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E000 EU- Recht allgemein;Norm
11992E048 EGV Art48;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde der ES in F/Deutschland, vertreten durch Dr. Heinz Knoflach, Rechtsanwalt in Innsbruck, Schmerlingstraße 2, gegen den Bescheid der Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 2. April 1997, Zlen. LGv-540/8-96 und 541/2-96, betreffend Versagung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 16. August 1995/6. September 1995 sowie mit Kaufvertrag vom 9. November 1995/1. März 1996 erwarb die Beschwerdeführerin, eine deutsche Staatsangehörige, jeweils von den Hälfteeigentümern eine näher genannte Liegenschaft in einer Tiroler Gemeinde samt einem darauf errichteten Objekt. Diese Rechtsgeschäfte wurden der Bezirkshauptmannschaft Imst entsprechend den grundverkehrsrechtlichen Vorschriften angezeigt, wobei das Grundstück als Baugrundstück im Sinne des § 2 Abs. 3 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes (kurz: TGVG 1993), LGBl. Nr. 82/1993, behandelt wurde. Als beabsichtigter Verwendungszweck wurde von der Beschwerdeführerin zunächst die ganzjährige Vermietung des verfahrensgegenständlichen Objektes an "Einheimische" angegeben. In weiterer Folge teilte die Beschwerdeführerin im Wege jenes Notars, der auch die Kaufverträge errichtete, mit Schreiben vom 1. Juni 1996 mit, sie wolle in dem auf dieser Liegenschaft befindlichen Haus eine "Touristikagentur" eröffnen.
Die Bezirkshauptmannschaft Imst als Grundverkehrsbehörde erster Instanz hat mit Bescheiden, jeweils vom 17. Juni 1996, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung für den Rechtserwerb an dieser Liegenschaft hinsichtlich des jeweiligen Hälfteeigentums gemäß § 9 Abs. 1 "lit. 1" (gemeint wohl: lit. a) in Verbindung mit § 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 3 Abs. 1 lit. b und § 25 Abs. 1 TGVG 1993 erteilt. In der Begründung wurde u.a. ausgeführt, die vertragsgegenständliche Liegenschaft sei als Bauland (Wohngebiet) gewidmet und mit einem Wohnhaus bebaut. Die Beschwerdeführerin habe im Zuge des grundverkehrsbehördlichen Verfahrens angegeben, daß das Wohnhaus nach geringfügigen Adaptierungsarbeiten für den Betrieb einer "Touristikagentur" genutzt werden solle. Gegenstand dieser Tätigkeit solle die Organisation und die Durchführung von Reisen aller Art, die Vermittlung von Veranstaltungen, die Durchführung von Werbeveranstaltungen und ähnliches sein. Sitz des Unternehmens werde das vorgenannte Haus sein. Es seien die Voraussetzungen für einen Rechtserwerb im Rahmen der Niederlassungsfreiheit in Verbindung mit Kapitalverkehrsfreiheit (gemeint: nach dem EG-Vertrag) gegeben.
Gegen diese Bescheide hat der Landesgrundverkehrsreferent nach § 25 Abs. 4 TGVG 1993 Berufung erhoben und unter anderem vorgebracht, die aus der Niederlassungsfreiheit resultierende Liegenschaftserwerbsmöglichkeit dürfe nicht so verstanden werden, daß jede mögliche selbständige Erwerbstätigkeit zum Liegenschaftserwerb berechtige. Auf seiten der Beschwerdeführerin würden die gewerberechtlichen Voraussetzungen für die Fortführung einer Touristikagentur nicht vorliegen. Der Landesgrundverkehrsreferent beantragte daher, der Berufung Folge zu geben und dem Erwerb der gegenständlichen Liegenschaft die grundverkehrsbehördliche Genehmigung zu versagen.
In einem ergänzenden Schriftsatz vom 15. Jänner 1997 brachte die Beschwerdeführerin u.a. vor, daß sie sich im Zusammenhang mit den vorliegenden Kaufverträgen auf die Niederlassungsfreiheit, die Dienstleistungsfreiheit und die Kapitalverkehrsfreiheit (nach dem EG-Vertrag) sowie auf die Richtlinie 90/364/EWG des Rates über das Aufenthaltsrecht stütze. Sie habe glaubhaft dargetan, daß sie beabsichtige, im Kaufobjekt den Sitz eines Unternehmens zu etablieren, sohin ein Unternehmen in Österreich zu gründen, und zwar eine Touristikagentur.
Im Zusammenhang mit Art. 52 des EG-Vertrages wies die Beschwerdeführerin in ihrer vorgenannten Stellungnahme insbesondere darauf hin, es sei zur Begründung der Niederlassungsfreiheit nicht erforderlich, daß ein Unternehmen bereits bestehen müsse. Es gehe vielmehr ausdrücklich um die "Aufnahme selbständiger Erwerbstätigkeit" sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen. Die Beschwerdeführerin besitze "alle Voraussetzungen für die Erlangung der gewerberechtlichen Genehmigungen". Die Anträge könnten jedoch erst gestellt werden, wenn die Beschwerdeführerin über einen Sitz in Österreich verfüge. Die Beschwerdeführerin habe ihre derzeitige Tätigkeit als Dozentin für Betriebswirtschaft und Rechnungswesen auf 12 h/Woche reduziert und könne sich daher zusätzlich dem neuen Unternehmen mit voller Arbeitskraft widmen. Da das Objekt über ausreichend Platz verfüge (7 Zimmer und Nebenräume), bestehe auch die Möglichkeit und Absicht einer zusätzlichen Vermietung von Räumlichkeiten. Entsprechend der Erweiterung des Touristikunternehmens könne diese Vermietungstätigkeit eingeschränkt werden.
In Zusammenhang mit der Dienstleistungsfreiheit (Art. 59 EG-Vertrag) brachte die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vor, selbst wenn man davon ausgehe, daß die Beschwerdeführerin zum damaligen Zeitpunkt noch in Deutschland ansässig sei, ihren Hauptwohnsitz und Sitz ihres Unternehmens erst nach Genehmigung der Kaufverträge nach Österreich verlegen werde, so könne sie ihre Tätigkeit als Dienstleistungsunternehmerin in der Anfangsphase auch grenzüberschreitend erbringen. Es sei aber auch in diesem Fall die Etablierung eines Büros im P.-Tal unerläßlich.
Im Zusammenhang mit der Richtlinie 90/364/EWG (allgemeine Aufenthaltsrichtlinie) führte die Beschwerdeführerin in dieser Stellungnahme u.a. aus, es gehe nicht um den Erwerb eines Zweitwohnsitzes, sondern um den Erwerb eines Wohnsitzes zur Begründung unternehmerischer Tätigkeit, sodaß jedenfalls die Richtlinie vollinhaltlich anzuwenden sei. Aus dem Aufenthaltsrecht resultiere auch das Recht, in dem betreffenden Mitgliedsstaat Grund und Immobilien erwerben zu können. Die Beschwerdeführerin verfüge über eine Krankenversicherung, die im Aufnahmemitgliedsstaat "alle Risken" abdecke, sowie über ausreichende Existenzmittel, durch die sichergestellt sei, daß sie während des Aufenthalts nicht die Sozialhilfe des Aufnahmestaates in Anspruch nehmen müsse.
Im Zusammenhang mit der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 73b des EG-Vertrages) merkte die Beschwerdeführerin schließlich u.a. an, daß auch der Erwerb von Immobilien eine Kapitalverkehrstransaktion darstelle. Die beabsichtigte Vermietung, die in Folge der Größe des Objektes möglich sei, stelle ebenfalls eine Kapitalinvestition dar.
Im Zuge der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde am 23. Jänner 1997 wurde von der Beschwerdeführerin u.a. ergänzend ausgeführt, daß kein Freizeitwohnsitz vorliege und die Beschwerdeführerin Inländern gleichgestellt sei. Sie sei in Deutschland berechtigt, das Gewerbe einer Touristikagentur auszuüben. Es müsse nur nachgewiesen werden, daß beabsichtigt sei, ein Unternehmen zu gründen.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. April 1997 gab die belangte Behörde der Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten Folge und versagte den beiden vorgenannten Kaufverträgen jeweils gemäß § 9 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 12 Abs. 1 "lit. a" und § 13 Abs. 1 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 (kurz: TGVG 1996), LGBl. Nr. 61, die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides ging die belangte Behörde unter Berufung auf § 40 TGVG 1996 von der Anwendung dieses neuen Grundverkehrsgesetzes (Inkrafttreten mit 1. Oktober 1996; vgl. § 41 TGVG 1996) aufgrund der im Zuge des Berufungsverfahrens erfolgten Änderung der Rechtslage mangels von im Beschwerdefall anwendbaren Übergangsbestimmungen aus. Bei der gegenständlichen Liegenschaft handle es sich um ein Baugrundstück im Sinn des § 2 Abs. 3 TGVG 1996 und die Käuferin (Beschwerdeführerin) sei dem Personenkreis des § 2 Abs. 5 leg. cit. (Ausländerin) zuzuordnen, jedoch EU-Bürgerin.
Nach Ansicht der belangten Behörde hätten die gegenständlichen Rechtsgeschäfte sowohl nach dem TGVG 1993 als auch nach § 12 Abs. 1 bzw. § 9 Abs. 1 lit. a TGVG 1996 einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedurft. Für die im § 3 Abs. 1 leg. cit. vorgesehenen Ausnahmen der Anwendung der Bestimmungen über den Erwerb von Rechten an Grundstücken durch Ausländer sei (in dessen Abs. 2) eine Umkehr der Beweislast vorgesehen. Es erfolge dabei nicht schlechthin eine Gleichbehandlung der EU- oder EWR-Bürger mit den österreichischen Staatsbürgern, sondern nur ihm Rahmen der "Ausübung der in Rede stehenden Freiheiten", wobei von einer systematischen Gesamtbetrachtung ausgegangen werde. Es sei unstrittig, daß die Niederlassungsfreiheit (nach dem EG-Vertrag) auch das Recht umfasse, Grundstücke zur Errichtung von Betriebsstätten unter den gleichen Voraussetzungen wie Inländer zu erwerben. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (kurz: EuGH) gehöre zur Niederlassungsfreiheit bei Hauptniederlassungen auch das Recht auf Grunderwerb zu Wohnzwecken. Bei sogenannten "sekundären" Niederlassungen komme es auf die Würdigung des Einzelfalles an, wobei entscheidend sei, ob die betreffende Tätigkeit so viel Zeit in Anspruch nehme, daß ein Wohnsitz benötigt werde.
Die Beschwerdeführerin habe entsprechend ihren Ausführungen die Absicht, im verfahrensgegenständlichen Objekt (gemeint wohl: im vorhandenen Wohnhaus) eine "Hauptniederlassung", nämlich die "Touristikagentur S.", zu begründen. Dies sei jedoch rechtlich nicht möglich, weil die Beschwerdeführerin über keine Gewerbeberechtigung verfüge - es wäre nämlich eine Gewerbeberechtigung für das Reisebürogewerbe erforderlich - und es sei darüberhinaus "nicht einmal geklärt", ob sie die Voraussetzungen für die Erteilung einer entsprechenden Gewerbeberechtigung "überhaupt erfüllen könnte". Die vorgelegte "Gewerbeanmeldung" in Deutschland vom 21. Jänner 1997 reiche in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht aus. Es sei der Beschwerdeführerin nicht gelungen, sich zu Recht auf die Niederlassungsfreiheit nach Art. 52 EG-Vertrag (kurz: EGV) zu stützen. Ferner habe sie auch nicht dartun können, weshalb ausgerechnet das gegenständliche Objekt, das außerhalb des Ortszentrums liege, als Standort für die ins Treffen geführte "Touristikagentur" ausgewählt werde.
Da die Beschwerdeführerin vorgebracht habe, sowohl sie selbst als auch ihr Ehegatte würden im gegenständlichen Wohnhaus ihren Hauptwohnsitz begründen und von diesem Objekt aus eine "Touristikagentur" betreiben, sei aber klargestellt, daß der vorliegende Rechtserwerb auf keinen Fall im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit (nach dem EGV) erfolgen könne. Dies deshalb, weil ein Angehöriger eines Mitgliedsstaates (der Europäischen Union), der in stabiler und kontinuierlicher Weise eine Berufstätigkeit in einem anderen Mitgliedsstaat ausübe, in dem er sich von einem "Berufsdomizil" aus u.a. an die Angehörigen dieses Staates wende, eben unter die Vorschriften des Kapitels über das Niederlassungsrecht und nicht unter jene über die Dienstleistung falle.
Auch aus den sogenannten Aufenthaltsrichtlinien könne die Beschwerdeführerin keinen Anspruch auf Erwerb der gegenständlichen Liegenschaft ableiten. § 3 TGVG 1996 (in der Stammfassung LGBl. Nr. 61/1996) sehe keine Gleichbehandlung aufgrund der Richtlinie des Rates über das Aufenthaltsrecht (RL 90/364/EWG), der Richtlinie des Rates über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständigen Erwerbstätigen (RL 90/365/EWG) und der Richtlinie des Rates über das Aufenthaltsrecht der Studenten (RL 90/366/EWG, nunmehr RL 93/96/EWG) vor.
Nach § 2 Abs. 3 der Richtlinie über das Aufenthaltsrecht und der Richtlinie über das Aufenthaltsrecht der aus dem Erwerbsleben ausgeschiedenen Arbeitnehmer und selbständigen Erwerbstätigen berühre die jeweilige Richtlinie nicht die geltenden Rechtsvorschriften für den Erwerb von Zweitwohnungen. Ob das Aufenthaltsrecht nach den "Allgemeinen Aufenthaltsrichtlinien" das Recht auf Grunderwerb miteinschließe, werde in der Literatur unterschiedlich beurteilt. Nach dem TGVG 1996 werde - der Rechtsansicht von Hummer/Schweitzer, Raumordnung und Baurecht in Europa, 1992, S. 324 f. folgend - den nach den Aufenthaltsrichtlinien Berechtigten kein Recht auf Grunderwerb zugestanden. Ferner sei auch aus dem Wortlaut des Art. 8a des EGV nicht unmittelbar ein Recht auf Liegenschaftserwerb abzuleiten. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung könnten Vorschriften erlassen werden, die das Aufenthaltsrecht erleichtern. Auch Liegenschaftserwerb sei aber in diesem Zusammenhang "sicherlich nicht erforderlich".
Die Kapitalverkehrsfreiheit sei durch den Vertrag über die Europäische Union auf eine neue Stufe gestellt worden. Nach Art. 73b Abs. 1 EGV seien im Rahmen der Bestimmungen dieses Kapitels alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen dem Mitgliedsstaaten und dritten Ländern verboten. Diese Bestimmung sei auch unmittelbar anwendbar. In der Kapitalverkehrsfreiheit könne kein Auffangtatbestand gesehen werden. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die Kapitalverkehrsfreiheit nicht akzessorisch sei, könne diese nicht zum Grunderwerb für Wohnzwecke herangezogen werden, wenn etwa aufgrund einer anderen Grundfreiheit oder aufgrund von anderen Rechtsvorschriften eine solche Möglichkeit nicht bestehe.
Im Bereich des Grunderwerbs erfahre die Kapitalverkehrsfreiheit Investitionsbeschränkungen zugunsten von Nutzungsbindungen. Dafür spreche auch die grundsätzlich anerkannte Zulässigkeit von Nutzungsbeschränkungen im Rahmen der Raumordnung. Der Kapitalverkehrsfreiheit sei immanent, daß sie im Zusammenhang mit typischen wirtschaftlichen und gewerblichen Prozessen betrachtet werde und nicht als Generaltatbestand. Wenn in anderen Grundfreiheiten oder Rechtsvorschriften der Grunderwerb Beschränkungen erfahre, könne nicht die Kapitalverkehrsfreiheit gleichsam zur Umgehung solcher Beschränkungen als Kompensation herangezogen werden.
Aus europarechtlicher Sicht bestehe nach Ansicht der belangten Behörde folglich keine Veranlassung, den Kaufverträgen die Genehmigung zu erteilen. Es sei daher noch zu prüfen, ob der Rechtserwerb nach § 13 Abs. 1 lit. b TGVG 1996 zu genehmigen sei. Staatspolitische Rücksichten würden durch die gegenständlichen Kaufverträge nicht beeinträchtigt. Hinsichtlich der übrigen, im § 13 Abs. 1 lit. b TGVG 1996 angeführten Interessen habe die Grundverkehrsbehörde zu prüfen, ob ein besonderes öffentliches Interesse in wirtschaftlicher, kultureller oder sozialer Hinsicht am Rechtserwerb durch den Ausländer bestehe. Besondere derartige öffentliche Interessen am gegenständlichen Rechtserwerb seien nicht hervorgekommen und seitens der Beschwerdeführerin auch nicht geltend gemacht worden. Die beabsichtigte Errichtung einer "Touristikagentur" im vorhandenen Objekt reiche jedenfalls nicht zur Begründung eines öffentlichen Interesses in wirtschaftlicher, kultureller oder gar sozialer Hinsicht aus. Im Ergebnis sei daher davon auszugehen, daß solche Interessen, die eine Ausnahme von den Grundverkehrsbeschränkungen für Ausländer rechtfertigten, weder ausreichend begründet geltend gemacht worden, noch im Verfahren hervorgekommen seien.
Es habe nach Ansicht der belangten Behörde dahingestellt bleiben können, ob bezüglich der gegenständlichen Kaufverträge die Voraussetzungen nach dem dritten Abschnitt (= §§ 9 bis 11) des TGVG 1996 betreffend den Rechtserwerb an Baugrundstücken vorlägen, weil die belangte Behörde aufgrund der dargestellten Erwägungen zu keiner anderslautenden Entscheidung hätte kommen können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegenden Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht sowie die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 177 des EG-Vertrages an den Gerichtshof des Europäischen Gemeinschaften angeregt werden.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 41 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (kurz: TGVG 1996), LGBl. Nr. 61, tritt dieses Gesetz mit 1. Oktober 1996 in Kraft. Gleichzeitig treten das Tiroler Grundverkehrsgesetz, LGBl. Nr. 62/1993, in der Fassung des Gesetzes LGBl. Nr. 4/1996 und die Verordnung über die Erklärung nach § 10 Abs. 2 des Tiroler Grundverkehrsgesetzes, LGBl. Nr. 24/1994, außer Kraft.
Die im vorliegenden Beschwerdefall interessierenden Übergangsbestimmungen des § 40 des TGVG 1996 lauten:
"(2) In jenen grundverkehrsbehördlichen Verfahren, die am 1. Jänner 1994 anhängig waren, ist in materiellrechtlicher Hinsicht weiterhin das Grundverkehrsgesetz 1983 anzuwenden. Hinsichtlich der Behörden und des Verfahrens gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes.
(3) Auf Rechtsgeschäfte und Rechtsvorgänge, die vor dem 1. Jänner 1994 abgeschlossen wurden, ist in materiellrechtlicher Hinsicht weiterhin das Grundverkehrsgesetz 1983 anzuwenden. Hinsichtlich der Behörden und des Verfahrens gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes."
Da die belangte Behörde ihre Berufungsentscheidung zu einem Zeitpunkt erließ, zu dem bereits das TGVG 1996 in Kraft getreten war, und für eine Anwendung der dargestellten Übergangsbestimmungen des § 40 Abs. 2 und 3 TGVG 1996 sachverhaltsbezogen kein Anhaltspunkt besteht, war von der Rechtmittelbehörde - wie die belangte Behörde zu Recht im angefochtenen Bescheid ausführte - das im Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Recht (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. Oktober 1997, Zl. 96/02/0483), sohin das TVGV 1996, anzuwenden.
Gemäß § 9 Abs. 1 lit. a TGVG 1996 bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb des Eigentums an Baugrundstücken zum Gegenstand haben, der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde.
Nach § 11 Abs. 1 lit. a leg. cit. darf die Genehmigung nach § 9 nur erteilt werden, wenn beim Rechtserwerb an einem bebauten Grundstück glaubhaft gemacht wird, daß durch den beabsichtigten Rechtserwerb kein Freizeitwohnsitz geschaffen werden soll.
Der Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen nach § 12 Abs. 1 leg. cit. Rechtsgeschäfte und Rechtsvorgänge, die den Erwerb von Rechten im Sinne des § 9 an Baugrundstücken oder von Rechten im Sinne des § 4 an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken oder an sonstigen Grundstücken durch Ausländer zum Gegenstand haben.
Gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. darf die Genehmigung nur erteilt werden, wenn gemäß lit. a bei Rechtserwerben an Baugrundstücken die Voraussetzungen nach dem dritten Abschnitt (des TGVG 1996) vorliegen und (lit. b) der Rechtserwerb staatspolitischen Interessen nicht widerspricht und ein öffentliches Interesse am Rechtserwerb durch den Ausländer, insbesondere in wirtschaftlicher, kultureller oder sozialer Hinsicht, besteht.
Abs. 1 lit. b gilt gemäß § 13 Abs. 2 leg. cit. nicht, soweit staatsvertragliche Verpflichtungen entgegenstehen.
§ 3 Abs. 1 TGVG 1996 in der Stammfassung LGBl. Nr. 61 lautet in den im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen wie folgt:
"(1) Die Bestimmungen dieses Gesetzes über den Erwerb von Rechten an Grundstücken durch Ausländer gelten nicht, wenn solche Rechte erworben werden durch
a) Personen im Rahmen der Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 48 des EG-Vertrages bzw. nach Art. 28 des EWR-Abkommens,
b) Personen und Gesellschaften im Rahmen der Niederlassungsfreiheit nach den Art. 52 und 58 des EG-Vertrages bzw. nach den Art. 31 und 34 des EWR-Abkommens,
c) Personen und Gesellschaften im Rahmen des freien Dienstleistungsverkehrs nach Art. 59 des EG-Vertrages bzw. nach Art. 36 des EWR-Abkommens,
d) Personen und Gesellschaften im Rahmen der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 73b des EG-Vertrages soweit sich aus Art. 70 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge nichts anderes ergibt, bzw. nach Art. 40 des EWR-Abkommens.
(2) Das Vorliegen einer der Voraussetzungen nach Abs. 1 hat der Rechtserwerber gleichzeitig mit der Anzeige des Rechtsgeschäftes oder des Rechtsvorganges nach § 23 Abs. 1 nachzuweisen."
Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 30. November 1995 in der Rechtssache C-55/94, Gebhard, ausführte, fällt die Situation eines Gemeinschaftsangehörigen, der sich in einen anderen Mitgliedsstaat der Gemeinschaft begibt, um dort eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, entweder unter das Kapitel des (EG-)Vertrages über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer oder unter das über das Niederlassungsrecht oder unter das über Dienstleistungen, wobei diese Kapitel einander ausschließen (RZ 20).
Sachverhaltsbezogen findet sich kein Ansatzpunkt, daß im Beschwerdefall das Kapitel über die Arbeitskräfte anzuwenden wäre. Ferner stellte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im vorzitierten Erkenntnis vom 30. November 1995 fest, daß die Vorschriften des Kapitels über die Dienstleistungen gegenüber denen des Kapitels über das Niederlassungsrecht subsidiär sind (RZ 22).
Der Begriff der Niederlassung im Sinne (EG-)Vertrages - so der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften im vorzitierten Erkenntnis weiter - ist ein sehr weiter Begriff, der die Möglichkeit für einen Gemeinschaftsangehörigen impliziert, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedsstaates als eines Herkunftsstaates teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen, wodurch die wirtschaftliche und soziale Verflechtung innerhalb der Gemeinschaft im Bereich der selbständigen Tätigkeiten gefördert wird (RZ 25). Insoweit die Beschwerdeführerin im wesentlichen als Erwerbszweck die Errichtung und den Betrieb einer "Touristikagentur" auf dem gegenständlichen Grundstück anführt, gibt sie damit hinreichend zu erkennen, in stabiler und kontinuierlicher Weise - und nicht nur vorübergehend - am Wirtschaftsleben in einem anderen Mitgliedsstaat (Österreich) als ihres Herkunftsstaates (Deutschland) teilnehmen und daraus Nutzen ziehen zu wollen. Damit beabsichtigt sie aber erkennbar, von der Niederlassungsfreiheit im Sinne der vorstehenden Ausführungen zu Art. 52 ff. des EG-Vertrages Gebrauch zu machen. Infolge der erwähnten Subsidiarität der Vorschriften des Kapitels über die Dienstleistungen gegenüber jenen des Kapitels über das Niederlassungsrecht nach dem EG-Vertrag geht daher das zur Frage der Dienstleistungsfreiheit erstattete Beschwerdevorbringen von vornherein ins Leere.
Hinsichtlich des zur Niederlassungsfreiheit erstatteten Vorbringens ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, daß sie eine einschlägige Gewerbeanmeldung in Deutschland erst am 21. Jänner 1997, sohin erst kurz vor der am 23. Jänner 1997 vor der belangten Behörde abgehaltenen mündlichen Verhandlung vornahm. Schon aufgrund dieser erst kurzfristig vorgenommenen Gewerbeanmeldung ist es aber der Beschwerdeführerin nicht gelungen, nachzuweisen, daß sie die Voraussetzungen für die Nachsicht vom vorzitierten Befähigungsnachweis zur Ausübung des Gewerbes des Reisebüros nach § 6 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten, BGBl. Nr. 775/1993, erfüllen würde. Diese innerstaatliche Rechtsvorschrift setzt u.a. die Richtlinie des Rates vom 29. Juni 1982, RL 82/470/EWG, über Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Ausübung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs für die selbständigen Tätigkeiten bestimmter Hilfsgewerbe, des Verkehrs und der Reisevermittler (ISIC-Gruppe 718) sowie der Lagerhalter (ISIC-Gruppe 720) um. Nach den beiden zuletzt genannten Rechtsvorschriften wäre für die Ausübung einer entsprechenden gewerblichen Tätigkeit in bezug auf die in Österreich erforderlichen Voraussetzungen zumindest eine mehrjährige einschlägige Tätigkeit erforderlich. Es ist evident, daß die Beschwerdeführerin diese Voraussetzungen im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht erfüllte, weshalb sie sich auch nicht mit Erfolg auf die Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit in bezug auf den beabsichtigten Liegenschaftserwerb zu stützen vermag. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich auch ein näheres Eingehen auf das übrige zur Niederlassungsfreiheit erstattete Beschwerdevorbringen.
Mit den weiteren Beschwerdeausführungen wendet sich die Beschwerdeführerin insbesondere gegen die im angefochtenen Bescheid vertretene Auffassung, die Richtlinie des Rates vom 28. Juni 1990, RL 90/364/EWG, gestehe den Berechtigten kein Recht auf Grunderwerb zu sowie gegen die Meinung, daß aus der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 73b EG-Vertrag) in Folge ergänzender und dienender Form zu den anderen Freiheiten des EG-Vertrages nicht (selbständig) als Rechtfertigungsgrund für einen Grunderwerb herangezogen werden könne.
Nach der hg. Judikatur ist die Behörde verpflichtet, in der Begründung des Bescheides in eindeutiger, einer nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise aufzuzeigen, von welcher konkreten Sachverhaltsannahme sie bei ihrem Bescheid ausgegangen ist und worauf sich die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen im einzelnen stützen. Dieser Rechtspflicht nicht entsprechend gestaltete Bescheide werden nicht nur dem Sinn und Zweck der §§ 58 und 60 AVG nicht gerecht, sondern hindern im Falle seiner Anrufung auch den Verwaltungsgerichtshof, seiner Rechtskontrollaufgabe, wie sie im § 41 Abs. 1 VwGG zum Ausdruck kommt, insoweit zu entsprechen, als nicht oder unzureichend begründete Bescheide inhaltlich auch keine Überprüfung "auf Grund des von der belangten Behörde angenommenen Sachverhaltes" zulassen (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, S. 467, unter E 34a zu § 60 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).
Die Relevanz der zur Auslegung der allgemeinen Aufenthaltsrichtlinie bzw. zur Kapitalverkehrsfreiheit aufgeworfenen Fragen stellt sich nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im Beschwerdefall aber erst dann, wenn die Behörde den Sachverhalt insbesondere dahingehend in einer dem Gesetz entsprechenden Weise abgeklärt hat, ob tatsächlich im Falle einer (zumindest derzeit) nicht möglichen Ausübung der beabsichtigten gewerblichen Tätigkeit ("Touristikagentur") seitens der Beschwerdeführerin, wie diese mehrfach behauptete, kein Freizeitwohnsitz an dem gegenständlichen Objekt begründet werden soll.
Zwar findet sich etwa auf S. 6 des angefochtenen Bescheides unter Bezugnahme auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin der Hinweis, daß sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Ehegatte im gegenständlichen Objekt "ihren Hauptwohnsitz" begründen wollten, jedoch läßt sich dieser Hinweis für den Verwaltungsgerichtshof anhand der vorgelegten Akten nicht nachvollziehen, zumal die Beschwerdeführerin etwa in ihrer Eingabe vom 15. Jänner 1997 gegenüber der belangten Behörde im Zusammenhang mit den Ausführungen zur allgemeinen Aufenthaltsrichtlinie behauptete, daß es sich nicht um den Erwerb eines Zweitwohnsitzes, sondern "um den Erwerb eines Wohnsitzes zur Begründung unternehmerischer Tätigkeit" handle, andererseits aber im Hinblick auf die Kapitalverkehrsfreiheit wiederum offenbar von der beabsichtigten Vermietung sämtlicher Räume des Wohnhauses ausgeht. Im Zuge der von der belangten Behörde durchgeführten mündlichen Verhandlung unterblieb eine Klarstellung des diesbezüglichen Sachverhaltes. Der allgemeine Hinweis auf die Schaffung von Wohnraum (offenbar gemeint für die Beschwerdeführerin) durch einen kleinen Zubau sowie die Bejahung der Frage, ob der Ehegatte der Beschwerdeführerin "auch ins P.-Tal ziehe", vermögen eine diesbezügliche Klärung jedoch nicht herbeizuführen.
Die diesbezüglich fehlenden Sachverhaltsfeststellungen hindern jedoch den Verwaltungsgerichtshof, die gegen die Auslegung der genannten EU-Vorschriften vorgebrachten Argumente prüfen zu können, zumal es vom noch festzustellenden Sachverhalt abhängt, welchen Fragen aus europarechtlicher Sicht tatsächlich Relevanz zukommt.
Eine im Beschwerdefall nicht auszuschließende Vorlage von Fragen zur Auslegung einschlägiger europarechtlicher Bestimmungen im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 177 EG-Vertrag erfordert jedoch vorab eine möglichst hinreichende Klärung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes.
Wie der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 26. Jänner 1993 in der verbundenen Rechtssache C-320 bis 322/90, Telemarsicabruzzo, sinngemäß zum Ausdruck brachte, ist auch für ihn eine ausreichende Kenntnis des dem Ausgangsverfahren zugrundeliegenden Sachverhaltes erforderlich, um entsprechend der Aufforderung durch das vorlegende Gericht die gemeinschaftsrechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf die Situation, die Gegenstand dieses Rechtsstreites ist, auslegen zu können (so sinngemäß in RZ 9 dieses Urteils hinsichtlich der seinerzeit maßgeblich gewesenen "gemeinschaftsrechtlichen Wettbewerbsregel").
Aus den dargelegten Gründen war daher der angefochtene Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. März 1999
Gerichtsentscheidung
EuGH 61994J0055 Gebhard VORABSchlagworte
Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 NiederlassungGemeinschaftsrecht Richtlinie Umsetzungspflicht EURallg4/2Gemeinschaftsrecht Terminologie Definition von Begriffen EURallg8 NiederlassungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997020209.X00Im RIS seit
09.11.2001Zuletzt aktualisiert am
15.11.2011