TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/24 I417 2210187-1

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Veröffentlicht am 24.01.2019
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Entscheidungsdatum

24.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.8
FPG §31 Abs1 Z3
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs6
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs4
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I417 2210187-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Friedrich Zanier als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2018, Zl. 1208995708/180956729, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.01.2019, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer reiste legal in das Bundesgebiet ein und meldete am 06.09.2018 seinen Wohnsitz an der Adresse seiner Verlobten Frau XXXX, an. Hierbei wies er sich mit einem gültigen nigerianischen Reisepass sowie einer Aufenthaltsberechtigung für Italien, gültig bis zum 29.09.2018, aus.

2. Ab dem 30.09.2018 hielt sich der Beschwerdeführer temporär unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

3. Mit Schriftsatz vom 09.10.2018 wurde dem Beschwerdeführer seitens der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht, dass beabsichtigt sei, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot für das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu erlassen.

4. Mit Schriftsatz vom 23.10.2018 übermittelte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme an die belangte Behörde. Hierbei gab dieser an, mit der Österreicherin XXXX verlobt zu sein. Ansonsten habe er keine Angehörigen in Österreich, jedoch lebe sein Bruder in Deutschland. Für seinen Lebensunterhalt in Österreich würde seine Verlobte aufkommen, überdies verfüge er über einen Aufenthaltstitel.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.10.2018, Zl. 1208995708/180956729, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Absatz 4 FPG nicht eingeräumt (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

6. Mit Schriftsatz seiner Rechtsvertretung vom 12.11.2018 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und brachte vor, die belangte Behörde sei in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften zu einer inhaltlich rechtswidrigen Entscheidung gelangt.

7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 04.12.2018 wurde der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid die aufschiebende Wirkung bis zum Abschluss einer mündlichen Verhandlung zuerkannt.

8. Am 14.01.2019 fand in Anwesenheit des Beschwerdeführers sowie seiner Verlobten als Zeugin eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, statt. Im Rahmen dieser Verhandlung brachte der Beschwerdeführer einen italienischen Aufenthaltstitel (Permesso di Soggiorno per Stranieri), gültig bis zum 30.03.2019, in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Er ist nigerianischer Staatsbürger und im Besitz einer bis zum 30.03.2019 gültigen Aufenthaltsberechtigung für Italien (Permesso di Soggiorno per Stranieri).

Der Beschwerdeführer ist mit einer österreichischen Staatsbürgerin verlobt und lebt mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt. Seine Verlobte kommt auch für seinen Unterhalt in Österreich auf. Darüber hinaus lebt ein Bruder des Beschwerdeführers in Deutschland. Seine übrige Familie, insbesondere seine 3 Kinder, lebt in Nigeria.

1.2. Zum Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer reiste im Besitz eines bis zum 29.09.2018 gültigen italienischen Aufenthaltstitels nach Österreich ein und meldete am 06.09.2018 seinen Hauptwohnsitz an der Meldeadresse seiner Verlobten in XXXX, an.

Am 16.11.2018 wurde dem Beschwerdeführer in Italien ein neuer, bis zum 30.03.2019 gültiger Aufenthaltstitel ausgestellt.

Die dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kann zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt nicht festgestellt werden.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Nigeria:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführerin sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 18.10.2018 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das aktuelle "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria verwiesen. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung eingetreten, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt.

2. Beweiswürdigung:

Zunächst ist festzuhalten, dass sich der erkennende Richter bei den von ihm getroffenen Feststellungen insbesondere auf die Erkenntnisse stützt, welche er im Verlauf der mündlichen Verhandlungen vom 14.01.2019 gewonnen hat.

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer konnte seine Identität durch Vorlage eines gültigen nigerianischen Reisepasses belegen, an dessen Echtheit im Verfahren keine Zweifel aufgekommen sind. Zudem konnte er eine gültige Aufenthaltsberechtigung für Italien vorlegen, deren Echtheit ebenfalls nicht angezweifelt wurde.

Die Feststellungen zum Familienleben des Beschwerdeführers sowie zu seinem Privatleben in Österreich mit seiner Verlobten ergeben sich aus seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben in seiner schriftlichen Stellungnahme an die belangte Behörde vom 23.10.2018 sowie aus seinen Angaben sowie den Angaben seiner Verlobten in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 14.01.2019.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Bezüglich der Erkenntnisquellen zur Lage im Herkunftsstaat wurden sowohl Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen, wie zum Beispiel der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, herangezogen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Aufgrund der Kürze der verstrichenen Zeit zwischen der Erlassung des bekämpften Bescheides und der vorliegenden Entscheidung ergeben sich keine Änderungen zu den im bekämpften Bescheid getroffenen Länderfeststellungen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich daher diesen Feststellungen vollinhaltlich an.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

3.1.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 10 Abs. 2 sowie § 57 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. Nr. 56/2018, lauten:

"Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (2) Wird einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt, ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1.-wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.-zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.-wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist."

3.1.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des § 31 Abs. 1 Ziffer 3, § 50, § 52 Abs. 1 Ziffer 1, Abs. 6 und Abs. 9, § 53 Abs. 1 und Abs. 2 Ziffer 6, § 55 Abs. 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

"Voraussetzung für den rechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet

§ 31. (1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

3.- wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;

Verbot der Abschiebung

§ 50. (1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.

(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).

(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)

Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich

1.-nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Einreiseverbot

§ 53. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

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6.-den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde."

3.1.3. Die maßgebliche Bestimmung des § 18 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn,

1.- die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist;"

A) Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides):

Ein Drittstaatsangehöriger, der im Besitz eines Aufenthaltstitels bzw. einer Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates ist und sich nicht rechtmäßig in Österreich aufhält, muss sich gemäß § 52 Abs. 6 FPG unverzüglich in das Hoheitsgebiet des Staates, von dem er einen Aufenthaltstitel erhalten hat, begeben. Wenn er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommt oder seine sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich wäre, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs.1 FPG zu erlassen.

§ 31 Abs. 1 Z. 3 FPG legt fest, dass sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind, sich nicht länger als 3 Monate im Bundesgebiet aufhalten und keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen. Artikel 21 Absatz 1 des Übereinkommens zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (SDÜ) (Amtsblatt Nr. L 239 vom 22/09/2000) ist ebenfalls anzuwenden und lautet:

Drittausländer, die Inhaber eines gültigen, von einer der Vertragsparteien ausgestellten Aufenthaltstitels sind, können sich aufgrund dieses Dokuments und eines gültigen Reisedokuments höchstens bis zu drei Monaten frei im Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien bewegen, soweit sie die in Artikel 5 Absatz 1 Buchstaben a), c) und e) aufgeführten Einreisevoraussetzungen erfüllen und nicht auf der nationalen Ausschreibungsliste der betroffenen Vertragspartei stehen.

Artikel 5 Absatz 1 SDÜ legt fest:

Für einen Aufenthalt von bis zu drei Monaten kann einem Drittausländer die Einreise in das Hoheitsgebiet der Vertragsparteien gestattet werden, wenn er die nachstehenden Voraussetzungen erfüllt:

a) Er muss im Besitz eines oder mehrerer gültiger Grenzübertrittspapiere sein, die von dem Exekutivausschuss bestimmt werden.

b) Er muss, soweit erforderlich, im Besitz eines gültigen Sichtvermerks sein.

c) Er muss gegebenenfalls die Dokumente vorzeigen, die seinen Aufenthaltszweck und die Umstände seines Aufenthalts belegen, und über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhalts sowohl für die Dauer des Aufenthalts als auch für die Rückreise in den Herkunftsstaat oder für die Durchreise in einen Drittstaat, in dem seine Zulassung gewährleistet ist, verfügen oder in der Lage sein, diese Mittel auf legale Weise zu erwerben.

d) Er darf nicht zur Einreiseverweigerung ausgeschrieben sein.

e) Er darf keine Gefahr für die öffentliche Ordnung, die nationale Sicherheit oder die internationalen Beziehungen einer der Vertragsparteien darstellen.

Der Beschwerdeführer führte wie vorgesehen neben einem italienischen Aufenthaltstitel auch einen gültigen nigerianischen Reisepass mit sich. Gemäß § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG ist ein Aufenthalt von Fremden, die über einen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates verfügen, zu privaten oder touristischen Zwecken erlaubt. Im Falle des Beschwerdeführers ist der belangten Behörde dahingehend zuzustimmen, dass sich sein Aufenthalt trotz legaler Einreise im konkreten Fall aufgrund des Ablaufes der Gültigkeit seines italienischen Aufenthaltstitels mit 30.09.2018 zu einem unrechtmäßigen Aufenthalt umwandelte. Temporär verließ der Beschwerdeführer das Bundesgebiet jedoch wieder, sodass ihm am 16.11.2018 neuerlich in Italien ein Aufenthaltstitel, gültig bis zum 30.03.2019, ausgestellt wurde. Zum Entscheidungszeitpunkt verfügt der Beschwerdeführer somit wiederum über einen gültigen Aufenthaltstitel eines anderen Schengen-Staates, welcher ihn gemäß § 31 Abs. 1 Z. 3 FPG zu einem Aufenthalt von bis zu 3 Monaten im Bundesgebiet berechtigt.

Die belangte Behörde erließ mit dem angefochtenen Bescheid vom 18.10.2018 gegenständliche Rückkehrentscheidung. Gemäß § 52 Absatz 1 Ziffer 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Wie dargelegt, fußte die festgestellte Unrechtmäßigkeit des Aufenthaltes des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid auf dessen zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufenen italienischen Aufenthaltstitel, was jedoch nicht die aktuelle Sachlage wiederspiegelt, nach welcher der Beschwerdeführer über einen bis zum 30.03.2019 gültigen Aufenthaltstitel in Italien verfügt. Somit war die Rückkehrentscheidung im vorliegenden Fall zu beheben.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass der Bescheid mit weiteren Begründungsmängeln belastet ist. Denn auch wenn die Regelung des § 51 Abs. 1 FPG eine Verpflichtung der Behörden, gegen jeden Fremden, der sich in Österreich nicht rechtmäßig im Sinne des § 31 FPG aufhält, eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, zu implizieren scheint, so ist gemäß § 9 BFA-VG jedenfalls die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung zu prüfen; dadurch ergibt sich die Pflicht der Behörden, von einer Aufenthaltsbeendigung dann abzusehen, wenn diese gegen Art 8 EMRK verstoßen würde. Insofern ist trotz der Formulierung als zwingende Bestimmung von einer Verpflichtung des Bundesamtes auszugehen, auf Art 8 EMRK Bedacht zu nehmen und uU von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung abzusehen (vgl. dazu Melina Oswald, Das Bleiberecht. Das Grundrecht auf Privat- und Familienleben als Schranke für Aufenthaltsbeendigungen (2012), S. 112). Die belangte Behörde stellt in ihrer Prüfung des Privat- und Familienlebens fest: "Sie waren in Österreich niemals gemeldet. Es ist keinerlei Integration ersichtlich. Sie gaben auch bekannt, dass Sie bisher kein Privatleben in Österreich geführt haben. Bis Ende September hielten Sie sich legal in Italien auf". Hierbei geht das BFA in aktenwidriger Weise davon aus, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt in Österreich gemeldet gewesen sei (der Beschwerdeführer war ab dem 06.09.2018 bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides durchgehend in Österreich gemeldet) und geht auch inhaltlich nicht auf dessen Beziehung zu seiner Verlobten ein. Auch wird das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach sich ein weiterer Angehöriger im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten aufhält, nämlich sein namentlich genannter Bruder in Deutschland, gänzlich ignoriert. Diesbezüglich wäre von der belangten Behörde eine Auseinandersetzung mit dem durch die Rückkehrentscheidung erfolgten Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers wünschenswert gewesen.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen bestimmten Staat zulässig ist. Die vom Bundesamt im konkreten Fall ausgesprochene Zulässigkeit der Abschiebung erweist sich als obsolet, da die diesbezügliche Voraussetzung, die Rückkehrentscheidung, weggefallen ist.

Da sich die Rückkehrentscheidung als unrechtmäßig erweist, war der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 iVm. § 27 VwGVG ersatzlos aufzuheben.

3.2.2. Zu den Spruchpunkten III., IV. und V. des angefochtenen Bescheides:

Die Behebung der Rückkehrentscheidung des angefochtenen Bescheids führt zwangsläufig auch zum Entfall der folgenden, auf der Rückkehrentscheidung aufbauenden Spruchpunkte III., IV. und V. des angefochtenen Bescheids.

B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Asylverfahren, Aufenthaltsberechtigung besonderer
Schutz, Aufenthaltstitel, Begründungsmangel,
berücksichtigungswürdige Gründe, Einreiseverbot, ersatzlose
Behebung, freiwillige Ausreise, Frist, Gefährdung der Sicherheit,
Glaubhaftmachung, Gültigkeit, Gültigkeitsdauer, Interessenabwägung,
Mittellosigkeit, mündliche Verhandlung, öffentliche Interessen,
öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit, Privat- und
Familienleben, private Interessen, rechtmäßiger Aufenthalt,
Rückkehrentscheidung, Verlobung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I417.2210187.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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