Entscheidungsdatum
02.05.2019Norm
MSG Vlbg 2010 §8 Abs3Text
Im Namen der Republik!
Erkenntnis
Das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg hat durch sein Mitglied Mag. Pathy über die Beschwerde der E D, H, vertreten durch RA Dr. Ursula Leissing, Bregenz, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft B vom 24.07.2018 betreffend Ablehnung der Mindestsicherung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:
Gemäß § 28 Abs 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) wird der Beschwerde keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt.
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig.
Begründung
Angefochtener Bescheid; Gegenstand des Verfahrens
1. Die Beschwerdeführerin lebt in einer betreuten Wohngemeinschaft. Sie hat Mindestsicherung zur Übernahme der Unterbringungs- und Verpflegskosten beantragt.
Im angefochtenen Bescheid hat die Bezirkshauptmannschaft diesen Antrag mangels finanzieller Hilfsbedürftigkeit abgewiesen. Die Ablehnung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Beschwerdeführerin Ersparnisse von ca. 100.000 Euro habe.
2. Das Verbot des Pflegeregresses, also das Verbot, im Rahmen der Sozialhilfe auf das Vermögen zuzugreifen, gilt nur bei Personen, die in einer „stationären Pflegeeinrichtung“ aufgenommen sind.
In diesem Verfahren geht es daher um die Frage, ob eine betreute Wohngemeinschaft eine stationäre Pflegeeinrichtung im Sinne des § 330a ASVG ist. In diesem Fall hätte die Bezirkshauptmannschaft die Ersparnisse nicht berücksichtigen dürfen und Mindestsicherung gewähren müssen.
Beschwerde
3. Gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig Beschwerde erhoben. Sie lautet auszugsweise wie folgt (ohne Unterstreichungen oder Hervorhebungen):
„[…]
Beschwerdegründe:
Der angefochtene Bescheid ist mit Rechtswidrigkeit des Inhalts belastet.
Gemäß § 330a ASVG ist ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehöriger, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/innen im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig. Dies ist eine Verfassungsbestimmung und geht somit allfälligen divergierenden einfachgesetzlichen Bestimmungen vor.
Ein Rückgriff auf das Vermögen der Betroffenen ist aufgrund des Verbotes des Pflegeregresses gemäß § 330a ASVG nicht zulässig. Allfällige dem widersprechende einfachgesetzliche Regelungen im Mindestsicherungsgesetz bzw der Mindestsicherungsverordnung sind nicht anzuwenden. Ohne Berücksichtigung des Vermögens der E D liegen die Voraussetzungen zur Gewährung der Mindestsicherung gemäß Mindestsicherungsgesetz und Mindestsicherungsverordnung vor.
Dem Wortlaut der vorerwähnten Verfassungsbestimmung in § 330a ASVG ist die einschränkende Auslegung laut dem angefochtenen Bescheid der BH B, wonach das Verbot des Pflegeregresses nur Pflegeheime im Sinne des Pflegeheimgesetzes betreffe, nicht richtig. Gesetze sind nach dem Wortlaut auszulegen.
Im Übrigen sind Pflegeheime im Sinne des Pflegeheimgesetzes (§ 2) ‚entgeltlich geführte stationäre Einrichtungen für ältere Menschen, die der Pflege bedürfen‘. Dazu gehören neben Pflegeheimen auch Pflegestationen in Altenwohnheimen und andere stationäre Pflegeeinrichtungen für Tages- oder Nachtbetreuung. Das betreute Wohnheim gewährt Pflege sowie Tages- und Nachtbetreuung, sodass es gemäß der Begriffsbestimmung des Pflegeheimgesetzes auch unter dieses fällt.
Das Pflegeheim des Sozialzentrums J ist aber jedenfalls ein Pflegeheim im Sinne von § 330a ASVG, sodass der Rückgriff auf das Vermögen der Betroffenen unzulässig ist. Es würde auch eine unzulässige Ungleichbehandlung darstellen, wenn bei der Einschätzung bezüglich des Geltungsbereiches des Pflegeregresses unterschieden würde, welches Pflegeausmaß notwendig ist und wo dieses gewährt wird.
[…]“.
Die Beschwerdeführerin hat beantragt, den angefochtenen Bescheid abzuändern und Mindestsicherung zur Übernahme der Unterkunfts- und Verpflegskosten zu gewähren.
Sachverhalt
4. Das Sozialzentrum (Pflegeheim) J betreibt eine betreute Wohngemeinschaft. Diese Wohngemeinschaft ist ein Angebot für ältere Menschen, die aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen nicht mehr allein wohnen können oder wollen, jedoch nicht die umfassenden Leistungen eines Pflegeheimes benötigen.
In der betreuten Wohngemeinschaft gibt es zwölf Zimmer, somit können zwölf Personen aufgenommen und betreut werden. Die betreute Wohngruppe ist räumlich vom Sozialzentrum getrennt. In Form eines Anbaues besteht die Möglichkeit eines Durchganges zum Haupthaus.
In der betreuten Wohngemeinschaft sind 6 Mitarbeiterinnen tätig (3,5 Vollzeitäquivalente): 1 Diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester (DGKP), 1 Pflegeassistenz (PA), 3 Heimhelfer (HH) und 1 Hilfskraft.
5. In die betreute Wohngemeinschaft werden lediglich Personen aufgenommen, deren Pflegegeldeinstufung nicht über der Stufe 3 liegt (Pflegegeldstufen 1 bis 3).
Die Bewohner dürfen im Bereich der Mobilität nicht auf Hilfe angewiesen sein. Sie müssen alleine oder mit Hilfsmitteln selbständig gehen können. Es darf kein Sturzrisiko bestehen.
6. In der betreuten Wohngemeinschaft werden keine Pflegemaßnahmen erbracht. Es gibt lediglich Unterstützungsmaßnahmen. Die Alltagsbegleiterinnen unterstützen die Bewohner und Bewohnerinnen im täglichen Ablauf, indem sie z.B. die Einnahme und Vergabe der Medikamente kontrollieren, an die Tageshygiene erinnern und erforderlichenfalls dabei helfen (Waschlappen reichen, abtrocknen etc), beim Zubettgehen oder beim Aufstehen helfen, für Unterhaltung sorgen und Aktivierungsübungen für den Erhalt der kognitiven Fähigkeiten durchführen.
7. Die Bewohner und Bewohnerinnen der betreuten Wohngemeinschaft sind in der Nacht von 20.00 Uhr bis 07.30 Uhr ohne Betreuung, sie sind aber mit einem Notfallschalter mit der Nachtschicht des Haupthauses (Sozialzentrum) verbunden.
8. Die Bewohner der betreuten Wohngemeinschaft sind, abhängig von ihrer Einstufung, in manchen Bereichen noch relativ selbständig. Wenn die Pflege komplexer wird, dann muss der Bewohner oder die Bewohnerin in ein Pflegeheim wechseln.
9. Die Beschwerdeführerin ist in der Pflegestufe 3 eingestuft. Für die Beschwerdeführerin wurde eine Erwachsenenvertreterin bestellt.
Die Beschwerdeführerin braucht mehrmals täglich Unterstützung und Hilfe bei der Körperpflege, beim Anziehen der Thrombosestrümpfe, beim Herrichten und bei der Verabreichung der Medikamente. Die Beschwerdeführerin muss auch ein starkes Blutverdünnungsmittel nehmen, was überwacht werden muss. Die Beschwerdeführerin geht aber alleine zu ihrer Ärztin.
Sie benötigt auch viele Gespräche, was damit zu tun hat, dass sie im Hinblick auf ihre Krankheit etwas uneinsichtig ist.
10. Die Beschwerdeführerin hat ein Gesamtmonatseinkommen von 1.939,60 Euro (Pension Österreich: 1.392,77 Euro; Rente Deutschland: 95,03 Euro; Pflegegeld: 451,80 Euro).
Sie hat Ersparnisse, die zum Zeitpunkt der Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides ca. 100.000 Euro betragen haben. Die Ersparnisse haben sich mittlerweile in dem Ausmaß, in dem sie zur Abdeckung der Heimkosten herangezogen werden mussten, entsprechend verringert.
Der Aufenthalt in der betreuten Wohngruppe kostet ca. 3.292 Euro im Monat.
Erwägungen zur Feststellung des Sachverhalts
11. Es wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Eine Vertreterin der Beschwerdeführerin und ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft waren anwesend. Als Zeugin wurde die Pflegedienstleiterin des Sozialzentrums J, Frau S C, befragt.
Außerdem wurde eine schriftliche Stellungnahme des Sozialzentrums vom 15.10.2018 eingeholt. Die Beschwerdeführerin und die Bezirkshauptmannschaft haben ebenfalls schriftliche Stellungnahmen erstattet. Weiters wurde der behördliche Mindestsicherungsakt eingesehen.
12. Die Feststellungen zur betreuten Wohngemeinschaft stützen sich auf die schriftliche Stellungnahme des Sozialzentrums vom 15.10.2018 und die Angaben der Zeugin in der mündlichen Verhandlung. An der Richtigkeit dieser Angaben bestehen keine Zweifel. Es ist kein Grund ersichtlich, warum die Zeugin falsche Angaben machen sollte. Auch die Vertreterin der Beschwerdeführerin hat diesen Angaben nicht widersprochen.
Die Feststellungen zur Einkommens- und Vermögenssituation der Beschwerdeführerin ergeben sich aus den Angaben in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung.
Maßgebliche Rechtsvorschriften
13. Das Gesetz über die Mindestsicherung (MSG) lautet auszugsweise:
„§ 5
Kernleistungen
(Lebensunterhalt, Wohnbedarf, Schutz bei Krankheit, Schwangerschaft und Entbindung sowie Bestattungskosten)
[…]
(3) Bei Hilfsbedürftigen, die in einer stationären Einrichtung untergebracht sind, weil sie nur dort ihre Bedürfnisse nach Abs. 1 und 2 stillen können, umfassen der Lebensunterhalt und der Wohnbedarf jedenfalls auch den Aufwand für die dort anfallenden Unterkunfts- und Verpflegskosten.
[…]
[…]
§ 8
Form und Ausmaß der Mindestsicherung
(1) Mindestsicherung wird grundsätzlich in Form von Geldleistungen gewährt. […]; weiters kann eine Geldleistung an einen Hilfsbedürftigen, der nach § 5 Abs. 3 in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, durch Zahlung an den Rechtsträger der stationären Einrichtung erbracht werden. […] Das Ausmaß der Mindestsicherungsleistung ist im Einzelfall unter Berücksichtigung eines zumutbaren Einsatzes der eigenen Kräfte, insbesondere der eigenen Arbeitskraft, und Mittel zu bestimmen.
(2) […]
(3) Die eigenen Mittel, wozu das gesamte Vermögen und Einkommen gehört, dürfen bei der Bemessung der Mindestsicherung insoweit nicht berücksichtigt werden, als dies mit der Aufgabe der Mindestsicherung unvereinbar wäre oder für den Hilfsbedürftigen oder dessen Angehörige eine besondere Härte bedeuten würde. […] Bei Personen, die in stationären Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, ist das Vermögen überhaupt nicht zu berücksichtigen.
[…]“.
14. Der § 9 Mindestsicherungsverordnung (MSV) lautet auszugsweise:
„§ 9
Berücksichtigung von eigenen Mitteln sowie Leistungen Dritter
(1) Nach Maßgabe der Abs. 2 bis 6 sind bei der Ermittlung des Anspruchs auf Leistungen der Mindestsicherung
[…]
b) außerhalb von stationären Einrichtungen in einer Wohngemeinschaft sowie in einer stationären Einrichtung die Einkünfte und das Vermögen der hilfsbedürftigen Person sowie die ihr zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter,
c) in einer stationären Pflegeeinrichtung die Einkünfte der hilfsbedürftigen Person sowie die ihr zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter
zu berücksichtigen.
[…]
(4) Bei der Ermittlung des Anspruchs gemäß Abs. 1 dürfen Vermögen nicht berücksichtigt werden, wenn durch deren Verwertung eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte. Dies gilt für
[…]
h) einen Betrag bis Euro 10.000 im Rahmen der stationären Mindestsicherung; dieser Freibetrag gilt im Falle des Todes nur insoweit, als er zur Bestreitung der Todfallkosten verwendet wird,
i) Vermögen von Personen, die in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht sind.
[…].“
15. Das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) lautet auszugsweise:
„ABSCHNITT IIa
Verbot des Pflegeregresses
[BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2017]
§ 330a. (Verfassungsbestimmung) Ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflege-einrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschen-knehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten ist unzulässig.
[…]
Weitere Schlussbestimmungen zu Art. 1 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017
[BGBl. Nr. 189/1955 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 125/2017]
§ 707a. (1) […]
(2) (Verfassungsbestimmung) § 330a samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 125/2017 tritt mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen. Insoweit Landesgesetze dem entgegenstehen, treten die betreffenden Bestimmungen zu diesem Zeit-punkt außer Kraft. Nähere Bestimmungen über den Übergang zur neuen Rechtslage können bundesgesetzlich getroffen werden. Die Durchführungsverordnungen zu einem auf Grund dieser Bestimmung ergehenden Bundesgesetz sind vom Bund zu erlassen.“
Rechtliche Beurteilung
Abweisung des Mindestsicherungsantrages
16. Wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, die keine stationäre Pflegeeinrichtung ist, muss zur Abdeckung der Unterkunfts- und Verpflegskosten sein Vermögen bis zu einem Freibetrag von 10.000 Euro einsetzen (vgl § 9 Abs 4 lit h MSV).
Die Beschwerdeführerin ist in einer betreuten Wohngemeinschaft untergebracht. Diese betreute Wohngemeinschaft ist keine stationäre Pflegeeinrichtung.
Die Beschwerdeführerin muss daher ihre Ersparnisse, soweit sie 10.000 Euro übersteigen, zur Abdeckung der Unterkunfts- und Verpflegskosten einsetzen. Der einzusetzende Betrag reicht noch zur Abdeckung dieser Kosten aus. Die Beschwerdeführerin ist damit nicht hilfsbedürftig.
Die Bezirkshauptmannschaft hat ihren Mindestsicherungsantrag zu Recht abgewiesen, weil auf die Ersparnisse der Beschwerdeführerin zurückgegriffen werden durfte.
Warum die betreute Wohngemeinschaft keine stationäre Pflegeeinrichtung ist
17. Nach § 330a ASVG ist der Zugriff auf das Vermögen von Personen unzulässig, die in einer stationären Pflegeeinrichtung untergebracht sind. Entgegenstehende Landesgesetze sind am 01.01.2018 außer Kraft getreten.
Der Landesgesetzgeber hat dem Rechnung getragen und im § 8 Abs 3 letzter Satz MSG vorgesehen, dass bei Personen, die in stationären Pflegeeinrichtungen untergebracht sind, das Vermögen überhaupt nicht zu berücksichtigen ist.
18. Der Begriff „stationäre Pflegeeinrichtung“ wird im ASVG nicht definiert.
Ausgehend vom Wortlaut „Pflegeeinrichtung“ muss es sich um eine Einrichtung handeln, in der Pflegeleistungen in institutioneller Umgebung erbracht werden.
Durch die Verwendung des Wortes „stationär“ kommt zum Ausdruck, dass die Einrichtung darauf ausgerichtet sein muss, Personen dauerhaft, also Tag und Nacht, unterzubringen und zu pflegen. In der Pflegeeinrichtung müssen die Pflegeleistungen am Tag und in der Nacht erbracht werden können. Das Pflegepersonal muss daher – wenigstens in einer Mindestbesetzung – durchgehend anwesend sein.
19. In der betreuten Wohngemeinschaft sind die Bewohnerinnen und Bewohner in der Nacht ohne Betreuung. Das Personal ist nicht durchgehend anwesend. Es ist daher auch nicht vorgesehen, Pflegeleistungen durchgehend, nämlich auch in der Nacht, zu erbringen.
Dass im Notfall die Nachtschicht des Sozialzentrums angefordert werden kann, ändert daran nichts. Die Verständigung ist nämlich nicht dafür vorgesehen, um bei Bedarf Pflegeleistungen zu erbringen, sondern um Notfallmaßnahmen vorzunehmen oder in die Wege zu leiten. Von einer durchgehenden Präsenz des Pflegepersonals, um Pflegeleistungen zu erbringen, kann nicht die Rede sein.
Bei der betreuten Wohngemeinschaft handelt es sich daher bereits aus diesem Grund nicht um eine stationäre Pflegeeinrichtung.
20. Als der Bundesverfassungsgesetzgeber das Verbot des Pflegeregresses beschlossen hat, wurde der Bereich Pflege und Betreuung vom Bundesgesetzgeber bereits an anderer Stelle geregelt, so etwa im Pflegefondsgesetz (PFG).
Im Pflegefondsgesetz (PFG) unterstützt der Bund die Länder und Gemeinden bei der Sicherung und Verbesserung der bedarfsgerechten Versorgung pflegebedürftiger Menschen mit Betreuungs- und Pflegedienstleistungen und beim Aus- und Aufbau des Betreuungs- und Pflegedienstleistungsangebotes (vgl. § 1 Abs 2 PFG).
Das PFG und das Verbot des Pflegeregresses im ASVG stehen in einem Zusammenhang, weil der Pflegeregress auch Auswirkungen auf die Finanzierung der angebotenen Pflegeleistungen hat.
Der Bundesverfassungsgesetzgeber muss das PFG gekannt haben, als er das Verbot des Pflegeregresses beschlossen hat.
21. Im § 3 Abs 5 PFG wird ausgeführt, dass unter stationärer Pflege und Betreuung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Erbringung von Pflege- sowie Betreuungsleistungen in eigens dafür errichteten Einrichtungen mit durchgehender Präsenz von Betreuungs- und Pflegepersonal verstanden wird.
Auch das weist darauf hin, dass eine „stationäre“ Einrichtung nur dann vorliegt, wenn Pflegepersonal durchgehend präsent ist und die Pflegeleistung damit durchgehend erbracht werden kann.
22. Im Übrigen ist die betreute Wohngemeinschaft nicht darauf ausgerichtet, klassische Pflegeleistungen zu erbringen. Die Heimbewohner werden lediglich bei den täglichen Verrichtungen (Waschen, Anziehen, Medikamenteneinnahme) unterstützt.
Dass im ASVG lediglich von „Pflege“einrichtungen die Rede ist, und nicht etwa von „Pflege- und Betreuungseinrichtungen“, deutet darauf hin, dass Einrichtungen, die lediglich Unterstützungsleistungen, aber keine Pflegeleistungen, anbieten, auch aus diesem Grund keine stationären Pflegeeinrichtungen sind.
In diesem Zusammenhang ist auch zu bedenken, dass eine durchgehende Präsenz von Pflegepersonal nur dann erforderlich ist, wenn Hilfsbedürftige einer intensiveren Pflege bedürfen, und dass im PFG zwischen Pflege und Betreuung unterschieden wird.
Zulässigkeit der Revision
23. Die Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im konkreten Fall fehlt.
Soweit ersichtlich gibt es noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob eine betreute Wohngemeinschaft, wie sie hier vorliegt, als stationäre Pflegeeinrichtung im Sinne des § 330a ASVG anzusehen ist. Nach Meinung des Landesverwaltungsgerichtes lässt sich diese Frage auch anhand des Erkenntnisses des VwGH vom 29.11.2018, Zl. 2018/10/0062, nicht eindeutig beantworten, weil in der dort angefochtenen Entscheidung keine konkreten Feststellungen zu den Pflege- und Betreuungsleistungen getroffen wurden.
Schlagworte
Pflegeregressverbot, stationäre PflegeeinrichtungAnmerkung
Revision wurde vom Verwaltungsgerichtshof (09.06.2020, Ro 2019/10/0032) abgewiesen.European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGVO:2019:LVwG.340.28.2018.R11Zuletzt aktualisiert am
09.07.2020