TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/27 W186 2216289-1

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Veröffentlicht am 27.03.2019
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Entscheidungsdatum

27.03.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W186 2216289-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Tunesien, vertreten durch RA Mag. Thomas KLEIN, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2019, Zl: 510631701-190140149, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Gegen den BF war auf Grund seines Verhaltens und seiner rechtskräftigen Verurteilungen mit Bescheid der seinerzeitigen Bundespolizeidirektion Wiener Neustadt vom 21.01.2010, Zahl:

1-1015663/FrB/10 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dieses Verbot wurde auf Grund der Änderung der gesetzlichen Grundlagen durch das FrÄG 2011 auf die Dauer von 10 Jahren herabgesetzt.

Am 10.02.2019, um 00:07 Uhr wurden mehrere Streifen wegen eines Raufhandels zum " XXXX ", 8020 Graz, XXXX , beordert. Dabei wurde der BF angetroffen und - auf Grund eines Festnahmeauftrags vom gleichen Tag - festgenommen. Am gleichen Tag (um 01:20 Uhr) wurde der BF ins PAZ Graz verbracht.

Ebenfalls am 10.02.2019 wurde der BF zu seiner niederschriftlich zur möglichen Verhängung der Schubhaft einvernommen. Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

" ....

F: Sind Sie gesund?

A: Ja.

V: Die Anwesenheit des Rechtsberaters bei der Einvernahme ist grundsätzlich nicht erforderlich. Sie werden jedoch bei Ausfolgung des Bescheides am heutigen Tag per Verfahrensandordnung einen Rechtsberater zur Verfügung gestellt bekommen. Haben Sie das verstanden?

A: Ja.

Belehrung: Sie werden darüber in Kenntnis gesetzt, dass auf Grund des aktuell vorliegenden Sachverhalts die Grundlage Ihrer Festnahme von § 34 Abs 2 Z 2 BFA- VG auf § 34 Abs 3 Z 3 BFA-VG (Sicherung der Abschiebung) geändert wird. Anmerkung (Übergang der Festnahme auf § 34 Abs 3 Z 3 BFA-VG mit 13:20)

V: Sie befinden sich auf Grund folgendem Sachverhalts aktuell im Stande der Festnahme im PAZ GRAZ:

Am 10.02.2019, um 00:07 Uhr wurden mehrere Streifen bzgl. eines Raufhandels zum " XXXX ", etabliert in 8020 Graz, XXXX , beordert.

An der Einsatzörtlichkeit konnten zwei am Raufhandel beteiligte Personen angetroffen werden. Eine dieser Personen (nämlich Sie) konnte sich nicht ausweisen, sondern lediglich den Namen angeben. Im Zuge einer EKIS-Anfrage konnte durch die einschreitenden Beamten festgestellt werden, dass gegen jene Person ein Festnahmeauftrag des BFA besteht.

Da die Identität nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte und auch kein Ausweisdokument mitgeführt wurde, wurden Sie zwecks Identitätsfeststellung in die PI Paulustor AGM verbracht.

Am 10.02.2019, um 00:30 Uhr wurde daher eine Search-Only-Abfrage (Abfrage mittels Fingerabdrücke - keine Einspeicherung) durchgeführt. Diese ergab, dass es sich um XXXX handelt. Somit stimmten Ihre Angaben betreffend des Namens mit der im EKIS priorierten Person überein. Daraufhin wurde der BFA-Journaldienst verständigt und über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Dieser erteilte sodann einen mündlichen Festnahmeauftrag und gab an, den schriftlichen Auftrag per Mail anher zu senden.

Aufgrund des Festnahmeauftrag des BFA, Zl: 510631701 - 160119849, wurden Sie am 10.02.2019, um 00:55 Uhr gemäß § 34 Abs. 2 Z. 2 i.V.m.

§ 40 Abs. 1 Z. 1 BFA- VG festgenommen. Ihnen wurde das "Informationsblatt für Festgenommene (BFA- VG)" in einer Ihnen verständlichen Sprache (Arabisch) ausgefolgt.

Daraufhin wurden Sie einer oberflächlichen Personsdurchsuchung - unter möglichster Schonung der Person - gemäß § 40 SPG unterzogen. Anlässlich dieser Durchsuchung konnten keine gefährlichen/polizeilich relevanten Gegenstände vorgefunden werden.

Am 10.02.2019, um 01:20 Uhr wurden Sie von der Exekutive ins PAZ Graz verbracht. V: Ihnen wird zur Kenntnis gebracht, dass Sie in Vollstreckung des Einreiseverbotes (gültig bis zum 24.01.2020) in Ihre Heimat abgeschoben werden sollen. Es ist daher zur Sicherung dieser Maßnahmen beabsichtigt, gegen Sie die Schubhaft zu verhängen.

F: Nehmen Sie dazu Stellung?

A: Wo soll ich hingehen? Ich gehe nicht. Lieber sterbe ich.

F. Wo leben Sie derzeit?

A: Ich lebe bei einer Freundin. Ich weiß die Adresse nicht. Sie ist Rumänin. Für mich ist der Name schwer zu merken. Am XXXX ist sie geboren. Sie wollte, dass ich sie am Montag in Wien heirate.

F: Nennen Sie bitte ihre Telefonnummer!

A: Ich weiß meine Telefonnummer nicht auswendig, aber mein Handy ist bei den Effekten.

V: Legen Sie Identitätsdokumente vor!

A: Ich habe keine.

F: Sie haben bis dato keine Identitätsdokumente vorgelegt. Sie sind verpflichtet im Bundesgebiet Identitätsdokumente mitzuführen! Sie erwecken den Eindruck, dass Sie damit Ihre Identität verschleiern wollen! Des Weiteren dürfen Sie sich nicht im Bundesgebiet aufhalten! Wenn Sie nicht einmal Identitätsdokumente vorlegen und über keinen Wohnsitz verfügen, können Sie nicht erwarten, in Österreich aufhältig sein zu dürfen. Was sagen Sie dazu?

A: Ja ich habe das verstanden.

F: Sie sind Staatsangehöriger von welchem Staat?

A: Tunesien.

Vorhalt: Da Sie keine Identitätsdokumente beschaffen wollen, wird das Bundesamt ein Ersatzreisedokument bei Ihrem Heimatstaat beantragen. Haben Sie das verstanden?

A: Ich habe gesagt meine Familie sind alle tot. Woher wollt ihr das holen.

Vorhalt: Es werden die Dokumente bei Ihrem Heimatland beantragt. Haben Sie das verstanden?

A: Ich gehe trotzdem nicht!

F: Wie heißen Ihre Angehörigen? Wo leben Sie?

A:

Vater: XXXX oder XXXX : XXXX

Geschwister: 4 Brüder XXXX , XXXX , XXXX , XXXX 4 Schwestern: XXXX ,

XXXX , XXXX , XXXX

Nur XXXX und Ihr Sohn leben noch in Marokko mit einer Tante.

F: Wie viel finanzielle Mittel besitzen Sie aktuell?

A: Ca. € 40.

V: Es konnte nicht erkannt werden, dass besondere Umstände der Schubhaft entgegenstehen. Sie sind nicht mit der erforderlichen vorauszusetzenden Sicherheit greifbar. Sie sind unstet aufhältig und Ihre bisherigen Angaben über einen Aufenthalt waren nicht glaubhaft. Es ist auch kein Grund zur Annahme gegeben, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. F: Nehmen Sie dazu Stellung?

A: Mein Land will mich nicht. Ein Hund wird besser behandelt wie ich.

Der Schubbescheid wird Ihnen persönlich im Anschluss an diese Niederschrift zugestellt.

F: Sie finden darin auch den Spruch und die Rechtsmittelbelehrung in Ihrer Sprache. Haben Sie noch Fragen?

A: Ja wie lange muss ich hier bleiben.

F: Noch zumindest bis morgen. Sie werden dann in ein Anhaltezentrum verlegt. Haben Sie das verstanden?

A: Ja. Sonst habe ich keine Fragen mehr.

Es wird Ihnen mitgeteilt, dass Sie bis zur Realisierung der Abschiebung weiterhin in Haft verbleiben und in das PAZ rücküberstellt werden.

"

1.2. Mit Bescheid vom 10.02.2019 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Der Bescheid enthält die folgenden Feststellungen:

"Zu Ihrer Person:

Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger.

Sie besitzen kein gültiges Identitätsdokument und Ihre Identität steh nicht fest.

Sie verfügen im Bundesgebiet über keinen Wohnsitz.

Sie sind gesund.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Eine Rückkehrentscheidung gegen Ihre Person ist rechtskräftig. Aufgrund des Vorliegens der weiteren für eine Abschiebung erforderlichen Voraussetzungen werden Sie zur Ausreise verhalten werden.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

Sie befinden sich illegal in Österreich.

Sie waren im Bundesgebiet mehrfach straffällig und aus diesem Grund mehrfach gerichtlich, zuletzt zu einer Freiheitsstrafe von 24-monaten, verurteilt.

Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie trotz dem Wissen über Ihr Einreiseverbot Österreich nicht verlassen haben.

Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und hielten sich bislang unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes in Österreich auf.

Sie sind in keinster Weise integriert.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Sie haben keine privaten oder familiären Beziehungen in Österreich."

In rechtlicher Hinsicht fand die Behörde:

"Wie bereits erläutert befinden Sie sich wissentlich, trotz aufrechtem Einreiseverbot im Bundesgebiet. Sie verfügen über keine Identitätsdokumente und sind aus bereits erläuterten Gründen sozial nicht im Bundesgebiet verankert. Des Weiteren verfügen Sie über keine relevanten finanziellen Mittel um Ihren Aufenthalt zu bestreiten.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an der baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit überwiegt.

Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

Sie sind im Bundesgebiet gem. Melderegister seit 24.09.2018 (Haftentlassung) nicht mehr gemeldet und haben sich auch bisher durch untertauchen Ihren Verfahren entzogen.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch hinkünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Sie wurden in Österreich mehrfach, zuletzt am 03.11.2015 zu einer 24-monatigen Haftstrafe wegen Zuwiderhandeln gegen § 15 StGB § 269

(1) 1. Fall StGB, § 4 (1) NPSG, § 27 (1) Z 1 2. Fall SMG, § 15 StGB §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3 u 4) Z 1, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, § 15 StGB §§ 127, 129 Z 1, 128 (1) Z 4 StGB, § 50 (1) Z 3 WaffG verurteilt.

Somit ist von einer Stärkung der Öffentlichen Interessen an Ihrer Außerlandesbringung auszugehen.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio - Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Sie sind wie erläutert nicht sozial verankert und verfügen über keine Unterkunft im Bundesgebiet.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima - ratio - Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Da Sie sich bereits im Stande der Festnahme in Anhaltung im PAZ befinden wurde Ihre Haftfähigkeit festgestellt. Des Weiteren haben Sie selbst angegeben gesund zu sein.

Die Behörde gelangt daher zum Ergebnis, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorliegen, als auch, dass die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis steht und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich und geboten ist."

Dem Mandatsbescheid ist eindeutig zu entnehmen, dass die Behörde von der Verwirklichung der Tatbestände des §76 Abs. 3 Z1, 2 und 9 ausging (Hervorhebung im Fettdruck der zitierten Gesetzesbestimmungen).

1.9. Am 19.03.2019 langte die gegenständliche Schubhaftbeschwerde bei Gericht ein.

Die Beschwerde behauptet, dass die Behörde unrichtigerweise von einem Sicherungsbedarf bzw von Fluchtgefahr auf Grund des Vorverhaltens, der mangelnden Vertrauenswürdigkeit und der fehlenden sozialen Verankerung des BF in Österreich ausgegangen sei:

"Diese Beurteilung wurde unrichtig vorgenommen:

Es besteht ein tatsächliches Familienleben in Österreich. Der Beschwerdeführer führt mit Frau XXXX geb. XXXX , die über eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger gemäß dem NAG verfügt, eine Beziehung. Sie lebten bis zur Anordnung der Schubhaft im gemeinsamen Haushalt in Graz und wollten am 11.02.2019 in Wien heiraten. Die Lebensgefährtin lebt rechtmäßig in Österreich, verfügt über eine Unterkunft und kommt auch für die finanziellen Bedürfnisse des Beschwerdeführers auf. Die alleinige Behauptung, dass die Angaben in der Einvernahme über die Wohnadresse sowie die persönlichen Beziehungen in keinster Weise nachvollziehbar seien, kann wohl nicht ausreichen, um die sozialen Bindungen zu Österreich zu verneinen. Das BFA hätte damit jedenfalls Art 8 EMRK in seine Prüfung einbeziehen müssen. Es ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass auch eine auf Dauer ausgerichtete Lebensgemeinschaft unter den Schutzbereich des von Art 8 EMRK fällt."

Darüber hinaus - so die Beschwerde - hätte das BFA berücksichtigen müssen, dass der BF zwar am 03.11.2015 zu einer 24-monatigen Haftstrafe verurteilt worden sei, er sich aber weder dem Haftvollzug noch dem Verfahren entzogen habe. Nach der Haftentlassung am 24.09.2018 sei er nicht mehr strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Die vom BFA haran gezogenen Kriterien für die Beurteilung einer Fluchtgefahr nach § 76 Abs 3 Z 1-9 FPG seien "bei einer Gesamtabwägung" nicht erfüllt. Das BFA habe bei der Beurteilung einer Fluchtgefahr "lediglich" Z.1, 2 und 9 FPG berücksichtigt und stütze sich bei seiner Entscheidung lediglich auf das strafrechtliche Vorverhalten des Beschwerdeführers. Bei der Prüfung der Fluchtgefahr sei ein solches freilich in die Beurteilung mit einzubeziehen, allerdings könne eine Fluchtgefahr nicht alleine davon abhängig gemacht werden. Auch bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung gem. § 76 Abs 2a FPG berücksichtige das BFA nur, dass ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten überhaupt vorliegt und gehe von einem erhöhten öffentlichen Interesse an der Außerlandesbringung des BF aus.

Dass einem geordneten Fremdenwesen im Hinblick auf die öffentliche Ordnung ein hoher Stellenwert zukomme, stehe außer Frage; die bloße "Floskelwiedergabe", es bestünde aufgrund der persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beschwerdeführers ein beträchtliches Risiko des Untertauchens, könne allerdings nicht ausreichen, um zu begründen, dass die Schubhaft im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sei. Von einer Gesamtabwägung nach § 76 FPG könne hier nicht gesprochen werden, weshalb die Schubhaft jedenfalls nicht verhältnismäßig sei.

Der BF sei somit der Ansicht, dass seine Situation von der Behörde insofern unrichtig beurteilt worden sei, als diese lediglich aus seinen früheren Verurteilungen geschlossen habe, dass er nicht vertrauenswürdig und nicht gewillt sei, jemals mit einer Behörde zu kooperieren. Der BF habe sich weder der Haft noch dem Verfahren entzogen. Folglich sei festzuhalten, dass keinerlei konkrete und tatsächlich beweisbare Umstände vorliegen, die eine weitere Delinquenz des BF erwarten ließen.

Das BFA habe weiters erkannt, dass sowohl die gesetzlichen Formalerfordernisse vorlägen, als auch die Schubhaft zum Zweck der Maßnahme in einem angemessenen Verhältnis stehe und im Interesse des öffentlichen Wohls dringend erforderlich sei. Hier sei darauf hinzuweisen, dass "in der persönlichen Sphäre des Antragstellers keinerlei Ignoranz der österreichischen Rechtsordnung vorzufinden sei", geschweige denn eine Verweigerung der Zusammenarbeit mit den Behörden oder die Gefahr der Begehung von weiteren Straftaten.

Da die Schubhaft nur eine ultima ratio - Maßnahme darstelle, hätte das BFA jedenfalls die gelinderen Mittel nach § 77 FPG anordnen können. Nach §77 (3) FPG seien gelindere Mittel als die Schubhaft die Anordnung, in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen. Das BFA habe keine substanzielle Prüfung dieser vorgenommen, sondern die gelinderen Mittel jeweils pauschal abgelehnt, ohne eine Begründung darzulegen.

Die pauschale Begründung (was die Unterkunftsmaßnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, könne in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden) könne hier jedenfalls nicht ausreichen, um die Möglichkeit eines gelinderen Mittels iSd §77 (3) Ziffer 1, 2 und 3 FPG zu verneinen. Der BF habe in der Tat die Möglichkeit, in vom Bundesamt bestimmten Räumlichkeiten Unterkunft zu nehmen (Z 1) oder sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden (Z 2).

Der BF sei deshalb einmal mehr der Ansicht, dass die vorliegende Situation von der Behörde unrichtig beurteilt worden sei, weil das BFA die Möglichkeiten "gelinderer Mittel als eine Schubhaft nicht ausgeschöpft" hat, obwohl dem keine faktischen oder rechtlichen Hindernisse im Wege gestanden seien. Vielmehr hätte der BF in den "Genuss gelinderer Mittel" kommen müssen.

Weiters sei hinsichtlich des Antrags auf aufschiebende Wirkung gem. §18 (5) BFA-VG anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen hat, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen einer internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Es sei an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass eine Abschiebung für den Beschwerdeführer einen Eingriff in sein Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gem. Art 8 EMRK darstellen würde, vor allem in Hinblick auf seine aktuelle familiäre Situation in Österreich.

Der BF stellt daher aus all den genannten Gründen die Anträge:

"Das Bundesverwaltungsgericht möge in Stattgebung der vorliegenden Beschwerde

a) der Beschwerde aufschiebende Wirkung gem. §§ 18 Abs. 5 BFA-VG zuerkennen

b) den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.02.2019, Zahl: 510631701 - 190140149 / BMI-BFA_STM_RD seinem gesamten Umfang nach aufheben;

in eventu

den beschwerdegegenständlichen Bescheid aufheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an die Behörde 1. Instanz zurückverweisen."

1.4. Das BFA legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führt die Behörde aus:

"Aufgrund der fremdenrechtlichen Einvernahme am 10.02.2019 durch das ho. Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und der Rücksprache mit der Abteilung für Heimreisezertifikate (HRZ) des BFA, wurde eine persönliche Vorführung vor die algerischen Behörden am 21.03.2019 in Aussicht gestellt. Da somit begründete Aussicht auf ein HRZ gegeben war, wurde seitens des BFA die gegenständliche Schubhaft erlassen.

Aufgrund des unsteten Aufenthaltes, der Vielzahl gerichtlichen Verurteilungen, der Ausreiseunwilligkeit und der Aussicht einer persönlichen Vorführung vor die algerischen Behörden zur Identifizierung, wurde von der Möglichkeit eines gelinderen Mittel, Abstand genommen, um die persönliche Vorführung zu sichern.

Seitens des BFA wird beantragt die gegenständliche Schubhaftbeschwerde kostenpflichtig abzuweisen und gem. § 35 VwGVG iVm § 1 Z 3 bis 5 VwG-Aufwandersatzverordnung folgende Kosten zuzusprechen:

1. Ersatz des Vorlageaufwandes der Belangten Behörde als obsiegende Partei: € 57,40

2. Ersatz des Schriftsatzaufwandes der Belangten Behörde als obsiegende Partei: € 368,80

3. Sowie gegebenenfalls Ersatz des Verhandlungsaufwandes der

Belangten Behörde als obsiegende Partei: € 461,00 ... ."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Sachverhalt und zur Person:

Der BF ist tunesischer Staatsangehöriger und als solcher Fremder i. S.d. FPG.

Es besteht gegen den BF eine durchsetzbare und rechtskräftige aufenthaltsbeendende Maßnahme. Diese Maßnahme war am 21.10.2010 erlassen worden. Grund dafür waren die rechtskräftigen Verurteilungen des BF.

Zu Straffälligkeit des BF: Der BF wurde in Österreich mehrfach, zuletzt am 03.11.2015 zu einer 24-monatigen Haftstrafe wegen Zuwiderhandeln gegen § 15 StGB § 269 (1) 1. Fall StGB, § 4 (1) NPSG, § 27 (1) Z 1 2. Fall SMG, § 15 StGB §§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3 u 4) Z 1, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, § 15 StGB §§ 127, 129 Z 1, 128 (1) Z 4 StGB, § 50 (1) Z 3 WaffG verurteilt.

Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Gegen den BF eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme.

Das Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF wurde seitens der Behörde eingeleitet und es ist von einer baldigen Effektuierbarkeit der Rückführung auszugehen.

Der BF ist haftfähig.

Zum Sicherungsbedarf:

Gegen den BF besteht eine aufenthaltsbeendende Maßnahme. Der BF ist dieser Maßnahme nicht nachgekommen und hielt sich über einen mehrjährigen Zeitraum weiterhin - illegal - in Österreich auf.

Der BF hat in Österreich keinen ordentlichen Wohnsitz und hielt sich - abgesehen von den Zeiten, die er in Strafhaft verbrachte - unangemeldet, dh im Verborgenen in Österreich auf.

Zur familiären/sozialen Komponente:

Der BF verfügt im Inland über keine Angehörigen, keine nennenswerten Kontakte und hat im Verfahren keine wesentlichen Merkmale für seine Integration darlegen können. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfügt über keine wesentlichen Deutschkenntnisse. Insbesondere wird festgestellt, dass im Fall des BF nicht vom Bestehen eines tatsächlichen Familienlebens in Österreich ausgegangen werden konnte.

Der BF verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung.

Ein gesicherter Wohnsitz ist nicht vorhanden.

2. Beweiswürdigung:

Zur Person und zum Verfahrensgang:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Straffälligkeit des BF wurde von der Beschwerde nicht betritten.

Zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

Das Vorliegen einer rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten.

Die Feststellung der Haftfähigkeit ergibt sich aus den Angaben im Akt und es liegen diesbezüglich dem Gericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung keine anderslautenden Informationen vor.

Dass die Abschiebung faktisch und bald möglich ist, ergibt sich aus der von der Behörde vorgelegten Stellungnahme.

Zum Sicherungsbedarf:

Die Feststellung dazu ergibt sich im Wesentlichen aus den diesbezüglichen Angaben im Akt. Dass sich der BF "unangemeldet" und illegal in Österreich aufgehalten hat, wurde von der Beschwerde nicht substantiell bestritten.

Familiäre/soziale Komponente:

Sämtliche Feststellungen zu diesem Punkt basieren auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vom 10.02.2019.

Dass der BF angegeben hat, unmittelbar am Tag nach seiner Festnahme eine namentlich genannte rumänische Staatsbürgerin heiraten zu wollen, erweist sich als Schutzbehauptung. Hier ist darauf hinzuweisen, dass der BF weder Name, noch Wohnadresse seiner angeblichen zukünftigen Ehefrau nennen konnte. Zwar wurden im Rahmen der Beschwerde Daten nachgereicht, die Beschwerde hat es aber unterlassen, Belege für die geplante Eheschließung vorzulegen (dies fällt umso mehr ins Gewicht, als die Beschwerde erst nach einem mehrwöchigen Zeitraum eingebracht worden ist; es also am zeitlichen Rahmen für die Vorlage von Bescheinigungsmitteln nicht gemangelt haben konnte). Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass auch selbst der Annahme, es bestünde eine tatsächliche soziale/familiäre Beziehung zu der genannten Person, dieser Umstand den BF nicht davon abgehalten hat, seinen Aufenthalt im Verborgenen zu führen. Im Hinblick auf das Vorliegen von "Fluchtgefahr" ist für den BF daher daraus nichts zu gewinnen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:

Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig" (VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527).

3.1.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht im gegenständlichen Fall vom Vorliegen von Sicherungsbedarf aus. Gegen den BF wurde bereits im Jahr 2010 eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen und er hat über die bislang verstrichenen Jahre zu erkennen gegeben, dass er nicht bereit ist, aus Eigenem nach Tunesien zurückzukehren. Das Gericht geht wie die Behörde im vorliegenden Fall davon aus, dass der BF im Fall seiner Entlassung aus der Schubhaft nicht für die Behörde greifbar wäre und seinen Aufenthalt im Verborgenen wählen würde. Sicherungsbedarf war und ist daher gegeben. Die Behörde ist zu recht vom Vorliegen von Fluchtgefahr ausgegangen; dies wurde in der Beschwerde auch nicht substantiell bestritten. Anders als die Beschwerde vermeint, hat die Behörde das Vorliegen von Fluchtgefahr ausreichend dokumentiert und das Vorliegen der Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z1, 2 und 9 ihrer Entscheidung zu Grunde gelegt. Es trifft nicht zu, dass die Behörde "lediglich" aus den früheren Verurteilungen des BF auf das Vorliegen von Fluchtgefahr geschlossen habe. Vielmehr hat sich die Behörde zu Recht auf das Fehlen einer ausreichenden sozialen Verankerung, das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme und den Umstand, dass der BF seine Rückkehr nicht angetreten hat, gestützt.

Angesichts des Umstandes, dass sehr bald ein Termin mit dem Konsul des Heimatlandes stattfinden wird, ist im vorliegenden Fall sogar von einer verdichteten Fluchtgefahr auszugehen.

3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an seiner persönlichen Freiheit und in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland, so zeigt sich, dass der Beschwerdeführer über keine nennenswerten Kontakte im Inland verfügt, die hier wesentlich ins Gewicht fallen würden. Zu Ungunsten des BF fällt jedoch - wie selbst die Beschwerde einräumt - die Straffälligkeit des BF.

3.1.5. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit der Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt "Sicherungsbedarf" erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre. Es ist nicht gesichert, dass der Beschwerdeführer für die Behörde erreichbar wäre und nicht untertauchen würde. Auch eine familiäre Bindung, die unter Umständen Halt bieten könnte, ist in Österreich nicht vorhanden. Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit nicht gewillt, in seine Heimat zurückzukehren und war es auch zum Entscheidungszeitpunkt nicht. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.

3.1.6. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als "ultima ratio" und es wird die Schubhaft weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der "ultima ratio" im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.

3.1.7. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte.

3.2. Zu Spruchpunkt II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:

Die getroffene Feststellung und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernden Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen weiter vorliegen.

3.3. Zum Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen

Der Beschwerde war nicht stattzugeben. Vor diesem Hintergrund war über einen Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, nicht (mehr) zu entscheiden.

Grundsätzlich ist auch auf folgendes hinzuweisen:

Maßnahmenbeschwerden kommt gemäß § 22 VwGVG keine aufschiebende Wirkung zu. Soweit die Beschwerde dadurch die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun versucht, geht sie ins Leere, da die Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft - das Vorliegen von Fluchtgefahr und zwingende öffentliche Interessen - den Voraussetzungen für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (zB § 64 Abs. 2 AVG) bzw. Nichtzuerkennung der aufschiebenden Wirkung (§ 13 Abs. 3 VwGVG) oder die Erlassung von Mandatsbescheiden (§ 57 Abs. 1 AVG) entspricht und die auf Schubhaftverfahren anzuwendende Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA-VG - wie auch die dem Verfahren VfSlg. 19.215/2010 zugrunde liegende Bestimmung - im Hinblick auf Beschwerdeführer, die sich in Schubhaft befinden, den rechtsstaatlichen Anforderungen (vgl. VfSlg. 17.340/2004) durch die für diesen Fall sehr kurze Entscheidungsfrist des § 22a Abs. 2 BFA-VG von einer Woche Rechnung trägt, die im Übrigen den Fristen für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entspricht (vgl. § 17 Abs. 1 Z 2 BFA-VG, § 18 Abs. 5 BFA-VG).

Dass der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid aufschiebende Wirkung zukommen müsse, hat dementsprechend bislang weder der Verfassungsgerichtshof (VfSlg. 17.340/2004) noch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR 26.07.2011, Fall M ua., Appl. 41.416/08 = newsletter 4/2011, 235) gefordert; dies ist auch in Art. 15 Abs. 2 lit. b RL 2008/115/EG (anders etwa als in Art. 13 leg.cit.) nicht vorgesehen.

3.4. Zu Spruchpunkt III. und IV. - Kostenbegehren

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da die Verwaltungsbehörde vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

3.4. Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Interessenabwägung, Kostenersatz, öffentliche
Interessen, Schubhaft, Schubhaftbeschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W186.2216289.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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