Entscheidungsdatum
01.04.2019Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §349 Abs1 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hohenhorst über die Beschwerde von AA, geboren XX.XX.XXXX, Z, Adresse 1, vertreten durch die Rechtsanwälte BB, Adresse 2, Y, vom 13.02.2019,
gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft X vom 15.01.2019,
Zl ******, betreffend Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides ,
zu Recht:
1. Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als der bekämpfte Bescheid behoben wird.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
AA ist seit 17.11.2011 Inhaber des Gewerbes „Halten von erlaubten Kartenspielen (Romme, Schnapsen, Tarock, Bridge, Solitär, udgl) und von erlaubten Brettspielen (Schach, Dame, Mühle, Domino, udgl), bei denen der Spielerfolg nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig ist, mit Ausnahme der dem Glücksspielgesetz und den landesrechtlichen Bestimmungen unterliegenden Spiele“.
Mit Schriftsatz vom 20.03.2018 beantragte Herr AA durch seinen Rechtsvertreter unter Hinweis auf die Übergangsbestimmung des § 60 Abs 36 Glückspielgesetz die Erlassung eines Feststellungsbescheides dahingehend, dass er über seine Gewerbeberechtigung iVm
§ 60 Abs 36 GSpG berechtigt ist, unter anderem auch das Kartenspiel „Poker“ (nach derzeitiger Regelung bis zum 31.12.2019) anzubieten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies die Bezirkshauptmannschaft X diesen Antrag als unzulässig zurück und begründete ihre Entscheidung im Wesentlich damit, dass es sich hierbei um eine Entscheidung gemäß § 349 Abs 1 Z 1 GewO handle, für welche nach Z 2 der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zur Entscheidung berufen ist. Da eine Weiterleitung an das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort nicht möglich ist, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
Dagegen richtet sich die fristgerechte und zulässige Beschwerde, in welcher der Rechtsmittelwerber durch seine Rechtsvertreter im Wesentlichen ausführt, dass es im Gegenstandsfall nicht um eine inhaltliche Abgrenzung verschiedener Gewerbe gemäß
§ 349 Abs 1 Z 1 GewO zueinander gehe, sondern rein um die Frage, ob die Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers zum 31.12.2012 aufrecht war und sohin unter die Übergangsbestimmung des § 60 Abs 36 GSpG fällt. Gegenständlich gehe es nicht um die Abgrenzung zweier Gewerbe. Der Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom
27.06.2013, G26/2013 ua zum Gewerbewortlaut „Durchführung erlaubter Kartenspiele ohne Bankhalter“ festgehalten, dass darunter auch „Poker“ zu verstehen sei. Mit
BGBl I Nr 13/2014 sei „Poker“ in das Regime des Glückspielgesetzes mitaufgenommen worden. Nach derzeitiger Regelung dürfe jedoch im Rahmen der Übergangsbestimmung des § 60 Abs 36 GSpG Poker auf Grundlage einer gewerberechtlichen Bewilligung, die zum 31.12.2012 aufrecht war, bis 31.12.2019 angeboten werden. Aufgrund dieser Übergangsbestimmung dürfe der Beschwerdeführer Poker bis zum 31.12.2019 anbieten. Es werde deshalb Bescheidbehebung und antragsgemäße Feststellung in der Sache selbst beantragt, in eventu Zurückverweisung an die Erstbehörde zur inhaltlichen Erledigung.
II. Sachverhalt:
Seit 17.11.2011 ist AA Inhaber des freien Gewerbes „Halten von erlaubten Kartenspielen (Romme, Schnapsen, Tarock, Bridge, Solitär udgl) und von erlaubten Brettspielen (Schach, Dame, Mühle, Domino, udgl), bei denen der Spielerfolg nicht ausschließlich oder überwiegend vom Zufall abhängig ist, mit Ausnahme der dem Glücksspielgesetz und den landesrechtlichen Bestimmungen unterliegenden Spiele“ im Standort Adresse 3, Z. Nach § 60 Abs 36 GSpG ist
§ 2 Abs 4 auf Pokerangebote auf Grundlage einer gewerberechtlichen Bewilligung, die zum 31.12.2012 aufrecht war, ab 01.01.2020 anzuwenden. AA beantragte in seinem Anbringen vom 20.03.2018 die Erlassung eines Feststellungsbescheides dahingehend, dass er über seine Gewerbeberechtigung iVm § 60 Abs 36 GSpG berechtigt ist, unter anderem auch das Kartenspiel Poker nach derzeitiger Regelung bis zum 31.12.2019 anzubieten. Er begründet dies mit dem Vorhandensein eines rechtlichen Interesses an der Innehabung eines für jeden Dritten verständlichen Nachweises, da bestimmten Organen der Exekutive die Übergangsbestimmung zu Poker im Glückspielgesetz nicht bekannt sei und er damit konfrontiert würde, dass er mit seiner Gewerbeberechtigung angeblich kein Poker anbieten dürfe.
III. Beweiswürdigung:
Dieser Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der Bezirkshauptmannschaft X.
IV. Rechtslage:
Im gegenständlichen Fall ist folgende Bestimmung der Gewerbeordnung maßgeblich:
„Verfahren über den Umfang von Gewerbeberechtigungen und die Einreihung von Gewerben
§ 349.
(1) Zur Entscheidung
1. über den Umfang einer Gewerbeberechtigung (§ 29) im Verhältnis zu einer anderen Gewerbeberechtigung und
2. über die Frage, ob eine gewerbliche Tätigkeit, die Gegenstand einer Gewerbeanmeldung ist, ein freies Gewerbe sein kann oder in den Berechtigungsumfang eines Teilgewerbes fällt oder einem reglementierten Gewerbe vorbehalten ist, ist der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit berufen.
(2) Der Antrag auf Entscheidung gemäß Abs. 1 kann
1. vom Gewerbeinhaber oder einer Person, die eine Gewerbeanmeldung erstattet, und
2. von einer berührten Gliederung der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft
gestellt werden. Der Antrag ist schriftlich zu stellen und zu begründen.
(3) Der Antrag auf Entscheidung gemäß Abs. 1 ist von Amts wegen zu stellen, wenn die betreffende Frage eine Vorfrage in einem nicht beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten anhängigen Verwaltungsverfahren ist und nicht ohne Bedachtnahme auf die im § 29 zweiter Satz enthaltenen Gesichtspunkte beurteilt werden kann, es sei denn, daß die Voraussetzung für die Zurückweisung des Antrages gemäß Abs. 4 vorliegt. Ist eine Vorfrage im Sinne des ersten Satzes in einem beim Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten anhängigen Verwaltungsverfahren zu beurteilen, so ist das Verfahren gemäß Abs. 1 von Amts wegen einzuleiten, wenn hievon nicht gemäß Abs. 4 abgesehen wird.
(4) Der Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend kann den Antrag zurückweisen oder von der Einleitung eines Verfahrens gemäß Abs. 1 von Amts wegen absehen, wenn ein ernst zu nehmender Zweifel über die zur Entscheidung gestellte Frage nicht besteht oder wenn über die Frage in den letzten fünf Jahren vom Bundesminister für Wirtschaft, Familie und Jugend rechtskräftig entschieden oder vom Verwaltungsgericht des Landes erkannt oder vom Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entschieden worden ist.
(5) Andernfalls hat der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten schriftliche Stellungnahmen der im Abs. 2 genannten Parteien und der sonst sachlich beteiligten Gliederungen der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft einzuholen.
(6) Im Verfahren sind die im Abs. 2 Z 1 genannten Personen und die im Abs. 2 Z 2 und Abs. 5 genannten Gliederungen der Landeskammer der gewerblichen Wirtschaft Parteien und es steht ihnen das Recht der Beschwerde an das Verwaltungsgericht des Landes und der Revision wegen Rechtswidrigkeit an den Verwaltungsgerichtshof zu.“
V. Erwägungen:
Für die Entscheidung über den Umfang von Gewerbeberechtigungen und über die Zuordnung bestimmter Tätigkeiten zu einer bestimmten Gewerbekategorie ist in erster und letzter Instanz der Bundesminister zuständig. § 349 Abs 1 Z 1 hält fest, dass es sich um die Entscheidung der Frage des Umfangs einer Gewerbeberechtigung „im Verhältnis zu einer anderen Gewerbeberechtigung“ handeln muss. Ausgangspunkt eines Verfahrens nach § 349 GewO ist das Vorliegen eines entsprechenden Antrages, wodurch sich auch der Gegenstand dieses Verfahrens, der sich im Rahmen eines derartigen Antrages zu halten hat, ergibt (VwGH 26.02.1991, 90/04/0251). Daher kommt es auf den objektiven Wortlaut des Antrages an (VwGH 23.11.1993, 91/04/0313). Die Entscheidung über einen Antrag gemäß § 349 Abs 1 Z 1 hat die abstrakte Lösung der Rechtsfrage nach dem Umfang einer Gewerbeberechtigung (§ 29) im Verhältnis zu einer anderen Gewerbeberechtigung zum Gegenstand.
Einen derartigen Antrag hat der Beschwerdeführer jedoch nicht gestellt. Er begehrt mit seinem Antrag allein die Feststellung des Umfanges der eigenen Gewerbeberechtigung, insbesondere dass im Hinblick auf die Übergangsbestimmung des § 60 Abs 36 GSpG er mit dieser Gewerbeberechtigung berechtigt ist, bis 31.12.2019 auch das Kartenspiel Poker anzubieten.
Die belangte Behörde qualifiziert dies als Antrag nach § 349 Abs 1 Z 1 GewO, für welchen der Bundesminister zuständig ist und weist den Antrag deshalb zurück.
Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Feststellungsbescheiden sind die Verwaltungsbehörden berechtigt, aus einem im privaten oder im öffentlichen Interesse begründeten Anlass auch ohne ausdrückliche Ermächtigung Recht(sverhältniss)e bescheidförmig festzustellen, sofern dadurch nicht den im einzelnen Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften widersprochen würde, also die Verwaltungsvorschriften nichts anderes bestimmen. Liegt demnach eine lex specialis vor, ist nach dieser alleine die Zulässigkeit des Feststellungsantrages zu beurteilen.
Der Umstand dass der Gesetzgeber in § 349 Abs 1 GewO die Voraussetzungen normiert hat, unter denen ein Feststellungsbescheid über die Abgrenzung unterschiedlicher Gewerbeberechtigungen zueinander (das heißt im Anwendungsbereich der GewO 1994) zu ergehen hat, kann nur dahin verstanden werden, dass er einen sonstigen Feststellungsbescheid über die genannte Abgrenzung nicht zulassen wollte
(VwGH 25.03.2014, 2013/04/0168).
Im Fall des § 349 GewO handelt es sich um ein antragsbedürftiges Verfahren. Der Verfahrensgegenstand wird durch den Wortlaut des Antrages gebildet. Maßgeblich ist der objektive Wortlaut des Antrags. Dieser Antragswortlaut im Schriftsatz vom 20.03.2018 enthält keine Abgrenzungsfrage zu einer anderen Gewerbeberechtigung, was bedeutet, dass kein Antrag nach § 349 Abs 1 GewO vorliegt. Dies führt zur weiteren rechtlichen Schlussfolgerung, dass in Ermangelung dieser lex specialis ein Feststellungsbegehren nach den allgemeinen Bestimmungen des § 56 AVG vorliegt.
Demnach können die Behörden nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen aus einem privaten oder im öffentlichen Interesse begründeten Anlass auch ohne ausdrückliche Ermächtigung Recht(sverhältniss)e bescheidförmig feststellen, sofern dadurch nicht den im einzelnen Fall maßgeblichen Rechtsvorschriften widersprochen würde.
Die Behörden sind auch außerhalb ausdrücklicher gesetzlicher Regelung nur im Rahmen ihrer örtlichen und sachlichen Zuständigkeit zur Erlassung von im privaten oder öffentlichen Interesse gelegenen Feststellungsbescheiden berechtigt (VwGH 30.03.2004, 2002/06/0199). In diesem Fall ist jene Behörde zur Erlassung eines solchen Feststellungsbescheides zuständig, die durch die Rechtsordnung zur Gestaltung des betreffenden Rechts(verhältnisses) berufen wäre. Im konkreten Fall ist nach § 333 Abs 1 GewO die Behörde erster Instanz die Bezirksverwaltungsbehörde, sohin die Bezirkshauptmannschaft X dafür zuständige Behörde.
Der Antragsteller behauptet Rechtsnachteile durch die Unkenntnis der Übergangsbestimmung des § 60 Abs 36 GSpG bei Teilen der Exekutivorgane. Er beruft sich auf ein rechtliches Interesse an der Feststellung eines Rechtes. Nach herrschender Rechtsprechung ist ein hinreichendes Interesse an einer bescheidförmigen Feststellung dann anzunehmen, wenn die betreffende Feststellung für die Partei im Einzelfall ein notwendiges Mittel zweckentsprechender Rechtsverteidigung darstellt. Dies setzt wiederum voraus, dass der Feststellung in concreto die Eignung zukommt, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch die Gefährdung eines subjektiven Rechts des Antragstellers zu beseitigen.
Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ist – ungeachtet des durch
§ 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0134; 12.09.2016, Ro 2016/04/0014).
Mit dem bekämpften Bescheid vom 15.01.2019 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers als unzulässig zurück, da eine Zuständigkeit des Bundesministers vorliege.
Wie in der vorliegenden Beschwerde zu Recht moniert wird, wurde damit über einen Antrag nach § 349 Abs 1 Z 1 GewO 1994 abgesprochen, der vom Beschwerdeführer nicht gestellt worden war.
Die Erlassung eines antragsbedürftigen Verwaltungsaktes ohne Vorliegen eines dahingehenden Antrages belastet einen darüber absprechenden Bescheid mit Rechtswidrigkeit (VwGH 13.11.1986, 86/08/0163).
Wenn die belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung
(VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002, 0003; 23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082 bis 0084). Eine inhaltliche Entscheidung über den der Beschwerde zu Grunde liegenden Antrag würde den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten (VwGH 12.10.2015, Ra 2015/22/0115).
Dem Verwaltungsgericht ist es sohin verwehrt, über den Antrag des Beschwerdeführers vom 20.03.2018 meritorisch zu entscheiden, weshalb der angefochtene Bescheid zu beheben war.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Dr. Hohenhorst
(Richter)
Schlagworte
FeststellungsbescheidEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.25.0436.1Zuletzt aktualisiert am
08.05.2019