TE Lvwg Erkenntnis 2019/4/11 LVwG-2019/42/0174-9

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.04.2019
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Entscheidungsdatum

11.04.2019

Index

8200 Bauordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Tir 2018 §36 Abs1
VwGVG §8 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Schaber über die Beschwerde des AA, vertreten durch DI BB, beide wohnhaft in Z, Adresse 1, wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bürgermeister der Gemeinde Z hinsichtlich des Antrages des AA vom 01.02.2016 bzw 23.02.2016 auf Feststellung einer gemäß § 36 TBO 2018 zu vermutenden Baubewilligung für ein Gebäude auf dem Gst **1 KG Z, nach Durchführung zweier öffentlicher mündlicher Verhandlungen,

zu Recht:

1.       Der Säumnisbeschwerde wird Folge gegeben.

2.       Dem Ansuchen des Beschwerdeführers vom 01.02.2016 bzw 23.02.2016 wird insofern stattgegeben, als festgestellt wird, dass das Vorliegen der Baubewilligung für das auf dem Gst **1 KG Z unmittelbar nördlich zum landwirtschaftlichen Anwesen „DD“ (Hauptgebäude) befindliche Nebengebäude mit dem Verwendungszweck „landwirtschaftliches Wirtschaftsgebäude ohne Wohnnutzung“ zu vermuten ist.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Eingabe vom 01.02.2016 bzw 23.02.2016 hat der Beschwerdeführer bei der belangten Behörde die Feststellung gemäß § 29 TBO 2011 beantragt, dass für ein auf den Gste **2, **3, **4 und **5, alle KG Z (nach einer Grundzusammenlegung nunmehr auf Gst **1 KG Z) situiertes Gebäude das Vorliegen einer Baubewilligung zu vermuten ist.

Mit Bescheid vom 19.09.2016, Zl ***, hat die belangte Behörde festgestellt, dass für das betreffende Gebäude das Vorliegen einer Baubewilligung zu vermuten ist und es sich um ein rechtmäßig bestehendes landwirtschaftliches Wirtschaftsgebäude handelt.

Dagegen hat der Beschwerdeführer Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben.

Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 03.05.2017, LVwG-2016/43/2447-1, wurde der Beschwerde Folge gegeben, der angefochtene Bescheid vom 19.09.2016 behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen. Begründend führte das Landesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass vorliegend aufgrund des bisherigen Ermittlungsergebnisse das Vorliegen eines vermuteten Konsenses weder bejaht noch verneint werden könne. So fehle es einerseits an einer Datierung der vorhandenen Bausubstanz durch einen Sachverständigen und sei andererseits die Vollständigkeit der Verwaltungsakten in den Archiven der belangten Behörde nicht dokumentiert. Das Ermittlungsverfahren sei daher entsprechend zu ergänzen.

Der Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes vom 03.05.2017 wurde der belangten Behörde am 08.05.2017 zugestellt.

Am 04.07.2016 erging an die belangte Behörde die Mitteilung des Landesverwaltungsgerichtes, dass gegen den Beschluss Landesverwaltungsgerichtes vom 03.05.2017 keine Revision eingebracht wurde.

Mit Schreiben vom 19.05.2017 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass das Verfahren fortgesetzt wird und allenfalls anfallende Kosten für nichtamtliche Sachverständige vom Beschwerdeführer zu tragen sind.

Am 02.06.2017 teilte der Beschwerdeführer der belangten Behörde anlässlich einer Vorsprache vor Amt mit, dass er seinerseits einen Sachverständigen zum Zwecke der gutachterlichen Datierung der Bausubstanz beauftragen wird.

Mit Schreiben vom 28.09.2017, eingegangen bei der belangten Behörde am 29.09.2017 übermittelte der Beschwerdeführer ein von Baumeister CC erstelltes und mit 27.09.2017 datiertes Gutachten zur weiteren Verwendung. Diesem Gutachten liegt ein „Zusammenfassender Bericht zur dendrochronologischen Untersuchung von Bauhölzern des Nebenhauses am DDhof, Adresse 2, Z“ der Arbeitsgruppe Alpine Dendrochronologie am Institut für Geographie an der Universität Y bei.

Mit Schreiben vom 15.03.2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass wegen Arbeitsüberlastung in der Gemeindeverwaltung und der Komplexität der gegenständlichen Angelegenheit mit der Fertigstellung des Ermittlungsverfahrens nicht vor Mitte April 2018 zu rechnen ist.

Mit Schreiben vom 26.04.2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis der ergänzenden Ermittlungen der belangten Behörde seit Erlassung des Beschlusses des Landesverwaltungsgerichtes vom 03.05.2017 mit (Nachforschung in den Archiven hinsichtlich vorhandener Bauakten zum „DDhof“, „FFhof“ und „GGhof“; Ergebnis der Zeugenaussagen JJ und KK), nahm zum Gutachten CC Stellung und vertrat in dieser Stellungnahme abschließend die Ansicht, dass ein weiteres Gutachten zur Altersbestimmung des Betons eingeholt werden müsse.

Mit Schreiben vom 30.05.2018 nahm der Beschwerdeführer zum bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung. Eine Altersbestimmung des beim gegenständlichen Gebäude verwendeten Betons wird als nicht zielführend abgelehnt.

Mit Schreiben vom 24.09.2018 ersuchte der Beschwerdeführer die belangte Behörde um Bekanntgabe, wann mit einer bescheidmäßigen Erledigung der gegenständlichen Angelegenheit zu rechnen ist.

Mit Schreiben vom 30.10.2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass im Verfahren noch weitere Sachverständige beigezogen werden müssen.

Mit Schreiben vom 16.11.2018 ersuchte der Beschwerdeführer um bescheidmäßige Erledigung seines Antrages.

Am 19.12.2018 wurde vom Beschwerdeführer bei der belangten Behörde eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich des Antrages vom 01.02.2016 bzw 23.02.2016 eingebracht.

Die Beschwerde wurde dem Gericht mit Schreiben der belangten Behörde vom 17.01.2019 unter Aktenvorlage mit dem Bemerken übermittelt, dass sie sich wegen eines noch einzuholenden Gutachtens zur Altersdatierung des Betons außerstande sehe, den Bescheid innerhalb der gesetzlich vorgegebenen Frist von drei Monaten nachzuholen.

Mit Schreiben des gefertigten Gerichts vom 13.02.2019, LVwG-2019/42/0174-2, wurde der denkmalpflegerische Amtssachverständige DI LL ersucht, in der anberaumten mündlichen Beschwerdeverhandlung am 21.02.2019 gutachterlich – unter Einbeziehung der im Verwaltungsakt der belangten Behörde einliegenden Gutachten - zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

1)   Wann wurde das Gebäude bzw wurden Teile davon errichtet?

2)   Für welchen Verwendungszweck spricht die Konzeption?

3)   Wurde das Gebäude bzw wurden Teile davon wahrscheinlich/offenkundig abweichend von der ursprünglichen Konzeption genutzt?

4)   War eine Wohnnutzung aufgrund der Konzeption wahrscheinlich/offenkundig angedacht?

5)   Ergeben sich an Hand der baulichen Ausgestaltung

a)    Anhaltspunkte dafür, dass das Gebäude bzw einzelne Räume davon zu Wohnzwecken genutzt wurden?

b)    Anhaltspunkte dafür, dass das Gebäude bzw einzelne Räume davon nicht von vornherein zu Wohnzwecken genutzt wurden?

6)   Für den Fall, dass von einer späteren Adaptierung und Nutzung zu Wohnzwecken auszugehen ist, lässt sich dies zeitlich eingrenzen?

Der Amtssachverständige LL führte in der Beschwerdeverhandlung am 21.02.2019 eingangs seiner Einvernahme in Beantwortung der an ihn mit Schreiben des Gerichtes vom 13.02.2019 gerichteten Fragen aus wie folgt:

„1. Lokalaugenschein

Nebengebäude am DDhof

Adresse 2, Grundparzelle **1, KG *** Z

am 13.02.2019 um 13.30h-14:30h

Anwesend: Mag. Gerald Schaber (Richter)

Vertreter des Beschwerdeführers AA

Dl. LL

2. Fragestellung:

2.1 Wann wurde das Gebäude bzw. Teile des Gebäudes errichtet?

Laut den am Lokalaugenschein befundeten Tatsachen stammt das Gebäude in seiner Gesamtheit aus den 1930iger Jahren (1936 lt. Dendrodatierung). Dafür sprechen einerseits der Stampfbeton (Abb.14) (frühe nachgewiesene Bauten in Tirol sind z.B. die MMkapelle in X, um 1900; die Brücke der Wbahn in V, 1904; oder die NNhütte 1926/27 vgl. Ubahn 1864-67 noch in Steinbauweise), die gesägte Holzriegelkonstruktion mit ihrer gleichmäßigen Verbretterungen, befestigt mit maschinell gefertigten Nägeln (siehe Abb. 5), die Böden (parallel geschnitten, nicht konisch, siehe Abb. 4) die liegenden Fensteröffnungen mit den maschinell gefertigten und einbetonierten Formrohren (siehe Abb. 6) sowie die Türen (siehe Abb. 13). Dendrodatierte Balken aus dem Beginn des 18. Jh. stammen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Vorgängerbau an der Hofstelle. Dass es einen Vorgängerbau gegeben hat, kann mit historischen Kartenwerken belegt werden. Der Franziszeische Katasterplan von 1856, bei dem in der gesamten Habsburgermonarchie erstmals alle Gebäude in einer unglaublichen Genauigkeit in Form und Materialität erfasst wurden, zeigt einen in Stein ausgeführten, kleinen Baukörper. Dieser hat jedoch mit dem heutigen Gebäude nichts mehr gemein, wie eine synchronisierte Ansicht belegt (siehe Abb. 1, 2, 3). Die östlich, erdgeschossig angebaute Säge ist später als 1936 entstanden. Dies erklärt sich dadurch, weil die Außenfassade des Gebäudes durchgängig ist (ursprüngliche Verbretterung und Fenster noch vorhanden, siehe Abb. 12).

2.2 Für welchen Verwendungszweck spricht die Konzeption?

Die Konzeption spricht für ein landwirtschaftlich geprägtes Nebengebäude mit Waschküche im Westen (Stampfbeton mit Kamin für Waschkessel), Machlkammer im Osten mit Nebenraum und Lagerraum im Dachgeschoss.

2.3 Wurde das Gebäude bzw. wurden Teile davon wahrscheinlich/offenkundig abweichend von der ursprünglichen Konzeption genutzt.

Im Erdgeschoss und im Dachgeschoss gibt es Anhaltspunkte für eine mögliche periodische Wohnnutzung. Es gibt jedoch keine Hinweise auf die dafür notwendige, technische Infrastruktur wie einen Abort oder einen zweiten Kaminzug für das Beheizen des Obergeschosses.

2.4 War eine Wohnnutzung aufgrund der Konzeption wahrscheinlich/offenkundig

angedacht?

In der ursprünglichen Konzeption gibt es keine Hinweise auf eine Wohnnutzung.

2.5 Ergeben sich an Hand der baulichen Ausgestaltung

a) Anhaltspunkte dafür, dass das Gebäude bzw. einzelne Räume davon zu Wohnzwecken genutzt wurden?

Im Erdgeschoss gibt es eine Vertäfelung aus den 1980iger Jahren mit diversen Möbeln (siehe Abb. 15) und im Dachgeschoss gibt es Hinweise auf eine spätere Dämmung (Reste von Steinwolle, siehe Abb 7). Eine Binnengliederung ist nur mehr als Abdruck im Fußbodenaufbau erkennbar. Dieser weist mit seinem Aufbau (Spanplatten mit Dämmung aus Steinwolle/Glaswolle, siehe Abb. 8) ebenfalls auf eine Entstehungszeit im letzte Drittel des 20. Jh. hin. Technische Infrastrukturen fehlen.

b) Anhaltspunkte dafür, dass das Gebäude bzw. einzelne Räume davon nicht von vornherein zu Wohnzwecken genutzt wurden?

Anhand der in der Südfassade in Negativabdrücken noch sichtbaren Ladeluken (siehe Abb. 10,11) kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Nutzung im Dachgeschoss als Lagerraum angenommen werden. Neben fehlenden Infrastrukturen weisen sowohl die für die 1930iger Jahre für Wohnzwecke zu klein dimensionierten Fenster, als auch die Brettertüren darauf hin, dass die erdgeschossigen Räume (Waschküche und Machelkammer) als Nebenräume genutzt wurden.

2.6 Für den Fall, dass von einer späteren Adaptierung und Nutzung zu Wohnzwecken auszugehen ist, lässt sich dies zeitlich eingrenzen?

Es gibt Adaptierungen aus dem letzten Drittel des 20. Jh., von einer dauerhaften Wohnnutzung kann jedoch nicht ausgegangen werden.

(Plan und Fotobeilagen)“

Weiters führte er im Anschluss aus wie folgt:

„Auf Befragung des Vertreters des Antragstellers:

Herr AA befrägt den Sachverständigen, ab wann Stahlbeton in unserer Gegend üblich war?

Der Sachverständige gibt an, dass Stahlbetonbauten ab den 1920er Jahren teilweise üblich waren, im Regelfall aber erst in den 50iger und 60iger Jahren des letzten Jahrhunderts. Der Sachverständige führt weiters aus, dass man ein Gebäude lesen muss und nicht ausschließlich davon ausgehen kann, was zu einem bestimmten Zeitpunkt an Baumaterialien bereits existent war. Man muss die Gesamtheit ersehen, man muss das Material und man muss die stilistischen Merkmale berücksichtigen. Diese Punkte zusammen ergeben sodann die Datierung eines Gebäudes.

[…]

Herr AA befrägt den Sachverständigen hinsichtlich dessen Annahme zum Abort, wonach in den 30iger Jahren üblicherweise ein Abort im Gebäude selber vorhanden war?

Das muss kein Wasserklosett gewesen sein, aber eine Form des Abortes. Der Sachverständige führt aus, dass es für das Vorhandensein eines Abortes im streitgegenständlichen Objekt zum Zeitpunkt der Errichtung und der Erstnutzung keine Anhaltspunkte gibt.

Der Sachverständige wird gefragt, ob die Beplankung zwischenzeitlich im Erdgeschoß vielleicht einmal ausgetauscht wurde? Konkret meint der Fragesteller jenen Bereich, wo auf dem Foto im Gutachten die Nägel mit Pfeilen sichtbar sind.

Der Sachverständige führt aus, dass dies natürlich nicht vollkommen auszuschließen ist. Dies ändere aber aus Sicht des Sachverständigen nichts an der Datierung des Gesamtgebäudes auf Basis der einzelnen Baumerkmale.

Herr AA befrägt den Sachverständigen, ob es auszuschließen sei, dass der Boden im „Machelraum“ jemals ausgewechselt wurde?

Der Sachverständige führt aus, dass prinzipiell nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser Boden erneuert wurde. Im selben Raum gibt es aber eine Deckenvertäfelung, die ebenfalls parallel geschnitten ist und zeitlich in die vom Sachverständigen festgehaltene Entstehungszeit in den 30iger Jahren passen würde.

Herr AA befrägt den Sachverständigen, ob es vollkommen ausgeschlossen ist, dass auch diese Deckenvertäfelung irgendwann einmal ausgetauscht wurde?

Der Sachverständige führt aus, dass es nicht auszuschließen ist, dass die Deckenvertäfelung später erneuert wurde. Stilistisch passe sie aber in die Zeit der 1930iger Jahre.

Herr AA befrägt den Sachverständigen, ob es vollkommen auszuschließen ist, dass bei einem multifunktional genutzen Gebäude, wie dem gegenständlichen, immer wieder Bauteile erneuert, bzw ausgetauscht wurden?

Der Sachverständige führt aus, dass beim konkreten Gebäude von ihm festgestellt wurde, dass spätere Veränderungen durchgeführt wurden, wie zum Beispiel die spätere Dämmung, der Fußbodenaufbau im Dachgeschoß mit der Spanplatte und die Vertäfelung in der ehemaligen vermutlichen Waschküche.

Der Sachverständige führt aus, dass man den Gesamtzusammenhang bei der Betrachtung nicht verlieren darf. Es gibt das Haupthaus (das Bauernhaus) mit dem angebauten Stall und eben dieses streitgegenständliche Nebengebäude, welches eben für die im Gutachten aufgezeigten Zwecke genutzt wurde. Es ist auch durchaus üblich für viele Hofstellen, dass solche Nebengebäude für die vorangeführten Zwecke errichtet wurden.

Der Sachverständige führt nochmals aus, dass zum Beispiel die Türen eindeutig für die 30iger Jahre des vorigen Jahrhunderts sprechen.

Herr AA befrägt den Sachverständigen, welche Rechtsqualität der franziszeische Kataster von 1856 hat?

Diese Frage kann vom Sachverständigen insoweit nicht beantwortet werden, als es sich dabei um eine reine Rechtsfrage handelt. Der Sachverständige führt aber aus, dass der franziszeische Kataster bei weitem das Genaueste ist, was zur Verfügung steht, um eine Annahme zur Gebäudesituation zur damaligen Zeit treffen zu können. Es ist absolut üblich, dass man bei der Erstellung von derartigen Gutachten, wie dem vorliegenden, den franziszeischen Kataster heranzieht.

Auf Befragung des Verhandlungsleiters:

Der Verhandlungsleiter befrägt den Sachverständigen, inwieweit er das Gutachten des Baumeister CC, welches sich im Akt befindet, nicht nachvollziehen kann?

Herr CC geht in seinem Gutachten davon aus, dass Stampfbeton nach den Ausführungen in der einschlägigen Fachliteratur und nach den mittlerweile jahrzehntelangen Erfahrungen des Baumeisters in der Praxis im 18. und im 19. Jahrhundert eine gängige und übliche Bauweise war. Diese Aussage ist nicht nachvollziehbar, zumal die frühesten bekannten nachgewiesenen Bauten in Tirol in Stampfbetonbauweise aus der Zeit um 1900 stammen.

Der Sachverständige führt weiters aus, dass die dendrodatierte Decke von 1708 - so wie von Baumeister CC angeführt - wäre und somit jünger als die darüber angenommene mitgenutzte Balkenpolenwand. Würde man den Ausführungen des Baumeister CC folgen, wäre somit die Wand 10 Jahre älter als die darunter liegende Decke.

Vom Verhandlungsleiter wird der Sachverständige befragt, von welcher Art von Wohnnutzung er bei der Beantwortung der Fragen des Landesverwaltungsgerichtes ausging?

Der Sachverständige führt aus, dass er in seinem Gutachten von einer dauerhaften Wohnnutzung ausging.“

Die Verhandlung wurde auf unbestimmte Zeit vertagt, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit einzuräumen, binnen vier Wochen zum bisherigen Ergebnis der Verhandlung, insbesondere zum Gutachten des Amtssachverständigen LL schriftlich Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 19.03.2019 übermittelte der Beschwerdeführer dem Gericht ein Gutachten des OO, datiert mit 18.03.2019.

Der Gutachter führt in seinem Gutachten aus wie folgt:

Gutachten:

Auftraggeber:

Herr AA

Adresse 1 in Z

Gegenstand:

Gegenstand dieses Gutachtens ist die Erhebung des Befundes und die Erstellung eines Gutachtens zu folgender Frage:

Wurde das Nebenhaus am DDhof, Adresse 2, KG *** Z, für Wohnzwecke genutzt bzw. für Wohnzwecke errichtet?

Befund:

Besichtigung: Fr. 1.3.2019, Do. 7.3.2019, Mo. 18.3.2019

Anwesende zur Befundaufnahme:

Hr. AA, Hr. Dipl. Ing. BB, Hr. Dipl. Ing. OO

An den Verfasser in Kopie übergebene Unterlagen:

-   Gutachten Baumeister CC vom 27.9.2017

-   Gutachten Dipl. Ing. LL anläßlich des Lokalaugenscheines am 13.2.2019

-   Protokoll LVWG GZ: LvwG-2019/42/0174-4 vom 21.2.2019

-   Einreichplan Waschküche und Backofen für Hrn. PP QQbauer, ohne Datum

-   Grundbuchauszug DDhof betr. Elektroleitung für Säge 1917

-   Email vom 26.2.2019 der Fa. DD betr. Spanplatten

Daten zum Nebengebäude:

Erdgeschoss, “Sicherer Raum”:

Wände errichtet aus Stampfbeton, Holzbalkendecke, Bodenbelag derzeit OSBPlatten.

Mit kleiner Selchkammer und Kamin.

Der sichere Raum ist sehr gut belichtet mit einem Fensteranteil von 9,42% der

Bodenfläche. Das entspricht fast dem heutigen Mindeststandard für Wohnräume

von 10% Fensteranteil. Die Fenster sind abgesichert mit Vollstahlstäben.

Die hölzerne Eingangstür hat dieselben Maße wie die Haustüre beim Hauptgebäude.

Die Selchkammer ist ausgestattet mit verschließbarer Rauchzu- und abfuhr beim

Kamin, mit 2 Stahlprofilen ca. 10cm unterhalb der Decke zum Aufhängen der

Selchprodukte und mit Stahl-Eckzarge im Stampfbeton mitbetoniert mit 2 Verriegelungen.

Das Türblatt fehlt.

Siehe Beilagen 1-4 und Plan 1

Erdgeschoss, “Machelraum”:

Die Außenwände sind 3-schalig in Holz ausgeführt. Der Hohlraum zwischen äußerer und innerer Verschalung ist mit wärmedämmenden Holzspänen (Dämmstärke ca. 14cm) verfüllt.

Die Holzdecke ist verschalt mit parallel geschnittenen Brettern. Auch die hölzernen Unterzüge sind verschalt. Raumhöhe 2,30m.

Der Holzfußboden ist exakt verarbeitet und verlegt. Sauberes Fugenbild, Kanten gefast. Die Bodendielen sind nicht parallel geschnitten, sondern verlaufen konisch entsprechend der Baumstammdicke mit einer Breitendifferenz bis zu 7cm.

Mit 5 Fenstern ist der Machelraum ebenso gut belichtet wie der sichere Raum mit einem Fensteranteil von 9,87%, knapp unter der heutigen Mindestbelichtung von 10% für Wohnräume.

Siehe Beilagen 5-8 und Plan 1

Erdgeschoss, Heizraum/Kochstelle:

Die Holzwände sind mit 2-lagiger Beplankung (für Fugendichtheit) ausgeführt. Die westliche Außenwand neben dem Holzofen ist raumseitig mit Stahlblech ca. 1,25m hoch verkleidet (als Brandschutz). Der Rauchabzug erfolgt über ein Keramikrohr das durch die 2 Dächer geführt ist. Der obere Rauchrohrteil fehlt, die Dachöffnung ist noch vorhanden.

Der Keramik-Holzofen hat 2 Kochplatten.

Siehe Beilagen 9-10 und Plan 1

Erdgeschoss, Lager/Ehemalige Säge:

Die Maschinen und Werkzeuge der Säge wurden im Jahr 1982 verkauft. Seither wird der Raum als Lager genutzt.

Im Jahr 1917 wurde im Grundbuch ein Servitut für die Verlegung einer Elektroleitung für die damals errichtete betriebseigene private Wasserkraftanlage eingetragen (s. Grundbuchauszug). Diese diente lt. Hrn. DI. AA dem Betrieb der Gattersäge.

Mit der Errichtung der Säge als Anbau zum Nebengebäude (siehe Dachanschluss) wurden die 3 östlichen Fenster des Machelraumes für die Belichtung funktionslos.

Siehe Beilagen 4, 21, und Plan 1

Erdgeschoss, Plumpsklo:

Ich Erdgeschoss des Hauptgebäudes wurde laut Angaben des Auftraggebers vor ca. 45 Jahren ein WC mit Wasserspülung errichtet. Vorher wurde das Plumpsklo im Freien benutzt.

Siehe Beilagen 17-19

Obergeschoss, ehemals wärmegedämmter Dachraum:

Im Jahr 1982 wurde die hölzerne Vertäfelung an einen Altholzhändler verkauft. Beinahe alle Vertäfelungen und Konstruktionsbalken wurden abgebaut und durch eine Luke in der Südfassade transportiert. Verblieben sind lediglich ca. 22 Vertäfelungsbretter (alle mit Beschädigungen) und ein genuteter Balken als Auflager am Boden.

Die Vertäfelungen wurden nicht genagelt, sondern nur in Nuten gesteckt und mit Nut-Feder verbunden. Dadurch ist ein mehrmaliges Verwenden möglich. Einzelne Vertäfelungen sind mit religiösen Motiven bemalt.

Es sind noch 2 Tafeltypen vorhanden:

Typ 1: Enden sind passend für den genuteten Balken zugespitzt worden,

Fomat L/B/D 217/33/4 cm

Typ 2: L/B/D 206/25-28/2,3 cm

Der verbliebene genutete Bodenbalken wird laut dendrochronologischem Gutachten (Beilage zu Gutachten BM CC) mit Anfang 18. Jhd. datiert, ähnlich den Holzbalken über der Decke “Sicherer Raum”.

Frühestens ab den 1950er Jahren wurde das Obergeschoss nachweislich umgebaut. Es wurde eine Wärmedämmung eingebaut, ein Spanplattenboden mit Teppichbelag verlegt (Spanplatten verfügbar ab ca. 1950), die Wände und Decken mit Vertäfelungen hergestellt.

Nicht fertiggestellt wurde die Installation einer Dusche beim gemauerten Kamin. Die Unterkonstruktion für die 2 Fenster ist vorbereitet, jedoch sind nicht die passenden, sondern zu kleine Fenster eingebaut.

Der Dachstuhl wird lt. dendrochronologischem Gutachten mit ca. 1937 datiert.

Gutachten:

Stellungnahme zum Gutachten des SV Dipl. Ing. LL anläßlich des Lokalaugenscheines am 13.2.2019:

Zu Frage 2.1 Wann wurde das Gebäude bzw. Teile des Gebäudes errichtet?

A) Gegen die Datierung des Nebengebäudes mit den 1930er Jahren sprechen mehrere Feststellungen, wie

-   Die Datierung ist nur für den Dachstuhl mit ca. 1937 nachgewiesen.

-   Die private Stromversorgung der Säge wurde laut Grundbuch bereits 1917

bewilligt.

-   Mit der Errichtung der Säge haben 3 Fenster des Machelraumes ihre Belichtungsfunktion

verloren

-   Die Stampfbetontechnik war in Tirol lt. SV DI LL schon um 1900 bekannt

B) Die Böden im Machelraum sind nicht parallel geschnitten, sondern konisch

C) Die einbetonierten Rohre sind aus massivem Stahl, keine Formrohre

D) Entstehung der Säge nach 1936: Siehe Punkt A)

Nachdem ein privates Kraftwerk errichtet wurde und die Bewilligung der Stromleitung

erteilt wurde (1917) ist die Errichtung der Säge eher zeitnah als 19 Jahre

später erfolgt.

Zu Frage 2.2 Für welchen Verwendungszweck spricht die Konzeption?

Die Konzeption spricht sowohl für eine landwirtschaftliche Nutzung als auch Wohnnutzung mit einem “sicheren Raum” mit integrierter Selchkammer im Westen (Stampfbeton mit Kamin für Holzofen), Machlkammer im Osten mit Nebenraum als Heiz- und Kochraum und Lagerraum/Schlafraum im Obergeschoss.

Zu Frage 2.3 Wurde das Gebäude bzw. wurden Teile davon wahrscheinlich/offenkundig

abweichend von der ursprünglichen Konzeption genutzt?

-   Da das Nebengebäude sowohl für landwirtschaftliche Zwecke als auch für Wohnzwecke konzipiert wurde, sind keine abweichenden Nutzungen erkennbar.

-   Nachweislich wurden zuletzt der “Sichere Raum” und das Obergeschoß für Wohnzwecke genutzt (siehe Ausstattung).

-   Die technische Infrastruktur für eine Wohnnutzung war ausreichend vorhanden:

Der sichere Raum im Westen wurde mit dem Selch-Holzofen beheizt, der Machelraum und die Schlafkammern im Obergeschoß konnten mit dem Holzofen im Heizraum (mit eigenem Kamin) leicht temperiert werden. Schlafkammern wurden in der Regel nicht beheizt.

Als Abort wurde das Plumpsklo neben dem Hauptgebäude verwendet.

-   Das Obergeschoß wurde zuletzt mit Mineralwolle wärmegedämmt und mit den wiederverwendbaren Vertäfelungen beplankt. Die Vertäfelungen könnten daher bereits bei Errichtung des Nebengebäudes im Einsatz gewesen sein (siehe genuteter Balken).

Ein Kaminanschluß für einen Holzofen im Obergeschoß ist nicht mehr erkennbar, da hier Wasserleitungen für eine Dusche eingeputzt wurden (nicht fertiggestellt).

Zu Frage 2.4 War eine Wohnnutzung aufgrund der Konzeption wahrscheinlich/offenkundig angedacht?

-   Ja. Siehe Frage 2.2 und 2.3

-   Die Raumhöhen sind für beide Nutzungen geeignet

-   Die Belichtung im Erdgeschoß, sowohl im “Sicheren Raum” als auch im “Machelraum” entspricht fast dem heutigen Mindesterfordernis für Wohnnutzung.

-   Der “Sichere Raum” im Westen wurde mit einer Selchkammer ausgestattet. Die Kombination Waschküche und Selchkammer ist aufgrund der Luftfeuchtigkeit in der Waschküche auszuschließen. Dies würde den lebensmittelhygienischen Anforderungen (Schimmelbildung) eindeutig widersprechen. Außerdem ist ein unvermeidbarer Rauchgeruch durch den Betrieb einer Selchkammer in der Waschküche nicht erwünscht.

Mit dem Holzofen konnte der Raum gut geheizt werden und es konnte geräuchert, gekocht und geschlafen werden.

-   Der Machelraum im Osten mit Stiege ins Obergeschoß hatte einen eigenen Heizraum und sogar eine wärmegedämmte Fassade.

-   Das Obergeschoß konnte gut für Schlafräume genutzt werden, die Raumhöhen passen, ein Anschluss an den Kamin ist möglich, die Fenstergrößen sind veränderbar.

Zu Frage 2.5 Ergeben sich an Hand der baulichen Ausgestaltung

a) Anhaltspunkte dafür, dass das Gebäude bzw. einzelne Räume davon zu Wohnzwecken genutzt wurden?

-   Ja. Siehe Fragen 2.2 bis 2.4.

-   Die technischen Infrastrukturen (Heizung, Abort, ausreichende Belichtung) sind dem Errichtungszeitpunkt entsprechend für Wohnzwecke angemessen vorhanden.

b) Anhaltspunkte dafür, dass das Gebäude bzw. einzelne Räume davon nicht von vornherein zu Wohnzwecken genutzt wurden?

-   Ladeluken an der Südfassade sind weder an der Außenansicht, noch an der Unterkonstruktion nachvollziehbar (siehe Beilage 16). Es wurden 2 große Fensterausschnitte samt Unterkonstruktion hergestellt. Eine wiederverschlossene Entsorgungsöffnung für das demontierte Altholz im Jahre 1982 ist erkennbar.

-   Die Eingangstüren des Nebengebäudes sind solide ausgeführt. Die einfache optische Gestaltung im Gegensatz zur Haustüre des Hauptgebäudes läßt aber keinen Schluß auf die Nutzung zu.

Zusammenfassung:

Eine Wohnnutzung wurde bei der Planung und Errichtung mit einbezogen.

Nach Angaben des Auftraggebers wurde das gegenständliche Nebengebäude im Jahr des Erwerbes 1981 von Hrn. PP noch bewohnt. Er benutzte den sicheren Raum als Wohnküche und das Obergeschoß als Schlafraum.

Aufgrund der Ausstattung (hochwertiger Holzboden, hochwertige Decken- und Wandverschalung, wärmegedämmte Außenwände, gute Belichtung und Aussicht, Beheizbarkeit über den Heizraum) ist mit hoher Sicherheit davon auszugehen, dass der Machelraum für Wohnzwecke errichtet wurde und anfänglich auch dafür genutzt wurde.

Beilagen:

- Pläne 1, 2, 3

- Beilagen 1-21“

Das Gutachten OO wurde in der fortgesetzten Beschwerdeverhandlung am 05.04.2019 in Anwesenheit des Gutachters OO und des ASV LL erörtert:

„…Der Amtssachverständige wird bezugnehmend auf das vorgelegte Gutachten des Arch DI OO, welcher in seinem Gutachten auf die Fragestellungen des Gerichtes aus dem Schreiben vom 13.02.2019 an den Sachverständigen DI Mag. LL Bezug nimmt, gefragt, wie er diese Fragestellungen in Kenntnis dieses Gutachtens nunmehr beurteilt:

1. Wann wurde das Gebäude bzw wurden Teile davon errichtet?

Ich komme nach wie vor zum Schluss, dass das Gebäude in den 1930-Jahren errichtet wurde. Dafür sprechen einerseits das einheitliche Gesamterscheinungsbild mit schlüssig aufgebauter statischer Tragkonstruktion sowie ein Großteil der dendrodatierten Holzbalken. Ältere dendrodatierte Hölzer in der Decke über dem Stampfbetonteil sowie der verbliebene genutete Balken im Dachboden können nicht als Datierungshilfe herangezogen werden, da sie wesentlich älter sind als die darunter liegenden Mauern und somit in Zweitverwendung verbaut wurden. Darüber hinaus weisen Architekturdetails, wie die bauzeitlichen (horizontal verbretterten) Türen im Erdgeschoss stilistisch auf eine Entstehungszeit in den 1930-Jahren hin. Anhand der bewilligten privaten Stromversorgung kann keine Datierung des Gebäudes vorgenommen werden. Ein Vorgängerbau, wie auf dem Franziszeischen Katasterplan ersichtlich ist, könnte ebenfalls adaptiert und erweitert worden sein. Dieser hat jedoch nichts mehr mit dem gegenständlichen Gebäude zu tun. Die später angebaute Säge (drei Fenster der Machlkammer verlieren ihre Belichtungsfunktion) kann aufgrund der banalen Konstruktion und ihres provisorischen Charakters (Vielzahl an zweitverwendeten Materialen, zB Verschalungen, Eingangstüre ist eine Rahmenfüllungstüre für den Innenbereich, die Türbänder stimmen in der Gestaltung nicht überein) nicht näher datiert werden. Auch wenn Stampfbeton bereits um 1900 erstmalig in Tirol verwendet wurde, ist es aus meiner Sicht unwahrscheinlich, dass ausgerechnet beim gegenständlichen Nebengebäude zu einem landwirtschaftlichen Hauptgebäude bereits Stampfbeton verwendet wurde.

Der Verhandlungsleiter befragt den Sachverständigen hinsichtlich der Feststellung des DI OO in seinem Gutachten unter Pkt 2.1 B), wonach die Böden im Machlraum nicht parallel geschnitten, sondern chronisch geschnitten sind und ungleiche Bretterbreiten vorhanden sind?

Der Sachverständige führt aus:

Anhand allein von der Bretterbreite kann man keine eindeutige Datierung vornehmen. Eine Datierung ergibt sich aus der Summe der einzelnen Merkmale des Gebäudes.

Der Verhandlungsleiter befragt den Sachverständigen, ob es für die Datierung des Gebäudes von Bedeutung ist, ob die einbetonierten Rohre im „gesicherten Raum“ (laut Gutachten DI OO) aus massivem Stahl und keine Formrohre sind?

Der Sachverständige führt aus:

Die Rohre sind maschinell gefertigt und nicht von Hand geschmiedet. Damit sind sie hinsichtlich ihrer Datierung ins 20-Jahrhundert zu datieren.

Der Verhandlungsleiter befragt den Sachverständigen hinsichtlich des von DI OO vorgebrachten Argumentes, wonach das streitgegenständliche Gebäude vor den 30-iger Jahren des letzten Jahrhunderts errichtet sein müsse, zumal laut Grundbruch eine private Stromversorgung der Säge bereist 1917 bewilligt und vor Ort tatsächlich eine Säge errichtet wurde?

Der Sachverständige führt aus:

Es ist im franziszeischen Kataster – wie bereits ausgeführt – bereits ein Gebäude ungefähr in jenem Bereich, wo sich das streitgegenständliche Gebäude befindet, eingezeichnet. Dieses Vorgängergebäude könnte ebenfalls adaptiert und erweitert worden sein.

Auf Befragung des Vertreters des Beschwerdeführers:

Der Vertreter des Beschwerdeführers erstattet noch vor Befragung des Sachverständigen folgendes Vorbringen:

Das Vermessungsbüro RR mit Sitz in T hat mir mitgeteilt, dass es im Jahr 1904 Änderungen beim Kataster in diesem Bereich, wo das streitgegenständliche Gebäude sich befindet, gegeben hat. Diese wurden anhand eines Anmeldungsbogens mit der Nummer 25 durchgeführt. Darauf ist auch das streitgegenständliche Bauobjekt ersichtlich und wurde lagemäßig dem heutigen Bestand offensichtlich angepasst.

Der Verhandlungsleiter befragt den Sachverständigen, ob aus dem Vorbringen des Vertreters des Beschwerdeführers eine andere Beurteilung des Alters des streitgegenständlichen Gebäudes resultiert?

Der Sachverständige führt aus:

Anhand des vorgelegten Planes der Vermessung RR ist eine Grundstücksbereinigung ersichtlich. Die Anordnung des Gebäudes oder der Gebäude (Haupthaus und Nebengebäude) entsprechen in etwa dem franziszeischen Katasterplan. Eine frühere Datierung ist auf Basis des vorgelegten Planes aus meiner Sicht nicht angebracht. Wenn ich den franziszeischen Kataster und die nunmehr vorgelegte Planunterlage des DI RR gegenüberstelle, ergeben sich für mich keine derartigen Unterschiede, dass daraus geschlossen werden könnte, dass eine frühere Erbauungszeit als von mir angenommen vorliegt.

Der Vertreter des Beschwerdeführers bringt zu den Äußerungen des Sachverständigen replizierend vor, dass aus seiner Sicht die in der Planunterlage des DI ersichtliche Situierung des Nebengebäudes eindeutig an einer anderen Stelle ist, als im franziszeischen Kataster. Der Vertreter des Beschwerdeführers meint natürlich die vorgelegte Skizze des DI RR (im Anmeldungsbogen mit der Nummer 25 aus dem Jahr 1904).

Der Sachverständige führt zu dieser Argumentation ergänzend aus wie folgt:

Der Vertreter des Beschwerdeführers nimmt an, dass die Größe irrelevant ist, sehr wohl jedoch die Lage. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Der Verhandlungsleiter befragt den Sachverständigen, ob für ihn mit der Argumentation des Vertreters des Beschwerdeführers zwingend eine frühere Datierung des streitgegenständlichen Gebäudes als bisher von ihm angenommen einhergeht?

Der Sachverständige führt aus:

Es ist meiner Meinung nach keine Argumentation, die zwingend eine ältere Datierung des Gebäudes als von mir bisher angenommen rechtfertigt.

Der Vertreter des Beschwerdeführers bringt vor, dass laut Fachmeinung des DI OO die horizontale Verbretterung der Türe beim „sicheren Raum“ durchaus auch schon um 1900 denkbar ist. Aus Sicht des DI OO wäre eine horizontale Verbretterung von Türen auch für das beginnende 19. Jahrhundert denkbar. Aus Sicht von DI OO ist dieses Argument des Amtssachverständigen für eine Datierung daher nicht heranzuziehen.

Hinsichtlich des zu vermutenden Alters des Gebäudes hält DI OO fest, dass beim Machlraum nach Osten hin drei Fenster bestehen und diese nachträglich mit Brettern verschlossen wurden. Das kommt aus Sicht des DI OO aus der Tatsache heraus, dass die Säge errichtet wurde. Aus Sicht DI OO ist die Errichtung der Säge in einem engen zeitlichen Konnex mit der erteilten Bewilligung, wie im Gutachten festgehalten, zu sehen.

Der Verhandlungsleiter befragt den Amtssachverständigen, ob sich hinsichtlich seiner Einschätzung zu Frage 2 des Gerichtes im vom 13.02.2019 (für welchen Verwendungszweck spricht die ursprüngliche Konzeption?) etwas geändert hat?

Der Sachverständige führt aus:

Die ursprüngliche Konzeption spricht für ein landwirtschaftlich geprägtes Nebengebäude mit Wirtschaftsraum/Lagerraum mit einer integrierten Selchkammer im Westen und einer Machlkammer im Osten mit schuppenartigem Nebenraum und Lagerraum im Dachgeschoss. Eine ursprüngliche Wohnnutzung kann anhand der Grundrissstruktur sowie des Raumgefüges und der überlieferten bauzeitlichen Ausstattung ausgeschlossen werden. Der westliche Raum mit Kamin und integrierter Selche besitzt vergitterte liegende Fensterformate. Diese verweisen auf eine Nutzung als Nebenraum und nicht als Wohnraum und sind für landwirtschaftliche Gebäude typologisch.

Der Sachverständige legt dem Gericht drei Fotos von derartigen typischen liegenden Fenstern bei landwirtschaftlichen Gebäuden, welche als Beilage A und B bezeichnet zur Verhandlungsschrift genommen werden. Fensterformate bei einer ursprünglich geplanten Wohnnutzung wären hochrechteckig.

DI OO wirft zu diesem Argument des Amtssachverständigen ein, dass möglicherweise zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes die genaue einzelne Nutzung der jeweiligen Räumlichkeiten noch nicht exakt feststand, sodass vorliegend ein nicht hochstehendes rechteckiges Fenster eingebaut wurde. DI OO meint, vorliegend würde er von sowohl Wohnnutzung als auch landwirtschaftlicher Nutzung jener Räume, wo diese liegenden Fenster eingebaut wurden, ausgehen.

Aus Sicht des DI OO sind die vom Sachverständigen vorgelegten Fotos (Beilage A und B) nicht aussagekräftig, zumal auf diesen Fotos zum Teil ein Gebäude mit Fenstern abgebildet ist, welche in einer Stalleinheit eingebaut wurden, welche eine gewisse Höhe aufweist. Diese Fenster zB beim Bild 1 fangen erst ab einer gewissen Höhe an (Beilage B), sodass diese Situation nicht mit dem streitgegenständlichen Gebäude vergleichbar ist. Auch das untere Bild auf Beilage A ist aus meiner Sicht nicht mit dem streitgegenständlichen Gebäude vergleichbar, zumal in Summe die Fensterflächen eine viel kleinere Relation zur gesamten Wand haben als beim streitgegenständlichen Gebäude.

Der Amtssachverständige bringt zu dieser Argumentation des DI OO vor wie folgt:

Man kann heute sehr genau Fenster, Fensterformate, Fensterteilungen datieren. Typologisch wäre für die 1930-Jahre ein hochrechteckiges 6-teiliges Fenster mit liegenden Scheibenformaten bei Wohnzwecken typisch. Die Forderung auch zur damaligen Zeit nach Licht und Luft in der Architektur ist spätestens seit dem 19. Jahrhundert üblich. Das Fensterformat im „gesicherten Raum“ des streitgegenständlichen Gebäudes ist mit seiner liegenden Proportion typisch für ein landwirtschaftliches Gebäude.

DI OO bringt replizierend zu den Ausführungen des Sachverständigen vor wie folgt:

Vorliegend kann nur auf die Fensterform Bezug genommen werden. Nachdem es sich aus Sicht von DI OO nicht mehr um die Original-Fenster beim gesicherten Raum „handeln dürfe haben diese Fenster auch nicht jene Aussagekraft, die der Amtssachverständige diesen beimisst.“

Der Amtssachverständige führt dazu replizierend aus:

Ich muss korrigieren, ich spreche immer vom Fensterformat und nicht vom Fenster an sich, weil das Fenster an sich definitiv erneuert wurde.

DI OO bringt ergänzend vor, dass die Belichtungsfläche beim „gesicherten Raum“ durchaus dem heutigen Belichtungsstandart entspricht.

Der Amtssachverständige führt in seinen Ausführungen fort wie folgt:

Die bauzeitliche Haustüre gliedert sich in ihrer Gestaltung als einfache Brettertüre ebenfalls in die Konzeption als Nebenraum ein. Typologisch ist diese Türe keine Haustüre für eine Wohnnutzung der 1930-Jahre.

Der Vertreter des Beschwerdeführers weist darauf hin, dass die Ausgestaltung der Eingangstür seines Bauernhofes entspricht.

Der Amtssachverständige führt weiters aus:

Die integrierte Selchkammer schließt eine Wohnnutzung aus, da es beim Betrieb einer Selchkammer unweigerlich zu Rauchbelästigungen kommen würde. Dies wird auch im Gutachten von DI OO von diesem so vermerkt. Zumindest eine bauliche Abtrennung durch einen vorgelagerten Vorraum zur Selche wäre bei einer Wohnnutzung in den 1930-Jahren vorgesehen worden. Eine innere Verbindung zur Machlkammer und somit zur Erschließungstreppe des Dachgeschosses (wo Herr DI OO die Schlafkammern vermutet) fehlt.

Die Machlkammer ist noch weitgehend unverändert bauzeitlich überliefert und wurde als solche errichtet. Die Dämmung von zweischaligen Holzwänden mit Holzspänen war in den 1930-Jahren durchaus auch bei Arbeitsräumen üblich und lässt keinen Rückschluss auf eine Wohnnutzung zu. Gegen eine Wohnnutzung spricht, dass der Machlraum eine Fläche von 44,80 m² aufweist. Dies wäre als singulärer Wohnraum völlig überdimensioniert und nicht ordentlich beheizbar. Diese Raumgrößen von 44,80 m² von Wohnräumen finden wir beispielsweise in herrschaftlichen Bürgerhäusern oder Ansitzen.

Eine Binnenstruktur (Raumteilung) ist nicht überliefert und auch nicht ablesbar. Die roh belassene Stampfbetonwand spricht ebenfalls gegen eine Wohnnutzung.

Der Vertreter des Beschwerdeführers bringt zu diesem Argument vor, dass seines Wissens nach bei dieser nicht verputzten Wand ursprünglich eine Holzverkleidung angebracht war, die zwischenzeitlich nicht mehr vorhanden ist.

Der Amtssachverständige führt fort wie folgt:

Die Treppe von der Machlkammer ins Obergeschoss ist schlicht gestaltet und besitzt keinen Handlauf.

Sperrige Gegenstände (Bretter etc) konnten daher vom Lagerraum im Dachgeschoss leichter in die Machlkammer transportiert werden.

Der Nebenraum, welchen DI OO als „Heizraum“ tituliert hat, ist schupfenartig angebaut und nicht gedämmt und von geringerer Qualität als die Machlkammer. Der vorhandene Ofen mit Kochgelegenheit steht im Grundriss unmittelbar angrenzend an den gemauerten Kamin, ist jedoch nicht an diesen angeschlossen. Ein zweiter, bauzeitlicher gemauerter Kaminzug ist ebenfalls nicht vorhanden (Brandschutz). Der provisorisch geführte Rauchabzug entlang der Außenschalung durch das Vordach des Gebäudes sowie die mangelhafte Ausführung des Nebenraumes ohne Dämmung lässt den späteren Einbau des Ofens erkennen. Es ist ansonsten nicht nachvollziehbar, warum ausgerechnet der hochtemperierte Raum nicht gedämmt ist. Der Amtssachverständige legt dazu ein Bild, welches als Beilage C zur Verhandlungsschrift genommen wird.

Im Dachgeschoss sind keine errichtungszeitlichen Dachkammern und somit keine ursprüngliche Wohnnutzung nachweisbar. Der genutete Balken im Obergeschoss datiert älter a

Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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