TE Vfgh Erkenntnis 2019/2/25 V24/2018 (V24/2018-9)

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Veröffentlicht am 25.02.2019
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Index

L3706 Kurzparkzonenabgabe, Parkabgabe

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
B-VG Art 139 Abs3
KurzparkzonenV des Gemeinderates der Stadt Schärding vom 22.03.2011
StVO 1960 §25, §44
Oö Parkgebührengesetz §6

Leitsatz

Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Bestimmung der Parkgebührenverordnung des Gemeinderates der Stadt Schärding mangels ordnungsgemäßer Kundmachung; signifikante Abweichung der Aufstellungsorte der Verkehrszeichen mit den in der Verordnung festgelegten Grenzen

Spruch

I. §1 Abs1 lita der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Schärding vom 22. März 2011, Verk-5-317-11-Si, war bis zum 14. Oktober 2014 gesetzwidrig.

II. Die Oberösterreichische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Landesgesetzblatt verpflichtet.

III. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I.       Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich,

"der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass die am 21. April 2011 erfolgte Kundmachung der Verordnung bzw die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Schärding vom 22. März 2011, Verk-5-317-11-Si, gesetzwidrig war."

II.      Rechtslage

1.       Die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Schärding vom 22. März 2011, Verk-5-317-11-Si, lautet:

"Gemäß §1 Abs1, §3 Abs1 und §4 Abs1 Oö. Parkgebührengesetz LGBl Nr 28/1988, idF LGBl Nr 84/2009, wird verordnet:

§1

Gebührenpflicht

1) Für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in als gebührenpflichtig gekennzeichneten Kurzparkzonen (§25 der StVO 1960, BGBl Nr 159, i.d.g.F.) wird für die nach den straßenpolizeilichen Vorschriften zulässige Parkdauer eine Parkgebühr ausgeschrieben. Die gebührenpflichtigen Kurzparkzonen befinden sich innerhalb nachangeführter Straßen und Plätze (incl. Angaben von KG, Parzellen- und EZ-Nummern), welche auch im beigeschlossenen Lageplan ersichtlich sind (Anlage A):

a) Oberer Stadtplatz und Unterer Stadtplatz (incl. ehem. Kindergarten-Vorplatz)

Parzelle

KG

EZ

88/1

Schärding-Stadt

276

88/13

Schärding-Stadt

276

88/14

Schärdinq-Stadt

276

88/21

Schärding-Stadt

276

88/7

Schärdinq-Stadt

277

88/25

Schärding-Stadt

276


b) Ludwig-Pfliegl-Gasse

Parzelle

KG

EZ

88/8

Schärding-Stadt

276

88/9

Schärding-Stadt

277


c) Denisgasse

Parzelle

KG

EZ

88/8

Schärding-Stadt

276


d) Schloßgasse

Parzelle

KG

EZ

88/12

Schärding-Stadt

277

88/3

Schärding-Stadt

277


e) Stögergaßl inkl. Schlosshof

Parzelle

KG

EZ

88/12

Schärding-Stadt

277

81/3

Schärding-Stadt

71


f) Ebenhechtgasse

Parzelle

KG

EZ

88/12

Schärding-Stadt

277


g) Innbruckstraße

Parzelle

KG

EZ

88/24

Schärding-Stadt

276

88/10

Schärding-Stadt

277


h) Lamprechtstraße

Parzelle

KG

EZ

88/9

Schärding-Stadt

277


i) Sebastian-Kneipp-Gasse, Steingaßl, Färbergaßl

Parzelle

KG

EZ

88/9

Schärding-Stadt

277


j) Kurhausstraße, Im Eichbüchl

Parzelle

KG

EZ

88/10

Schärding-Stadt

277


k) Burggraben incl. Hessen-Rainer-Platz

Parzelle

KG

EZ

88/4

Schärding-Stadt

276

84/5

Schärding-Stadt

277


l) Wieningerstraße

Parzelle

KG

EZ

88/20

Schärding-Stadt

276


m) Kirchengasse und Brunngasse

Parzelle

KG

EZ

88/6

Schärding-Vorstadt

277


n) Seilergraben

Parzelle

KG

EZ

118/1

Schärding-Vorstadt

822


o) Tummelplatzstraße, entlang der linken Fahrbahnseite der Einbahnführung

Parzelle

KG

EZ

497

Schärding-Vorstadt

1004


p) Linzer Tor, vor Geschäft Heindl

Parzelle

KG

EZ

120/2

Schärding-Vorstadt

822


q) Knörleinweg

Parzelle

KG

EZ

477/1

Schärding-Vorstadt

1495

471/2

Schärding-Vorstadt

2

471/5

Schärding-Vorstadt

133


r) Auf der Ponyweide

Parzelle

KG

EZ

184/6

Schärding-Vorstadt

1004

[…]"

2.       Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 4. März 1988 über die Erhebung einer Gemeindeabgabe für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen, (im Folgenden: OÖ Parkgebührengesetz) LGBl 28/1988 idF LGBl 90/2013, lauten – auszugsweise – wie folgt:

"§1

(1) Die Gemeinden werden nach Maßgabe dieses Gesetzes ermächtigt, durch Beschluß des Gemeinderates eine Abgabe (Parkgebühr) für das Abstellen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen in Kurzparkzonen (§25 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl Nr 159, in der jeweils geltenden Fassung – StVO 1960) für die nach den straßenpolizeilichen Vorschriften zulässige Parkdauer auszuschreiben. (2)[…]

(3) Die nach Abs1 bestimmten Gebiete (gebührenpflichtige Kurzparkzonen) sind nach den entsprechenden straßenpolizeilichen Vorschriften als solche zu kennzeichnen.

[…]"

3.       Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 6. Juli 1960, mit dem Vorschriften über die Straßenpolizei erlassen werden (Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960), BGBl 159, lauten in der jeweils maßgeblichen Fassung wie folgt:

"§25. Kurzparkzonen

(1) Wenn und insoweit es zu bestimmten Zeiten aus ortsbedingten Gründen (auch im Interesse der Wohnbevölkerung) oder zur Erleichterung der Verkehrslage erforderlich ist, kann die Behörde durch Verordnung für bestimmte Straßen oder Straßenstrecken oder für Straßen innerhalb eines bestimmten Gebietes das Parken zeitlich beschränken (Kurzparkzone). Die Kurzparkdauer darf nicht weniger als 30 Minuten und nicht mehr als 3 Stunden betragen.

(2) Verordnungen nach Abs1 sind durch die Zeichen nach §52 Z13d und 13e kundzumachen; §44 Abs1 gilt hiefür sinngemäß. Zusätzlich können Kurzparkzonen mit Bodenmarkierungen in blauer Farbe auf der Fahrbahn oder auf dem Randstein sowie mit blauen Markierungsstreifen an den im Bereich einer Kurzparkzone vorhandenen Anbringungsvorrichtungen für Straßenverkehrszeichen, Beleuchtungsmasten oder dergleichen gekennzeichnet werden.

(3) Beim Abstellen eines mehrspurigen Fahrzeuges in einer Kurzparkzone hat der Lenker das zur Überwachung der Kurzparkdauer bestimmte Hilfsmittel bestimmungsgemäß zu handhaben.

(4) Der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie hat durch Verordnung die Art der Überwachung der Kurzparkdauer und das hiefür notwendige Hilfsmittel zu bestimmen; er hat dabei auf den Zweck einer zeitlichen Parkbeschränkung sowie auf eine kostengünstige und einfache Handhabung des Hilfsmittels Bedacht zu nehmen.

(4a) Für Kurzparkzonen, in denen für das Abstellen eines mehrspurigen Fahrzeuges auf Grund abgabenrechtlicher Vorschriften eine Gebühr zu entrichten und für die Überwachung der Gebührenentrichtung die Verwendung eines technischen oder sonstigen Hilfsmittels vorgesehen ist, kann der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie mit Verordnung festlegen, unter welchen Voraussetzungen dieses Hilfsmittel zugleich auch als Hilfsmittel für die Überwachung der Kurzparkdauer gilt. Wenn für die Überwachung der Gebührenentrichtung die Anbringung des Hilfsmittels am Fahrzeug vorgesehen ist, kann der Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie weiters aus Gründen der Einheitlichkeit mit Verordnung auch die Art, das Aussehen und die Handhabung des Hilfsmittels bestimmen.

(5) Die Behörde hat unter Bedachtnahme auf den Zweck einer nach §43 Abs2a verordneten Regelung durch Verordnung das zur Kontrolle notwendige Hilfsmittel zu bestimmen.

[…]

§44. Kundmachung der Verordnungen

(1) Die im §43 bezeichneten Verordnungen sind, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht.

[…]"

III.    Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.       Beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich ist ein Verfahren über eine Beschwerde gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Schärding vom 30. April 2014 anhängig, mit dem die Beschwerdeführerin wegen Übertretung des §6 Abs1 lita Oö ParkgebührenG iVm der KurzparkzonenV 2011 der Stadt Schärding bestraft worden ist. Sie habe ihr Fahrzeug am Oberen Stadtplatz in der Kurzparkzone abgestellt, ohne es mit einem an gut sichtbarer Stelle hinter der Windschutzscheibe angebrachten gültigen Parkschein gekennzeichnet zu haben, und habe sohin die Parkgebühr hinterzogen. Über die Beschwerdeführerin wurde eine Geldstrafe in Höhe von € 36,-- (12 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

2.       Aus Anlass dieses Verfahrens stellt das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich gemäß Art139 Abs1 Z1 B-VG den Antrag, "der Verfassungsgerichtshof möge aussprechen, dass die am 21. April 2011 erfolgte Kundmachung der Verordnung bzw die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Schärding vom 22. März 2011, Verk-5-317-11-Si, gesetzwidrig war".

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich führt zur Präjudizialität aus, dass in dem diesem Antrag zugrunde liegenden Beschwerdeverfahren auf Grund der Tatzeit die Verordnung des Gemeinderates Schärding vom 22. März 2011, Verk-5-317-11-Si, kundgemacht am 21. April 2011, zur Anwendung gelange. Der Strafausspruch im Sinne des §6 Abs1 lita Oö Parkgebührengesetz iVm der Verordnung des Gemeinderates des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Schärding finde sich darauf gestützt. Auch für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich sei die bekämpfte Verordnung für die Beurteilung der Strafbarkeit des Verhaltens der Beschwerdeführerin heranzuziehen, sie sei daher in der oben genannten Fassung in diesem Verfahren präjudiziell.

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich legt seine Bedenken hinsichtlich der nicht ordnungsgemäßen Kundmachung der Verordnung auszugsweise wie folgt dar:

"Nach §25 iVm §44 Abs1 StVO sind Kurzparkzonen durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen, die optisch §52 Z13d und 13e StVO zu entsprechen haben und mit dem Zusatz 'gebührenpflichtig' versehen sein müssen.

Gemäß §44 Abs1 StVO sind die in §43 bezeichneten Verordnungen, sofern sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, durch Straßenverkehrszeichen oder Bodenmarkierungen kundzumachen und treten mit deren Anbringen in Kraft. Der Zeitpunkt der erfolgten Anbringung ist in einem Aktenvermerk (§16 AVG) festzuhalten. Parteien im Sinne des §8 AVG ist die Einsicht in einen solchen Aktenvermerk und die Abschriftnahme zu gestatten. Als Straßenverkehrszeichen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen die Vorschriftszeichen sowie die Hinweiszeichen 'Autobahn', 'Ende der Autobahn', 'Autostraße', 'Ende der Autostraße', 'Einbahnstraße', 'Ortstafel', 'Ortsende', 'Internationaler Hauptverkehrsweg', 'Straße mit Vorrang', 'Straße ohne Vorrang', 'Straße für Omnibusse' und 'Fahrstreifen für Omnibusse' in Betracht. Als Bodenmarkierungen zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrerüberfahrtmarkierungen in Betracht. Als Bodenmarkierung zur Kundmachung von im §43 bezeichneten Verordnungen kommen Markierungen, die ein Verbot oder Gebot bedeuten, wie etwa Sperrlinien, Haltelinien vor Kreuzungen, Richtungspfeile, Sperrflächen, Zickzacklinien, Schutzwegmarkierungen oder Radfahrüberfahrtmarkierungen in Betracht.

§48 StVO regelt die Anbringung von Verkehrszeichen. Gemäß Abs1 sind die Straßenverkehrszeichen (§§50, 52 und 53) als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, dass sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können. Im Verlauf derselben Straße sind womöglich Straßenverkehrszeichen mit gleichen Abmessungen zu verwenden.

[…]

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes genügt es dann, wenn von der Kurzparkzone ein größeres Gebiet erfasst werden soll, dass an allen Ein- und Ausfahrtsstellen Vorschriftszeichen nach §52 Z13 d und 13e StVO angebracht sind. Ist diese Kennzeichnung erfolgt, sind von der Kurzparkzone alle Straßen in dem von diesem Verkehrszeichen umgrenzten Gebiet erfasst (VwGH 30.6.2006, 2006/17/0022).

Straßenverkehrszeichen sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dort anzubringen, wo der räumliche Geltungsbereich der Verordnung beginnt und endet. Differiert der Aufstellungsort eines Straßenverkehrszeichens von der getroffenen Verordnungsregelung um 5 Meter, kann von einer gesetzmäßigen Kundmachung der Verordnung nicht die Rede sein. (vgl VwGH 25.11.2009, 2009/02/0095).

In seiner Entscheidung vom 24. November 2006, 2006/02/0232, hat der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die Entscheidungen 2003/17/0138 bis 0193 vom 22.2.2006 festgehalten, dass eine Nichtübereinstimmung der verordnungsmäßig festgelegten Grenzen der Kurzparkzone mit der tatsächlich durch Vorschriftszeichen kundgemachten Verordnung zur Rechtswidrigkeit der Kundmachung und damit zu einer nicht gehörigen Kundmachung führt.

Die Verkehrszeichen am Passauer Tor und am Linzer Tor waren zum im Straferkenntnis vorgeworfenen Tatzeitpunk einerseits auf Parzellen angebracht, die nicht in der Verordnung über die Parkgebühren im Innenstadtbereich von Schärding enthalten und somit nicht als gebührenpflichtige Kurzparkzone verordnet sind, andererseits befinden sich diese Verkehrszeichen nicht einmal an der Grenze zu den von der Verordnung erfassten Parzellen.

Im Fall des Linzer Tores war das Verkehrszeichen im Zwischenraum des Tores auf der Parzelle Nr 88/18 situiert. Diese Parzelle ist von der ersten - von der Kurzparkzone erfassten -Parzelle mit der Nummer 88/21 durch die Parzelle Nummer .84 getrennt. Das Verkehrszeichen im Linzer Tor ist rund 15 Meter von der Grenze der Parzellen .84 und 88/21 entfernt. Somit bestehen Bedenken an der rechtmäßigen Kundmachung der Verordnung über die Kurzparkzone im Innenstadtbereich von Schärding zum Zeitpunkt 30. April 2014.

Das Verkehrszeichen war an der Gebäudemauer bei der Toreinfahrt zum Passauer Tor auf der Parzelle Nr .3/2 angebracht. Diese Parzelle ist jedoch nicht von der Verordnung über die Kurzparkzone im Innenstadtbereich von Schärding erfasst. Ferner ist das Verkehrszeichen an jener Mauer des Passauer Tors angebracht, die von der ersten von der Kurzparkzone erfassten Parzelle Nr 88/20 am weitesten entfernt ist. Zwischen der Grenze der Parzellen Nr 88720 [gemeint wohl 88/20] und Nr .3/2 und dem Verkehrszeichen liegt ein Abstand von etwa 7 Metern. Somit bestehen Bedenken an der rechtmäßigen Kundmachung der Verordnung über die Kurzparkzone im Innenstadtbereich von Schärding zum Zeitpunkt 30. April 2014."

3.       Die verordnungserlassende Behörde hat die Akten vorgelegt, von der Erstattung einer Äußerung aber Abstand genommen. Auch die Oberösterreichische Landesregierung und die am Verfahren beteiligte Beschwerdeführerin des beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich anhängigen Verfahrens haben von der Erstattung einer Äußerung abgesehen.

IV.      Erwägungen

1.       Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1.     Der Verfassungsgerichtshof vertritt in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung zu Art89 Abs1 B-VG seit VfSlg 20.182/2017 die Auffassung, dass eine "gehörig kundgemachte" generelle Norm – also eine an einen unbestimmten, externen Personenkreis adressierte, verbindliche Anordnung von Staatsorganen – bereits dann vorliegt, wenn eine solche Norm ein Mindestmaß an Publizität und somit rechtliche Existenz erlangt (vgl zB VfSlg 12.382/1990, 16.875/2003, 19.058/2010, 19.072/2010, 19.230/2010 uva.; vgl auch VfGH 18.9.2015, V96/2015, sowie die Rechtsprechung zu nicht ordnungsgemäß kundgemachten Gesetzen VfSlg 16.152/2001, 16.848/2003 und die darin zitierte Vorjudikatur). Es ist nicht notwendig, dass die Kundmachung der Norm in der rechtlich vorgesehenen Weise erfolgt. Demnach haben auch Gerichte gesetzwidrig kundgemachte Verordnungen gemäß Art139 B-VG anzuwenden und diese, wenn sie Bedenken gegen ihre rechtmäßige Kundmachung haben, vor dem Verfassungsgerichtshof anzufechten. Bis zur Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof sind sie für jedermann verbindlich.

1.2.    Die angefochtene Verordnung ist durch – in einem Aktenvermerk festgehaltene – Anbringung der Verkehrszeichen am 21. April 2011 jedenfalls kundgemacht worden, sodass sie mit verbindlicher Wirkung für jedermann zustande gekommen ist.

1.3.    Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.4.    Der Antrag umfasst, soweit er über den – präjudiziellen - §1 Abs1 lita (Verordnung der gebührenpflichtigen Kurzparkzone für den Oberen Stadtplatz und den Unteren Stadtplatz) hinausgeht, Bestimmungen, die in anderen näher bezeichneten Bereichen von Schärding eine gebührenpflichtige Kurzparkzone verordnen und im Anlassfall offenkundig nicht präjudiziell und offenkundig trennbar sind (vgl VfSlg 17.572/2005, 19.939/2014; VfGH 24.11.2016, V18-19/2016; VfSlg 20.199/2017).

1.5.    Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag, soweit er sich auf §1 Abs1 lita der angefochtenen Verordnung bezieht, zulässig. Im Übrigen ist der Antrag jedoch als unzulässig zurückzuweisen.

2.       In der Sache

2.1.    Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2.    Der Antrag ist begründet.

2.3.    Gemäß §25 iVm §44 StVO 1960 sind Kurzparkzonen durch Straßenverkehrszeichen kundzumachen und treten mit deren Anbringung in Kraft.

2.4.    Der Vorschrift des §44 Abs1 StVO 1960 ist immanent, dass die bezüglichen Straßenverkehrszeichen dort angebracht sind, wo der räumliche Geltungs-bereich der Verordnung beginnt und endet. Zwar ist zur Kundmachung von Verkehrsbeschränkungen keine "zentimetergenaue" Aufstellung der Verkehrs-zeichen erforderlich (vgl dazu VwGH 13.2.1985, 85/18/0024; 25.1.2002, 99/02/0014; 10.10.2014, 2013/02/0276), jedoch wird dieser Vorschrift nicht Genüge getan und liegt ein Kundmachungsmangel vor, wenn der Aufstellungsort vom Ort des Beginns bzw Endes des verordneten Geltungsbereiches einer Verkehrsbeschränkung signifikant abweicht (vgl VfSlg 15.749/2000 mwN; zu den in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien vgl VwGH 3.7.1986, 86/02/0038; 16.2.1999, 98/02/0338; 22.2.2006, 2003/17/0138; 24.11.2006, 2006/02/0232; 5.9.2008, 2008/02/0011; 21.11.2008, 2008/02/0231; 25.11.2009, 2009/02/0095; 25.6.2014, 2013/07/0294; vgl auch VfGH 14.3.2018, V114/2017).

2.5.    Wie sich aus dem unwidersprochen gebliebenen Antragsvorbringen des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich ergibt, waren die Verkehrszeichen am Passauer Tor und am Linzer Tor zum im Straferkenntnis vorgeworfenen Tatzeitpunkt einerseits auf Parzellen angebracht, die nicht in der Verordnung über die Parkgebühren im Innenstadtbereich von Schärding enthalten und somit nicht als gebührenpflichtige Kurzparkzone verordnet sind, andererseits befanden sich diese Verkehrszeichen nicht einmal an der Grenze zu den von der Verordnung erfassten Parzellen. Im Fall des Linzer Tores war das Verkehrszeichen im Zwischenraum des Tores auf der Parzelle Nr 88/18 situiert. Diese Parzelle ist von der ersten – von der Kurzparkzone erfassten – Parzelle mit der Nr 88/21 durch die Parzelle Nr .84 getrennt. Das Verkehrszeichen im Linzer Tor ist rund 15 Meter von der Grenze der Parzellen .84 und 88/21 entfernt. Im Falle des Passauer Tores war das Verkehrszeichen an der Gebäudemauer bei der Toreinfahrt zum Passauer Tor auf der Parzelle Nr .3/2 angebracht. Diese Parzelle ist jedoch nicht von der Verordnung über die Kurzparkzone im Innenstadtbereich von Schärding erfasst. Ferner war das Verkehrszeichen an jener Mauer des Passauer Tors angebracht, die von der ersten von der Kurzparkzone erfassten Parzelle Nr 88/20 am weitesten entfernt ist. Zwischen der Grenze der Parzellen Nr 88/20 und Nr .3/2 und dem Verkehrszeichen liegt ein Abstand von etwa 7 Metern.

2.6.     Dies stellt eine signifikante Abweichung dar. Die Nichtübereinstimmung der verordnungsmäßig festgelegten Grenzen der Kurzparkzone mit den tatsächlich kundgemachten Grenzen führt zur Rechtswidrigkeit und zu einer nicht gesetzmäßigen Kundmachung.

2.7.    Ausweislich der vorgelegten Akten wurden am 14. Oktober 2014 die Verkehrszeichen beim Linzer Tor auf die Parzelle Nr 88/1 und beim Passauer Tor auf die Parzelle Nr 88/20 versetzt, weshalb der Verfassungsgerichtshof auszusprechen hat, dass §1 Abs1 lita der Verordnung bis zum 14. Oktober 2014 gesetzwidrig war (vgl VfSlg 5824/1968, 6346/1970 sowie zuletzt VfGH 11.6.2018, V 3/2018).

Auch soweit ein Kundmachungsmangel gegeben ist, ist gemäß Art139 Abs3 Z3 B-VG nicht festzustellen, dass die gesamte Verordnung gesetzwidrig war, weil der Kundmachungsmangel einer Verkehrsbeschränkung keine unmittelbare Auswirkung auf die Verbindlichkeit der anderen, in der Verordnung enthaltenen und kundgemachten Verkehrsbeschränkungen bzw Anordnungen hat (vgl VwGH 21.4.2006, 2005/02/0164 mwN). Der festgestellte Kundmachungsmangel betrifft ausschließlich die – (im Ausgangsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich) präjudiziellen – im Spruch genannten Teile der zitierten Verordnung. Da die unter II.1. wiedergegebene Verordnung u.a. weitere Regelungen über Vorschrifts- und Hinweiszeichen beinhaltet, die auf andere Weise, wie etwa durch anders gestaltete Verkehrszeichen an anderen, näher bezeichneten Orten kundzumachen sind, kommt die Feststellung, dass die ganze Verordnung gemäß Art139 Abs3 Z3 B-VG gesetzwidrig war, im vorliegenden Verfahren nicht in Betracht (vgl VfSlg 19.127/2010, 19.128/2010; siehe auch VfGH 14.3.2018, V114/2017).

V.       Ergebnis

1.       §1 Abs1 lita der Verordnung des Gemeinderates der Stadt Schärding vom 22. März 2011, Verk-5-317-11-Si, war bis zum 14. Oktober 2014 gesetzwidrig.

2.       Im Übrigen ist der Antrag als unzulässig zurückzuweisen.

3.       Die Verpflichtung der Oberösterreichischen Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §4 Abs1 Z2 litb Oberösterreichisches Verlautbarungsgesetz, LGBl 91/2014.

4.       Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Straßenpolizei, Straßenverkehrszeichen, Verordnung Kundmachung, Kurzparkzone, Parkometerabgabe, VfGH / Präjudizialität, VfGH / Prüfungsumfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2019:V24.2018

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2019
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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