TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/30 W115 2169846-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

30.01.2019

Norm

AsylG 2005 §2 Abs1 Z22
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W115 2170248-1/10E

W115 2169847-1/11E

W115 2170247-1/11E

W115 2169846-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom

XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am

XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom

XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am

XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

IV. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gesetzlich vertreten durch die Mutter

XXXX , diese vertreten durch Rechtsanwalt XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihren beiden Kindern, der Zweitbeschwerdeführerin und dem zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährigen Drittbeschwerdeführer sowie dem minderjährigen Sohn der Zweitbeschwerdeführerin, dem Viertbeschwerdeführer, unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten sie am XXXX die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz. Weiters reiste mit den Beschwerdeführern der Vater des Viertbeschwerdeführers und zum damaligen Zeitpunkt noch Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin gemeinsam mit ihnen unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte ebenfalls am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz. Dessen Verfahren ist ebenfalls beim Bundesverwaltungsgericht unter der Geschäftszahl (GZ) XXXX anhängig.

1.1. Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gab die Erstbeschwerdeführerin im Beisein eines Dolmetschers zusammengefasst an, dass sie afghanische Staatsangehörige sei und in Herat geboren worden sei. Sie habe sich jedoch ungefähr seit dem Jahr XXXX im Iran aufgehalten. Vor ca. einer Woche habe sie gemeinsam mit ihrer Tochter und ihrem Sohn den Iran verlassen und sie seien schlepperunterstützt bis nach Österreich gereist. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Erstbeschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie vor ca. 10 Jahren von ihrem Ehemann verlassen worden sei. Sie habe sich daraufhin von ihm in seiner Abwesenheit scheiden lassen und habe erneut geheiratet. Ihr Ex-Mann sei zurückgekehrt und habe ihren Ehemann getötet und auch sie mit dem Tod bedroht. Weiters sei sie auch von der Familie ihres zweiten Mannes mit dem Tod bedroht worden, als diese erfahren hätten, dass dieser von ihrem Ex-Mann getötet worden sei. Aus Angst um ihr Leben habe sie den Iran verlassen. Befragt zu ihren sonstigen Familienangehörigen gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sich im Iran und in Deutschland noch jeweils eine weitere Tochter von ihr aufhalten würden. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan oder in den Iran befürchte sie getötet zu werden.

Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer gaben im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX im Beisein eines Dolmetschers übereinstimmend an, dass sie afghanische Staatsangehörige seien und der Volksgruppe der Tadschiken sowie der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams angehören würden. Sie seien beide im Iran geboren und noch nie in Afghanistan gewesen. Befragt zu ihren Fluchtgründen gaben sie übereinstimmend an, dass sie aus den gleichen Gründen wie ihre Mutter den Iran verlassen hätten. Auch sie hätten Angst davor vom Ex-Mann ihrer Mutter bzw. von der Familie des getöteten zweiten Ehemannes ihrer Mutter umgebracht zu werden. Befragt zu ihren Familienverhältnissen gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie traditionell verheiratet sei und einen Sohn habe. Zusammen mit ihrem Ehemann, ihrem Sohn, ihrer Mutter sowie ihrem Bruder hätte sie schlepperunterstützt den Iran verlassen und sei bis nach Österreich gereist. Sowohl im Iran als auch in Deutschland würde noch eine Schwester von ihr leben. Befragt zu seinen Familienverhältnissen gab der Drittbeschwerdeführer an, dass er ledig sei und keine Kinder habe. Er habe neben seinen Familienangehörigen, mit denen er gemeinsam nach Österreich geflüchtet sei, noch jeweils eine Schwester im Iran und in Deutschland. Übereinstimmend gaben die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer an, dass sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan oder in den Iran befürchten, getötet zu werden.

1.2. Am XXXX wurden psychiatrische Befundberichte aus dem Jahr XXXX betreffend die Erstbeschwerdeführerin sowie eine Schulbesuchsbestätigung lautend auf den Drittbeschwerdeführer in Vorlage gebracht.

1.3. Nach Zulassung des Verfahrens durch Ausfolgung von Aufenthaltsberechtigungskarten wurden die Erstbeschwerdeführerin sowie die Zweitbeschwerdeführerin am XXXX und der mittlerweile volljährige Drittbeschwerdeführer am XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Kurzbezeichnung BFA; in der Folge belangte Behörde genannt) im Beisein eines Dolmetschers niederschriftlich einvernommen.

Die Erstbeschwerdeführerin gab im Wesentlichen zusammengefasst an, dass ihre bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Befragt zu ihrem Gesundheitszustand gab sie an, dass sie in psychiatrischer Behandlung gewesen sei und bis vor zwei Monaten auch Medikamente genommen habe. Heute gehe es ihr aber gut und sie sei in der Lage, die Einvernahme durchzuführen. Sie sei afghanische Staatsangehörige und würde der Volksgruppe der Tadschiken angehören. Weiters habe sie früher der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams angehört. Sie sei aber nunmehr zum Christentum konvertiert. Sie habe in Afghanistan in Herat gelebt, sei aber bereits im Alter von 12 Jahren gemeinsam mit ihrer Tante väterlicherseits in den Iran gegangen, da ihre gesamte restliche Familie in Afghanistan im Zuge des Kriegs ums Leben gekommen sei. In Afghanistan würden sich nur mehr entfernte Verwandte von ihr aufhalten, zu denen sie aber keinen Kontakt habe. Im Iran habe sie fünf Jahre die Schule besucht und danach in einer Teeküche gearbeitet. Sie habe im Iran den Sohn ihrer Tante väterlicherseits heiraten müssen, sei aber von diesem mittlerweile wieder geschieden. Sie habe einen Sohn und drei Töchter, die alle aus dieser Ehe stammen würden. Ihr Sohn und eine Tochter seien gemeinsam mit ihr nach Österreich geflüchtet. Ihre beiden anderen Töchter würden im Iran bzw. in Deutschland leben. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Erstbeschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie aufgrund der Bedrohung durch ihren Ex-Mann den Iran hätte verlassen müssen. Sie habe sich von ihm in seiner Abwesenheit scheiden lassen, da er kriminell geworden sei und immer wieder nach Afghanistan und Pakistan gereist sei und sie jahrelang alleine im Iran gelassen habe. Ihr Ex-Mann habe aber von der Scheidung erfahren und sei aus diesem Grund zurückgekehrt und habe sie mit dem Tod bedroht. Aus Angst vor ihrem Ex-Mann sei sie nach Teheran gezogen und habe dort erneut geheiratet. 20 Tage nach ihrer Hochzeit sei ihr neuer Ehemann ermordet worden. Nach ca. 40 Tagen habe sie ihr Ex-Mann telefonisch kontaktiert und Anspielungen auf die Ermordung ihres zweiten Ehemannes gemacht. Daraufhin habe sie ihren Ex-Mann beschuldigt, ihren Ehemann getötet zu haben. Dies habe der Sohn ihres ermordeten Ehemannes mitbekommen und er habe gesagt, dass er aus Rache nunmehr ihren Sohn töten würde. Daraufhin hätte sie beschlossen gemeinsam mit ihrer Familie den Iran zu verlassen. Bei einer Rückkehr sowohl in den Iran als auch nach Afghanistan befürchte sie, von ihrem Ex-Mann bzw. von der Familie ihres ermordeten zweiten Ehemannes getötet zu werden. Zudem sei sie jetzt Christin und könne auch aus diesem Grund nicht mehr in Afghanistan leben. Sie sei durch ihren Sohn mit dem Christentum in Kontakt gekommen und besuche nunmehr seit ca. drei bis vier Monaten den Religionsunterricht und gehe an den Sonntagen in die Kirche. Weiters wurden der Erstbeschwerdeführerin von der belangten Behörde Länderfeststellungen zu Afghanistan vorgehalten und ihr die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen. Die Erstbeschwerdeführerin gab diesbezüglich an, dass sie sich dazu nicht äußern wollen würde.

Im Zuge der Einvernahme wurden von der Erstbeschwerdeführerin ein Dokument hinsichtlich der Scheidung von ihrem Ex-Mann sowie medizinische Beweismittel in Vorlage gebracht. Weiters wurde ein Schreiben der Diözese XXXX vom XXXX vorgelegt, in dem bestätigt wird, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer an Treffen der Taufwerber sowie an Gottesdiensten in der Pfarre teilnehmen.

Die Zweitbeschwerdeführerin gab im Wesentlichen zusammengefasst an, dass ihre bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Befragt zu ihrem Gesundheitszustand gab sie an gesund zu sein. Sie sei afghanische Staatsangehörige, sei aber im Iran geboren und habe bis zu ihrer Ausreise auch immer dort gelebt. Weiters habe sie früher der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams angehört. Nunmehr würde sie keiner Religion mehr folgen. Sie habe im Iran die Schule besucht, jedoch nicht gearbeitet. Befragt zu ihren Familienverhältnissen gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie im Iran traditionell geheiratet hätte und auch ihr Sohn dort geboren worden sei. In Österreich hätte sie sich von ihrem Ehemann getrennt. Ihr Sohn lebe bei ihr, sein Vater dürfe ihn aber besuchen. In Österreich würden sich noch ihre Mutter und ihr Bruder aufhalten. Weiters lebe noch eine Schwester von ihr im Iran und eine in Deutschland. Darüber hinaus verfüge sie noch über weitere Verwandte im Iran und in Afghanistan. Zu den Verwandten in Afghanistan hätte sie aber noch nie Kontakt gehabt. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass ihre Probleme im Iran zu dem Zeitpunkt begonnen hätten, als sich ihre Mutter von ihrem Vater in seiner Abwesenheit hätte scheiden lassen. Aufgrund der daraus resultierenden Bedrohung ihrer Familie hätten sie den Iran verlassen müssen. In diesem Zusammenhang gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass ihr Sohn keine eigenen Fluchtgründe hätte. Bei einer Rückkehr in den Iran oder nach Afghanistan befürchte sie aufgrund der familiären Probleme getötet zu werden. Aufgrund ihrer Trennung von ihrem Ehemann sei sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan auf sich alleine gestellt und könne auch aus diesem Grund nicht dorthin zurückkehren. Zudem drohe ihr dort die Todesstrafe, da sie sich für keine Religion interessiere und Feministin sei. Weiters wurden der Zweitbeschwerdeführerin von der belangten Behörde Länderfeststellungen zu Afghanistan vorgehalten und ihr die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen. Die Zweitbeschwerdeführerin gab diesbezüglich an, dass sie sich dazu nicht äußern wollen würde.

Im Zuge der Einvernahme wurden von der Zweitbeschwerdeführerin integrationsbescheinigende Unterlagen für sich und den Viertbeschwerdeführer in Vorlage gebracht.

Der Drittbeschwerdeführer gab im Wesentlichen zusammengefasst an, dass seine bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Befragt zu seinem Gesundheitszustand gab er an, dass er vor kurzem operiert worden sei. Er sei aber gesund. Er sei afghanischer Staatsangehöriger und würde der Volksgruppe der Tadschiken angehören. Weiters habe er früher der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams angehört. Er sei aber nunmehr zum Christentum konvertiert und besuche regelmäßig die Kirche. Er sei im Iran geboren und sei noch nie in Afghanistan gewesen. Im Iran habe er acht Jahre lang die Schule besucht, jedoch keinen Beruf erlernt. Befragt zu seinen Familienverhältnissen gab er an, dass er ledig sei und keine Kinder haben würde. In Österreich würden sich seine Mutter, seine Schwester und ihr Sohn, sowie der Ex-Mann seiner Schwester aufhalten. Weiters habe er noch je eine Schwester im Iran und in Deutschland. Wo sich sein Vater zurzeit aufhalte, wisse er nicht. Er sei einmal in Pakistan, dann wieder in Afghanistan. Er habe seinen Vater erst zwei- bis dreimal in seinem Leben gesehen. Er sei nur alle paar Jahre aufgetaucht. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der Drittbeschwerdeführer an, dass die Probleme im Iran zu dem Zeitpunkt begonnen hätten, als sich seine Mutter von seinem Vater in seiner Abwesenheit hätte scheiden lassen. Aufgrund der daraus resultierenden Bedrohung seiner Familie hätten sie den Iran verlassen müssen. Zudem sei er in Österreich zum christlichen Glauben konvertiert und würde bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch aus diesem Grund getötet werden. Weiters wurden dem Drittbeschwerdeführer von der belangten Behörde Länderfeststellungen zu Afghanistan vorgehalten und ihm die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen. Der Drittbeschwerdeführer gab diesbezüglich an, dass er sich dazu nicht äußern wolle.

Im Zuge der Einvernahme wurden vom Drittbeschwerdeführer medizinische Beweismittel hinsichtlich einer am XXXX durchgeführten Varikozelenoperation sowie integrationsbescheinigende Unterlagen in Vorlage gebracht. Weiters wurde ein Schreiben der Diözese XXXX vom XXXX vorgelegt, in dem bestätigt wird, dass der Drittbeschwerdeführer und die Erstbeschwerdeführerin an Treffen der Taufwerber sowie an Gottesdiensten in der Pfarre teilnehmen.

1.4. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.); die Anträge bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Nach Darlegung des Verfahrensganges und Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle traf die belangte Behörde Feststellungen zur Lage in Afghanistan und führte begründend im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführer nicht in der Lage gewesen seien, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) genannten Gründen glaubhaft zu machen. So hätten die Beschwerdeführer ihr gesamtes selbstbestimmtes Leben außerhalb Afghanistans verbracht und somit könne mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Grund für eine individuelle Bedrohung bzw. Gefährdung in ihrem Herkunftsstaat Afghanistan bestehen. Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers wurde von der belangten Behörde weiters ausgeführt, dass sich das Vorbringen bezüglich der Hinwendung zum christlichen Glauben bzw. einer angestrebten Konvertierung zum Entscheidungszeitpunkt sich als nicht asylrelevant dargestellt habe. Weder der Erstbeschwerdeführerin noch dem Drittbeschwerdeführer sei es gelungen eine ausreichende Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben glaubhaft zu machen. An diesem Umstand vermag auch das vorgelegte Schreiben der Diözese XXXX nichts zu ändern. Zudem sei weder die Erstbeschwerdeführerin noch der Drittbeschwerdeführer getauft. Hinsichtlich des Vorbringens der Zweitbeschwerdeführerin, dass sie keiner Religion mehr folge, führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass ein Abfall vom Glauben nicht glaubhaft gemacht habe werden können, sondern die diesbezüglichen Angaben lediglich Schutzbehauptungen darstellen würden, um asylrechtlichen Schutz zu erhalten.

Hinsichtlich Spruchpunkt II. wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass den Beschwerdeführern im Fall einer Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung nach Afghanistan weder eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention noch eine ernsthafte Gefahr für das Leben oder die Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes als Zivilpersonen drohe. Bei der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin sowie beim Drittbeschwerdeführer handle es sich um arbeitsfähige Personen, bei denen eine grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben vorausgesetzt werden könne. Eine Reintegration in Afghanistan, insbesondere in den Städten Kabul, Mazar-e Scharif, Jalalabad und Herat, sei daher für die Beschwerdeführer möglich.

Zu den Spruchpunkten III. und IV. wurde von der belangten Behörde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, dass die Beschwerdeführer in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte verfügen würden bzw. dass die gesamte Familie von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen betroffen sei, sodass ein Eingriff in das Familienleben nicht vorliege. Hinsichtlich eines möglichen Eingriffes in das Privatleben der Beschwerdeführer führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass die Beschwerdeführer illegal nach Österreich eingereist seien, auf staatliche Unterstützung angewiesen seien und auch keine relevante Integration vorliegen würde. Ihr Aufenthalt im Bundesgebiet sei alleine aufgrund der Betreibung eines Asylverfahrens und somit lediglich für die Dauer dieses Verfahrens legalisiert. Sonstige private Bindungen in Österreich hätten die Beschwerdeführer nicht. Im Rahmen der vorgenommenen Interessensabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass in der Gesamtbetrachtung nach Abwägung aller Interessen festzustellen sei, dass im vorliegenden Fall den öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen besondere Bedeutung zukomme, und das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung das private Interesse der Beschwerdeführer am Verbleib im Bundesgebiet überwiege. Eine Rückkehrentscheidung sei daher gerechtfertigt. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 sei mangels Privat- und Familienlebens nicht in Betracht gekommen. Auch würden die Beschwerdeführer nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 erfüllen. Weiters wurde von der belangten Behörde ausgeführt, dass unter den Spruchpunkten I. und II. ausführlich geprüft und schließlich festgestellt worden sei, dass den Beschwerdeführern eine Gefahr iSd § 50 Abs. 1 und 2 FPG nicht drohe und eine Empfehlung nach Abs. 3 leg.cit. nicht existiere. Eine Abschiebung nach Afghanistan sei daher zulässig. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die die Beschwerdeführer bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätten, nicht gegeben seien.

1.5. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom XXXX bzw. XXXX wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine Rechtsberatung zur Seite gestellt.

2. Gegen die im Spruch genannten Bescheide der belangten Behörde erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht eine Beschwerde, mit der die Bescheide vollinhaltlich angefochten wurden. In der Begründung wurde der Beweisführung sowie der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde substantiiert entgegengetreten. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.

Weiters waren der Beschwerde integrationsbescheinigende Unterlagen betreffend die Zweitbeschwerdeführerin und den Viertbeschwerdeführer sowie ein ambulanter Arztbrief vom XXXX betreffend die Zweitbeschwerdeführerin angeschlossen.

3. Die gegenständlichen Beschwerden samt Verwaltungsakte langten der Aktenlage nach am XXXX bzw. XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein.

3.1. Am XXXX wurden von der Zweitbeschwerdeführerin weitere integrationsbescheinigende Unterlagen in Vorlage gebracht.

3.2. Mit Schriftsatz vom XXXX wurde unter Berufung auf die erteilte Vollmacht bekanntgegeben, dass die Beschwerdeführer im weiteren Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Rechtsanwalt XXXX vertreten werden. In Ergänzung zur Beschwerde wurde zusammengefasst vorgebracht, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer sich öffentlich und nach außen erkennbar zum christlichen Glauben bekennen würden. Zudem habe sich die Zweitbeschwerdeführerin aufgrund der im Islam vorherrschenden Unterdrückung der Frauen vom islamischen Glauben abgewendet und folge nunmehr keiner Religion mehr. Darüber hinaus handle es sich bei der Erst- und der Zweitbeschwerdeführerin um Frauen, die in Österreich ein freies und selbstbestimmtes Leben führen würden. Sie würden sich auch schminken und modisch kleiden. Zudem würden sie kein Kopftuch tragen. Aufgrund dieser Umstände drohe den Beschwerdeführern bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine asylrelevante Verfolgung.

3.3. Mit Schriftsatz vom XXXX wurden vom bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführer zwei Kopien der Taufscheine der Pfarre XXXX , (Erz-)Diözese XXXX , Römisch-katholische Kirche in Österreich, ausgestellt jeweils am XXXX , übermittelt, aus denen hervorgeht, dass die Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer am XXXX getauft worden sind.

3.4. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte in der Folge eine mündliche Verhandlung an und übermittelte gleichzeitig aktuelle Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan. Mit Schreiben vom XXXX wurde von der belangten Behörde mitgeteilt, dass die Teilnahme eines Vertreters an der Verhandlung aus dienstlichen und personellen Gründen nicht möglich sei. Es werde aufgrund der gegebenen Aktenlage die Abweisung der gegenständlichen Beschwerden beantragt und um Übersendung des Verhandlungsprotokolles ersucht. Eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen wurde vorab von den Verfahrensparteien nicht erstattet.

3.5. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX brachten die Beschwerdeführer nach Erläuterung des bisherigen Verfahrensganges und des Akteninhaltes im Beisein ihres bevollmächtigten Vertreters sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari auf richterliche Befragung im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass ihre bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Befragt zu ihrem Gesundheitszustand gaben die Beschwerdeführer an, gesund zu sein. In weiterer Folge führten die Beschwerdeführer übereinstimmend aus, dass sie der Volksgruppe der Tadschiken angehören würden. Befragt, welcher Religionsgemeinschaft sie angehören würden, gaben die Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer übereinstimmend an, dass sie früher der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams angehört hätten. Nunmehr würden sie dem christlichen Glauben angehören. Von der Zweitbeschwerdeführerin wurde in diesem Zusammenhang angegeben, dass sie früher ebenfalls der sunnitischen Glaubensrichtung des Islams angehört habe. Nunmehr sei sie ohne Religionsbekenntnis (Anmerkung:

In diesem Zusammenhang wurde vom bevollmächtigten Vertreter eine Bestätigung vom XXXX hinsichtlich des Austrittes der Zweitbeschwerdeführerin aus der islamischen Glaubensgemeinschaft mit Wirksamkeit XXXX in Vorlage gebracht). Die Beschwerdeführer gaben weiters übereinstimmend an, dass ihre Muttersprache Dari sei. Sie würden darüber hinaus auch noch Deutsch sprechen. Die Zweitbeschwerdeführerin gab an, dass sie zusätzlich auch noch die Sprachen Englisch und Türkisch beherrsche. Der Drittbeschwerdeführer führte in diesem Zusammenhang an, dass er auch noch die Sprache Englisch spreche. Befragt, aus welcher Region Afghanistans sie stamme, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie in der Stadt Herat gelebt hätte. Im Alter von zwölf Jahren habe sie Afghanistan verlassen müssen, da ihre ganze Familie ums Leben gekommen sei. Von ihrer Kernfamilie würde sich niemand mehr in Afghanistan befinden. Es würden dort nur mehr entfernte Verwandte von ihr leben. Ihr Ex-Mann würde sich manchmal in Afghanistan, in Pakistan oder auch im Iran aufhalten. Seinen genauen Aufenthaltsort wisse sie nicht. Weiters befinde sich noch eine Tochter von ihr im Iran und eine in Deutschland. Alle ihre Kinder seien im Iran geboren worden. Von der Zweitbeschwerdeführerin wurde in diesem Zusammenhang ergänzend angegeben, dass sich im Iran auch noch entfernte Verwandte von ihnen aufhalten würden. Zu ihren Familienverhältnissen in Österreich befragt, gaben die Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer zusammengefasst übereinstimmend an, dass sich außer der Zweitbeschwerdeführerin und dem Viertbeschwerdeführer keine sonstigen Verwandte von ihnen in Österreich aufhalten würden. Der Drittbeschwerdeführer gab ergänzend an, dass er seit ca. zweieinhalb Jahren eine österreichische Freundin habe. Diese habe ihn auch zur heutigen Verhandlung begleitet. Sollte er in Österreich bleiben dürfen, würden sie beabsichtigen zusammenzuziehen. Die Zweitbeschwerdeführerin gab in diesem Zusammenhang an, dass sie in Österreich zusammen mit ihrem Sohn leben würde. Weiters halte sich in Österreich noch ihr früherer Ehemann, den sie im Iran traditionell geheiratet hätte, auf. Er sei auch der Vater ihres Sohnes. Sie hätten sich aber bereits vor über zwei Jahren getrennt und würden nicht mehr zusammenleben. Ergänzend gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie seit XXXX in einer neuen Beziehung mit einem österreichischen Mann lebe. Sie würden viel Zeit miteinander verbringen und hätten auch vor zusammenzuziehen. Befragt zu ihrer Schul- und Berufsausbildung gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie in Afghanistan keine Schule besucht habe. Im Iran sei sie fünf Jahre in eine Schule gegangen und habe anschließend als Küchenkraft bzw. als Kosmetikerin gearbeitet. Von der Zweitbeschwerdeführerin wurde in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass sie im Iran eine Schule besucht und diese auch abgeschlossen habe. Der Drittbeschwerdeführer gab an, dass er im Iran acht Jahre lang die Schule besucht habe.

Zu ihrer Situation in Österreich befragt, gab die Erstbeschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie zurzeit regelmäßig einen Deutschkurs besuche. Sie sei bemüht die deutsche Sprache gut zu beherrschen und wolle danach als Kosmetikerin arbeiten. Sie könne sich aber auch vorstellen als Köchin oder Konditorin zu arbeiten (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurden vom bevollmächtigten Vertreter eine Kursbesuchsbestätigung für den Zeitraum von XXXX bis XXXX hinsichtlich der Absolvierung eines Alphabetisierungs- bzw. Deutschkurses sowie eine Teilnahmebestätigung vom XXXX hinsichtlich der Teilnahme am Werte- und Orientierungskurs gemäß § 5 Integrationsgesetz betreffend die Erstbeschwerdeführerin in Vorlage gebracht.). In Österreich verfüge sie bereits über einen großen Freundeskreis. In ihrer Freizeit gehe sie gerne laufen, radfahren oder schwimmen. Dabei trage sie normale Sportbekleidung. Sie trage im Alltag auch kein Kopftuch, würde sich schminken und kleide sich wie auch andere österreichische Frauen. Befragt zur Erziehung ihrer Kinder gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie glücklich sei, dass ihre Tochter und ihr Sohn hier in Freiheit leben und ein selbstbestimmtes Leben führen könnten. Weiters wurde von der Erstbeschwerdeführerin angegeben, dass sie auch in finanzieller Hinsicht ein selbstbestimmtes Leben führe. Sie entscheide selbst, welche Sachen sie benötige und kaufe sich diese dann anschließend. Befragt zu ihrem Glaubenswechsel gab die Erstbeschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie am XXXX in der Pfarre XXXX , getauft worden sei. Befragt, wann sie sich entschlossen habe, sich mit dem christlichen Glauben auseinanderzusetzen, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie durch ihren Sohn das Christentum kennengelernt habe. Als dieser Christ geworden sei, habe sie viel mit ihrem Sohn darüber geredet und habe so immer mehr über das Christentum erfahren. Im Islam würde sie mit vielen Sachen bzw. Traditionen wie zum Beispiel die Zwangsverheiratung junger Mädchen oder die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen nicht einverstanden sein. Darüber hinaus gebe es im Islam viel Gewalt. Vor ca. 15 Monaten habe sie dann begonnen in die Kirche zu gehen und habe in weiterer Folge einen Taufkurs besucht. Befragt, in welcher Form sie ihren Glauben ausübe, antwortete die Erstbeschwerdeführerin, dass sie an den Sonntagen die Kirche besuche und auch täglich nach dem Aufstehen zuhause ein Gebet spreche. Auf richterliche Befragung gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht dem christlichen Glauben abschwören werde. Sie wolle nicht wieder den islamischen Glauben annehmen.

Zu ihrer Situation in Österreich befragt, gab die Zweitbeschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie zurzeit ein Abendgymnasium besuche, um die Matura nachzuholen. Zu ihrer Zukunft in Österreich gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass sie nach der Matura studieren und danach als Regisseurin bzw. Drehbuchschreiberin arbeiten wolle. Diesbezüglich besuche sie auch jetzt schon einen Kurs für kreatives Schreiben (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurden vom bevollmächtigten Vertreter diverse Kursbesuchsbestätigungen betreffend die Zweitbeschwerdeführerin in Vorlage gebracht.). Ihr Ziel sei es, sich hier in Österreich ein eigenes Leben aufzubauen. Wie bereits angegeben, wolle sie mit ihrem österreichischen Freund zusammenziehen und diesen eventuell später auch heiraten. Aber auch im Falle einer Eheschließung wolle sie auf jeden Fall berufstätig bleiben, da es ihr wichtig sei, finanziell unabhängig zu sein. In diesem Zusammenhang gab die Zweitbeschwerdeführerin ergänzend an, dass sie selbst entscheiden würde, was sie mit ihrem Geld mache. Sie sehe sich auch als Feministin und trete für die Rechte der Frauen ein. Wenn sie zum Beispiel im Rahmen ihrer Ausbildung das Gefühl habe, von ihren Mitschülern ungerecht behandelt zu werden, so würde sie ihnen dies sagen und sich dagegen wehren. In ihrer Freizeit besuche sie ein Fitnessstudio, singe in einem Chor und nehme auch privat Gesangsunterricht bei einem Musiklehrer. Weiters treffe sie sich regelmäßig mit ihrer österreichischen Freundin und sie würden gemeinsam essen gehen. Darüber hinaus habe sie viel Kontakt mit der Familie ihres Freundes. Sie trage im Alltag auch kein Kopftuch, würde sich schminken und kleide sich wie auch andere österreichische Frauen. Befragt zur Erziehung ihres Sohnes gab die Zweitbeschwerdeführerin an, dass es ihr wichtig sei, dass ihr Kind im Sinne der europäischen Werte erzogen werde.

Zu seiner Situation in Österreich befragt, gab der Drittbeschwerdeführer zusammengefasst an, dass er am XXXX in der Pfarre XXXX , getauft worden sei. Befragt, wann er sich entschlossen habe, sich mit dem christlichen Glauben auseinanderzusetzen, gab der Drittbeschwerdeführer an, dass für ihn der Islam nur mit Gewalt verbunden sei. Aus diesem Grund habe er begonnen sich nach ein paar Monaten in Österreich für das Christentum zu interessieren. Über Freunde von ihm sei er mit der katholischen Kirche in Berührung gekommen und habe Kurse besucht, in denen er mehr über den christlichen Glauben erfahren habe. Im Zuge des Besuches dieser Kurse sei er zu der Überzeugung gelangt, dass dies der richtige Weg für ihn sei und er habe in weiterer Folge damit begonnen, die Taufvorbereitung zu absolvieren. Befragt, in welcher Form er seinen Glauben ausübe, antwortete der Drittbeschwerdeführer, dass er an den Sonntagen die Kirche besuche und auch von Zeit zu Zeit aktiv an der Gestaltung der Gottesdienste mitwirke, indem er die Lesung vortragen würde. Darüber hinaus helfe er auch manchmal im Pfarrcafe mit. Wenn er für sich alleine sei, bete er zu Gott. Dies sei sehr wichtig für ihn, da die Gebete ihm helfen würden, wenn er sich einsam fühle. Durch die Gebete bekomme er wieder Hoffnung und Energie. Auf richterliche Befragung gab der Drittbeschwerdeführer an, dass er auch bei einer Rückkehr nach Afghanistan nicht dem christlichen Glauben abschwören werde. Eine Rückkehr zum Islam sei für ihn vollkommen ausgeschlossen. Er sei stolz ein Christ zu sein und trage auch eine Kette mit einem Kreuz. Wenn er von jemandem nach seinem Glauben gefragt werde, sage er auch, dass er Christ sei.

In weiterer Folge wurden ergänzend zu den mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan durch den verfahrensführenden Richter aufgrund des Vorbringens der Beschwerdeführer in der heutigen Verhandlung folgende Unterlagen in das Verfahren eingebracht:

? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, in der Fassung vom 19.10.2018

? UNHCR-eligibility guidelines for assessing the international protection needs of asylum-seekers from afghanistan, 30.08.2018

? UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 19. April 2016

? Anmerkungen von UNHCR zur Situation in Afghanistan XXXX

? ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Situation von

1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen, 3) Personen, die Kritik am Islam äußern, 4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa (jeweilige rechtliche Lage, staatliche und gesellschaftliche Behandlung, Diskriminierung, staatlicher bzw. rechtlicher Schutz bzw. Schutz durch internationale Organisationen, regionale Unterschiede, Möglichkeiten zur Ausübung des christlichen Glaubens, Veränderungen hinsichtlich der Lage der christlichen Gemeinschaft) [a-10159], 1. Juni 2017

Nach Erörterung dieser Unterlagen und der mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen, gab der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführer dazu an, dass aus diesen Unterlagen eindeutig hervorgehe, dass die Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan einer asylrelevanten Verfolgung ausgesetzt seien.

3.6. Weiters wurde vom Bundesverwaltungsgericht die Verhandlungsschrift der belangten Behörde übermittelt. Eine Stellungnahme dazu wurde von dieser nicht erstattet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer tragen die im Spruch genannten Namen und sind am XXXX (Erstbeschwerdeführerin), XXXX (Zweitbeschwerdeführerin), am XXXX (Drittbeschwerdeführer) sowie am XXXX (Viertbeschwerdeführer) geboren. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers. Der minderjährige Viertbeschwerdeführer ist der Sohn der Zweitbeschwerdeführerin. Dem Vater des Viertbeschwerdeführers und Ex-Mann der Zweitbeschwerdeführerin, der gemeinsam mit ihnen in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist und ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tage (GZ. XXXX ) ebenfalls der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden.

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan und gehören der Volksgruppe der Tadschiken an. Die Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer haben sich in Afghanistan bzw. im Iran zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams bekannt. In Österreich ist die Erstbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer zum christlichen Glauben (konkret zum römisch-katholischen) übergetreten und sind am XXXX in der Pfarre XXXX , (Erz-)Diözese XXXX getauft worden. Die Zweitbeschwerdeführerin bekannte sich früher ebenfalls zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islams, folgt nun aber keiner Religion (mehr). Die Erstbeschwerdeführerin hat in Afghanistan in der Stadt Herat gelebt und ist im Alter von ca. 12 Jahren in den Iran gezogen. Dort hat sie den Vater der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers geheiratet und sich später von diesem scheiden lassen. Wo sich der Ex-Mann der Erstbeschwerdeführerin und Vater der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers zurzeit aufhält, kann nicht festgestellt werden. Weiters verfügt die Erstbeschwerdeführerin noch über zwei volljährige Töchter, wobei die eine im Iran und die andere in Deutschland lebt. Die Zweitbeschwerdeführerin sowie der Dritt- und Viertbeschwerdeführer sind im Iran geboren. Weiters leben noch entfernte Verwandte der Beschwerdeführer in Afghanistan und dem Iran.

Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Dari. Weiters sprechen sie auch Deutsch. Die Zweitbeschwerdeführerin spricht weiters noch die Sprachen Englisch und Türkisch. Der Drittbeschwerdeführer beherrscht noch die englische Sprache. Die Erstbeschwerdeführerin hat in Afghanistan keine Schule besucht. Im Iran ist sie fünf Jahre in die Schule gegangen und hat anschließend als Küchenkraft sowie als Kosmetikerin gearbeitet. Die Zweitbeschwerdeführerin hat im Iran die Schule besucht und diese auch abgeschlossen. Der Drittbeschwerdeführer hat im Iran acht Jahre lang die Schule besucht.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

1.1.1. Zur Situation der Erstbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan:

Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine selbstständige Frau, die in ihrer Wertehaltung und ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie lebt in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition und lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab. Der Erstbeschwerdeführerin ist es wichtig, dass ihre Tochter und ihr Sohn in Österreich ein selbstbestimmtes Leben nach ihren eigenen Vorstellungen führen können. Die Erstbeschwerdeführerin spricht bereits gut Deutsch und ist bestrebt ihre Kenntnisse der deutschen Sprache weiter zu verbessern. Sie beabsichtigt in Österreich als Kosmetikerin bzw. als Köchin oder Konditorin zu arbeiten, um in Österreich berufliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit zu erlangen. Sie bewältigt ihren Alltag in Österreich selbstständig. Sie kleidet sich nach westlicher Mode und schminkt sich. Auf das Tragen des Kopftuches wird verzichtet. Die Erstbeschwerdeführerin verfügt in Österreich bereits über einen großen Freundeskreis und geht in ihrer Freizeit gerne laufen, radfahren oder schwimmen. Die von ihr angenommene Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Die Erstbeschwerdeführerin lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die persönliche Haltung der Erstbeschwerdeführerin über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft steht im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Sie würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden. Darüber hinaus ist die Erstbeschwerdeführerin während ihres Aufenthalts in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung zum Christentum konvertiert und würde ihren neuen Glauben auch im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat praktizieren (wollen).

Der Erstbeschwerdeführerin droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund ihrer Wertehaltung und ihrer Hinwendung zum Christentum eine Verfolgung aus religiösen und/oder politischen Gründen. Vom afghanischen Staat kann sie keinen effektiven Schutz erwarten.

Es besteht keine innerstaatliche Fluchtalternative.

1.1.2. Zur Situation der Zweitbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan:

Bei der Zweitbeschwerdeführerin handelt es sich um eine selbstständige Frau, die in ihrer Wertehaltung und ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie lebt in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition und lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab. Die Zweitbeschwerdeführerin spricht bereits sehr gut Deutsch und ist bestrebt ihre Kenntnisse der deutschen Sprache weiter zu verbessern. Sie beabsichtigt in Österreich zu maturieren und danach zu studieren. Ihr Berufswunsch ist es, als Regisseurin bzw. Drehbuchschreiberin zu arbeiten, um in Österreich berufliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit zu erlangen. In dieser Hinsicht ist die Zweitbeschwerdeführerin bereits aus eigenem Antrieb aktiv geworden und besucht zurzeit ein Abendgymnasium und hat bereits mehrere Fortbildungskurse absolviert. Die Zweitbeschwerdeführerin beabsichtigt auch im Falle einer Eheschließung weiterhin berufstätig zu bleiben. Sie bewältigt ihren Alltag in Österreich selbstständig und ist seit der Trennung von ihrem Ehemann für die Erziehung des Viertbeschwerdeführers alleine verantwortlich. Sie erzieht ihren Sohn frei von Zwängen und ist sehr darum bemüht, dass er in Österreich eine gute Schul- und Berufsausbildung erhält, damit er später ein selbstbestimmtes Leben führen kann. In dieser Hinsicht wird ihr Sohn aktiv von ihr unterstützt. Die Zweitbeschwerdeführerin kleidet sich nach westlicher Mode und schminkt sich. Auf das Tragen des Kopftuches wird verzichtet. In ihrer Freizeit trifft sich die Zweitbeschwerdeführerin regelmäßig mit ihrer österreichischen Freundin zum Essen. Weiters besucht die Zweitbeschwerdeführerin ein Fitnessstudio, singt in einem Chor und nimmt privat Gesangsunterricht bei einem Musiklehrer. Nach der Trennung von ihrem Ehemann lebt die Zweitbeschwerdeführerin seit XXXX in einer neuen Beziehung mit einem österreichischen Mann. Die Zweitbeschwerdeführerin beabsichtigt in naher Zukunft auch mit ihrem Freund zusammenzuziehen. Die von der Zweitbeschwerdeführerin angenommene Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Sie lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die persönliche Haltung der Zweitbeschwerdeführerin über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft steht im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Sie würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden. Darüber hinaus hat sich die Zweitbeschwerdeführerin aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen, von ihrer (bisherigen) Religion des Islams abgewendet. Sie lehnt den konservativen Islam ab und haben für sie Religion und Glauben keine Bedeutung. Die Zweitbeschwerdeführerin scheut sich auch nicht ihre Ansichten gegenüber ihren Mitmenschen zu vertreten.

Der Zweitbeschwerdeführerin droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund ihrer Wertehaltung und ihrer Abwendung vom islamischen Glauben (Apostasie) eine Verfolgung aus religiösen und/oder politischen Gründen. Vom afghanischen Staat kann sie keinen effektiven Schutz erwarten.

Es besteht keine innerstaatliche Fluchtalternative.

1.1.3. Zur Situation des Drittbeschwerdeführers im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan:

Der Drittbeschwerdeführer ist während seines Aufenthalts in Österreich aus freier persönlicher Überzeugung zum Christentum konvertiert und würde seinen neuen Glauben auch im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat praktizieren (wollen).

Dem Drittbeschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seiner Hinwendung zum Christentum eine Verfolgung aus religiösen Gründen. Vom afghanischen Staat kann er keinen effektiven Schutz erwarten.

Es besteht keine innerstaatliche Fluchtalternative.

1.2. Zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer:

Aufgrund der mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan und den in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zusätzlich in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer getroffen:

1.2.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, in der Fassung vom 19.10.2018:

Politische Lage (Verfassung):

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Sicherheitslage (Allgemein):

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018).

Ein besonderes Anliegen der ANDSF, der afghanischen Regierung und internationaler Kräfte ist das Verhindern ziviler Opfer. Internationale Berater/innen der US-amerikanischen und Koalitionskräfte arbeiten eng mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und ein Bewusstsein für die Wichtigkeit der Reduzierung der Anzahl von zivilen Opfern zu schaffen. Die afghanische Regierung hält auch weiterhin ihre vierteljährliche Vorstandssitzung zur Vermeidung ziviler Opfer (Civilian Casualty Avoidance and Mitigation Board) ab, um u. a. Präventivmethoden zu besprechen (USDOD 12.2017). Die UNAMA bemerkte den Einsatz und die positiven Schritte der afghanischen Regierung, zivile Opfer im Jahr 2017 zu reduzieren (UNAMA 2.2018).

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten