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich das angeordnete Aufenthaltsverbot als rechtmäßig und die Dauer des Aufenthaltsverbotes als angemessen erwiesen haben, weshalb gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG die vorliegende Beschwerde als unbegründet abzuweisen war.

3.2. Zur Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 70 Abs. 3 FPG ist EWR-Bürgen, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen, die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortigen Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt hat und wie sich aus den bereits zum Aufenthaltsverbot dargelegten Erwägungen ergibt, erweist sich die sofortige Ausreise des BF im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit als erforderlich. Der BF hat durch sein Gesamtfehlverhalten unzweifelhaft gezeigt, dass er nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung, insbesondere an die Strafgesetze und an die Vorschriften betreffend Einreise und Aufenthalt, zu halten. Durch seine unzähligen illegalen Einreisen hat der BF diese Einstellung eindrücklich untermauert. Die Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sind somit zu Recht erfolgt.

Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich der Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet abzuweisen und dem in der Beschwerde gestellten "Ersuchen" auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht zu entsprechen.

3.3. Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist teilweise zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, Interessenabwägung, öffentliche Interessen,
strafrechtliche Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G301.2210707.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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