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90/01 Straßenverkehrsordnung 1960Norm
B-VG Art89 Abs1Leitsatz
Gesetzwidrigkeit der Fahrverbotsverordnung einer Bezirkshauptmannschaft mangels ordnungsgemäßer Kundmachung infolge signifikanter Abweichung des Aufstellungsortes der Straßenverkehrszeichen vom räumlichen Geltungsbereich der VerordnungSpruch
I. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 29. Juni 2006, Z 11.0 D 173/2006, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
II. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.
Begründung
Entscheidungsgründe
I. Antrag
1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark,
"die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 29. Juni 2006, GZ: 11.0 D 173/2006 ('… wird gemäß §52 a Z1 StVO 1960 ein 'Fahrverbot (für beide Fahrtrichtungen)' für den Alois-Gerstl-Weg mit der Zusatztafel 'ausgenommen Anrainerverkehr' verordnet' und 'die entsprechenden Verkehrszeichen sind bei der Einfahrt in den Alois-Gerstl-Weg von der L201 kommend sowie von der L228 kommend samt entsprechender Zusatztafeln anzubringen' als gesetzwidrig aufzuheben."
II. Rechtslage
1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 29. Juni 2006, Z 11.0 D 173/2006, lautet auszugsweise wie folgt:
"Verordnung
Gemäß §43 Abs1 litb i. V. m. §94 b der Straßenverkehrsordnung 1960 BGBl Nr 159, i.d.g.F. BGBl I Nr 99/2005 wird aus Gründen der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs nachstehendes angeordnet:
Aufgrund des Ansuchens des Stadtamtes Feldbach vom 23.06.2006 wird gemäß §52a Ziffer 1 StVO 1960 ein 'Fahrverbot (für beide Fahrtrichtungen)' für den Alois-Gerstl-Weg mit der Zusatztafel 'ausgenommen Anrainerverkehr' verordnet.
Die entsprechenden Verkehrszeichen sind bei Einfahrt in den Alois-Gerstl-Weg von der L 201 kommend sowie von der L 228 kommend samt entsprechender Zusatztafeln anzubringen.
Gemäß §44 leg. cit. tritt die Verordnung am Tage der Kundmachung durch die Aufstellung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen in Kraft.
[…]"(Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159 idF BGBl I 42/2018, lauten – auszugsweise – wie folgt:
"§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.
(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung
a) […]
b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,
1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,
2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;
c) – d) […]
(1a) – (11) […]
[…]
§44. Kundmachung der Verordnungen.
(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.
(1a)–(4) […]
[…]
§48. Anbringung der Straßenverkehrszeichen.
(1) Die Straßenverkehrszeichen (§§50, 52 und 53) sind als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, daß sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können. Im Verlauf derselben Straße sind womöglich Straßenverkehrs-zeichen mit gleichen Abmessungen zu verwenden.
(1a)-(4) […]
[…]
§52. Die Vorschriftszeichen
a) 1. „FAHRVERBOT (IN BEIDEN RICHTUNGEN)“
[Abbildung]
Dieses Zeichen zeigt an, dass das Fahren in beiden Fahrtrichtungen verboten ist; das Schieben eines Fahrrades ist erlaubt.
2. – 25b. […]
§54. Zusatztafeln
(1) Unter den in den §§50, 52 und 53 genannten Straßenverkehrszeichen sowie unter den in §38 genannten Lichtzeichen können auf Zusatztafeln weitere, das Straßenverkehrszeichen erläuternde oder wichtige, sich auf das Straßenverkehrszeichen oder Lichtzeichen beziehende, dieses erweiternde oder einschränkende oder der Sicherheit oder Leichtigkeit des Verkehrs dienliche Angaben gemacht werden.
(2) – (5) […]
§94b. Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde
(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder – im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist – der Landespolizeidirektion ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde
a) […]
b) für die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden,
c) – h) […]
(2) […]
[…]"
III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren
1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
1.1. Am 12. Jänner 2018 habe der Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Landesverwaltungsgericht Steiermark ein näher bezeichnetes Kraftfahrzeug im Ortsgebiet Feldbach am Alois-Gerstl-Weg in Fahrtrichtung Oedterstraße gelenkt. Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark vom 15. Mai 2018 wurde dem Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht zur Last gelegt, er habe den Straßenzug trotz deutlich sichtbar aufgestellter Verbotszeichen "Fahrverbot (in beiden Richtungen), ausgenommen Anrainerverkehr" befahren und hiedurch eine Verwaltungsübertretung nach §52 lita Z1 StVO 1960 begangen. Es wurde über ihn gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 eine Geldstrafe in der Höhe von € 30,–, im Nichteinbringlichkeitsfall 20 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe, verhängt und ihm wurde ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens in der Höhe von € 10,– auferlegt.
1.2. Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer vor dem antragstellenden Gericht fristgerecht Beschwerde. Er begründet seine Beschwerde damit, dass er mit dem Kraftfahrzeug jeden zweiten Freitag Brot in diese Straße liefere und anschließend weiter nach Oedt fahre. Als Zusteller müsse er die Straße befahren, da er die Ware "nicht hin beamen" könne.
2. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark stellt aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens einen Antrag auf Verordnungsprüfung beim Verfassungsgerichtshof und bringt darin die folgenden – auszugsweise wiedergegebenen – Bedenken vor:
"[…] Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat in dem Beschwerdeverfahren als Rechtsgrundlage die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark (vormals Bezirkshauptmannschaft Feldbach) vom 29. Juni 2006, GZ: 11.0 D 173/2006 (gültig zum Tatzeitpunkt) unmittelbar anzuwenden.
Begründung (Darlegung der gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken gemäß §57 VfGG):
1. Die Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark (Feldbach) hat am 29. Juni 2006 mit Verordnung GZ: 11.0 D 173/2006 'aufgrund des Ansuchens des Stadtamtes Feldbach vom 23. Juni 2006' ein 'Fahrverbot (für beide Fahrtrichtungen)' für den Alois-Gerstl-Weg mit der Zusatztafel 'ausgenommen Anrainerverkehr' verordnet. Zudem wurde in der Verordnung als räumlicher Bereich festgelegt, dass die Verkehrszeichen 'bei Einfahrt in den Alois-Gerstl-Weg von der L201 kommend sowie von der L228 kommend samt entsprechender Zusatztafeln anzubringen sind.'
Die Kundmachung durch Verordnung erfolgte gemäß §44 Abs1 StVO durch Straßenverkehrszeichen und trat mit Aufstellung der Straßenverkehrszeichen in Kraft. Da hierüber kein Aktenvermerk angefertigt wurde bzw ausschließlich der Verordnungstext bekanntgegeben wurde ist jedenfalls davon auszugehen, dass zum Tatzeitpunkt am 12. Jänner 2018 die entsprechenden Verkehrszeichen aufgestellt waren.
Beim durchgeführten Augenschein am 05. September 2018 konnte festgestellt werden, dass das Verkehrszeichen gemäß §52 a Z1 StVO mit der Zusatztafel 'ausgenommen Anrainerverkehr' unmittelbar bei der Einfahrt in den Alois-Gerstl-Weg von der L201 kommend aufgestellt ist (siehe Bild 1 und Bild 2). Bei der Einfahrt des Alois-Gerstl-Weges in die L228 war kein entsprechendes Verkehrszeichen angebracht, sondern wurde das in der Verordnung genannte Verkehrszeichen erst ca. 25 m nach der Kreuzung aufgestellt (Bild 3 bis 5). Festgehalten wird, dass der Alois-Gerstl-Weg eine unmittelbare Einmündung in die L228 hat und vom Alois-Gerstl-Weg sodann nach ca. 25 m der Marburger Weg (Sackgasse) abzweigt (Bild 2 im Verwaltungsakt der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark).
Der Verordnungsgeber – der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark – hat den örtlichen Geltungsbereich einer nach §43 StVO gestützten verkehrsbeschränkenden Maßnahme genau umschrieben ('bei Einfahrt in den Alois-Gerstl-Weg von der L201 kommend sowie von der L228 kommend samt entsprechender Zusatztafeln'). Differiert der Aufstellungsort eines Straßenverkehrszeichens von der Verordnungsregelung um ca. 25 m, so kann von einer gesetzmäßigen Kundmachung der Verordnung nicht mehr die Rede sein (VwGH 03. Juli 1986, 86/02/0038 ZVR 1988/49; VwGH 25. Jänner 2002, 99/02/0014; 24. November 2006, 2006/02/0232 ZVR 2007/105 (30 m Differenz); 21. November 2008, 2008/02/0231 ZVR 2009/107 (100 m Differenz). Es ist dem §44 Abs1 erster Satz StVO nicht zu entnehmen, dass sich daraus eine Verpflichtung zur 'zentimetergenauen' Einhaltung des in der derartigen Verordnung verfügten räumlichen Geltungsbereiches für die Aufstellung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen ergibt . Differiert jedoch der Aufstellungsort eines Verkehrszeichens von der Verordnungsregelung jedoch bei einem Fahrverbot um ca. 25 m, so kann von einer gesetzmäßigen Kundmachung keine Rede sein (VwGH 03. Juli 1986, 86/02/0038; VfSlg 12192/1986; 25. November 2009, 2009/02/0095; 30. September 2010, 2008/07/0164; 25. Juni 2014, 2013/07/0294). Entgegen der Auffassung des Verordnungsgebers wäre somit durchaus denkbar, dass Fahrzeuge die nicht von der Verkehrsbeschränkung umfasst sind von der L228 kommend in den Alois-Gerstl-Weg einfahren um dort bestimmte Fahrmanöver (z.B. umkehren, parken, usw) durchzuführen. Dass das entsprechende Verbotszeichen erst ca. 25 m nach Beginn des Alois-Gerstl-Weges aufgestellt wurde, stellt jedenfalls eine signifikante Abweichung des Beginnes gegenüber dem Verordnungstext dar.
Mit Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark vom 06. Juni 2018 wurde dem Steiermärkischen Landesverwaltungsgericht mitgeteilt, dass es zu dieser Verordnung ausschließlich den Verordnungstext gibt. Ob ein Verfahren bei Erlassung der Verordnung überhaupt durchgeführt wurde bzw ob es zur Mitwirkung der in §94 f Abs1 lita StVO genannten Anhörungsberechtigten gekommen ist, lässt sich somit nicht mehr nachvollziehen. Auch wenn man aus einer eventuellen fehlenden Anhörung noch keine Gesetzwidrigkeit der Verordnung ableiten kann, so ist aufgrund des fehlenden Verordnungsaktes nicht zu erkennen, ob eine Erforderlichkeit der angefochtenen Verordnung in einem Ermittlungsverfahren festgestellt wurde.
Ermittlungsverfahren und Interessensabwägung sind jedenfalls vor Erlassung einer Verordnung durchzuführen, weil in die Grundlage der Entscheidung des Verordnungsgebers ein vollständiges Bild über die Tatsachenlage und Artikulation bestimmter Interessen einfließen sollen. Fehlen diese essentiellen Bestandteile im Verordnungsverfahren, so ist eine Gesetzwidrigkeit der Verordnung offensichtlich (VfGH 27. Februar 2012, V25/11; VfSlg 8280, 17.560, 18.118; VfSlg 9582, 9871/ 13548).
[…]" (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)
3. Die Bezirkshauptmannschaft Südoststeiermark hat nach Aufforderung durch den Verfassungsgerichtshof die verfügbaren Aktenteile vorgelegt und Folgendes mitgeteilt:
"Für den gesamten Alois-Gerstl-Weg wurde mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach am 05.11.1980, GZ.: 11 II F11-1980, ein 'Fahrverbot' mit der Ausnahme 'Zufahrt gestattet' verordnet. Die Verhandlungsschrift wurde vor 38 Jahren angefertigt, ist aber unauffindbar.
Aufgrund des Antrages der Stadtgemeinde Feldbach vom 23.06.2006 wurde dieses Fahrverbot mit Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 29.06.2006 wie folgt abgeändert: 'Fahrverbot (für beide Fahrtrichtungen)' für den Alois-Gerstl-Weg mit der Zusatztafel 'ausgenommen Anrainerverkehr'. […]"
4. Die Steiermärkische Landesregierung und der Beschwerdeführer des Anlassverfahrens haben keine Äußerung erstattet.
IV. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Antrages
1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt zu Art89 Abs1 B-VG beginnend mit dem Erkenntnis VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (VfSlg 20.182/2017 mwN). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B-VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kund-machung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (vgl zB VfGH 14.3.2018, V114/2017).
1.2. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 29. Juni 2006, Z 11.0 D 173/2006, wurde – wie sich dem Gerichtsakt entnehmen lässt – vor dem Tatzeitpunkt jedenfalls durch die Aufstellung der entsprechenden Straßenverkehrszeichen kundgemacht.
Dadurch erlangte die angefochtene Verordnung ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist (vgl VfSlg 19.072/2010, 19.230/2010 uva.; vgl auch VfGH 18.9.2015, V96/2015).
1.3. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).
1.4. Im Verfahren hat sich nichts ergeben, was am Vorliegen dieser Voraussetzung zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).
2.2. Der Antrag ist begründet.
2.3. Das antragstellende Gericht behauptet die gesetzwidrige Kundmachung der Verordnung. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach verfüge, dass das entsprechende Verkehrszeichen bei der Einfahrt in den Alois-Gerstl-Weg von der L 228 kommend aufzustellen sei. Das entsprechende Verbotszeichen "Fahrverbot (für beide Fahrtrichtungen)" mit der Zusatztafel "ausgenommen Anrainerverkehr" sei jedoch 25 Meter davon entfernt aufgestellt. Daher weiche der Aufstellungsort der Verkehrszeichen signifikant vom verordneten Ort ab und es liege eine gesetzwidrige Kundmachung vor.
2.4. Damit ist das antragstellende Gericht im Recht.
2.5. Gemäß §44 Abs1 StVO 1960 sind die in §43 StVO 1960 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft (vgl VfSlg 18.710/2009, 19.409/2011, 19.410/2011).
2.6. Der Vorschrift des §44 Abs1 StVO 1960 ist immanent, dass die bezüglichen Straßenverkehrszeichen dort angebracht sind, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Zwar ist zur Kundmachung von Verkehrsbeschränkungen keine "zentimetergenaue" Aufstellung der Verkehrszeichen erforderlich (vgl dazu VwGH 13.2.1985, 85/18/0024; 25.1.2002, 99/02/0014; 10.10.2014, 2013/02/0276), jedoch wird dieser Vorschrift nicht Genüge getan und liegt ein Kundmachungsmangel vor, wenn der Aufstellungsort vom Ort des Beginns bzw Endes des verordneten Geltungsbereiches signifikant abweicht (vgl VfSlg 15.749/2000 sowie VfGH 14.3.2018, V114/2017 mwN).
Eine Kundmachung, die nicht an allen Örtlichkeiten dem Gesetz entspricht, ist mangelhaft. Eine auf diese Weise kundgemachte Verordnung ist zwar existent, jedoch bis zur Behebung des Mangels mit Gesetzwidrigkeit behaftet (vgl VfSlg 5824/1968, 6346/1970).
2.7. Aus dem Inhalt der dem Verfassungsgerichtshof vorgelegten Akten konnte festgestellt werden, dass der Aufstellungsort des Verkehrszeichens 25 Meter von der Einmündung der L 228 in den Alois-Gerstl-Weg entfernt ist. Das ergibt sich aus dem Verhandlungsprotokoll vom 5. September 2018 und den angefügten Fotografien des vorgelegten Gerichtsaktes.
Da im Verfahren auch sonst keines diesen Angaben widersprechendes Vorbringen erstattet wurden, besteht für den Verfassungsgerichtshof kein Zweifel an der Aufstellung des Verbotszeichens "Fahrverbot (in beiden Richtungen)" und der Zusatztafel "ausgenommen Anrainerverkehr" 25 Meter von der Einmündung der L 228 entfernt.
2.8. Die Verkehrsschilder sind daher nicht – wie in den Verordnungen verfügt – von der L 228 kommend angebracht, sondern 25 Meter davon entfernt im Alois-Gerstl-Weg. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes stellt dies eine signifikante Abweichung dar (vgl VfGH 14.3.2018, V114/2017 mwN; 26.11.2018, V53-54/2018).
2.9. Die Nichtübereinstimmung des verordnungsmäßig festgelegten Beginnes mit der tatsächlich kundgemachten Verordnung führt zur Rechtswidrigkeit und zu einer nicht gesetzmäßigen Kundmachung iSd §44 Abs1 StVO 1960 der angefochtenen Verordnung.
2.10. Da die angefochtene Verordnung schon wegen der nicht ordnungsgemäßen Kundmachung von der L 228 kommend gesetzwidrig ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die übrigen Bedenken des antragstellenden Gerichtes.
V. Ergebnis
1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Feldbach vom 29. Juni 2006, Z 11.0 D 173/2006, ist daher wegen Verstoßes gegen die Kundmachungsvorschriften als gesetzwidrig aufzuheben. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Eingehen auf die weiteren im Antrag dargelegten Bedenken.
2. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Steiermärkisches KundmachungsG.
3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Straßenpolizei, Fahrverbot, Verordnung Kundmachung, Straßenverkehrszeichen, VfGH / PräjudizialitätEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2019:V66.2018Zuletzt aktualisiert am
13.05.2019