Entscheidungsdatum
01.04.2019Index
L40009 Sonstige Polizeivorschriften Wien;Norm
WLSG §2 Abs1 litaText
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Dr. Oppel über die Beschwerde des Herrn B. A., vertreten durch Herrn Mag. C. D., gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien, PK ..., vom 28.09.2018, GZ: ..., wegen Übertretung des § 2 Abs. 1 lit. a Wiener Landessicherheitsgesetz (WLSG),
zu Recht e r k a n n t:
I. Gemäß § 50 VwGVG wird das Straferkenntnis dahingehend abgeändert, dass die Wortfolge „Am Boden sitzend mit einer Krücke die Passanten berührt und Geld gefordert“ durch die Wortfolge „Am Boden sitzend mit einer Krücke versucht, den Fußgängerverkehr zu stoppen und auf sich aufmerksam zu machen, sowie Geld gefordert“ ersetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen und das beschwerdegegenständliche Straferkenntnis bestätigt.
II. Gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG hat der Beschwerdeführer € 20,- als Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu zahlen, das sind 20% der verhängten Strafe.
III. Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Dem Beschwerdeführer wurde im Straferkenntnis angelastet, er habe die Bettelei zur angeführten Tatzeit am angeführten Ort in aufdringlicher Weise ausgeübt. Er habe am Boden sitzend mit einer Krücke die Passanten berührt und Geld gefordert.
Aufgrund der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde am 1.4.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt. In dieser wurde der Meldungsleger zeugenschaftlich einvernommen.
Folgender Sachverhalt steht als erwiesen fest:
Der Beschwerdeführer hat sich zur Tatzeit am Tatort bei einer sehr engen Stelle auf den Gehsteig gesetzt. Es handelte sich dabei um einen sehr frequentierten Platz in der Nähe einer Bankfiliale (...), einer Konditorei (...) und einer nahen Straßenbahnhaltestelle. Der Beschwerdeführer hat sich dabei so gesetzt, dass er etwa dreiviertel der Breite des Gehsteiges teils durch Ausstrecken der Beine und teils durch Einsatz seiner Krücke als Verlängerung in Anspruch genommen hat. Darüber hinaus hat er seine Krücke teils dadurch, dass er mit ihr auf den Boden geklopft hat, und teils dadurch, dass er versucht hat, mit ihr Passanten zu berühren, dazu verwendet, um auf sich aufmerksam zu machen.
Nicht erwiesen ist, dass der Beschwerdeführer Passanten auch tatsächlich mit seiner Krücke berührt hat.
Der Beschwerdeführer ist mehrfach verwaltungsstrafrechtlich vorbestraft. Die verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen sind auf den Seiten 35 und 36 des Behördenaktes dokumentiert. Rund elf verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen sind insoweit einschlägig, als sie den Tatvorwurf der Bettelei betreffen. Die anderen Vormerkungen betreffen jeweils Übertretungen des § 78 lit. c StVO.
Bei der Beweiswürdigung wurde erwogen:
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen beruhen auf der Aktenlage, dem Vorbringen des Beschwerdeführers und der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten zeugenschaftlichen Einvernahme des Meldungslegers.
Die zeugenschaftlichen Angaben des Meldungslegers erschienen nachvollziehbar und glaubwürdig. In diesem Zusammenhang ist besonders hervorzuheben, dass der Meldungsleger durchgehend etwaige Einschätzungen als solche offengelegt und konkrete Wahrnehmungen als Grundlage für etwaige Einschätzungen abgegeben hat.
Das Verwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Wiener Landes-Sicherheitsgesetz begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe bis zu € 700, im Falle der Uneinbringlichkeit mit einer Ersatzfreiheitsstrafe bis zu einer Woche, zu bestrafen, wer in aufdringlicher oder aggressiver oder gewerbsmäßiger Weise oder als Beteiligter an einer organisierten Gruppe um Geld oder geldwerte Sachen bettelt.
Gemäß § 44a Z 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, unter anderem die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.
Nach der Judikatur des VwGH darf das Verwaltungsgericht über den zu skizzierten Tatvorwurf nicht hinausgehen und nicht die von der Erstbehörde angenommene Tat auswechseln (VwGH 5.11.2014, Ra 2014/09/0018, und andere).
Der Beschwerdeführer führt in seiner Beschwerde aus, er habe zur Überbrückung einer individuellen Notlage gebettelt. Dieses Vorbringen stellt offenkundig darauf ab, darzulegen, dass der Beschwerdeführer die Bettelei nicht in gewerbsmäßiger Weise ausübe.
Dazu hat das Verwaltungsgericht erwogen, dass die Landespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer im Strafverfahren überhaupt nicht angelastet hat, die Bettelei in gewerbsmäßiger Weise auszuüben. Dem Beschwerdeführer angelastet wurde lediglich, die Bettelei in aufdringlicher Weise ausgeübt zu haben.
Im Hinblick auf die diesbezüglich eindeutige Judikatur des VwGH (VwGH 5.11.2014, Ra 2014/09/0018 und andere) darf das Verwaltungsgericht nicht über den in der Tatanlastung skizzierten Tatvorwurf hinausgehen. Es hat daher dahingestellt zu bleiben, ob der Beschwerdeführer die Bettelei gewerbsmäßig ausgeübt hat oder nicht.
Der Beschwerdeführer bestreitet in seinem Beschwerdevorbringen weiters, dass er die Bettelei in aufdringlicher Weise ausgeübt habe. Er habe im Sitzen an die Wand gelehnt gebettelt und dabei niemanden belästigt. Er habe niemanden mit einer Krücke berührt.
Dazu ist zunächst auszuführen, dass nicht erwiesen ist, dass der Beschwerdeführer Passanten mit seiner Krücke berührt hätte. Der Meldungsleger hat in seiner Anzeige angegeben, dass der Beschwerdeführer versucht habe, Passanten mit seiner Krücke zu berühren. Anlässlich seiner Zeugeneinvernahme hat der Meldungsleger angegeben, dass der Beschwerdeführer die Krücke dazu benutzt habe, den Fußgängerverkehr zu stoppen und auf sich aufmerksam zu machen. Dabei sei es auch zu Berührungen von Passanten gekommen. Diese Aussage ist relativ allgemein, sodass aus ihr nicht abgeleitet werden kann, dass der Beschwerdeführer zur angelasteten Zeit am angelasteten Tatort Passanten mit seiner Krücke berührt habe.
Ob die Bettelei durch den Beschwerdeführer in aufdringlicher Weise erfolgt ist, ist jedoch in maßgeblicher Weise auch eine Wertungsfrage. Offenkundig hat der Beschwerdeführer die Art und Weise, wie er die Bettelei ausgeübt hat, nicht als „aufdringlich“ gewertet. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien erfüllt die Art und Weise, wie der Beschwerdeführer die Bettelei ausgeübt hat und wie dies oben bei den Sachverhaltsfeststellungen festgestellt wurde, sehr wohl den Tatbestand der Ausübung „in aufdringlicher Weise“. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien genügt es für die Ausübung der Bettelei „in aufdringlicher Weise“ sehr wohl, wenn sich der Beschwerdeführer auf einem stark frequentierten Gehsteig an einer engen Stelle so hingesetzt hat, dass er durch das Ausstrecken der Beine und mit Hilfe der Krücke als Verlängerung rund dreiviertel der Breite des Gehsteiges in Anspruch genommen und mit seiner Krücke versucht hat, Passanten zum Stehen Bleiben zu bewegen und auf sich aufmerksam zu machen.
Nach der Judikatur des VwGH (VwGH 28.2.2003, 2000/02/0222) handelt es sich bei der Streichung eines im Beschwerdefall unnötigen Spruchpunktes keine Änderung des Straferkenntnisses im Sinne des § 52 Abs. 8 VwGVG. Im Sinne dieser Judikatur ist auch die Abänderung eines solchen Spruchpunktes nicht als Änderung des Straferkenntnisses zu werten. Eine solche Änderung ist daher zulässig. Da die als erwiesen angenommene Tat mit der Rechtskraft des Straferkenntnisses Bindungswirkung entfaltet, ist es jedoch nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes Wien dennoch erforderlich, derartige Spruchteile gegebenenfalls richtigzustellen, bevor sie Bindungswirkung entfalten können. Eine solche Richtigstellung ist gegenständlich insoweit erforderlich, als der Beschwerdeführer, wie er auch geltend gemacht hat, die Passanten nicht mit seiner Krücke berührt hat, sondern mit seiner Krücke lediglich versucht hat, den Fußgängerverkehr zu stoppen und auf sich aufmerksam zu machen. Das Straferkenntnis war daher in diesem Punkt spruchgemäß richtigzustellen.
Der Beschwerdeführer macht weiters geltend, die Behinderung des Fußgängerverkehrs sei ihm bereits als Verstoß gegen § 78 StVO angelastet worden. Wenn ihm dieselbe Behinderung des Fußgängerverkehrs nun noch einmal als Bettelei in aufdringlicher Weise angelastet werde, so verstoße das gegen das Verbot der Doppelbestrafung.
Das Verwaltungsgericht hat dazu erwogen, dass § 78 StVO und § 2 Abs. 1 lit. a Wiener Landes-Sicherheitsgesetz unterschiedliche Rechtsgüter schützen. Wenn der Beschwerdeführer bei Ausübung seiner Bettelei den Fußgängerverkehr behindert hat, um dadurch auf sich aufmerksam zu machen, so ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes das etwaige Vorliegen einer Doppelbestrafung nicht ersichtlich. Dasselbe Verhalten, das gegebenenfalls nach der StVO verwaltungsstrafrechtlich zu ahnden ist, kann daher im Zusammenhang mit der Ausübung von Bettelei zugleich das Tatbestandselement der Aufdringlichkeit erfüllen.
Zur Strafbemessung ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer zahlreiche verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen wegen Ausübung der Bettelei hat. Ob diesen Vormerkungen der Vorwurf der Ausübung der Bettelei in aufdringlicher Weise oder in einer anderen Begehungsform des § 2 Abs. 1 lit. a Wiener Landessicherheitsgesetz zugrunde liegt, ist aus den Vormerkungen nicht ersichtlich. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes ist dieses Detail der verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen jedoch nicht notwendig, um die bestehenden Verwaltungsvorstrafen wegen Bettelei als Erschwerungsgründe zu werten. Es steht daher bindend fest, dass der Beschwerdeführer bereits früher wiederholt die Bettelei ausgeübt hat, und zwar entweder in aufdringlicher oder in gewerbsmäßiger oder in sonstiger gemäß § 2 Abs. 1 lit. a Wiener Landessicherheitsgesetz strafbaren Weise.
Die Verwaltungsvorstrafen des Beschwerdeführers wegen Ausübung der Bettelei wurden nur in einem bereits länger zurückliegenden Fall (Erstbegehung) mit Geldstrafe von € 50 geahndet und in der Folge durchgehend mit Strafbeträgen von zumindest jeweils € 100, zum Teil auch mit Strafbeträgen von € 150, € 200 und sogar € 300.
Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes stehen die zahlreichen verwaltungsstrafrechtlichen Vorstrafen des Beschwerdeführers wegen Ausübung der Bettelei und die mit Ausnahme der Ersttat jeweils erfolgte Strafbemessung mit zumindest € 100 der nunmehrigen Herabsetzung der Strafhöhe auf ein Maß unterhalb der Vorstrafen dann entgegen, wenn dies nicht ausnahmsweise durch besondere Milderungsgründe gerechtfertigt ist. Solche besonderen Milderungsgründe sind im Beschwerdeverfahren jedoch nicht zutage getreten und konnten trotz umfangreicher Sachverhaltsermittlung (eingehende Befragung des Meldungslegers als Zeugen in der mündlichen Verhandlung) nicht festgestellt werden. Das durchgeführte Beweisverfahren hat vielmehr ergeben, dass der Beschwerdeführer die Tat insoweit in besonders hartnäckiger Weise ausgeübt hat, als er trotz zahlreicher vorangegangener Betretungen und Beanstandungen von der Tatbegehung nicht abgehalten werden konnte und an einer Engstelle eines stark frequentierten Gehsteiges etwa dreiviertel der Breite des Gehsteiges in Anspruch genommen und im Rahmen seiner Bettelei den Fußgängerverkehr zu stoppen versucht und dadurch behindert hat. Aufgrund dieser Tatmodalitäten und verwaltungsstrafrechtlichen Vormerkungen war es nicht möglich, die verhängte Strafe (Geldstrafe sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafe) herabzusetzen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens ist auszuführen, dass das Verwaltungsgericht Wien gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG verpflichtet ist, in jedem Erkenntnis, in dem ein Straferkenntnis bestätigt wird, auszusprechen, dass der Bestrafte einen Beitrag in Höhe von 20 % der verhängten Strafe als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens zu leisten hat. Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer jedoch dann nicht aufzulegen, wenn der Beschwerde auch nur teilweise Folge gegeben worden ist. Die Streichung eines im Beschwerdefall unnötigen Spruchpunktes stellt jedoch nach der Rechtsprechung des VwGH (VwGH 28.2.2003, 2000/02/0222) keine Änderung des Straferkenntnisses im Sinne des § 52 Abs. 8 VwGVG dar. Die spruchgemäß erfolgte Richtigstellung dahingehend, dass der Beschwerdeführer die Passanten mit seiner Krücke nicht berührt, sondern lediglich versucht hat, die Passanten mit seiner Krücke zu stoppen und auf sich aufmerksam zu machen, stellt daher keine teilweise Stattgebung der Beschwerde im Sinne des § 52 Abs. 8 VwGVG dar. Dem Beschwerdeführer waren daher die Kosten des Beschwerdeverfahrens spruchgemäß aufzuerlegen.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Bettelei; aufdringlich; Tatvorwurf; Beschwerdegegenstand; Spruch; Richtigstellung; Doppelbestrafung; Schutzzweck; StrafbemessungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.031.077.15838.2018Zuletzt aktualisiert am
08.05.2019