TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/30 VGW-151/016/15915/2018

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.04.2019
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Entscheidungsdatum

30.04.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht
19/05 Menschenrechte

Norm

NAG §11 Abs1 Z5
NAG §11 Abs2 Z4
NAG §11 Abs3
NAG §11 Abs5
NAG §64 Abs1 Z1
EMRK Art. 8

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter MMag. Dr. Böhm-Gratzl über die Beschwerde der A. B., geb. am ...1997, georgische Staatsangehörige, p.A. C.-straße, Wien, vertreten durch Rechtsanwalt, vom 24.11.2018 gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 14.11.2018, Zl. ..., mit welchem der Antrag der Beschwerdeführerin vom 6.9.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Student“ gemäß § 64 Abs. 1 des Bundesgesetzes über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich – NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 56/2018 abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 16.4.2019 durch mündliche Verkündung

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und wird der angefochtene Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass die in seinem Spruch zitierte Rechtsgrundlage wie folgt zu lauten hat: „§ 11 Abs. 1 Z 5 und § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 145/2017

II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 35, vom 14.11.2018 wurde der Erstantrag der Beschwerdeführerin vom 6.9.2018 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Student“ – zusammengefasst – mit der Begründung abgewiesen, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne.

Hiegegen richtet sich die form- und fristgerecht erhobene Beschwerde der – anwaltlich vertretenen – Beschwerdeführerin vom 24.11.2018, in welcher – mit näherer Begründung – die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels begehrt wird.

Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte den bezughabenden Verwaltungsakt dem erkennenden Gericht (einlangend am 30.11.2018) vor.

Mit Verfügung des Präsidenten des Verwaltungsgerichtes Wien vom 20.12.2018 wurde die gegenständliche Rechtsache der Gerichtsabteilung 062 abgenommen und in weiterer Folge an die Gerichtsabteilung 016 übertragen.

Das Verwaltungsgericht Wien führte sodann in gegenständlicher Rechtsache am 16.4.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, zu welcher die Beschwerdeführerin und deren Rechtsvertretung erschienen sind, während die belangte Behörde begründungslos keinen Vertreter entsandte. Zur Vernehmung der Beschwerdeführerin wurde eine nicht-amtliche Dolmetscherin für die georgische Sprache beigezogen. Das bezughabende Verhandlungsprotokoll stellt sich – auszugsweise – wie folgt dar:

„Der BfV bringt vor:

Das Geld auf dem Konto der Bf gehört ihr und stammt aus einen Wohnungsverkauf im Sommer 2018. Die Mutter der Bf ist selbstständig tätig und hat kein Einkommen. Ich korrigiere, dass die Mutter der Bf ihr Einkommen aus steuerlichen Gründen so gering wie möglich hält.

Es wird vom Verhandlungsleiter festgestellt, dass eine Kommunikation mit der Bf in deutscher Sprache nicht möglich ist.

Die Beschwerdeführerin gibt zu Protokoll:

Ich beabsichtige in Österreich D. zu studieren. Ich habe zuvor E. studiert, habe mich in dieser Richtung jedoch eingeengt gefühlt und möchte mehr aus mir machen, weswegen ich das genannte Studium absolvieren möchte. Ich habe in Österreich eine Bezugsperson und möchte deshalb hier studieren. Das Studium, welches ich gewählt habe, wird in englischer Sprache unterrichtet.

Ich habe mich das erste Mal im April 2018 in Österreich aufgehalten. Ich wollte mich damals bezüglich meines Studiums informieren und die Universität ansehen. Zu dem Zeitpunkt war ich mit dem Studium in Georgien noch nicht fertig, weswegen ich noch nicht in Österreich geblieben bin. Ich korrigiere auf Vorhalt, dass dieser Aufenthalt im April 2017 war. Ich habe mich sodann von Ende Februar 2018 bis Mitte März 2018 wieder in Österreich aufgehalten, weil ich für die Aufnahmeprüfung an der Universität ein Portfolio abgeben musste. Anfang September 2018 war in Österreich um bei der MA 35 meine Dokumente einzureichen. Ich wusste nicht, dass ich meine Dokumente auch bei der österreichischen Botschaft in Georgien abgeben kann. Ich bin am 28.9.2018 wieder nach Österreich eingereist, habe mit dem Studium begonnen und habe mich bis 20.12.2018 im Inland aufgehalten. Befragt, warum sie erst am 20.12.2018 aus Österreich ausgereist ist: Vielleicht gab es am 19.12.2018 keinen Flug oder ich war falsch informiert. Auf Vorhalt des Beschwerdeschriftsatzes: Es gab keinen Flug, deshalb bin ich am 20.12.2018 ausgereist. Soweit, dass es auch vor dem 19.12.2018 Flüge gegeben hätte, habe ich nicht gedacht. Abgesehen von den genannten Aufenthalten in Österreich habe ich mich stets in Georgien aufgehalten. Ich habe dort von meiner Geburt an gelebt. In Georgien leben meine Eltern, mein Bruder, meine Großeltern, 1 Tante sowie Cousins und Cousinen. Ich wohne in Georgien in einem gemeinsamen Haushalt mit meinen Eltern. In Österreich lebt die Cousine meines Vaters. Bei dieser Tante handelt es sich um Frau F. G.. Ich habe die Genannte während meine Studiums in Georgien kennengelernt und habe ich auch schon früher drei Mal pro Woche telefonischen Kontakt zu ihr gehabt, wenn ich mich in Georgien aufgehalten habe. Ich habe die Genannte vor 6 Jahren in Georgien kennengelernt. Wenn ich mich in Österreich aufhalte wohne ich in deren Haushalt. Dort wohnt auch ihr Ehemann.

Auf Nachfrage des VL gibt der BfV bekannt, ich halte mich zwar öfter in der Wohnung in der C.-straße auf, wohne aber eigentlich in der H.-gasse.

Bf gibt zu Protokoll:

Sollte ich einen Aufenthaltstitel für Österreich erhalten beabsichtige ich vorläufig in der Wohnung in der C.-straße zu wohnen. Ich habe keine andere Unterkunft in Aussicht.

Ich habe in Österreich Freunde die ich von der Universität kenne. Außer dem hier Gesagten habe ich keine Bindungen zu Österreich.

Ich bin in Georgien aktuell nicht berufstätig. Während meines Studiums in Georgien habe ich als Kellnerin gearbeitet. Ich finanziere meinen Lebensunterhalt in Georgien durch Unterstützung meiner Eltern. Meine Ersparnisse liegen auf meinem Konto bei der … Bank. Ich werde meinen Lebensunterhalt in Österreich durch die Unterstützung meiner Eltern finanzieren und möchte parallel zu meinem Studium in Österreich arbeiten. Die Höhe der Unterstützung durch meine Eltern kann ich so genau nicht angeben. Sie werden mir so viel Geld schicken, wie ich brauche. Mein Vater ist ...lehrer, arbeitet jedoch derzeit nicht. Meine Mutter als Künstlerin selbstständig tätig.

Befragt nach der Einzahlung vom 12.3.2018: Meine Mutter hat mir das Geld gegeben.

Befragt nach der Abhebung vom 13.3.2018: Ich musste nach Georgien zurückreisen da ich keinen Aufenthaltsstatus in Österreich hatte und habe mir gedacht, ich nehme das Geld lieber mit. Meine Mutter hatte mir die 6200 Euro für das Studium gegeben. Ich war damals nicht so genau informiert. Ich war mir nicht sicher ob ich den Aufenthaltstitel bekomme.

Auf Vorhalt, dass die Einreise am 25.2.2018, die Einzahlung jedoch erst am 12.3.2018 erfolgt ist: ich habe mich informieren müssen, bei welcher Bank ich das Geld einzahle. Frau G. hat mir dann die … Bank genannt.

Auf Vorhalt, dass am 13.3.2018 eine erste Antragstellung erfolgt ist: Ich habe das Geld nicht deswegen eingezahlt, sondern weil die Universität das so wollte.

Auf Vorhalt: Die Universität hat die Einzahlung nicht von mir verlangt, sondern war das meine Entscheidung weil ich wieder nach Georgien fahren wollte. Ich kann zu der Einzahlung vom 12.3.2018 keine weitere Erklärung abgeben.

Befragt nach der Einzahlung vom 29.8.2018: Das Geld hat meine Mutter von meinem Vater bekommen und auf mein Konto überwiesen. Mein Vater verfügt über kein Konto. Mein Vater hatte das Geld aus dem Verkauf einer Wohnung in I..

Befragt nach der Überweisung vom 26.11.2018: Meine Mutter hat eine Galerie. Die Überweisung stammte aus ihrem Einkommen. Ich weiß nicht, wie viel meine Mutter durchschnittlich pro Monat verdient.

Abgesehen von dem Geld auf meinem Konto habe ich persönlich keine Vermögenswerte. Ich habe bei niemanden Schulden. Ich habe keine Kreditschulden.

Befragt ob Studiengebühren zu entrichten sind: ich zahle pro Semester einen Beitrag von 19.70 Euro. Hierzu wird ein Erlagschein in Vorlage gebracht, welcher als Beilage E./ zum Protokoll genommen wird.

Für die Unterkunft in der C.-straße zahle ich derzeit gar nichts. Ich denke, ich werde auch in Zukunft nichts zahlen müssen.

Der BfV gibt an: Die Wohnung wird durch meine Gattin und deren Bruder finanziert. Meine Gattin möchte die Bf dort unentgeltlich wohnen lassen. Befragt nach dem Schreiben vom 3.9.2018 und der darin genannten Befristung des Wohnrechts der Bf bis 31.12.2019: Diese Befristung wird verlängert werden.

Keine Fragen des BfV.

In seinen Schlussausführungen gibt der BFV an:

Die Herkunft der Geldmittel der Bf ist geklärt. Die Bf hat sich im Wesentlichen an die Zeiten des visumfreien Aufenthalts gehalten. Sie möchte ihr Studium zügig abschließen und ersucht daher um Erteilung des Aufenthaltstitels.“

(Unkorrigiertes Originalzitat)

Das Erkenntnis in gegenständlicher Rechtsache wurde unmittelbar im Anschluss an die Verhandlung samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet.

Mit Schriftsatz vom 29.4.2019 begehrte der anwaltliche Vertreter der Beschwerdeführerin die schriftliche Ausfertigung der mündlich verkündeten Entscheidung, welche hiemit ergeht.

Das Verwaltungsgericht Wien stellt den folgenden – entscheidungserheblichen – Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin, eine am ...1997 geborene georgische Staatsangehörige und im Besitz eines bis zum 15.8.2027 gültigen georgischen Reisepasses, brachte am 6.9.2018 persönlich bei der belangten Behörde einen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Student“ ein. Sie ist an der Universität ... im Bachelorstudium „D.“ inskribiert.

Die Beschwerdeführerin hielt sich in folgenden Zeiträumen im Bundesgebiet auf: Von 1.9.2018 bis 7.9.2018 sowie von 28.9.2018 bis 20.12.2018.

Die Beschwerdeführerin verfügt einzig über ein Konto bei der … Bank AG. Der aktuelle Kontostand beläuft sich auf EUR 7.495,76.

Die Beschwerdeführerin hat EUR 59,57 monatlich für ihre Selbstversicherung im Rahmen der Allgemeinen Sozialversicherung und EUR 746,42 als Studienbeitrag pro Semester zu leisten.

Die Beschwerdeführerin hatte bislang keinen Aufenthaltstitel für Österreich inne. In Österreich leben die Cousine ihres Vaters und Bekannte von der Universität. Die Beschwerdeführerin hat keine Kenntnisse der deutschen Sprache nachgewiesen. Eine Verständigung mit ihr in deutscher Sprache ist nicht möglich. In Georgien leben ihre Eltern, ihr Bruder und weitere nahe Verwandte. Mit ihren Eltern lebt die Beschwerdeführerin in Georgien in einem gemeinsamen Haushalt. Die Mutter der Beschwerdeführerin ist selbständig tätige Künstlerin; der Vater der Beschwerdeführerin ist ohne Beschäftigung. Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten. Es sind keine Verfahrensverzögerungen ersichtlich.

Zur Beweiswürdigung:

Die obigen Feststellungen gründen sich auf dem vorliegenden Akteninhalt und den Ergebnissen der Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien.

Die Aufenthalte der Beschwerdeführerin im österreichischen Bundesgebiet waren auf Grund ihres Reisepasses festzustellen (Beilage ./B zum Verhandlungsprotokoll). Die Angabe zum aktuellen Kontostand gründet sich auf einem Kontoauszug vom 15.4.2019 (Beilage ./C zum Verhandlungsprotokoll). Die Feststellungen zu den laufenden finanziellen Aufwendungen der Beschwerdeführerin entstammen den Ergebnissen einer hg. durchgeführten Internet-Recherche auf den Seiten der Wiener Gebietskrankenkasse sowie der Universität .... Die Ausführungen zum Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin gründen sich auf deren Aussagen in der Verhandlung vom 16.4.2019 und erscheinen diese glaubhaft.

Der entscheidungserhebliche Sachverhalt steht damit fest.

Das Verwaltungsgericht Wien hat hiezu erwogen:

Die Beschwerdeführerin beantragt die Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „Student“ und hat hiefür gemäß § 64 Abs. 1 Z 1 NAG die Voraussetzungen des 1. Teiles des NAG – mit Ausnahme des § 11 Abs. 2 Z 2 leg. cit. – zu erfüllen.

Gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 NAG darf einem Fremden ein Aufenthaltstitel nicht erteilt werden, wenn eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 leg. cit. vorliegt.

Zweck des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG ist zu verhindern, dass Fremde ihren Aufenthalt im Bundesgebiet durch eine Antragstellung nach dem NAG über den sichtvermerkfreien Zeitraum hinaus ohne Vorliegen eines Aufenthaltstitels ausdehnen. Das Verfahren ist nach rechtmäßiger Antragstellung im Inland und Ablauf des sichtvermerkfreien Zeitraumes im Ausland abzuwarten (vgl. zB VwGH 22.2.2018, Ra 2017/22/0154; 22.3.2018, Ra 2017/22/0177).

Ein Zuwiderhandeln gegen diese Bestimmung steht der Erteilung des begehrten Aufenthaltstitels grundsätzlich entgegen, auch wenn zwischenzeitlich eine Ausreise erfolgt ist (vgl. hiezu etwa VwGH 22.2.2018, Ra 2017/22/0154; 22.3.2018, Ra 2017/22/0177).

Der Beschwerdeführerin war der visumfreie Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Art. 20 Abs. 1 SDÜ bis zum 19.12.2018 erlaubt. Sie ist aber erst am 20.12.2018 aus Österreich ausgereist, womit das Erteilungshindernis des § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklicht wurde.

Gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG darf der Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen. Der Aufenthalt eines Fremden führt dann zu keiner solchen Belastung, wenn der Fremde feste und regelmäßige eigene Einkünfte hat, die ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach den Richtsätzen gemäß § 293 ASVG entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen.

Der Verwaltungsgerichtshof judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass der nach diesen Bestimmungen zu fordernde Unterhalt für die beabsichtigte Dauer des Aufenthaltes des Fremden gesichert sein muss und diese Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen dürfen (vgl. zB VwGH 31.5.2011, 2008/22/0709).

Bei der Prüfung, ob ausreichende Unterhaltsmittel zur Verfügung stehen, ist eine Prognose über die Erzielbarkeit ausreichender Mittel zu treffen (vgl. hiezu etwa VwGH 23.11.2017, Ra 2017/22/0144, mwN).

Da die Situation eines Fremden, der zu studieren beabsichtigt, derjenigen eines Waisenpensionsberechtigten im Sinne des § 293 Abs. 1 lit. c ASVG entspricht, ist für ihn der dort normierte Richtsatz, und zwar jener für Vollwaisen maßgeblich (vgl. zB VwGH 22.3.2018, Ra 2017/22/0177).

Ausgehend davon hat die Beschwerdeführerin ihr zur Verfügung stehende finanzielle Mittel von monatlich EUR 699,27 bzw. jährlich EUR 8.391,28 nachzuweisen (= EUR 515,30 [ASVG-Richtsatz bis zur Vollendung des 24. Lebensjahres] + 59,57 [Selbstversicherung] + 124,40 [Studienbeitrag auf ein Monat gerechnet]).

Die geltend gemachten regelmäßigen Aufwendungen erreichen nicht den Wert der sog. „freien Station“ gemäß § 292 Abs. 3 zweiter Satz ASVG.

Die Beschwerdeführerin verfügt über ein Kontoguthaben iHv EUR 7.495,76 und entspricht dies monatlich zur Verfügung stehenden Mitteln iHv EUR 624,65. Die Beschwerdeführerin hat kein sonstiges finanzielles Vermögen nachgewiesen.

Der gesetzlich geforderte Referenzbetrag wird damit nicht erreicht. Die Herkunft der geltend gemachten finanziellen Mittel kann somit dahinstehen.

Ausgehend von den Angaben zur Erwerbstätigkeit ihrer Eltern ist auch nicht zu erwarten, dass sich die finanzielle Situation der Beschwerdeführerin in absehbarer Zeit verbessern wird. Weiters ist der Beschwerdeführerin kein Nachweis gelungen, dass sie trotz Unterschreitung des Referenzbetrages über die notwendigen finanziellen Mittel für ihren Unterhalt und für ihre Rückreise verfügen würde. Vielmehr ist aus hg. Sicht zu erwarten, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland pro futuro nicht ohne Inanspruchnahme des Sozialhilfesystems einhergehen wird.

Die Erteilungsvoraussetzung des § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG wird demnach nicht erfüllt

Im vorliegenden Fall sind sohin mehrere Erteilungsvoraussetzungen nicht gegeben. Bei Ermangelung dieser Voraussetzungen kann der begehrte Aufenthaltstitel gemäß § 11 Abs. 3 NAG dennoch erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des Fremden im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Dabei bietet das Gesetz eine demonstrative Aufzählung jener Kriterien, die bei der hier vorzunehmenden Abwägungsentscheidung zu berücksichtigen sind (vgl. Abs. 3 Z 1 ff. par. cit.). Dem Fremden wiederum obliegt es, integrationsbegründende Umstände, denen maßgebliche Bedeutung zukommen könnte, initiativ geltend zu machen (vgl. etwa VwGH 22.1.2014, 2012/22/0245).

Die Beschwerdeführerin hatte bislang keinen Aufenthaltstitel für Österreich inne. Sie hat die Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes – wenngleich nur für einen Tag – überschritten, worin ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu erblicken ist. In Österreich lebt die Cousine des Vaters der Beschwerdeführerin und wohnt die Beschwerdeführerin während ihrer Inlandsaufenthalte mit jener in einem Haushalt. Dieses Privatleben entstand jedoch zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Beschwerdeführerin ihres unsicheren Aufenthaltsstatus in Österreich bewusst war. Die Beschwerdeführerin hat keine Kenntnisse der deutschen Sprache nachgewiesen. Eine Verständigung mit ihr in deutscher Sprache ist nicht möglich. In Georgien leben ihre engsten Familienangehörigen und wohnt sie dort mit ihren Eltern in einem Haushalt, womit starke Bindungen zu ihrem Heimatstaat vorhanden sind. Die Beschwerdeführerin ist strafgerichtlich unbescholten. Die Dauer des Niederlassungsverfahrens der Beschwerdeführerin ist nicht auf behördliche Verzögerungen zurückzuführen. Sonstige integrationsbegründende Umstände wurden nicht vorgebracht.

Im Lichte dessen überwiegt im konkreten Fall das öffentliche Interesse an der Versagung des begehrten Aufenthaltstitels dem Interesse der Beschwerdeführerin an der Erteilung desselben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Revisionsausspruch:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (obzitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche, über den konkreten Einzelfall hinausgehende Bedeutung der hier zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal auch die Gesetzeslage eindeutig ist (vgl. etwa VwGH 28.5.2014, Ro 2014/07/0053; 3.7.2015, Ra 2015/03/0041). Zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist der Verwaltungsgerichtshof im Allgemeinen nicht berufen (vgl. VwGH 24.3.2014, Ro 2014/01/0011; 28.4.2015, Ra 2014/19/0177).

Schlagworte

Aufenthaltstitel „Student“; allgemeine Erteilungsvoraussetzungen; visumsfreier Aufenthalt; Überschreitung; finanzielle Belastung einer Gebietskörperschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.016.15915.2018

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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