Entscheidungsdatum
25.01.2019Norm
BFA-VG §22a Abs1 Z3Spruch
G313 2213445-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Pakistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2018, Zl. XXXX, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 20.12.2018 für rechtswidrig erklärt.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.
III. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von EUR 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag der Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Mit im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 20.12.2018 wurde gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.
2. Gegen diesen die Schubhaft anordnenden Bescheid und die Anhaltung des BF in Schubhaft wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
3. Am 23.01.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die Beschwerdevorlage samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Pakistan.
1.2. Er reiste im Jahr 2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wurde dann am 24.02.2016 aufgegriffen und stellte an demselben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des BFA vom 07.06.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 24.02.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan abgewiesen, dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Pakistan zulässig sei, und dem BF für die freiwillige Ausreise eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt. Die aufschiebende Wirkung wurde der Beschwerde nicht aberkannt.
Gegen diesen Asylbescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
1.3. Mit Urteil eines inländischen Strafgerichts von November 2018 wurde der BF wegen des teils versuchten, teils vollendeten, unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften an einem bestimmten öffentlichen Ort und wegen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zum persönlichen Gebrauch zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Der BF befand sich von 03.10.2018 bis 07.11.2018 in Haft.
1.4. Nach Strafhaftentlassung wurde dem BF ein Quartier zugewiesen, welchem sich der BF jedoch ferngehalten hat und damit eine Zustellung der Ladung für die Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG verunmöglichte. Am 23.11.2018 wurde der BF in diesem Quartier angemeldet, am 20.12.2018 wegen unbekannten Aufenthaltes jedoch wieder abgemeldet.
1.5. Das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG, Außenstelle Linz, wurde mangels Zustellbarkeit der Ladung für die anberaumte Verhandlung mit Beschluss vom 27.11.2018 eingestellt.
1.6. Der BF wurde am 20.12.2018 im Zuge einer polizeilichen routinemäßigen Kontrolle aufgegriffen, wobei bei einer durchgeführten Kontrolle und einer EKIS-Anfrage mehrere Einträge nach SMG, zuletzt vom 03.10.2018, festgestellt wurden. Folglich wurde gegen den BF ein neuerliches Betretungsverbot dieser Schutzzone ausgesprochen.
1.7. Der BF brachte bezüglich seines Asylverfahren am 20.12.2018 per Telefax eine handschriftliche Ankündigung ein, das Land verlassen zu wollen und um "Beendigung des Asyls" zu bitten. Diesbezüglich teilte die belangte Behörde dem BVwG mit Beschwerdevorlage mit: "Hierbei wird angeführt, dass der Fremde offensichtlich nicht eine freiwillige Ausreise in den Herkunftsstaat beabsichtigt, sondern eine widerrechtliche Weiterreise nach Italien, da er dieses Vorhaben am 20.12.2018 gegenüber der Exekutive äußerte."
1.8. Daraufhin erging am 20.12.2018 ein schriftlicher Festnahmeauftrag des BFA mit der Begründung, es liege eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit und Fluchtgefahr vor. Daraufhin wurde der BF am 20.12.2018 ins Schubhaftzentrum gebracht, wobei er sich zunächst von 17:30 Uhr bis 21:45 in Verwaltungsverwahrungshaft befand.
1.9. Während der Verwaltungsverwahrungshaft des BF teilte das BFA dem Rechtsberater des BF mit, dass der BF "zur Prüfung von Sicherungsmaßnahmen festgenommen" worden sei und sich in einem näher angeführten Schubhaftzentrum befinde.
1.10. Daraufhin teilte das BFA dem betreffenden Schubhaftzentrum mit E-Mail vom 20.12.2018 zur Info mit: "BVwG wird von mir morgen über nunmehrige Greifbarkeit im Beschwerdeverfahren informiert werden und ich hoffe auf baldige Durchführung der Verhandlung."
1.11. Seit 20.12.2018, 21:45 Uhr, befindet sich der BF nunmehr in Schubhaft.
1.12. Mit E-Mail des BFA vom 21.12.2018 wurde dem BVwG mitgeteilt, dass der BF am Vorabend gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG iVm § 56 Abs. 1 AVG in Schubhaft genommen worden, für das BVwG "zur Fortführung des eingestellten Beschwerdeverfahrens greifbar" sei, und sich derzeit in näher angeführtem Schubhaftzentrum befinde und demnächst in ein geeignetes Schubhaftzentrum überstellt werde. Abschließend wurde noch angefügt: "Mit der Bitte um dringende Weiterleitung an die zuständige Gerichtsabteilung und die zuständige Richterin (...)."
1.13. Im Referentenauskunft Portal des Bundesministeriums für Inneres wurde vermerkt, dass der BF einen neuerlichen Asylantrag gestellt habe: "Asylantrag 28.12.2018, 08:20 Uhr - lt BFA RD Oberösterreich kein neuerlicher Antrag möglich - das eingestellte Verfahren wird vom BVwG wiederaufgenommen."
1.14. Mit E-Mail des Schubhaftzentrums vom 28.12.2018 wurde das BFA um Mitteilung gebeten, ob es sich beim gegenständlichen Antrag um einen Erst- oder einen Folgeantrag handle.
1.15. Mit E-Mail des BFA vom 28.12.2018 wurde dem Schubhaftzentrum daraufhin geantwortet, dass das eingestellte Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz vom BVwG wiederaufgenommen werde und die Schubhaft "zur Sicherung des Verfahrens" diene und der BF derzeit einen faktischen Abschiebeschutz besitze.
1.16. Mit Beschluss des BVwG vom 08.01.2019 wurde das mit Beschluss vom 27.11.2018 eingestellte Asylverfahren wieder fortgesetzt. Begründend wurde auf E-Mails des BFA an das BVwG vom 19.12. und 21.12.2018 Bezug genommen, in denen mitgeteilt wurde, der BF sei laut einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister seit 30.11.2018 wieder aufrecht gemeldet und am 20.12.2018 in Schubhaft genommen worden. Mit Telefax vom 07.01.2019 sei von der Rechtsberatung des BF eine Vertretungsvollmacht vom 03.01.2019 sowie ein Antrag auf Fortsetzung des Asylverfahrens vorgelegt worden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Der oben unter I. angeführte Verfahrensgang und die in II. getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
2.2. Die Identität des BF steht mangels vorgelegter Identitätsdokumente nicht fest, weshalb diese nur als Verfahrensidentität geführt wird.
2.3. Dass der BF am 20.12.2018 um 21:45 Uhr von seiner Verwaltungsverwahrungshaft, in welcher er sich seit 20.12.2018, 17:30 Uhr, befunden hat, in Schubhaft genommen wurde, ergibt sich aus einem dem Verwaltungsakt einliegenden "Referentenauskunft Portal" des Bundesministeriums für Inneres.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit:
Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idF BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:
"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn
1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,
2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder
3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.
(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.
(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen."
Das BVwG ist nach § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.
3.2. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, idF BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:
"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.
(...)
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."
3.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:
Der gegenständlich angefochtene Bescheid mit Anordnung der Schubhaft über den BF "zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme" wurde, wie aus den angeführten begründenden Ausführungen ersichtlich, zur Sicherung der Beendigung eines Asylverfahrens erlassen. Dies war jedoch nicht zulässig.
Die belangte Behörde betonte, dass die Prüfung des Sachverhalts ergab, dass nur die Sicherung des BF zu einem rechtskräftigen Ausgang seines Verfahrens führen könne.
Dabei verkannte sie, dass die Schubhaft nicht zwecks Sicherung der Beendigung eines Asylverfahrens verhängt werden darf, sondern, im Gegenteil, der einem Asylwerber für die Dauer seines Asylverfahrens grundsätzlich zukommende faktische Abschiebeschutz die Aufschiebung einer Abschiebung bis zur Beendigung des Asylverfahrens bezweckt und eine dem BF bevorstehende, mögliche Abschiebung in den Herkunftsstaat erst mit Ende des Asylverfahrens feststehen kann.
Es besteht im gegenständlichen Fall jedenfalls ein dem BF für die Dauer seines erstmals im Bundesgebiet geführten Asylverfahrens zukommender faktischer Abschiebeschutz. Die seiner Beschwerde im Asylverfahren zukommende aufschiebende Wirkung wurde - etwa wegen angenommener Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit iSv § 18 Abs. 1 Z. 2 BFA-VG - von der belangten Behörde zudem auch nicht aberkannt.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid wurde über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet. In der behördlichen Entscheidung selbst hat sie jedoch betont, über den BF zwecks rechtskräftiger Beendigung seines gesamten Asylverfahrens und nicht nur im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Schubhaft zu verhängen.
Es widerspricht dem Sinn der Schubhaft, den BF zwecks Beendigung eines Asylverfahrens anzuhalten, wird die Schubhaft doch nur im Hinblick auf eine bevorstehende tatsächlich mögliche Abschiebung, welche während laufenden Asylverfahrens noch nicht feststeht, verhängt.
Diesbezüglich wird auf nachstehende VwGH-Judikatur verwiesen:
Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039).
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 23. Februar 2001, Zl. 98/02/0276, ausgesprochen hat, wird die Abschiebung - bei Vorliegen der entsprechenden gesetzlichen Voraussetzungen - für die Dauer des Asylverfahrens nur aufgeschoben, um Asylwerber vor Beendigung ihres Aufenthaltes bis zur endgültigen Entscheidung über ihren Asylantrag zu schützen; es liegt daher nur eine vorläufige Unzulässigkeit der Abschiebung vor. Erst ab der endgültigen Entscheidung über den Asylantrag steht fest, ob die Abschiebung unzulässig ist und daher das Ziel der Schubhaft, nämlich die Sicherung der Außerlandesschaffung des Fremden, endgültig unerreichbar ist. (vgl. VwGH vom 14.09.2001, Zl. 2000/02/0319).
Im gegenständlichen Fall stand zum Zeitpunkt, als der BF in Schubhaft genommen wurde, jedenfalls nicht fest, ob es in seinem Asylverfahren zu einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kommen wird, weshalb vor Beendigung des Asylverfahrens jedenfalls keine im Asylverfahren folgende Aufenthaltsbeendigung begründet angenommen werden kann.
Dazu führte die belangte Behörde in ihrem Bescheid nachfolgend aus und zeigte damit bereits, dass der Ausgang des Asylverfahrens in jeder Richtung offen ist:
"Grundsätzlich wäre sowohl mit der Zuerkennung eines Schutzstatus an Ihre Person, als auch mit der Bestätigung der ho. Entscheidung (gemeint: Asylentscheidung) der Zweck der Sicherungsmaßnahme als erreicht anzusehen, wobei in letzterem Fall die weitere Anhaltung hinsichtlich einer Abschiebung nach Pakistan zu prüfen sein wird. (...) Ihr bewusstes Umgehen (Sie sind in Österreich aufhältig und unterlassen es, das zugewiesene Quartier zu beziehen und geben auch keine andere zustellfähige Adresse an) des Zustandekommens einer rechtskräftigen Entscheidung hinsichtlich Ihres Asylverfahrens würde für Sie ob des faktischen Abschiebeschutzes, der Ihnen aktuell zukommt, einen permanent Zustand der Nicht-Abschiebbarkeit bedeuten."
Das Asylverfahren im Stand des Beschwerdeverfahrens wurde nach Untertauchen des BF bis zu einem Wiederauftauchen zunächst bloß vorläufig eingestellt, und zwar mit Beschluss des BVwG vom 27.11.2018.
Nach § 24 Abs. 1 Z. 1 AsylG entzieht sich ein Asylwerber dem Asylverfahren, wenn dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht sein Aufenthaltsort wegen Verletzung seiner Mitwirkungspflichten gemäß § 13 Abs. 2 BFA-VG, §§ 15 oder 15a weder bekannt noch sonst durch das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht leicht feststellbar ist.
Gemäß § 24 Abs. 2 AsylG sind Asylverfahren einzustellen, wenn sich der Asylwerber dem Verfahren entzogen hat (Abs.1) und eine Entscheidung ohne eine allenfalls weitere Einvernahme oder Verhandlung nicht erfolgen kann. Ein eingestelltes Verfahren ist von Amts wegen fortzusetzen, sobald die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes möglich ist. Mit Fortsetzung des Verfahrens beginnt die Entscheidungsfrist nach § 73 Abs. 1 AVG zu laufen. Nach Ablauf von zwei Jahren nach Einstellung des Verfahrens ist eine Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig.
§ 24 Abs. 2 AsylG bezieht sich dabei sowohl auf Asylverfahren vor dem Bundesamt als auch vor dem BVwG (vgl. VwGH vom 03.05.2018, Zl. Ra 2018/19/0020).
Der Verfahrenseinstellung des BVwG mit Beschluss des BVwG vom 27.11.2018 lag zugrunde, dass dem BF eine Ladung für eine Beschwerdeverhandlung an der Adresse des ihm nach Strafhaftentlassung zugewiesenen Quartiers nicht zugestellt werden konnte und der Aufenthalt des BF nicht bekannt bzw. vom BVwG nicht leicht feststellbar war.
Wie im Fortsetzungsbeschluss des BVwG vom 08.01.2019 angeführt, gab das BFA mit E-Mail vom 19. und 21.12.2018 dem BVwG die wieder ab 30.11.2018 aufrechte Meldung des BF bekannt. Mit E-Mail des BFA vom 20.12.2018 informierte die belangte Behörde das Schubhaftzentrum zudem darüber, am nächsten Tag dem BVwG die Schubhaft und für das Beschwerdeverfahren nunmehrige "Greifbarkeit" des BF mitteilen zu wollen und führte dies auch im die Schubhaft anordnenden Bescheid vom 20.12.2018 an.
Mit E-Mail vom 21.12.2018 wurde dem BVwG dann tatsächlich mitgeteilt, dass der BF nunmehr für die Fortführung des eingestellten Beschwerdeverfahrens greifbar sei und sich derzeit in Schubhaft befinde. Es wurde um dringende Weiterleitung an die zuständige Gerichtsabteilung und die zuständige Richterin ersucht.
Da das Asylverfahren nur vorläufig - wegen unbekannten Aufenthalts - eingestellt und nach Einstellung mit Beschluss vom 27.11.2018 bis zum Ablauf von zwei Jahren jederzeit wieder fortgesetzt und nach § 24 Abs. 2 S. 2 AsylG bei Wiederauftauchen des Asylwerbers auch - ohne Antrag - von Amts wegen fortgesetzt werden konnte und dem verfahrenseinstellenden Beschluss vom 27.11.2018 keine endgültig verfahrensbeendende Wirkung zukam (vgl. VwGH vom 03.05.2018, Ra 2018/19/0020), war im Hinblick auf die vor dem Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft vom 20.12.2018 mögliche Fortführung des Asylverfahrens wegen dem BFA wieder bekannt gewordener aufrechter Meldung des BF ab 30.11.2018, wovon laut Fortsetzungsbeschluss des BVwG vom 07.01.2019 die belangte Behörde das BVwG bereits mit E-Mail vom 19.12.2018 informiert hat, die Anordnung der Schubhaft nicht erlaubt.
Soweit mit gegenständlicher Beschwerdevorlage von der belangten Behörde hinsichtlich des Asylverfahrens bekanntgegeben wurde, dass der BF, wie er mit einem gefaxten handschriftlichen Schreiben mitgeteilt hat, offensichtlich nicht freiwillig in seinen Herkunftsstaat auszureisen, sondern widerrechtlich nach Italien weiterzureisen beabsichtigt, habe er dieses Vorhaben doch am 20.12.2018 gegenüber der Exekutive geäußert, ist darauf hinzuweisen, dass diese Mitteilung des BF, die im Polizeibericht nach seiner Betretung vom 20.12.2018 als "Zurückziehung seines Asylantrages" bezeichnet wurde, nach Auffassung des BVwG jedoch nicht als solches gewertet werden kann, nur gegenständliches Asylverfahren und nicht das gegenständliche Schubhaftverfahren betrifft. Ob der BF mit seiner Ankündigung, nach Italien gehen zu wollen und um "Beendigung des Asyls" zu bitten, tatsächlich, wie die belangte Behörde in gegenständlich angefochtenem Mandatsbescheid vom 20.12.2018 anführt, kein Interesse am rechtskräftigen Ausgang seines Asylverfahrens hat, wird das BVwG im Asylverfahren zu prüfen haben.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach Ablauf der Zweijahresfrist nach vorläufiger Verfahrenseinstellung mit Beschluss des BVwG vom 27.11.2018 am 27.11.2020 eine Fortsetzung des zuvor eingestellt gewesenen Asylverfahrens nicht mehr möglich gewesen wäre und das zuvor bloß vorläufig eingestellte Asylverfahren endgültig eingestellt wäre, was die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet und eine damit in Zusammenhang stehende Schubhaft zur Folge haben würde.
Da zum Zeitpunkt der Erlassung des gegenständlich angefochtenen Mandatsbescheides über den BF keine Schubhaft angeordnet werden hätte dürfen, ist dieser Bescheid wegen Rechtswidrigkeit nunmehr zu beheben.
War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114). Die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 20.12.2018, 21:45 Uhr, ist daher ebenfalls rechtswidrig.
3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.
3.5. Zu Spruchteil A) - Spruchpunkte III. und IV. - Kostenersatz
3.5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
3.5.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Sowohl der BF als auch das Bundesamt haben einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt. Da der Beschwerde stattgegeben und sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden, ist der BF die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 737,60. Dem BFA gebührt kein Kostenersatz.
3.6. Zu Spruchteil B) - Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht für zulässig erklärt.
Schlagworte
Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentliche Ordnung, Schubhaft,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G313.2213445.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.05.2019