Entscheidungsdatum
15.01.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs3Spruch
I421 1252728-3/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX) XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. Daigneault, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 23.04.2018, Zl. IFA 281804705 + VZ 161151392, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer brachte am 06.05.2004 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Er sei Mitglied des Oouda People¿s Congress (OPC) gewesen und habe dort eine Führungsposition innegehabt. Daher sei er von rivalisierenden Organisationseinheiten verfolgt worden; diese hätten seinen Bruder ermordet. Er müsse sich im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria vor einem gewaltsamen Tod fürchten. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 13.08.2004 (Zl. 04 10.280) wurde der Asylantrag abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Nigeria für zulässig erklärt. Der Beschwerdeführer wurde zugleich aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.
Gegen den abweisenden Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde vom Unabhängigen Bundesasylsenat mit Bescheid vom 08.09.2006, Zl. 252.728/0-V/13/04 die angefochtene Entscheidung in allen Punkten bestätigt. Dies wurde damit begründet, dass dem Vorbringen die Glaubwürdigkeit zu versagen sei.
Gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats legte der Beschwerdeführer Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof ein, welcher deren Behandlung mit Beschluss vom 09.09.2010, Zl. 2006/20/0761-12 ablehnte.
Am 02.07.2013 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Er blieb bei seinem Fluchtvorbringen und erklärte, keine neuen Fluchtgründe zu haben. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 14.07.2013 (Zl. 13 09.272) den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurück, ohne in die Sache einzutreten.
Dagegen wurde am 01.08.2013 Beschwerde beim Asylgerichtshof erhoben. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 01.10.2013 (A 12 252.728-2/2013/3E) wurde die Beschwerde abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer wiederholt explizit betont habe, keine neuen Fluchtgründe präsentieren zu können. Der Beschwerdeführer begehre sohin eine Auseinandersetzung mit seinen bereits geltend gemachten Fluchtgründen, was dem Grundsatz "ne bis in idem" widerspreche.
Am 25.07.2014 wurde dem Bundeverwaltungsgericht ein Schreiben übermittelt, betitelt mit "Antrag auf Wiederaufnahme des Asylverfahren". Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 04.09.2014, Zl. I403 2010185-1/4E wurde der Antrag gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
Den verfahrensgegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG stellte der Beschwerdeführer am 22.08.2016 (Datum des Einlangens).
Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 29.08.2016 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, der Behörde binnen 14 Tagen ein gültiges Reisedokument und eine Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument im Original nachzureichen.
Mit Schreiben vom 13.10.2016 brachte der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsvertreter einen Antrag auf Heilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV ein und gab an, dass es ihm nicht möglich sei einen Reisepass vorzulegen, da er für dessen Ausstellung nach Nigeria reisen müsste und er in Nigeria auch keine Angehörigen habe, die ihm bei der Beschaffung einer Geburtsurkunde behilflich sein könnten. Dem Antrag war ein Schreiben der nigerianischen Botschaft beigefügt, wonach es einen Fehler bei seiner Reisepass-Ausstellung gegeben habe und dieser zur Korrektur nach Nigeria gesendet worden sei. In dringenden Fällen ergebe sich die Notwendigkeit nach Nigeria zu reisen, um den Ausstellungsprozess zu beenden.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.04.2018 wies das Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) in Spruchpunkt I. den Antrag auf Mängelheilung vom 13.10.2016 gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Z 1 und 2 AsylG-DV ab. In Spruchpunkt II. wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG erließ das BFA gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 und 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 55 Abs. 4 FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt VI.).
Gegen diesen Bescheid wurde vom rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 22.05.2018 fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer nunmehr seit über vierzehn Jahren in Österreich befinde und mittlerweile Vater eines fünfjährigen Mädchens sei, zu welchem er mangels Kontakt mit der Kindsmutter zwar keinen Kontakt habe, allerding sei davon auszugehen, dass die Tochter ihn früher oder später kennenlernen möchte. Des Weiteren sei er am 19.07.2013 aus der Schubhaft heraus der nigerianischen Botschaft vorgeführt worden, infolge sei er aber enthaftet worden, da er mangels Erhalt eines Reisedokumentes nicht abschiebbar gewesen sei. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung und der persönlichen Anhörung des Beschwerdeführers der Beschwerde stattgeben, feststellen, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei und aussprechen, dass die Behörde in inhaltlicher Entscheidung den beantragten Aufenthaltstitel zu erteilen hat. Der Beschwerde wurde die Kopie einer Geburtsurkunde beigefügt.
Am 28.05.2018 legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der (spätestens) am 06.05.2004 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer ist volljährig, ledig und Staatsangehöriger von Nigeria. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.
Der Beschwerdeführer hält sich mit einigen Unterbrechungen wegen unbekannten Aufenthaltes seit ca. vierzehn Jahren im österreichischen Bundesgebiet auf. Aufgrund seiner in Österreich - letztlich unbegründeten - Anträge auf internationalen Schutz war er seit seiner ersten Asylantragstellung 2004 bis 09.09.2010 und von 02.07.2013 bis 01.10.2013 aufenthaltsberechtigt.
Der Beschwerdeführer leidet an einer Kniegelenksarthrose. Er leidet aber an keinen schwerwiegenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen und ist daher auch erwerbsfähig.
Der Beschwerdeführer besuchte in Nigeria sechs Jahre die Grundschule und sechs Jahre die Berufsschule.
In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.
Nicht festgestellt werden kann, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Vater eines in Österreich lebenden fünfjährigen Mädchens ist.
Er hat durchaus einige Schritte zur Integration gesetzt, ist Mitglied beim Verein Schmetterling, ist in seiner Kirchengemeinde aktiv, verfügt über zwei Einstellungszusagen, bestand eine Deutschprüfung Niveau A2 und hat in Österreich Freundschaften geschlossen. Doch auch wenn er um eine Integration bemüht ist, kann dennoch nicht von einer nachhaltigen Verfestigung gesprochen werden. So hat er weder an beruflichen Aus- oder Weiterbildungen teilgenommen noch ist er am Arbeitsmarkt integriert oder gemeinnützig tätig.
Er ging bis dato in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen von der staatlichen Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich zweimal vorbestraft:
01) BG XXXX vom 16.11.2005 RK 21.11.2005
PAR 27/1 SMG
PAR 15 StGB
Freiheitsstrafe 1 Monat, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Vollzugsdatum 21.11.2005
zu BG XXXX RK 21.11.2005
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig
Vollzugsdatum 21.11.2005
BG XXXX vom 19.05.2009
02) LG XXXX vom 29.09.2009 RK 29.09.2009
PAR 28 A/1 (5. FALL) 27 ABS 1/1 (1.2. FALL) 27/2 SMG
Datum der (letzten) Tat 27.05.2009
Freiheitsstrafe 18 Monate, davon Freiheitsstrafe 12 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre
Vollzugsdatum 26.11.2009
zu LG XXXX RK 29.09.2009
Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am 26.11.2009
LG XXXX vom 25.03.2010
zu LG XXXX RK 29.09.2009
(Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig
Vollzugsdatum 26.11.2009
LG XXXXvom 12.11.2013
Der Beschwerdeführer hat am 22.08.2016 persönlich beim BFA einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs 1 AsylG gestellt. Der Beschwerdeführer hat keine gültigen Reisedokumente und keine Geburtsurkunde vorgelegt.
Mit Schreiben vom 13.10.2016 brachte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Mängelheilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV ein.
1.2. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:
Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 23.04.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle (Stand 07.08.2017) "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.
Das politische System Nigerias orientiert sich stark am System der Vereinigten Staaten; in der Verfassungswirklichkeit dominieren der Präsident und die ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die lange regierende People¿s Democratic Party (PDP) musste nach den Wahlen 2015 erstmals seit 1999 in die Opposition; seither ist die All Progressives¿ Congress (APC) unter Präsident Muhammadu Buhari an der Macht.
In Nigeria herrscht keine Bürgerkriegssituation, allerdings sind der Nordosten, der Middle Belt und das Nigerdelta von Unruhen und Spannungen geprägt. Für einzelne Teile Nigerias besteht eine Reisewarnung, insbesondere aufgrund des hohen Entführungsrisikos.
Im Norden und Nordosten Nigerias hat sich die Sicherheitslage verbessert; in den ländlichen Teilen der Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa kommt es aber weiterhin zu Anschlägen der Boko Haram. Es gelang den Sicherheitskräften zwar, Boko Haram aus den meisten ihrer Stellungen zu vertreiben, doch war es kaum möglich, die Gebiete vor weiteren Angriffen durch die Islamisten zu schützen. Der nigerianischen Armee wird vorgeworfen, im Kampf gegen Boko Haram zahlreiche Menschenrechtsverletzungen begangen zu haben; die von Präsident Buhari versprochene Untersuchung blieb bisher aber folgenlos.
Das Nigerdelta (Bundesstaaten Ondo, Edo, Delta, Bayelsa, Rivers, Imo, Abia, Akwa Ibom und Cross River) ist seit Jahren von gewalttätigen Auseinandersetzungen und Spannungen rund um die Verteilung der Einnahmen aus den Öl- und Gasreserven geprägt. Von 2000 bis 2010 agierten in der Region militante Gruppen, die durch ein im Jahr 2009 ins Leben gerufene Amnestieprogramm zunächst beruhigt wurden. Nach dem Auslaufen des Programmes Ende 2015 brachen wieder Unruhen aus, so dass eine weitere Verlängerung beschlossen wurde. Die Lage hat sich seit November 2016 wieder beruhigt, doch bleibt sie volatil. Insbesondere haben Angriffe auf die Ölinfrastrukturen in den letzten zwei Jahren wieder zugenommen. Abgelegene Gebiete im Nigerdelta sind teils auch heute noch unter der Kontrolle separatistischer und krimineller Gruppen.
In Zentralnigeria (Middle Belt bzw. Jos Plateau) kommt es immer wieder zu lokalen Konflikten zwischen ethnischen, sozialen und religiösen Gruppen. Der Middle Belt bildet eine Brücke zwischen dem vorwiegend muslimischen Nordnigeria und dem hauptsächlich christlichen Süden. Der Ursprung dieser Auseinandersetzungen, etwa zwischen (überwiegend muslimischen nomadischen) Hirten und (überwiegend christlichen) Bauern, liegt oft nicht in religiösen Konflikten, entwickelt sich aber häufig dazu.
Die Justiz Nigerias hat ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht, doch bleibt sie politischem Einfluss, Korruption und einem Mangel an Ressourcen ausgesetzt. Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgung ist nicht erkennbar, doch werden aufgrund der herrschenden Korruption tendenziell Ungebildete und Arme benachteiligt. Das Institut der Pflichtverteidigung gibt es erst in einigen Bundesstaaten. In insgesamt zwölf nördlichen Bundesstaaten wird die Scharia angewendet, Christen steht es aber frei, sich einem staatlichen Gerichtsverfahren zu unterwerfen. Der Polizei, die durch geringe Besoldung und schlechte Ausrüstung eingeschränkt ist, wird oftmals die Armee zur Seite gestellt. Insgesamt ist trotz der zweifelsohne vorhandenen Probleme im Allgemeinen davon auszugehen, dass die nigerianischen Behörden gewillt und fähig sind, Schutz vor nichtstaatlichen Akteuren zu bieten. Problematisch ist aber insbesondere, dass Gefangene häufig Folterung und Misshandlung ausgesetzt sind. Disziplinarrechtliche oder strafrechtliche Folgen hat dies kaum. Die Bedingungen in den Haftanstalten sind hart und lebensbedrohlich. Nigeria hält an der Todesstrafe fest, diese ist seit 2006 de facto ausgesetzt, wobei es in den Jahren 2013 und 2016 in Edo State aber zu einzelnen Hinrichtungen gekommen war. Die Regierung Buharis hat der Korruption den Kampf erklärt, doch mangelt es ihr an effektiven Mechanismen.
Die Menschenrechtssituation in Nigeria hat sich in den letzten 20 Jahren verbessert, schwierig bleiben aber die allgemeinen Lebensbedingungen. Die Versammlungsfreiheit ist verfassungsrechtlich garantiert, wird aber gelegentlich durch das Eingreifen von Sicherheitsorganen bei politisch unliebsamen Versammlungen eingeschränkt. Die politische Opposition kann sich aber grundsätzlich frei betätigen; es gibt auch keine Erkenntnisse über die Verfolgung von Exilpolitikern durch die nigerianische Regierung. Gelegentlich gibt es aber, vor allem bei Gruppen mit sezessionistischen Zielen, Eingriffe seitens der Staatsgewalt. Dabei ist insbesondere die Bewegung im Süden und Südosten Nigerias zu nennen, die einen unabhängigen Staat Biafra fordert. Dafür treten sowohl das Movement for the Actualisation of the Sovereign State of Biafra (MASSOB) und die Indigenous People of Biafra (IPOB) ein. Seit der Verhaftung des Leiters des inzwischen verbotenen Radiosenders "Radio Biafra" im Oktober 2015 kommt es vermehrt zu Demonstrationen von Biafra-Anhänger, gegen die laut verschiedenen Berichten, unter anderem von Amnesty International, von den nigerianischen Sicherheitskräften mit Gewalt vorgegangen worden sein soll.
Im Vielvölkerstaat Nigeria ist Religionsfreiheit einer der Grundpfeiler des Staatswesens. Etwa 50% der Bevölkerung sind Muslime, 40 bis 45% Christen und der Rest Anhänger von Naturreligionen. Im Norden dominieren Muslime, im Süden Christen. Religiöse Diskriminierung ist verboten. In der Praxis bevorzugen die Bundesstaaten aber in der Regel die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion. Insbesondere in den Scharia-Staaten ist die Situation für Christen sehr schwierig. Die Toleranz zwischen den Glaubensgemeinschaften ist nur unzureichend ausgeprägt, mit Ausnahme der Yoruba im Südwesten Nigerias, unter denen auch Ehen zwischen Christen und Muslimen verbreitet sind. Speziell in Zentralnigeria kommt es zu lokalen religiösen Auseinandersetzungen, die auch zahlreiche Todesopfer gefordert haben. In Nigeria gibt es auch noch Anhänger von Naturreligionen ("Juju"); eine Verweigerung der Übernahme einer Rolle als Priester kann schwierig sein, doch wird dies nicht als Affront gegen den Schrein empfunden und sind auch keine Fälle bekannt, in denen dies zu einer Bedrohung geführt hätte. Im Süden Nigerias sind auch Kulte und Geheimgesellschaften vorhanden; insbesondere im Bundesstaat Rivers überschneiden sich Kulte häufig mit Straßenbanden, kriminellen Syndikaten etc. Mafiöse Kulte prägen trotz ihres Verbotes das Leben auf den Universitäten; es wird auch über Menschenopfer berichtet.
Insgesamt gibt es (je nach Zählweise) mehr als 250 oder 500 Ethnien in Nigeria. Die wichtigsten sind die Hausa/Fulani im Norden, die Yoruba im Südwesten und die Igbo im Südosten. Generell herrscht in Nigeria Bewegungsfreiheit und ist Diskriminierung aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie verboten. Allerdings diskriminieren Gesetze jene ethnischen Gruppen, die am jeweiligen Wohnort nicht eigentlich indigen sind. So werden etwa Angehörige der Volksgruppe Hausa/Fulani im Bundesstaat Plateau diskriminiert.
Generell besteht aufgrund des fehlenden Meldewesens in vielen Fällen die Möglichkeit, Verfolgung durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Dies kann aber mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn man sich an einen Ort begibt, in dem keinerlei Verwandtschaft oder Bindung zur Dorfgemeinschaft besteht.
Nigeria verfügt über sehr große Öl- und Gasvorkommen, der Großteil der Bevölkerung ist aber in der Landwirtschaft beschäftigt. Abgesehen vom Norden gibt es keine Lebensmittelknappheit. Mehr als zwei Drittel der Bevölkerung leben in absoluter Armut. Offizielle Arbeitslosenstatistiken gibt es nicht, allerdings gehen verschiedene Studien von einer Arbeitslosigkeit von 80% aus. Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige.
Die medizinische Versorgung ist mit jener in Europa nicht vergleichbar, sie ist vor allem im ländlichen Bereich problematisch. Leistungen der Krankenversicherung kommen nur etwa 10 % der Bevölkerung zugute. In den Großstädten ist eine medizinische Grundversorgung zu finden, doch sind die Behandlungskosten selbst zu tragen. Medikamente sind verfügbar, können aber teuer sein.
Besondere Probleme für abgeschobene Asylwerber nach ihrer Rückkehr nach Nigeria sind nicht bekannt. Das "Decree 33", das eine Doppelbestrafung wegen im Ausland begangener Drogendelikte theoretisch ermöglichen würde, wird nach aktueller Berichtslage nicht angewandt.
Eine nach Nigeria zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.
2. Beweiswürdigung:
Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seiner Volljährigkeit, seinem Familienstand und seiner Staatsangehörigkeit ergeben sich aus seinen diesbezüglichen glaubhaften Angaben. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, dass Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.
Da der Beschwerdeführer den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente (eine Kopie einer Geburtsurkunde ohne Foto kann nicht als ein solches bezeichnet werden) vorlegen konnte, steht seine Identität nicht zweifelsfrei fest.
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich ist durch den vorliegenden Verwaltungsakt und die Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister belegt.
Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar. Betreffend das Leiden an Gonarthrose des Beschwerdeführers sei erwähnt, dass diesbezüglich keine aktuellen Befunde vorgelegt wurden und aus den Befunden aus 2015 hervorgeht, dass der Beschwerdeführer im Alltag weitgehend beschwerdefrei ist. Es ist folglich davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls keiner akuten Behandlungsbedürftigkeit in Österreich unterliegt und auch keine schwere, lebensbedrohende Erkrankung vorliegt.
Die Feststellungen zur Ausbildung des Beschwerdeführers in Nigeria ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers.
Die Feststellungen zu den persönlichen und familiären Verhältnissen, zu den Lebensumständen in Österreich sowie zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers sowie den vorgelegten Unterlagen (Bestätigung Vereinsmitgliedschaft vom 02.05.2016, Bestätigung Kirchengemeinschaft vom 26.06.2016, Empfehlungsschreiben vom 03.07.2016, Arbeitsvorvertrag vom 12.07.2016, Einstellungszusage von XXXX). Besondere Tatsachen im Hinblick auf ein überdurchschnittliches Engagement zur Integration bzw. besonders enge Beziehungen in Österreich kamen in diesem Zusammenhang nicht hervor bzw. hat der Beschwerdeführer diesbezüglich ebenso wenig etwas behauptet.
Die Rechtsvertretung ist im Beschwerdeschreiben den Feststellungen der Behörde nicht substantiiert entgegengetreten bzw. hat vielmehr keine neuen Integrationsumstände vorgebracht.
Sofern in der Beschwerde seitens des Beschwerdeführers moniert wird, dass das BFA es unterlassen habe ein adäquates Ermittlungsverfahren durchzuführen, wird festgestellt, dass nach Ansicht des erkennenden Gerichts das BFA ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung in der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst hat.
Der vom Beschwerdeführer monierte Verfahrensmangel, wonach das BFA eine Einvernahme durchführen hätte müssen (Seite 2 der Beschwerde: "ohne mich gehörig anzuhören"), kann seitens des erkennenden Gerichtes nicht erkannt werden. Es ist zwar durchaus zu bemerken, dass der Verwaltungsgerichtshof wiederholt darauf hingewiesen hat, dass bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer Einvernahme/mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zukommt, daraus ist jedoch keine Pflicht zur Durchführung einer Einvernahme/mündlichen Verhandlung abzuleiten. In eindeutigen Fällen, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, kann eine Einvernahme/mündlichen Verhandlung unterbleiben. Im konkreten Fall werden sämtliche vom Beschwerdeführer vorgebrachten Integrationsschritte - auch die Existenz einer fünfjährigen Tochter in Österreich, zu welcher allerdings kein Kontakt besteht - als wahr gewertet und der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt. Folglich war keine Einvernahme bzw. mündliche Verhandlung nötig.
Dass der Beschwerdeführer über Deutschkenntnisse zumindest auf dem Niveau A2 verfügt, wird durch das vorgelegte Zertifikat A2 des ÖSD vom 17.03.3014 dokumentiert.
Dass der Beschwerdeführer in Österreich bis dato keiner legalen Beschäftigung nachgegangen ist ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug vom 11.01.2019.
Die Feststellungen zu seinem Bezug der Grundversorgung ergeben sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 11.01.2019 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem sowie einem Auszug.
Die Feststellung zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 14.01.2019.
Die Feststellungen zum Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 22.08.2016 und dem Antrag auf Mängelheilung nach § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV 13.10.2016 ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.3. Zum Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Nigeria vom 07.08.2017 samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Nigeria ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:
-
AA - Auswärtiges Amt (21.11.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Nigeria - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Innenpolitik_node.html, Zugriff 6.7.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (4.2017c): Nigeria - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Nigeria/Wirtschaft_node.html, Zugriff 26.7.2017
-
AA - Auswärtiges Amt (24.7.2017): Nigeria - Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/NigeriaSicherheit.html, Zugriff 24.7.2017
-
AI - Amnesty International (6.2017): Submission To The United Nations Committee On The Elimination Of Discrimination Against Women,
https://www.ecoi.net/file_upload/1930_1500389874_int-cedaw-ngo-nga-27623-e.pdf, Zugriff 28.7.2017
-
AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/319680/458848_de.html, Zugriff 28.7.2017
-
AI - Amnesty International (24.11.2016): Sicherheitskräfte töten mindestens 150 friedliche Demonstrierende, https://www.amnesty.de/2016/11/22/nigeria-sicherheitskraefte-toeten-mindestens-150-friedliche-demonstrierende, Zugriff 13.6.2017
-
BMEIA - Außenministerium (24.7.2017): Reiseinformationen - Nigeria,
http://www.bmeia.gv.at/aussenministerium/buergerservice/reiseinformation/a-z-laender/nigeria-de.html, Zugriff 24.7.2017
-
BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Nigeria Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Nigeria.pdf, Zugriff 6.7.2017
-
EASO - European Asylum Support Office (6.2017): EASO Country of Origin Information Report Nigeria Country Focus, http://www.ecoi.net/file_upload/90_1496729214_easo-country-focus-nigeria-june2017.pdf, Zugriff 21.6.2017
-
FFP - Fund for Peace (10.12.2012): Beyond Terror and Militants:
Assessing Conflict in Nigeria,
http://www.fundforpeace.org/global/library/cungr1215-unlocknigeria-12e.pdf, Zugriff 21.6.2017
-
FH - Freedom House (1.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/341818/485138_de.html, Zugriff 26.7.2017
-
FH - Freedom House (2.6.2017): Freedom in the World 2017 - Nigeria, http://www.refworld.org/docid/5936a4663.html, Zugriff 12.6.2017
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2017a): Nigeria - Geschichte und Staat, http://liportal.giz.de/nigeria/geschichte-staat.html, Zugriff 2.8.2017
-
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (4.2017b): Nigeria - Ge-sellschaft, http://liportal.giz.de/nigeria/gesellschaft.html, Zugriff 13.6.2017
-
IOM - International Organization for Migration (8.2014): Nigeria - Country Fact Sheet,
https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698704/8628861/17247436/17297905/Nigeria_-_Country_Fact_Sheet_2014%2C_deutsch.pdf?nodeid=17298000&vernum=-2, Zugriff 21.6.2017
-
ÖBA - Österreichische Botschaft Abuja (9.2016): Asylländerbericht Nigeria
-
OD - Open Doors (2017): Nigeria, https://www.opendoors.de/christenverfolgung/weltverfolgungsindex/laenderprofile/2017/nigeria, Zugriff 14.6.2017
-
SBM - SBM Intel (7.1.2017): A Look at Nigeria's Security Situation,
http://sbmintel.com/wp-content/uploads/2016/03/201701_Security-report.pdf, Zugriff 24.7.2017
-
UKHO - United Kingdom Home Office (8.2016b): Country Information and Guidance Ni-geria: Women fearing gender-based harm or violence, https://www.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/595734/CIG_-_Nigeria_-_Women.pdf, Zugriff 12.6.2017
-
USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom (26.4.2017): Nigeria,
https://www.ecoi.net/file_upload/5250_1494486149_nigeria-2017.pdf, Zugriff 7.7.2017
-
USDOS - U.S. Department of State (19.7.2017): Country Report on Terrorism 2016 - Chapter 2 - Nigeria, https://www.ecoi.net/local_link/344128/487671_de.html, Zugriff 28.7.2017
-
USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Prac-tices 2016 - Nigeria, http://www.ecoi.net/local_link/337224/479988_de.html, Zugriff 8.6.2017
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der Beschwerdeführer trat diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland nicht substantiiert entgegen.
Trotz der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Abweisung des Antrages auf Heilung des Mangels gemäß § 4 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG-DV (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
"§ 4. (1) Die Behörde kann auf begründeten Antrag von Drittstaatsangehörigen die Heilung eines Mangels nach § 8 und § 58 Abs. 5, 6 und 12 AsylG 2005 zulassen:
1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen zur Wahrung des Kindeswohls,
2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK oder
3. im Fall der Nichtvorlage erforderlicher Urkunden oder Nachweise, wenn deren Beschaffung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(2) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 1 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen."
Zu Z 2:
Es wird auf die unter Punkt 3.3. vorgenommene Interessenabwägung zu Ungunsten des privaten Interesses des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich verwiesen, weswegen eine Heilung zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht zuzulassen war.
Zu Z 3:
Der Beschwerdeführer legte kein Reisedokument und keine Geburtsurkunde vor und führte auch auf Vorhalt keine stichhaltigen Gründe an, weshalb ihm die Erlangung eines Reisedokumentes unmöglich oder unzumutbar wäre. Der Beschwerdeführer legte zwar eine Bestätigung der nigerianischen Botschaft vom 11.10.2016 vor, wonach es einen Fehler bei seiner Reisepass-Ausstellung gegeben habe und bei einer dringenden Notwendigkeit denselben zu erhalten eine Reise nach Nigeria erforderlich sei, vor. Allerdings geht aus diesem Schreiben, selbst bei nachgewiesener Authentizität desselben, nicht hervor, dass die Ausstellung eines Reisepasses seitens der nigerianischen Botschaft deshalb unmöglich oder unzumutbar sei, zumal bei einer Verfahrensdauer vom 11.10.2016 bis dato auch nicht mehr von einem "dringenden Fall" gesprochen werden kann. Außerdem geht weder aus dem Akteninhalt noch aus der Beschwerde hervor, dass der Beschwerdeführer weitere Schritte zum Erhalt eines Reisepasses gesetzt habe. Er kam somit seiner Mitwirkungspflicht im Verfahren nicht im erforderlichen Ausmaß nach. Daran vermag auch die Vorlage einer Kopie seiner Geburtsurkunde mit der Beschwerde nichts zu ändern, zumal diese laut Ausstellungsdatum bereits am 07.03.2016 ausgestellt wurde und folglich bereits zum Zeitpunkt des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG vom 22.08.2016 und dem Antrag auf Mängelheilung vom 13.10.2016 eingebracht werden hätte können.
Sein Antrag auf Heilung war daher abzuweisen.
3.2. Zur Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 Abs. 1 AsylG (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn
1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und
2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.
Nach § 55 Abs. 2 AsylG ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vorliegt.
§ 58 AsylG lautet auszugsweise:
"§ 58. [...]
(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.
(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.
(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.
(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
[...]
(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach, ist
1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder
2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.
Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.
[...]
(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn
1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und
2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.
(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung, einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten."
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer - wie das BFA richtig festgestellt hat - die für eine inhaltliche Prüfung erforderlichen Dokumente und Belege nicht vorgelegt, sodass der Antrag gemäß § 58 Abs. 11 AsylG zurückzuweisen war.
3.3. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
§ 10 AsylG (mit der Überschrift: "Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme") Abs. 3 lautet:
"§ 10. (3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."
§ 52 Abs. 1, Abs. 3 und Abs. 9 FPG lauten:
"(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.
[...]
(9) Das Bundesamt hat mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich sei."
§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:
"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."
Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK