Entscheidungsdatum
10.01.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W168 2183283-1/6E
W168 2183259-1/7E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerden von
1.) XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2017, ZL: 1101088803 / 160024007,
2.) XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan, geben den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2017, ZL:
1101089506/ 160024228,
beschlossen:
A)
Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Die beiden Beschwerdeführer (BF) gelangten unberechtigt in das Bundesgebiet und stellten gemeinsam am 04.01.2016 gegenständliche Anträge auf internationalen Schutz.
Bei der Einvernahme des Erstbeschwerdeführers (BF1) durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 24.10.2017 führte dieser unter Anderem zusammenfassend aus, dass sich sein Sohn, bzw. die Schwester im Bundesgebiet aufhalten würden. Der BF1 führte aus, dass er Analphabet sei und er als Straßenverkäufer in Kabul gearbeitet hätte. Er hätte alles Mögliche verkauft, bzw. als Schuhputzer gearbeitet. Es wäre ihm möglich gewesen seinen Lebensunterhalt von seiner Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Die weiteren Familienangehörigen in Afghanistan würden alle in Kabul arbeiten und dort Geld verdienen. Er würde in Afghanistan über keinen Grundbesitz verfügen. Die BF 2 hätte ihren Schmuck verkauft, damit sie die Kosten der Schleppung in der Höhe von pro Person €3000, insgesamt also €6000 finanzieren hätten können. Die BF2 führte aus, dass sie in Afghanistan als Hausfrau tätig gewesen wäre und ihr Mann das Leben finanziert hätte. Sie würde in Afghanistan nichts mehr besitzen. Befragt zum Fluchtgrund führte die BF 2 insbesondere auch aus, dass sie in Afghanistan sehr unter Druck gestanden wäre und Frauen (dort) keinerlei Rechte hätten.
Mit den nunmehr angefochtenem Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass nicht festgestellt hätte werden können, dass die BF in Afghanistan einer asylrevanten Verfolgung ausgesetzt gewesen wären, bzw. eine solche zukünftig zu erwarten hätten. Die diesbezüglichen zu Protokoll gegebenen Ausführungen wären zusammenfassend insgesamt vage und unglaubwürdig.
Zur Situation im Falle einer Rückkehr wurde ausgeführt, dass die BF nicht lebensbedrohlich erkrankt wären und sich im arbeitsfähigen Alter befinden würden. Diese wären im Iran in der Lage gewesen im Verbund der Familie das Leben zu fristen, bzw. wäre die BF 2 in der Lage gewesen gemeinsam mit ihren Ehemann das Leben in Kabul zu bestreiten und den gemeinsamen Sohn in Kabul großzuziehen. Auch wurde festgestellt, dass die BF in der Lage sind durch ihre Arbeitsleistung, bzw. betreffend die BF 2, auch durch die Arbeitsleistung des BF 1, bzw. auch durch die Hilfe der sich in Afghanistan aufhältigen Familienmitglieder den Lebensunterhalt in der Heimat zukünftig zu sichern. Das Alter der BF, bzw. auch deren Gesundheitszustand würde nicht verkannt werden. Doch es würde darauf hinzuweisen sein, dass die BF bis Mitte 2014 durchaus in der Lage gewesen wären in Kabul mit der vorhandenen medizinischen Betreuung auszukommen, bzw. dadurch keiner besonderen Einschränkung des Lebens unterworfen waren. Es sei auf die Ausführungen der Staatendokumentation betreffend älterer Menschen in Afghanistan zu verweisen.
Die BF würden über keine im Verfahren zu berücksichtigenden familiären oder freundschaftlichen Anknüpfungspunkte in Österreich verfügen. Ein besonderes Abhängigkeits- bzw. Naheverhältnis zum sich in Österreich aufhältigen Sohn der BF würde nicht bestehen. Gründe für das Vorhandensein einer besonders berücksichtigungswürdigen besonderen Integration wären nicht hervorgekommen, bzw. wären selbst Deutschkurse bis zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht besucht worden.
Gegen die gegenständlichen Bescheide des BFA erhoben die BF fristgerecht Beschwerden. In diesen wurde inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht, bzw. würden diese Bescheide im vollen Umfang angefochten werden. Begründend wurde insbesondere hinsichtlich Spruchpunkt I ausgeführt, dass die belangte Behörde es insbesondere unterlassen hätte genaue Berichte zur Situation von Frauen einzuholen, die sich eine westliche Einstellung angeeignet hätten. Auch würden die BF einem besonderen Risikoprofil unterliegen, nämlich dem, der Angehörigen der sozialen Gruppe von im Ausland lebenden Personen, denen unterstelle werden würde reich zu sein. Das BFA hätte sich zudem mangelnder Länderberichte betreffend die Situation und Sicherheitslage in Afghanistan, bzw. auch betreffend die Situation in Kabul, insbesondere auch betreffend Rückkehrern bedient. Aufgrund der humanitären Notsituation würden ansässige Familien dort meist ums Überleben kämpfen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese bereit und fähig wären Rückkehrenden Schutz und Unterstützung zu bieten. Aus einer Notiz zu Afghanistan von Thomas Ruttig vom 12.04.2017 gehe deutlich hervor, dass es in Afghanistan weder ein Sozialsystem noch ein Pensionssystem geben würde. Wenn die Behörde feststelle, dass insb. der BF1 in Afghanistan in der Lage wäre durch Arbeitsleistung den Lebensunterhalt für sich und die BF2 zu finanzieren, sich auf das afghanische Pensionssystem stützen könne, bzw. auf die Hilfe der in Afghanistan weiterhin ansässigen Angehörigen zurückgreifen könne, so würden diese Ausführungen vollkommen den angeführten tatsächlichen Begebenheiten widersprechen. Die Behörde hätte es unterlassen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt amtswegig zu ermitteln. Hierdurch hätte sie gegen ihre Pflicht zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens verstoßen und hätte das Verfahren damit mit groben Mängeln belastet. Auch hätte die Behörde mangelnde Ermittlungen in Hinblick auf die westliche Orientierung der BF2 unternommen. Die Behörde hätte es unterlassen die Zweit BF betreffend ihrer westlichen Gesinnung, bzw. betreffend ihres westlichen Lebensstils zu befragen. Die BF hätte hierbei angeben können, dass sie es genieße in Österreich sich frei bewegen zu können, Erledigungen auch ohne ihren Ehemann bewerkstelligen zu können, bzw. in Österreich auch einer Tätigkeit nachgehen zu können. Die angestrebte Eigenständigkeit der BF2 wäre in Afghanistan undenkbar. Auch hätten die BF bereits im Zuge ihres erstinstanzlichen Verfahrens bereits mehrere Arztbriefe vorgelegt. Es hätte daher die Notwendigkeit bestanden sich näher mit den Möglichkeiten zu Gesundheitsversorgung in Afghanistan, bzw. dem Erhalt der notwendigen Medikamente auseinanderzusetzen. Dies hätte die Behörde verabsäumt. Die BF würden unter Erkrankungen leiden und sich in ständiger medizinischer Behandlung befinden. Im Falle einer Rückkehr wäre nicht auszuschließen, dass die BF die für sie notwendige medizinische Versorgung erhalten würden, bzw. keine Verletzung von Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK erfahren würden. Die Behörde hätte zudem eine mangelhafte Beweiswürdigung vorgenommen, da sie die Gründe der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens nicht ausführlich genug gewürdigt hat. Die Behörde hätte dadurch eine unrichtige rechtliche Beurteilung vorgenommen. Auch würde betreffend der Zumutbarkeit der Außerlandesbringung der BF festzuhalten sein, dass eine Zumutbarkeit, die auch oberhalb der Schwelle des Existenzminimums anzusiedeln sei, aufgrund des Alters der BF betreffend der Rückkehr nicht anzunehmen sei, bzw. würde die Rückkehrentscheidung eine Verletzung von Art. 2 bzw. 3 EMRK bedeuten.
Aus diesen Gründen würden die Anträge gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, die angefochtenen Bescheide - allenfalls nach Beschwerdeergänzung- zu beheben, den Status von Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 AsylG zuzuerkennen, bzw. in eventu subsidiären Schutz gemäß § 8 AsylG zuzuerkennen, sowie festzustellen, dass die gem. §52 FPG erlassenen Rückkehrentscheidungen gem. §9 Abs. 3 BVA - VG unzulässig wären und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen (plus) gem. §55 AsylG vorliegen würden, dem BF daher gem. §58 Abs. 2 AsylG Aufenthaltsberechtigungen (plus) gem. §58 Abs. 2 AsylG von Amts wegen zu erteilen, sowie in eventu Aufenthaltsberechtigungen besonderer Schutz gem. §57 Abs. 1 AsylG von Amts wegen zu erteilen, bzw. in eventu die angefochtenen Bescheide ersatzlos zu beheben und zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.1. Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegeben.
Zu A) Zurückverweisung der Beschwerde
1.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:
"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommenden Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."
1.3. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis vom 24.02.2009, Zl. U 179/08-14 u. a.) ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl. VfSlg.15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).
2. In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
3. Die belangte Behörde hat die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines umfassend ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens in den gegenständlichen Verfahren missachtet. In den gegenständlichen Verfahren wurde ebenso gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG 2005 bestimmt nämlich, dass das Bundesamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 iVm. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, hat die belangte Behörde in diesem Verfahren jedoch missachtet.
Das Bundesamt hat betreffend mehrerer wesentlicher Verfahrensfragen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht, bzw. grundlegend nicht ausreichend ermittelt, hat verfahrenswesentliche Feststellungen nicht getroffen und entsprechende Länderfeststellungen den gegenständlichen Bescheiden nicht zu Grunde gelegt.
So hat das BFA insbesondere im angefochtenen Bescheid festgehalten, dass eine Rückkehr der BF nach Afghanistan insbesondere auch deshalb möglich wäre, da sich die BF im arbeitsfähigen Alter befinden würden und diese nicht unter lebensbedrohlichen Erkrankungen leiden würden. Diese hätten sich, auch mit Unterstützung von Angehörigen, ihren Lebensunterhalt bis Mitte 2014 sichern können, bzw. könnten sich diesen somit auch zukünftig sichern. Die BF2 könnte sich diesen auch insbesondere durch die Unterstützung des BF 1 weiter sichern. Das Alter der BF mitberücksichtigt würde auf die Ausführungen der Staatendokumentation betreffend älterer Menschen in Afghanistan bzw. auf die diesbezüglichen Ausführungen betreffend des Pensionssystems zu verweisen sein.
Betreffend dieser Ausführungen ist zunächst festzuhalten, dass den vorliegenden Verwaltungsakten nicht entnommen werden kann, aufgrund welcher konkreten Ausführungen der Staatendokumentation betreffend älterer Menschen, bei den BF handelt es sich um einen 65 jährige Mann und eine 62 jährige Frau, in Afghanistan die Sicherung des Lebensunterhaltes der beiden älteren BF konkret abzuleiten ist.
Betreffend der Ausführungen bezüglich des Bestehens eines Pensionssystems in Afghanistan ist festzuhalten, dass den hierauf bezogenen Informationen der Staatendokumentation zu entnehmen ist, dass dann ein entsprechender Pensionsanspruch besteht, wenn 32 Jahre gearbeitet worden wäre und die Person zwischen 63 und 65 Jahre alt ist. Auf die BF bezogene individuelle Abklärungen und Nachfragen, inwieweit die BF konkret tatsächlich konkret Zugang zum afghanischen Pensionssystem haben, sind den vorliegenden Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.
Wird betreffend der BF festgehalten, dass sich diese sich im arbeitsfähigen Alter befinden würden und somit erwartet werden könne, dass diese sich ihren Lebensunterhalt, wie auch bis Mitte 2014 geschehen, auch hinkünftig in Afghanistan durch Arbeitsleistung, bzw. auch durch die Hilfe der in Afghanistan aufhältigen Familienangehörigen sichern konnten, bzw. diese auch in Zukunft auf diese Unterstützungsleistungen zurückgreifen können, so ist hinsichtlich der angenommenen Unterstützungsleistungen durch Familienangehörigen festzuhalten, dass in den vorliegenden Verfahren nicht dargelegt wurde, um welche Familienangehörigen es sich hierbei konkret handelt. Auch wurden Nachfragen betreffend der wirtschaftlichen Situation dieser Familienmitglieder gänzlich nicht vorgenommen. Ebenso wurde nicht abgeklärt, ob diese in der Lage und willens sind die BF auch künftig -insbesondere anzunehmend hinkünftig auf Dauer- zu unterstützen. Es ist betreffend der Notwendigkeit der Vornahme dieserart Abklärungen insbesondere auch auf die jüngste Judikatur des VfGH vom 12.12.2018 zu verweisen der etwa im Erkenntnis E 667-672/2018-18 festhält, dass bei Annahme des Erhaltes von Unterstützungsleistungen durch Familienangehörige entsprechend konkrete Abklärungen vorzunehmen sind und hierauf bezogen Ermittlungen dahingehend anzustrengen sind, warum konkret davon auszugehen ist, dass diese Familienangehörigen entsprechende Unterstützungsleistungen gewähren können und wollen. Zur Abklärung dieser Fragen sind unmittelbar hierauf gerichtete Befragungen der BF zur konkreten Lebenssituation der Angehörigen erforderlich. Dass diesbezügliche Abklärungen in den gegenständlichen Verfahren vorgenommen worden sind ist den vorliegenden Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.
Wenn seitens des BFA schließlich auch festgehalten wird, dass es sich bei den BF um Personen im arbeitsfähigen Alter handle und damit anzunehmen sei, dass sie ihren Lebensunterhalt, wie auch vor der Ausreise, auch zukünftig bestreiten könnten, so ist auch diesbezüglich festzuhalten, dass es sich bei beiden BF um ältere Personen handelt, die altersentsprechende Erkrankungen aufweisen. Die BF2 selbst hat ausgeführt, dass sie in Afghanistan ausschließlich Hausfrau gewesen wäre. Dass der BF1 die BF2 auch aufgrund seines Alters den Lebenserhalt der BF2 ohne weiteres auch hinkünftig sichern könnte, kann aus den diesbezüglichen Ausführungen der BF betreffend ihrer Angaben zu ihren Lebenserwerb nicht angenommen werden. Aufgrund welcher konkreter Erwägungen, bzw. basierend auf welchen konkreten Abklärungen in den gegenständlichen Verfahren somit davon ausgegangen wurde, dass die BF - auf Dauerbei einer Rückkehr konkret in der Lage sind ihren Lebensunterhalt entsprechend zu sichern, kann den vorliegenden Verwaltungsakten nicht entnommen werden.
Zudem ist festzuhalten, dass auch hinsichtlich des von der BF2 im Zuge der Befragung vor dem BFA erstatteten Vorbringens wesentliche verfahrensrelevante Nachfragen und damit verfahrensrelevante Abklärungen in Bezug auf das mögliche Bestehen einer westlichen Orientierung unterlassen worden sind. Bereits während der Befragung vor dem BFA führt die BF2 aus, dass sie in Afghanistan sehr unter Druck gestanden wäre, da Frauen in Afghanistan keine Rechte hätten. Die BF 2 legt bereits in erster Instanz eine Vereinbarung mit dem Magistrat der Stadt Wien vor, der zu entnehmen ist, dass sie eigenständig eine gemeinnützige Tätigkeit als Reinigungskraft in einer Berufsschule angenommen hat. Dieserart Ausführungen der BF 2, bzw. auch die vorgelegte Vereinbarung betreffend der Aufnahme einer eigenständigen Arbeit der BF 2 indizieren im gegenständlichen Verfahren die Notwendigkeit weiter Nachfragen und Abklärungen auch betreffend des Vorliegens einer möglichen westlichen Orientierung. Diese weitere Ermittlungstätigkeit hat die Behörde vorzunehmen jedoch vollkommen unterlassen, bzw. wurde im gegenständlichen Verfahren auch nicht auf Basis konkreter Feststellungen zur aktuellen Lebensweise der BF2 - unter Heranziehung aktueller Länderberichte - die zu erwartende Reaktion in Afghanistan auf eine von ihr angestrebte Lebensweise geprüft. (etwa VwGH, Zlen RA 2014/20/0017 und 0018-9, 28.05.2014). Bereits im erstinstanzlichen Verfahren ist umfassend zu ermitteln und festzuhalten, inwieweit aus den Aussagen im Verfahren oder auch betreffend der gezeigten Lebensweise eine westliche Gesinnung oder ein relevanter westlicher Lebensstil abzuleiten ist. Das Unterlassen jeglicher relevanter bzw. weiterer hierauf bezogener Abklärungstätigkeit stellt im gegenständlichen Verfahren einen weiteren wesentlichen Verfahrensmangel dar.
Das BFA geht in den angefochtenen Bescheiden somit auf wesentliche Verfahrensfragen nicht ausreichend ein, bzw. unterlässt die diesbezüglich erforderlichen Abklärungen gänzlich. Der von der Verwaltungsbehörde diesbezüglich ermittelte Sachverhalt ist somit diesbezüglich grundlegend ergänzungsbedürftig und die angefochtenen Bescheide sind damit in den angeführten Punkten begründungslos ergangen.
Das BFA wird somit die oben angeführten Ermittlungen im Zuge von ergänzenden Befragungen nachzuholen und auch unter Berücksichtigung der entsprechenden UNHCR - Richtlinien zu würdigen haben. (vgl. zur Indizwirkung der UNHCR-Richtlinien VwGH 22.11.2016,Ra 2016/20/0259 mwN).
Die Vornahme solcherart verfahrenswesentlicher Abklärungen kann nicht gänzlich zur erstmaligen bzw. vollständigen Ermittlung im Beschwerdeverfahren an das BVwG delegiert werden. Eine solcherart gänzliche erstmalige Vornahme eines in den angeführten Punkten verfahrenswesentlich durchzuführenden Ermittlungsverfahrens als auch eine solcherart darauf aufbauende erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzes liegen.
Dies insbesondere auch unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und eine sämtliche verfahrensrelevanten Aspekte abdeckende Prüfung des Antrages nicht erst beim BVwG beginnen und zugleich enden soll.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteiverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes- nicht ersichtlich.
Da der maßgebliche Sachverhalt in den gegenständlichen Verfahren somit nach wie vor in verfahrensrelevant wesentlichen Punkten nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen den Anträgen der Beschwerdeführer die angefochtenen Bescheide zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen stattzugeben.
Auf Grundlage der neuen Ermittlungsergebnisse wird das BFA nach Vornahme von entsprechenden Abklärungen und unter Zugrundelegung von aktuellen, die oben angeführten Punkte abklärenden Länderfeststellungen und unter Berücksichtigung aktueller UNHCR Richtlinien, neue Bescheide zu erlassen haben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil der gegenständliche Fall rein tatsachenlastig ist und keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass die Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG in ihrem Kernbereich auf § 28 Abs. 3 VwGVG anzuwenden ist und diesbezüglich seit jeher Einheitlichkeit gegeben ist.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W168.2183259.1.00Zuletzt aktualisiert am
09.05.2019