TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/15 W123 2151413-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.03.2019
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Entscheidungsdatum

15.03.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W123 2151413-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.02.2017, Zl. 1094003610-151729451, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 09.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ der Landespolizeidirektion Niederösterreich brachte der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund vor, dass er in Persien keine Anerkennung erhalten habe, da er sich dort illegal aufgehalten habe. Der Beschwerdeführer habe keine Schule besuchen können und die finanzielle Lage sei schlecht gewesen.

3. Am 07.10.2016 erfolgte die Einvernahme vor der belangten Behörde.

Die Niederschrift lautet auszugsweise:

"[...]

FRAGEN zum Fluchtgrund:

LA: Was war Ihrer Meinung nach der fluchtauslösende Moment, das Sie den Iran verlassen haben?

AW: Weil es für Afghanen dort unsicher ist.

LA: Was meinen Sie mit unsicher?

AW: Da wir dort illegal sind, wird man schlecht behandelt. Wenn z.B. ein Iraner mit einem Afghanen streitet, nimmt die Polizei automatisch den Afghanen mit. Wir hatten keine Dokumente, und deshalb ist mein Vater sehr früh in die Arbeit und erst spät nach Hause gekommen, damit er nicht von der Polizei aufgehalten wird. Ich selbst konnte nur bis zur 5. Klasse die Schule besuchen.

[...]"

4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 24.02.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

5. Gegen Spruchpunkt I. des zitierten Bescheids der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher im Wesentlichen ausgeführt wurde, dass die belangte Behörde sich nicht mit der Situation von Hazara bzw. mit der Situation von Rückkehrern, welche Hazara seien, auseinandergesetzt habe. Auch zur Thematik Apostasie und Konversion würden sich keine Berichte in den Länderfeststellungen der belangten Behörde finden.

6. Am 12.10.2017 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentlich mündliche Verhandlung statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:

"[...]

R: Wann sind Sie das erste Mal mit dem Christentum in Berührung gekommen?

BF: Vor ungefähr einem Jahr habe ich mit einer Betreuerin darüber gesprochen, dass ich mich für den christlichen Glauben interessiere. Sie hat mir erklärt, dass es sehr schwierig ist in eine deutschsprachige Kirche zu gehen, weil ich noch kein Deutsch kann. Sie hat mir empfohlen mich an meine iranische Kirchengemeinde zu wenden.

[...]

R: Erzählen Sie, was Sie seit Oktober 2016 (seit der Befragung durch das BFA) in Bezug auf Ihr Interesse am Christentum alles unternommen haben? Damit meine ich etwa: regelmäßige Kirchenbesuche, Aneignung des Glaubens etc.

BF: Ich gehe in Wien in die XXXX in die Kirche. Der Taufunterricht findet jeden Freitag zwischen 16 und 18 Uhr statt. Ich nehme jeden Sonntag am Gottesdienst teil. Von 10 bis 12 Uhr wird Essen verteilt. Von 12 bis 16:30 Uhr findet der Gottesdienst statt und es wird gemeinsam gebetet.

[...]

R: Möchten Sie sich taufen lassen?

BF: Ja.

R: Würden Sie, nach dem Sie Christ geworden sind, auch andere versuchen, vom Christentum zu überzeugen?

BF: Seit ich mich dazu entschieden habe Christ zu werden, habe ich viele meiner afghanischen Freunde verloren, auch meine Eltern sprechen nicht mehr mit mir. Ich würde aber versuchen, anderen Leuten vom Christentum zu erzählen, damit sie ebenfalls zum Christentum konvertieren.

R: Weis irgendjemand in Afghanistan von Ihren Bemühungen Christ zu werden?

BF: Ich habe in Afghanistan keine Familie oder auch keine Bekannte denen ich es erzählen könnte."

7. Am 30.10.2017 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme zu den Länderinformationen betreffend Schiiten und Hazara und wies darauf hin, dass Angehörige der Hazara immer wieder gezielt Ziel von Anschlägen und Entführungen würden. Ferner wurde zur Lage von Konvertiten zum Christentum und auch zur Lage von Personen, welche vom Islam abgefallen sind, auf eine aktuelle ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 verwiesen, aus der hervorgehe, dass Konversion bzw. Apostasie in Afghanistan nach islamischem Recht eine Straftat darstelle, welche mit der Todesstrafe bedroht sei.

8. Mit Schreiben vom 02.11.2017 richtete das Bundesverwaltungsgericht an die Baptistengemeinde Österreich, z. Hd. Herrn Dr. XXXX , ein Auskunftsersuchen.

9. Mit E-Mail vom 07.11.2017 beantwortete der Gemeindeälteste der Baptistengemeinde, XXXX , die Fragen des Bundesverwaltungsgerichtes wie folgt:

"1. Ja, ich kenne Herrn XXXX persönlich aus meiner Gemeinde, der Baptistengemeinde projekt:gemeinde, XXXX Wien.

2. Man kann sich nach mindestens dreimonatigem regelmäßigen und ernsthaften Besuch unseres Glaubenskurses und farsisprachigen Gottesdienstes zum Taufkurs einschreiben lassen. Über die Aufnahme in den Taufkurs (Beginn des nächsten ca in einem Monat) wird dann nach einem persönlichen Gespräch entschieden. Der Taufkurs dauert noch einmal drei Monate, sodass man mindestens sechs Monate benötigt, meistens eher deutlich mehr. Wir haben nur drei bis vier Tauftermine im Jahr(Sonntagsgottesdienste mit den für die Taufe wichtigen Elementen: Bekenntnis, persönliches Glaubenszeugnis, Taufhandlung, Segen und Gemeindeaufnahme). D.h. es kann sich noch länger bis zum jeweils nächstmöglichen Termin herauszögern. Es gibt auch noch ein abschliessendes persönliches Gespräch vor der Taufe mit unserem Pastoren- und Leiterteam, bei dem aus seelsorgerlichen Gründen oder mangels Glaubens- und Taufverständnises dem Taufbewerber ein späterer Termin "nahe gelegt wird".

3. und 4. Herr XXXX besucht seit Anfang Juli 2017, regelmässig unseren allgemeinen Glaubenskurs am Sonntag Vormittag, den farsisprachigen Gottesdienst am frühen Sonntag Nachmittag und den Glaubenskurs für Anfänger (der vor Aufnahme zum Taufkurs) am Freitag Nachmittag. Ob er vorher schon einmal gelegentlich da war, weiss ich nicht. Auch nicht, wer ihn wann zu uns eingeladen hat. Manchmal wurde, mangels Lehrern, der perallele Glaubenskurs und der Taufkurs am Freitag in einer Gruppe zusammen abgehalten, sodass Herr XXXX schon einmal beim Taufkurs "schnuppern" konnte, er war aber nie offiziell im Taufkurs eingeschrieben. Die Unterschiede und diese Regeln waren ihm wahrscheinlich auch nicht so ganz klar.

5. Ich habe den Eindruck, dass Herr XXXX ernsthaft am christlichen Glauben interessiert ist und sich bemüht, darüber zu lernen. Er mir gegenüber Mitte Oktober den Wunsch geäussert, dass er sich taufen lassen will. Dabei habe ich ihm dann unsere Regeln erklärt.

Erst beim Taufkurs findet ein intensiveres gegenseitiges Kennenlernen statt. Er dient auch dazu, dass wir als Leiter und der Taufbewerber jeweils Klarheit über den Schritt der Taufe, die auch immer mit einer Gemeindeaufnahme/ Mitgliedschaft verbunden ist, bekommen.

6. Ich rechne damit, dass Herr XXXX in den nächsten Taufkurs, der ca in einem Monat beginnt (nach dem nächsten Tauftermin am 26. November) aufgenommen wird.

7. Der nächste Taufkurs wird also voraussichtlich bis Februar/März 2018 dauern. Der nächste Tauftermin, der für Herrn XXXX realistisch ist, käme voraussichtlich im März/April 2018 (der erste Tauftermin in 2018)."

10. Am 01.03.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung statt. Die Niederschrift lautet auszugsweise:

"[...]

R: Was machen Sie für Fluchtgründe für Ihren Herkunftsstaat Afghanistan geltend?

BF: Ich bin niemals in Afghanistan gewesen. Ich bin im Iran aufgewachsen. Dort war die Lage für Flüchtlinge äußerst schlecht. Ich kann über Afghanistan nichts sagen, wie das gesellschaftliche Zusammenleben dort funktioniert und wie die Menschen dort sind, weil ich nie dort gewesen bin.

[...]

R an BF: Was befürchten Sie im Fall einer theoretischen Rückkehr nach Afghanistan?

BF: Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde ich wie ein Fremder behandelt werden. Ich würde in eine aussichtslose Situation geraten. Ich kenne Afghanistan und das Leben dort nicht. Ich habe im Iran gelebt und hatte hauptsächlich nur iranische Freunde. Ich beherrsche nicht einmal die Landessprache.

RV: Haben Sie jemals den muslimischen Glauben aktiv ausgeübt, das heißt, wissen Sie, wie Sie sich verhalten müssten, um in der Gesellschaft nicht negativ aufzufallen?

BF: Ich war nie religiös."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist ein afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Der Beschwerdeführer ist im Iran geboren und aufgewachsen. Der Beschwerdeführer war noch nie in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich mit dem Christentum in Berührung gekommen und besuchte von Anfang Juli 2017 bis Ende des Jahres 2017 regelmäßig die Baptistengemeinde in XXXX Wien, insbesondere den allgemeinen Glaubenskurs. Der Beschwerdeführer war nie offiziell im Taufkurs eingeschrieben und hat auch keinen Taufkurs in dieser Gemeinde begonnen. Der Beschwerdeführer besucht seit einem Jahr nicht mehr die Baptistengemeinde in XXXX Wien. Der Beschwerdeführer besucht auch keine andere Kirche und übt den christlichen Glauben nicht aktiv aus. Der Beschwerdeführer ist nicht offiziell aus der islamischen Glaubensgemeinschaft ausgetreten.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan nie politisch tätig oder persönlichen Bedrohungen ausgesetzt. Er ist in Afghanistan weder vorbestraft noch war er dort inhaftiert; er gehörte nie einer politischen Partei an.

Es kann in Bezug auf das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden, dass dieser in Afghanistan aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde.

1.2. Zum Herkunftsstaat:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-15% geschätzt (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Zur schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und ein Großteil der ethnischen Hazara (USDOS 15.8.2017). Die meisten Hazara-Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan leben einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016). Afghanische Schiiten und Hazara neigen dazu, weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein als ihre Glaubensbrüder im Iran (CRS 13.12.2017).

Die politische Repräsentation und die Beteiligung an den nationalen Institutionen seitens der traditionell marginalisierten schiitischen Minderheit, der hauptsächlich ethnische Hazara angehören, ist seit 2001 gestiegen (FH 11.4.2018). Obwohl einige schiitischen Muslime höhere Regierungsposten bekleiden, behaupten Mitglieder der schiitischen Minderheit, dass die Anzahl dieser Stellen die demographischen Verhältnisse des Landes nicht reflektiere; auch vernachlässige die Regierung in mehrheitlich schiitischen Gebieten die Sicherheit. Das afghanische Ministry of Hajj and Religious Affairs (MOHRA) erlaubt sowohl Sunniten als auch Schiiten Pilgerfahrten zu unternehmen (USDOS 15.8.2017).

Im Ulema-Rat, der nationalen Versammlung von Religionsgelehrten, die u. a. dem Präsidenten in der Festlegung neuer Gesetze und Rechtsprechung beisteht, beträgt die Quote der schiitischen Muslime ca. 30% (AB 7.6.2017; vgl. USDOS 15.8.2017). Des Weiteren tagen rechtliche, konstitutionelle und menschenrechtliche Kommissionen, welche aus Mitgliedern der sunnitischen und schiitischen Gemeinschaften bestehen und von der Regierung unterstützt werden, regelmäßig, um die interkonfessionelle Schlichtung zu fördern (USDOS 15.8.2017).

Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung der schiitischen Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch existieren Berichte zu lokalen Diskriminierungsfällen (USDOS 15.8.2017). Afghanischen Schiiten ist es möglich, ihre Feste öffentlich zu feiern; einige Paschtunen sind jedoch wegen der Feierlichkeiten missgestimmt, was gelegentlich in Auseinandersetzungen mündet (CRS 13.12.2017). In den Jahren 2016 und 2017 wurden schiitische Muslime, hauptsächlich ethnische Hazara, oftmals Opfer von terroristischen Angriffen u.a. der Taliban und des IS (HRW 2018; vgl. USCIRF 2017).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Einige Mitglieder der ismailitischen Gemeinschaft beanstanden die vermeintliche Vorenthaltung von politischen Posten (USDOS 15.8.2017).

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes sowie in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zu Sprachkenntnissen und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde, in dem Beschwerdeschriftsatz und in den öffentlichen mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

Einleitend ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer im Iran geboren wurde und noch nie in seinem Leben in Afghanistan war. Folglich konnte der Beschwerdeführer auch eine persönliche Bedrohung für seinen Herkunftsstaat nicht geltend machen (siehe dazu ausführlich unten, 3., rechtliche Beurteilung; zur vorgebrachten Verfolgung der Hazara siehe überdies unten, 3., rechtliche Beurteilung).

Somit verbleibt das Vorbringen des Beschwerdeführers in Afghanistan aufgrund des Glaubensabfalls vom Islam bzw. seines "ehrlichen Interesses am christlichen Glauben" asylrelevant verfolgt zu sein. Eine solche Bedrohung konnte der Beschwerdeführer jedoch aufgrund nachfolgender Erwägungen nicht glaubhaft machen:

Eine allfällige Konversion zum Christentum scheidet schon deshalb aus, da der Beschwerdeführer in der Verhandlung am 01.03.2019 explizit angab, derzeit aktiv keine Religion auszuüben, gar keine Kirche zu besuchen und auch nicht getauft zu sein. Dieses Vorbringen verwundert umso mehr, als der Beschwerdeführer bereits in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 07.10.2016 zum Ausdruck brachte, seine Religion wechseln zu wollen bzw. die Religion annehmen zu wollen, die hier in Österreich verbreitet sei, in concreto das Christentum. Auch im Rahmen der ersten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 12.10.2017 äußerte der Beschwerdeführer seinen Wunsch, sich taufen zu lassen. Dieses Vorbringen korreliert im Wesentlichen mit der Anfragebeantwortung des Gemeindeältesten der Baptistengemeinde in XXXX Wien vom 07.11.2017, in der dieser festhält, dass er den Eindruck gewonnen habe, dass der Beschwerdeführer "ernsthaft am christlichen Glauben interessiert ist und sich bemüht, darüber zu lernen".

Zwischen dieser Anfragebeantwortung des Gemeindeältesten der Baptistengemeinde und der zweiten Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht lag ein Zeitraum von fast einem Jahr und vier Monaten und der Beschwerdeführer führte auf die Frage des Bundesverwaltungsgerichtes, warum er immer noch nicht getauft sei, an, dass seine (im Iran lebende) Familie ein "großes Problem" für ihn darstelle. Abgesehen davon, dass es nicht nachvollziehbar erscheint, warum der Beschwerdeführer (offenkundig) ein derart großes Interesse daran zu haben scheint, immer wieder jenes Land zu besuchen, aus dem er geflüchtet ist, ist schon aufgrund dieser Aussagen des Beschwerdeführers nicht von einer inneren Überzeugung (bzw. inneren Umkehr) in Bezug auf seine Einstellung zum Glauben auszugehen. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich ein überzeugter Christ, dann würde er seine Entscheidung zur Konversion (mit hoher Wahrscheinlichkeit) nicht davon abhängig machen, wie seine im Iran lebende Familie (bzw. sonstige Angehörige) dazu stehen. Das in diesem Zusammenhang getätigte Vorbringen der Rechtsvertreterin in der mündlichen Verhandlung, wonach die Überzeugungen des Beschwerdeführers am Christentum (insbesondere) deshalb bereits derart tief verwurzelt seien, als der Beschwerdeführer ehrlich versuche, die 10 Gebote zu wahren, insbesondere die Gebote, dass er Vater und Mutter ehren solle und nicht lügen dürfe und sich (offenbar) daher aus diesem Grunde noch nicht taufen habe lassen können, erscheinen dem Bundesverwaltungsgericht dagegen ziemlich konstruiert und "sehr weit hergeholt".

Abgesehen davon zeigt sich das Nichtinteresse des Beschwerdeführers am Christentum schon daraus, dass er ein ursprüngliches Engagement in der Baptistengemeinde in XXXX Wien aufgegeben hat (vgl. Seite 4 Verhandlungsprotokoll: "R: Besuchen sie nach wie vor die Baptistengemeinde im XXXX Wiener Gemeindebezirk? BF: Nein") und derzeit weder diese Gemeinde noch eine andere Kirche besucht (vgl. Seite 4 Verhandlungsprotokoll: "R: Meinen Sie damit nur die Baptistengemeinde oder gehen Sie woanders hin? BF: Ich gehe derzeit in gar keine Kirche."), überdies das Christentum gar nicht mehr praktiziert (vgl. Seite 5 Verhandlungsprotokoll: "R: Wie praktizieren Sie seit der Zeit Ihr Christsein in Österreich? BF: Ich übe den Glauben nicht aktiv aus.").

Auch die in der Verhandlung getätigten Aussagen des Zeugen (Gemeindeältesten der Baptistengemeinde, XXXX ) führen zu keinem anderen Ergebnis, sondern bestätigen im Wesentlichen die Einschätzung des erkennenden Richters, dass der Beschwerdeführer nicht (mehr) am christlichen Glauben interessiert zu sein scheint (vgl. Seite 8 Verhandlungsprotokoll: "R: wie lange hat der BF Ihre Gemeinde besucht? Z: Von Juli 2017 bis gegen Ende des Jahres 2017 und zwar regelmäßig. Einschränkend muss ich sagen, dass ich nicht sagen kann, wann er wirklich aufgehört hat, zu kommen, also ob das noch im Jahr 2017 oder im Jahr 2018 war. R: Wann haben Sie den BF das letzte Mal gesehen? Z: Mit Sicherheit im November 2017.") Dies insbesondere aufgrund der Aussage des Zeugen, dass der Beschwerdeführer auch im damaligen Zeitraum noch nicht einmal begonnen hatte, einen Taufkurs zu besuchen (vgl. Seite 8 Verhandlungsprotokoll: "R: Hat er da bereits einen Taufkurs begonnen? Z: Nein, das sicher nicht, denn da hätten wir vorher noch darüber reden müssen und wir hätten ihn dann aktiv für den Taufkurs zulassen müssen.").

Dass aber beim Beschwerdeführer im Falle einer (theoretischen) Rückkehr nach Afghanistan auch nicht davon auszugehen ist, dass er nunmehr versuchen würde, die mehrheitlich muslimische Einwohnerzahl Afghanistans vom Christentum zu überzeugen, verdeutlicht sich auch an seinen Aussagen in der Verhandlung am 01.03.2019: Der Beschwerdeführer brachte vor, dass er derzeit mit zwei iranischen und einem afghanischen Staatsangehörigen in einer Wohngemeinschaft lebt. Ein Mitbewohner soll nach den Angaben des Beschwerdeführers Christ sein. Auf die Frage des erkennenden Richters, ob der Beschwerdeführer mit seinen Mitbewohnern über den Glauben sprechen würde, antwortete der Beschwerdeführer: "Ja ich spreche mit demjenigen, der selber zum Christentum konvertiert ist." (vgl. Seite 5 Verhandlungsprotokoll). Diese erste (spontane) Reaktion ist insoweit bemerkenswert, als der Beschwerdeführer ausschließlich jene Person erwähnte, welche sich bereits selbst als Christ bezeichnet. Mit dem muslimischen Mitbewohner spricht der Beschwerdeführer also offenkundig nicht über den Glauben, geschweige denn, das er diesen zu missionieren versucht (vgl. Seite 6 Verhandlungsprotokoll: "R:

Und derjenige, der Moslem ist, der weiß nichts davon, dass Sie sich auch für das Christentum interessieren? BF: Doch, er weiß, dass ich mich für das Christentum interessiere. Ich erzähle es jedem, ich habe kein Problem damit. R: Sie versuchen aber nicht, diesen Moslem vom Christentum zu überzeugen? BF: Ich bin im Falle dieses Jungen sehr vorsichtig. Ich möchte nicht, dass er sich darüber ärgert und denkt, dass ich ein Problem mit seinem Glauben habe."). Der erkennende Richter gewann nicht zuletzt aufgrund dieser Aussagen den persönlichen Eindruck, dass der Beschwerdeführer eine offenkundig sehr flexible Persönlichkeit ist, der imstande ist - je nach Lage - sich an sein jeweiliges Gegenüber anzupassen. Im Übrigen erscheint in diesem Zusammenhang auch nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer weder angeben konnte, ob jener Mitbewohner, der Christ sein soll, bereits getauft ist (vgl. Seite 6

Verhandlungsprotokoll: "R: Der Mitbewohner, wo Sie gesagt haben, dass er Christ sei, hat sich dieser taufen lassen? BF: Ich denke ja.

R: Aber Sie wissen es nicht, haben Sie ihn nicht gefragt danach? BF:

Aus unseren Gesprächen habe ich mitbekommen, dass er regelmäßig die Kirche besucht und ein Mitglied der Kirchengemeinde ist. Er hat nicht explizit erzählt, dass er getauft sei."), noch wusste, welche christliche Gemeinde der Mitbewohner besucht bzw. ob dieser einer katholischen, evangelischen oder einer sonstigen Freikirche angehört (vgl. Seite 6 Verhandlungsprotokoll: "R: Welche Gemeinde besucht diese Person? BF: Ich stelle keine privaten Fragen, ich möchte nicht, dass er glaubt, dass ich ein Problem mit seiner Art oder seiner Kirchengemeinde habe. Ich möchte ihm nicht zu nahetreten. R:

Aber Sie haben doch gesagt, dass Sie mit dieser Person über den Glauben sprechen. Da werden Sie doch wissen, ob er Katholik, Protestant ist oder einer Freikirche angehört? BF: Er hat keine Details von sich aus angegeben und ich habe nicht danach gefragt."). Diese Angaben verwundern umso mehr, als der Beschwerdeführer ja ursprünglich angab, mit diesem Mitbewohner über den Glauben zu sprechen.

Eine allfällige Bedrohung des Beschwerdeführers bei einer (theoretischen) Rückkehr nach Afghanistan ist aber auch deshalb de facto ausgeschlossen, weil der Beschwerdeführer selbst angab, in Afghanistan weder über Familienangehörige, noch über Bekannte zu verfügen und offenkundig niemand in Afghanistan von dem ursprünglichen Interesse des Beschwerdeführers am Christentum erfahren hätte können (vgl. Verhandlungsprotokoll vom 12.10.2017, Seite 8: "R: Weis irgendjemand in Afghanistan von Ihren Bemühungen Christ zu werden? BF: Ich habe in Afghanistan keine Familie oder auch keine Bekannte denen ich es erzählen könnte.").

Schließlich scheidet aber auch eine allfällige Verfolgung des Beschwerdeführers in Afghanistan aufgrund eines allfälligen "Abfalls vom islamischen Glauben" aus: Zum einen existiert bis dato kein schriftliches Dokument, das den Willen des Beschwerdeführers zum Ausdruck brachte, nicht mehr der islamischen Glaubensgemeinschaft anzugehören (etwa durch einen offiziellen Austritt). Zum anderen hat der Beschwerdeführer, befragt zu seinen Fluchtgründen in Afghanistan bzw. befragt, was er im Fall einer theoretischen Rückkehr nach Afghanistan befürchte, folgendes zu Protokoll gegeben: "R: Was machen Sie für Fluchtgründe für Ihren Herkunftsstaat Afghanistan geltend? BF: Ich bin niemals in Afghanistan gewesen. Ich bin im Iran aufgewachsen. Dort war die Lage für Flüchtlinge äußerst schlecht. Ich kann über Afghanistan nichts sagen, wie das gesellschaftliche Zusammenleben dort funktioniert und wie die Menschen dort sind, weil ich nie dort gewesen bin." bzw. "R an BF: Was befürchten Sie im Fall einer theoretischen Rückkehr nach Afghanistan? BF: Bei einer Rückkehr nach Afghanistan würde ich wie ein Fremder behandelt werden. Ich würde in eine aussichtslose Situation geraten. Ich kenne Afghanistan und das Leben dort nicht. Ich habe im Iran gelebt und hatte hauptsächlich nur iranische Freunde. Ich beherrsche nicht einmal die Landessprache." (vgl. Seite 3 und10 Verhandlungsprotokoll).

Durch diese (spontanen) Antworten des Beschwerdeführers tritt aber evident hervor, dass der Beschwerdeführer lediglich "allgemeine Probleme", von denen eine Vielzahl an Rückkehrern nach Afghanistan potentiell betroffen wären, ansprach. Wäre der Beschwerdeführer tatsächlich bereits ein überzeugter Atheist, der nunmehr seit seinem Aufenthalt in Österreich vom islamischen Glauben (gänzlich) abgefallen ist, so hätte der Beschwerdeführer, befragt, was für ihn persönlich eine Rückkehr nach Afghanistan für Auswirkungen hätte, jedenfalls in irgendeiner Art und Weise darauf Bezug genommen (beispielsweise, dass er öffentlich das Christentum praktizieren wollte bzw. öffentlich verschiedene Vorschriften im Islam nicht ausleben würde).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg.cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der RL 2004/83/EG des Rates verweist).

Im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder in Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

3.2. Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).

"Glaubhaftmachung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH 28.05.2009, 2007/19/1248; 23.01.1997, 95/20/0303) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).

3.3. Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung angemerkt, hat der Beschwerdeführer kein konkretes asylrelevantes Fluchtvorbringen erstattet, insbesondere konnte er keine Konversion glaubhaft machen. Mögliche fluchtauslösende Ereignisse beziehen sich ausschließlich auf den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Iran. Eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen besteht hier schon deshalb nicht, da sich die begründete Furcht vor Verfolgung auf jenes Land beziehen muss, dessen Staatsangehörigkeit der Asylwerber besitzt (in diesem Fall Afghanistan). Die Furcht vor Verfolgung in einem Land, das nicht das Heimatland ist, kann nämlich dadurch abgewendet werden, dass man den Schutz des Heimatlandes in Anspruch nimmt (VwGH 08.11.1989, 89/01/0338). Zudem ist eine Abweisung eines Asylantrages nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn sich die vom Asylwerber konkret geschilderten, seine Person betreffenden Fluchtgründe nicht auf eine Bedrohung in seinem Herkunftsstaat beziehen, sodass insofern keine Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat behauptet wurde (VwGH 02.03.2006, 2004/20/0240).

3.3.1. In Ermangelung einer dem Beschwerdeführer individuell drohenden Verfolgungshandlung (vgl. Beweiswürdigung) bleibt im Lichte der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich einer Verfolgung der Hazara zu prüfen, ob er bei einer Überstellung in seinen Herkunftsstaat aufgrund generalisierender Merkmale - konkret wegen der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara - unabhängig von individuellen Aspekten - einer über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehenden "Gruppenverfolgung" ausgesetzt wäre.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist für das Vorliegen einer Gruppenverfolgung zwar nicht entscheidend, dass sich die Verfolgung gezielt gegen Angehörige nur einer bestimmten Gruppe und nicht auch gezielt gegen andere Gruppen richtet (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048), jedoch ist für das Bundesverwaltungsgericht aus folgenden Gründen nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und als Schiite im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit befürchten müsste, alleine wegen der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe einer Verfolgung iSd GFK ausgesetzt zu sein:

Der Beschwerdeführer (gehörte) bzw. gehört als Hazara zwar einer ethnischen (und als Schiite) auch einer religiösen Minderheit an. Den Länderberichten ist zwar zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind und sich Diskriminierungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara in Zwangsrekrutierungen, Zwangsarbeit, Festnahmen, physischem Missbrauch oder illegaler Besteuerung äußern würden. Festzuhalten ist aber auch, dass sich für die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgten Hazara die Situation in der Zwischenzeit deutlich verbessert hat, wenngleich die gesellschaftlichen Spannungen fortbestehen und in lokal unterschiedlicher Intensität gelegentlich wiederaufleben. In einer Gesamtschau des vorliegenden Länderberichtsmaterials erreicht diese Gefährdung insgesamt nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gruppenverfolgung der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan für gegeben zu erachten. Es ist somit davon auszugehen, dass weder die Zugehörigkeit einer Person zur ethnischen Minderheit der Hazara noch die Zugehörigkeit einer Person zur religiösen Minderheit der Schiiten für sich alleine ausreicht, um davon ausgehen zu müssen, dass diese Person der Gefahr einer Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Rasse bzw. einer bestimmten Glaubensgemeinschaft ausgesetzt wäre (vgl. dazu auch VwGH 31.10.2002, 2000/20/0358; vgl. zudem das rezente Judikat des EGMR:

A.M. gegen NL 05.07.2016, 29.094/09, dort insbesondere Seiten 26/27, Punkt 86., wonach die Angehörigkeit zur Minderheit der Hazara nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr eine unmenschliche Behandlung drohen würde, unbeschadet der schlechten Situation dieser Minderheit). Auch der Verwaltungsgerichtshof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara in Afghanistan an, zum Unterschied zur Region Quetta in Pakistan (vgl. VwGH 17.12.2015, Ra 2015/20/0048).

Aus diesen Gründen ist das Vorliegen einer Gruppenverfolgung in Hinblick auf die Volksgruppe der Hazara und der Ethnie der Schiiten in Afghanistan im Ergebnis zu verneinen.

3.3.2. Wenn auf eine vermeintliche "Verwestlichung" und den sich daraus für den Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan ergebenden negativen Konsequenzen hingewiesen wird, so kann dem entgegengehalten werden, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Frauen Asyl beanspruchen können, die aufgrund eines gelebten "westlich" orientierten Lebensstils bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat verfolgt werden würden (vgl. etwa VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017- 0018, mwN). Gemeint ist damit eine von ihnen angenommene Lebensweise, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung ihrer Grundrechte zum Ausdruck kommt. Voraussetzung ist, dass diese Lebensführung zu einem solch wesentlichen Bestandteil der Identität der Frauen geworden ist, dass von ihnen nicht erwartet werden kann, dieses Verhalten im Heimatland zu unterdrücken, um einer drohenden Verfolgung wegen Nichtbeachtung der herrschenden politischen und/oder religiösen Normen zu entgehen. Dabei kommt es nicht darauf an, dass diese Verfolgung vom Heimatstaat ausgeht. Auch eine private Verfolgung kann insoweit maßgeblich sein, als der Heimatstaat nicht gewillt oder in der Lage ist, Schutz vor solcher Verfolgung zu gewähren.

Mit der Lage von Frauen in einer patriarchalisch strukturierten Gesellschaft wie jener Afghanistans ist aber die Lage der Männer, hinsichtlich der Möglichkeit "selbstbestimmt" zu leben, von vornherein kaum gleichsetzbar. Das Vorbringen des Beschwerdeführers lässt auch sonst nicht erkennen, welche - als "westlich" erachteten - Verhaltensweisen er sich angeeignet hätte, die für ihn im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu einer asylrelevanten Verfolgung führen würden und die ein solch wesentlicher Bestandteil seiner Identität geworden wären, dass es für ihn eine Verfolgung bedeuten würde, diese zu unterdrücken. Der gegenständliche Sachverhalt ist daher nicht mit den in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum "selbstbestimmten westlichen Lebensstil" von Frauen behandelten Fällen vergleichbar (vgl. VwGH 15.12.2016, Ra 2016/18/0329; 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; 15.12.2015, Ra 2014/18/0118 und 0119).

Auch dafür, dass eine wohlbegründete Furcht aus anderen Gründen (etwa letztlich aus seinem Aufenthalt in Europa) abzuleiten wäre, ergaben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte.

Da eine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung auch sonst im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervorgekommen, notorisch oder amtsbekannt ist, war davon auszugehen, dass eine asylrelevante Verfolgung nicht existiert und die Voraussetzungen für die Gewährung von Asyl daher nicht gegeben sind. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

Abschließend wird darauf hingewiesen, dass einer allfälligen - nicht asylrelevanten - Gefährdung des Beschwerdeführers durch die derzeitige Sicherheitslage in Afghanistan im konkreten Fall mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten durch die belangte Behörde hinreichend Rechnung getragen wurde.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Glaubwürdigkeit, Gruppenverfolgung, individuelle Verfolgungsgefahr,
mangelnde Asylrelevanz, Religion, Scheinkonversion,
Volksgruppenzugehörigkeit, westliche Orientierung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W123.2151413.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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