TE Vfgh Erkenntnis 2019/2/25 V32/2018 (V32/2018-10)

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Veröffentlicht am 25.02.2019
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Index

90/01 Straßenverkehrsordnung 1960

Norm

B-VG Art89 Abs1
B-VG Art139 Abs1 Z1
StVO 1960 §44, §53, §94b
V der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 12.01.2016 betreffend das Ortsgebiet von "Edelsdorf"
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Feststellung der Gesetzwidrigkeit näher bezeichneter Bestimmungen der Verordnung einer Steiermärkischen Bezirkshauptmannschaft betreffend die falsche Bezeichnung des Ortsgebiets der Gemeinde Kindberg auf den Hinweiszeichen "Ortstafel" bzw "Ortstafelende"

Spruch

I. Der Punkt VIII. in §1, Ortsteil Allerheiligen im Mürztal, B. Edelsdorf, sowie die Wortfolge "Der Punkt B. VIII. dieser Verordnung ist durch die Hinweiszeichen nach §53 (1) Z17 a und Z17 b StVO 1960 kundzumachen." in §2, Ortsteil Allerheiligen im Mürztal, der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 12. Jänner 2016, Z 11.0-125-00, waren bis zum 5. Juli 2018 gesetzwidrig.

II. Die Steiermärkische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

1. Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Steiermark

"die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 12.01.2016, GZ: 11.0-125-00, im §1 Ortsteil Allerheiligen im Mürztal B Edelsdorf VIII sowie §2 Ortsteil Allerheiligen im Mürztal bezüglich der Kundmachung der Verordnung im Punkt B VIII durch Hinweiszeichen nach §53 Abs1 Z17a Z17b StVO als gesetzwidrig aufzuheben."

II. Rechtslage

1. Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 12. Jänner 2016, Z 11.0-125-00 lautet – auszugsweise – wie folgt:

"Verordnung

§1

Gemäß §94 b Abs1 litb i.V.m. §43 Abs1 litb Z1 und 2 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl Nr 159 idgF., wird für nachstehende Straßenzüge in 8650 Kindberg verordnet:

[…]

Ortsteil Allerheiligen im Mürztal

[…]

B. EDELSDORF

[…]

VIII. 'Ortstafel' bzw 'Ortsende' 'Edelsdorf'

für die L114, Schanzsattelstraße, bei km 4,875 und km 6,080

[…]

§2

[…]

Ortsteil Allerheiligen im Mürztal

[…]

Der Punkt B. VIII. dieser Verordnung ist durch die Hinweiszeichen nach §53 (1) Z17 a und Z17 b StVO 1960 kundzumachen.

[…]

Diese Verordnung tritt mit der Anbringung der entsprechenden Verkehrszeichen in und deren Entfernung außer Kraft.

[…]."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159 idF BGBl I 42/2018, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"§2. Begriffsbestimmungen

(1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes gilt als

1. – 14. […]

15. Ortsgebiet: das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen 'Ortstafel' (§53 Z17a) und 'Ortsende' (§53 Z17b);

16. – 30. […]

(2) – (3) […]

[…]

§43. Verkehrsverbote, Verkehrserleichterungen und Hinweise.

(1) Die Behörde hat für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes durch Verordnung

a) […]

b) wenn und insoweit es die Sicherheit, Leichtigkeit oder Flüssigkeit des sich bewegenden oder die Ordnung des ruhenden Verkehrs, die Lage, Widmung, Pflege, Reinigung oder Beschaffenheit der Straße, die Lage, Widmung oder Beschaffenheit eines an der Straße gelegenen Gebäudes oder Gebietes oder wenn und insoweit es die Sicherheit eines Gebäudes oder Gebietes und/oder der Personen, die sich dort aufhalten, erfordert,

1. dauernde oder vorübergehende Verkehrsbeschränkungen oder Verkehrsverbote, insbesondere die Erklärung von Straßen zu Einbahnstraßen, Maß-, Gewichts- oder Geschwindigkeitsbeschränkungen, Halte- oder Parkverbote und dergleichen, zu erlassen,

2. den Straßenbenützern ein bestimmtes Verhalten vorzuschreiben, insbesondere bestimmte Gruppen von der Benützung einer Straße oder eines Straßenteiles auszuschließen oder sie auf besonders bezeichnete Straßenteile zu verweisen;

c) – d) […]

(1a) – (11) […]

§44. Kundmachung der Verordnungen

(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.

(2) – (3) […]

[…]

§53. Die Hinweiszeichen

(1) Die Hinweiszeichen weisen auf verkehrswichtige Umstände hin. Hinweiszeichen sind die folgenden Zeichen:

1. – 16c. […]

17a. 'ORTSTAFEL'

[Zeichen]

Dieses Zeichen gibt den Namen eines Ortes an und ist jeweils am Beginn des verbauten Gebietes anzubringen. Ein Gebiet ist dann verbaut, wenn die örtliche Zusammengehörigkeit mehrerer Bauwerke leicht erkennbar ist. Auf Autobahnen, ausgenommen am Ende einer Ausfahrtsstraße, darf dieses Zeichen nicht angebracht werden. Die Anbringung einer grünen Tafel mit der weißen Aufschrift 'Erholungsdorf' - bei Orten, die berechtigt sind, die Bezeichnung Erholungsdorf zu führen - oder einer ähnlichen, die Gemeinde näher beschreibenden Tafel unterhalb der Ortstafel ist zulässig, wenn dadurch die leichte Erkennbarkeit der Ortstafel nicht beeinträchtigt und die Sicherheit des Verkehrs nicht gefährdet wird; eine solche Tafel darf die Ortstafel seitlich nicht überragen.

17b. 'ORTSENDE'

[Zeichen]

Dieses Zeichen ist auf der Rückseite des Zeichens 'Ortstafel' anzubringen; dem Zeichen kann ein Hinweis auf die Entfernung bis zum nächsten Ort mit Verkehrsbedeutung beigefügt werden.

18. – 28. […]

(2) […]

[…]

§94b. Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde

(1) Behörde im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, sofern der Akt der Vollziehung nur für den betreffenden politischen Bezirk wirksam werden soll und sich nicht die Zuständigkeit der Gemeinde oder – im Gebiet einer Gemeinde, für das die Landespolizeidirektion zugleich Sicherheitsbehörde erster Instanz ist – der Landespolizeidirektion ergibt, die Bezirksverwaltungsbehörde

a) […]

b) für die Erlassung von Verordnungen und Bescheiden,

c) – h) […]

(2) […]

[…]"

III. Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Beim Landesverwaltungsgericht Steiermark ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 27. März 2018 anhängig. Mit dem Straferkenntnis wurde dem Beschwerdeführer im Verfahren vor dem antragstellenden Gericht zur Last gelegt, er habe am 10. November 2017, um 15.15 Uhr, in der Gemeinde Kindberg, Edelsdorf, auf der L 114, Strkm. 4,98, Richtung Stanz im Mürztal als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 22 km/h überschritten. Die in Betracht kommende Messtoleranz sei bereits zu seinen Gunsten abgezogen worden. Dadurch habe er eine Verwaltungsübertretung gemäß §20 Abs2 StVO 1960 begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von € 70,– (im Fall der Uneinbringlichkeit 1 Tag und 10 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) gemäß §99 Abs3 lita StVO 1960 und ein Beitrag zu den Kosten des Verfahrens von € 10,– verhängt wurden.

Aus Anlass des Beschwerdeverfahrens gegen dieses Straferkenntnis stellt das Landesverwaltungsgericht Steiermark gemäß Art139 Abs1 Z1 B-VG den unter I. angeführten Antrag.

2. Das Landesverwaltungsgericht Steiermark legt seine Bedenken wie folgt dar:

"[…] III. Präjudizialität:

[…]

[…] erhob gegen das Straferkenntnis Beschwerde und brachte im Wesentlichen vor, dass mit der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 12.01.2016 ein Ortsgebiet 'Edelsdorf' für den Bereich km 4,875 und km 6,080 verfügt worden sei. Wie in Beilage 'B' zu entnehmen, werde im Gegenstande jedoch nicht das Ortsgebiet von 'Edelsdorf', sondern ein (nicht verordnetes) Ortsgebiet von 'Allerheiligen' kundgemacht. Nach der einschlägigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes würden nicht gehörig kundgemachte Verordnungen keine Rechtsübertretungen bilden.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark hat im Beschwerdeverfahren als Rechtsgrundlage die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 12.01.2016, soweit diese das Ortsgebiet auf der L114, Schanzsattelstraße von km 4,875 bis km 6.080 betrifft, unmittelbar anzuwenden.

IV. Begründung (Darlegung der gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung sprechenden Bedenken gemäß §57 Abs1 VfGG):

Die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 12.01.2016 lautet im angefochtenen Umfang: […]

Von der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag war für die L114, Schanzsattelstraße bei km 4,875 und km 6,080 die Ortstafel bzw das Ortsende von 'Edelsdorf' verordnet.

Herr […] legte seinen Beschwerden einen Fotoauszug bei, auf dem der Beginn des Ortsgebietes zu sehen ist. Darauf ist eine Ortstafel mit der Aufschrift Allerheiligen gemäß §53 Z17a StVO zu sehen und darunter auf einer kleineren Tafel 'Edelsdorf'. Darunter ist eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h gemäß §52 lita Z10a StVO angebracht und darunter eine Zusatztafel mit der Aufschrift 'ausgenommen Vorrangstraße'.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 15.06.2011, GZ V82/10 ausgesprochen, dass der Ortsname bzw die Textierung der aufzustellenden Hinweiszeichen vom Verordnungsgeber in der Verordnung festgelegt wird und den gesetzlichen Anforderungen nur durch das Aufstellen der Hinweiszeichen mit der verordneten Aufschrift entsprochen wird.

Da in der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag die Ortstafel 'Edelsdorf' lauten soll, wurde sie nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichts Steiermark nicht ordnungsgemäß kundgemacht, weil die Ortstafel die Aufschrift 'Allerheiligen' trägt.

In seiner bisherigen Rechtsprechung legte der Verfassungsgerichtshof Art89 Abs1 B-VG dahingehend aus, dass nur gesetzmäßig kundgemachte Verordnungen von den ordentlichen Gerichten und den Verwaltungsgerichten (Art135 Abs4 iVm Art89 Abs1 B-VG) anzuwenden waren. Nicht gesetzmäßig kundgemachte Verordnungen entfalteten hingegen keine Rechtswirkungen und waren daher von den Verwaltungsgerichten nicht anzuwenden (während nach der sogenannten Gehorsamsthese Normunterworfene und Verwaltungsbehörden derartige Verordnungen anzuwenden hatten). Von dieser Rechtsprechung ging der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.06.2017, V4/2017, ab. Aus diesem Erkenntnis lässt sich ableiten, dass auch Gerichte nunmehr gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen die rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten haben. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind nicht rechtmäßige Verordnungen daher für jedermann verbindlich. Eine 'gehörig kundgemachte' generelle Norm, also eine für einen unbestimmten, externen Adressatenkreis verbindliche Anordnung von Staatsorganen, die vom Gericht gemäß Art89 B-VG anzuwenden ist, liegt dann vor, wenn eine solche Norm ausreichend allgemein kundgemacht wurde, wenn auch nicht in der rechtlich vorgesehenen Weise. Dies bedeutet, dass jeglicher Akt von staatlichen Organen, der einen normativen Inhalt für einen unbestimmten Adressatenkreis aufweist und – in einer zumindest den Adressaten zugänglichen Form – allgemein kundgemacht worden ist, als generelle Norm anzuwenden und gegebenenfalls von den Gerichten gemäß Art139 ff B-VG vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten ist. Eine generelle Norm ist dann gehörig kundgemacht, wenn sie als Akt eines staatlichen Organs mit normativem Inhalt zumindest den Adressaten (allgemein) zugänglich gemacht worden ist, somit, wenn sie ein Mindestmaß an Publizität aufweist.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark sieht sich daher an die gesetzwidrig kundgemachte Verordnung betreffend des Ortsgebietes von 'Edelsdorf' gebunden und beantragt die Aufhebung der genannten Verordnung im §1 Ortsteil Allerheiligen im Mürztal B Edelsdorf VIII. und korrespondierend dazu im §2 Ortsteil Allerheiligen im Mürztal über die Kundmachung von Punkt B. VIII dieser Verordnung durch die Hinweiszeichen nach §53 Abs1 Z17a und Z17b StVO." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

3. Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten betreffend das Zustandekommen der angefochtenen Verordnung vorgelegt und sich dabei – auszugsweise – wie folgt geäußert:

"Im Bundesland Steiermark wurde mit 01.01.2015 eine Gemeindestrukturreform durchgeführt. In diesem Zusammenhang wurden die Stadtgemeinde Kindberg, die Gemeinde Allerheiligen im Mürztal und die Gemeinde Mürzhofen zur Stadtgemeinde Kindberg fusioniert.

Aufgrund dieser neuen Gemeindestruktur erfolgte im Jahre 2015 seitens der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag gemäß §96 Abs2 StVO eine Überprüfung der in den einzelnen Ortsteilen der Stadtgemeinde Kindberg angebrachten Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs.

Im Zuge dieser Überprüfung wurden am 16.06.2015 und am 07.07.2015 mündliche Verhandlungen durchgeführt und die erforderlichen Änderungen bezüglich der korrekten Verordnung und Kundmachung der Ortsgebiete, darunter auch das Ortsgebiet Edelsdorf, festgeschrieben.

Nach Vorliegen eines ergänzenden Gutachtens des verkehrstechnischen Amtssachverständigen vom 07.10.2015 und Einräumung des Parteiengehörs sowie der Anhörung der Gemeinde wurde die Verordnung vom 22.10.2015, Gz 11.0-125-2000 erlassen, wobei unter Punkt 'Ortsteil Allerheiligen im Mürztal, B.Edelsdorf, VIII die 'Ortstafel bzw Ortsende Edelsdorf' für die L114 bei km 4,875 und km 6,080' verordnet wurde.

Mit dieser Verordnung erging auch folgender Auftrag an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16 Verkehr und Landeshochbau, Fachabteilung Straßenerhaltungsdienst, Regionalabteilung Bruck an der Mur als Straßenerhalter:

1. Ortsteil Kindberg: das Straßenverkehrszeichen (C Aumühl, Punkt II 4.) verordnungsgemäß im Einvernehmen mit der zuständigen Polizeiinspektion aufzustellen, und über die Durchführung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag zur Festhaltung in einem Aktenvermerk gemäß §44 StVO 1960 schriftlich Mitteilung zu machen.

2. Ortsteil Allerheiligen im Mürztal: das Straßenverkehrszeichen (B. Edelsdorf, Punkt VIII) verordnungsgemäß im Einvernehmen mit der zuständigen Polizeiinspektion aufzustellen und über die Durchführung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag zur Festhaltung in einem Aktenvermerk gemäß §44 StVO 1960 schriftlich Mitteilung zu machen.

3. Ortsteile Kindberg und Allerheiligen im Mürztal: sämtliche auf Landesstraßen angebrachte Verkehrszeichen bezüglich der Ortsbezeichnung entsprechend der Besprechung vom 07.07.2015 zu überprüfen und die nicht rechtskonformen Verkehrszeichen an den aktuellen Verordnungstext anzupassen und über die Durchführung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag zur Festhaltung in einem Aktenvermerk gemäß §44 StVO 1960 schriftlich Mitteilung zu machen.

Mit Bericht vom 09.12.2016 teilte die Polizeiinspektion Kindberg mit, dass das Verkehrszeichen 'Ortstafel bzw Ortsende Edelsdorf' der Verordnung vom 22.10.2015 seitens des Straßenerhalters noch nicht verordnungsgemäß aufgestellt wurde.

Am 18.12.2015 erstattete der verkehrstechnischen Amtssachverständige ein Gutachten im Hinblick auf die Anpassung von, mit der Erweiterung des Ortsgebietes Edelsdorf zusammenhängender Verkehrszeichen. Aufgrund dessen wurde die Verordnung vom 12.01.2016, Gz 11.0-125-2000 erlassen, mit welcher die Verordnung vom 22.10.2015, GZ 11.0-125-2000 aufgehoben wurde.

Mit Bericht vom 20.01.2016 teilte die Polizeiinspektion Kindberg nochmals mit, dass das Verkehrszeichen 'Ortstafel bzw Ortsende Edelsdorf' seitens des Straßenerhalters nicht verordnungsgemäß aufgestellt wurde.

Dieses Schreiben wurde am 26.01.2016 an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16 Verkehr und Landeshochbau, Fachabteilung Straßenerhaltungsdienst, Regionalabteilung Bruck an der Mur als Straßenerhalter zur Kenntnisnahme übermittelt.

Aufgrund eines von Herrn […] bei der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag gestellten Antrages auf Auskunftserteilung nach dem Steiermärkischen Auskunftspflichtgesetz wurde mit Herrn […] telefonisch Kontakt aufgenommen und teilte dieser am 17.04.2018 mit, dass die Bezeichnung der Ortstafel vor Ort nicht der Bezeichnung in der Verordnung entsprechen würde.

Aufgrund dieses Sachverhaltes wurde dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16 Verkehr und Landeshochbau, Fachabteilung Straßenerhaltungsdienst, Regionalabteilung Bruck an der Mur am 17.04.2018 der Auftrag erteilt, die Verkehrszeichen vor Ort zu überprüfen und entsprechend den Aufträgen 1. - 3. in der Verordnung vom 22.10.2015 vorzugehen und Bericht zu erstatten. Von diesem Auftrag betroffen war auch der Verkehrszeichen 'Ortstafel bzw Ortsende Edelsdorf'.

Mit Schreiben vom 14.06.2018 und 02.07.2018 erfolgten seitens der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag Urgenzen an das Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16 Verkehr und Landeshochbau, Fachabteilung Straßenerhaltungsdienst, Regionalabteilung Bruck an der Mur.

Mit Schreiben vom 09.07.2018 wurde schließlich vom Amt der Steiermärkischen Landesregierung, Abteilung 16 Verkehr und Landeshochbau, Fachabteilung Straßenerhaltungsdienst, Straßenmeisterei Bruck/Mur mitgeteilt, dass das Verkehrszeichen 'Ortstafel' bzw 'Ortsende' 'Edelsdorf' am 05.07.2018 verordnungsgemäß angebracht worden ist." (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen)

4. Die Steiermärkische Landesregierung und der am Verfahren beteiligte Beschwerdeführer des beim Landesverwaltungsgericht Steiermark anhängigen Verfahrens haben von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof vertritt in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung zu Art89 Abs1 B-VG seit VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (vgl zB VfSlg 12.382/1990, 16.875/2003, 19.058/2010, 19.072/2010, 19.230/2010 uva.; vgl auch VfGH 18.9.2015, V96/2015, sowie die Rechtsprechung zu nicht ordnungsgemäß kundgemachten Gesetzen VfSlg 16.152/2001, 16.848/2003 und die darin zitierte Vorjudikatur). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B-VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich (VfGH 14.3.2018, V114/2017).

Die Verordnung erlangte ein Mindestmaß an Publizität und rechtliche Existenz, weil es sich bei den im Verordnungsgebiet aufgestellten Straßenverkehrszeichen um einen an einen unbestimmten Adressatenkreis allgemein zugänglich gemachten Akt staatlicher Organe mit normativen Inhalt handelt, weshalb die Verordnung daher mit dem 12. Jänner 2016 "gehörig kundgemacht" ist (vgl VfGH 11.6.2018, V3/2018; vgl auch VfSlg 19.410/2011).

1.2. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.3. Die Verordnung ist im Umfang des Punktes VIII. in §1, Ortsteil Allerheiligen im Mürztal, B. Edelsdorf, und der Wortfolge "Der Punkt B. VIII. dieser Verordnung ist durch die Hinweiszeichen nach §53 (1) Z17 a und Z17 b StVO 1960 kundzumachen" in §2, Ortsteil Allerheiligen im Mürztal, für das Landesverwaltungsgericht Steiermark präjudiziell, weil die vorgeworfene Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit im Ortsgebiet durch den Beschwerdeführer auf Strkm. 4,98 erfolgt sein soll, für den die oben genannten Punkte der angefochtenen Verordnung die Hinweiszeichen "Ortstafel" und "Ortsende" "Edelsdorf" (Strkm. 4,875 und Strkm. 6,080) vorsehen (vgl VfSlg 19.409/2011). Da auch sonst keine Prozesshindernisse vorgekommen sind, erweist sich der Antrag insgesamt als zulässig.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist begründet.

2.3. Das antragstellende Landesverwaltungsgericht Steiermark macht geltend, dass die Verordnung durch eine nicht der Verordnung entsprechende Textierung auf der Ortstafel gesetzwidrig kundgemacht sei.

2.3.1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf ein Verordnungsbeschluss im Zuge der Kundmachung weder ergänzt noch sonst verändert werden. Jede Änderung des Inhaltes des Verordnungsbeschlusses obliegt allein der zur Willensbildung zuständigen Behörde (vgl VfSlg 13.910/1994 mwN; vgl auch VfSlg 7451/1974). Eine Verordnung ist gesetzwidrig, wenn die vom Verordnungsgeber beschlossene normative Festlegung nicht mit dem kundgemachten Text übereinstimmt (VfSlg 15.192/1998, 19.980/2015). Die tatsächlich aufgestellten Straßenverkehrszeichen müssen die in der Verordnung festgelegte Textierung wiedergeben, ansonsten wird durch das Aufstellen der Verkehrszeichen mit der nicht entsprechenden Aufschrift der Verordnung nicht entsprochen (vgl VfSlg 19.409/2011, 19.410/2011).

2.3.2. Wie sich nach Durchführung des Verordnungsprüfungsverfahrens aus dem Akteninhalt ergibt, wurden die in der Verordnung in §1 vorgeschriebenen Hinweiszeichen "Ortstafel" bzw "Ortsende" "Edelsdorf" für die L 114, Schanzsattelstraße, bei Strkm. 4,875 und Strkm. 6,080 erst am 5. Juli 2018 aufgestellt.

2.3.3. Indem bis zum 5. Juli 2018 eine nicht der Verordnung entsprechende Aufschrift auf den Hinweiszeichen stand, wurde die Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 12. Jänner 2016, Z 11.0-125-00, daher in dem in Rede stehenden Umfang nicht gesetzmäßig kundgemacht (vgl VfSlg 19.409/2011). Daher hat der Verfassungsgerichtshof auszusprechen, dass die Verordnung im Zeitraum der gesetzwidrigen Kundmachung rechtswidrig war (vgl VfSlg 5824/1968, 6346/1970 sowie VfGH 11.6.2018, V3/2018).

2.4. Auch soweit ein Kundmachungsmangel gegeben ist, wäre gemäß Art139 Abs3 Z3 B-VG nicht die gesamte Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, weil der Kundmachungsmangel einer Verkehrsbeschränkung keine unmittelbare Auswirkung auf die Verbindlichkeit der anderen, in der Verordnung enthaltenen und kundgemachten Verkehrsbeschränkungen bzw Anordnungen hat (vgl VwGH 21.4.2006, 2005/02/0164 mwN). Der festgestellte Kundmachungsmangel betrifft ausschließlich die – (im Ausgangsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Steiermark) präjudiziellen – im Spruch genannten Teile der zitierten Verordnung. Da die unter II.1. wiedergegebene Verordnung u.a. weitere Regelungen über Vorschrifts- und Hinweiszeichen beinhaltet, die auf andere Weise, wie etwa durch anders gestaltete Verkehrszeichen an anderen, näher bezeichneten Orten kundzumachen sind, kommt eine Aufhebung der ganzen Verordnung gemäß Art139 Abs3 Z3 B-VG im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht (vgl VfSlg 19.127/2010, 19.128/2010; siehe auch VfGH 14.3.2018, V114/2017).

V. Ergebnis

1. Der Punkt VIII. in §1, Ortsteil Allerheiligen im Mürztal, B. Edelsdorf, sowie die Wortfolge "Der Punkt B. VIII. dieser Verordnung ist durch die Hinweiszeichen nach §53 (1) Z17 a und Z17 b StVO 1960 kundzumachen." in §2, Ortsteil Allerheiligen im Mürztal, der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Bruck-Mürzzuschlag vom 12. Jänner 2016, Z 11.0-125-00, waren bis zum 5. Juli 2018 gesetzwidrig.

2. Die Verpflichtung der Steiermärkischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 Z7 Steiermärkisches KundmachungsG.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Straßenverkehrszeichen, Ortstafeln, Verordnung Kundmachung, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:V32.2018

Zuletzt aktualisiert am

21.03.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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