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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §6;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des N Z, (geboren am 1. Juli 1958), in Latschach, vertreten durch Dr. Albert Ritzberger, Rechtsanwalt in 9550 Villach, Widmanngasse 43, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 21. Mai 1996, Zl. Fr 1658/96, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 21. Mai 1996 wurde der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der maßgeblichen Rechtsvorschriften im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer sei am 19. Februar 1996 illegal, ohne im Besitz des erforderlichen Reisedokumentes bzw. einer Aufenthaltsberechtigung zu sein, in das Gebiet der Republik Österreich eingereist. Die Rechtsordnung messe der Beachtung der zwischenstaatlichen Regelungen über die Einhaltung fremdengesetzlicher Vorschriften ein solches Gewicht bei, daß selbst bei Einmaligkeit von Verfehlungen gegen diese Normen ein schwerwiegender Verstoß gegen erhebliche öffentliche Interessen des österreichischen Staates vorliege. Zum Hinweis des Beschwerdeführers auf die Genfer Flüchtlingskonvention, wonach er wegen illegaler Einreise nicht bestraft werden dürfe, werde festgestellt, daß es sich im gegenständlichen Verfahren um kein Strafverfahren, sondern um ein verwaltungsbehördliches Verfahren handle. Nach seiner am 19. Februar 1996 erfolgten illegalen Einreise habe der Beschwerdeführer einen Asylantrag gestellt, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes Wien vom 22. Februar 1996 abgewiesen worden sei. Der Beschwerdeführer habe dagegen Berufung erhoben. Der rechtskräftige Abschluß des Asylverfahrens sei jedoch für die Zuständigkeit der Fremdenpolizeibehörde nicht relevant. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich unterliege uneingeschränkt den Bestimmungen des Fremdengesetzes. Im Zuge des Asylverfahrens sei dem Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zugekommen. Seitens einer österreichischen Behörde sei ihm weder ein Sichtvermerk noch eine Aufenthaltsbewilligung erteilt worden, sodaß sein Aufenthalt im Bundesgebiet rechtswidrig und als Übertretung des Fremdengesetzes von nicht unerheblicher Bedeutung zu werten sei. Ein Eingriff in sein Privat- oder Familienleben sei durch die Ausweisung nicht gegeben, da sich seine Familienangehörigen (Ehegattin und Kinder) bei der Einreise in seiner Begleitung befunden hätten. Bei der Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in den Irak handle es sich um ein selbständiges Verfahren, sodaß bei der Erlassung des Ausweisungsbescheides nicht zu prüfen sei, in welches Land der Beschwerdeführer allenfalls abgeschoben werden würde. Mit der Verfügung der Ausweisung sei aber nicht zwangsläufig die Abschiebung in das Heimatland des Beschwerdeführers verbunden. Eine neuerliche Einreise in das Bundesgebiet sei ihm dadurch nicht verwehrt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 1 FrG sind Fremde mit Bescheid auszuweisen, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten; hiebei ist auf § 19 Bedacht zu nehmen.
Der Beschwerdeführer macht inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend und führt hiezu im wesentlichen aus, daß Fremde nur dann auszuweisen seien, wenn sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten. § 15 Abs. 1 Z. 3 FrG bestimme, daß sich Fremde dann rechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten, wenn und solange ihnen eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zukomme. Gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 sei ein Asylwerber, der gemäß § 6 leg.cit. eingereist ist, ab dem Zeitpunkt, zu dem ein Asylantrag gestellt wurde, zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt, wenn der Asylantrag innerhalb von einer Woche ab dem Zeitpunkt der Einreise in das Bundesgebiet gestellt worden sei. Nach den Gesetzesmaterialien zu § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 komme jenem Asylwerber die vorläufige Aufenthaltsberechtigung zu, der rechtmäßig, d. h. auf Grund paßrechtlicher Vorschriften, oder auf Grund des § 6 Asylgesetz 1991 in das Bundesgebiet eingereist sei. § 6 Asylgesetz 1991 normiere für jenen Asylwerber, der direkt aus einem Staat komme, in dem er behauptet Verfolgung befürchten zu müssen, und dem die Einreise nicht schon auf Grund des Paßgesetzes gestattet werden könne, ein Recht auf Einreise in das Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer habe am Tag seiner Einreise, sohin rechtzeitig, einen Asylantrag gestellt. Er sei vom Irak über Jordanien, Rumänien und in weiterer Folge - zwangsläufig - über Ungarn nach Österreich eingereist. In Jordanien sei er vor politischer Verfolgung nicht sicher gewesen, da dies ebenfalls ein arabisches Land sei und Flüchtlinge aus dem Irak in diesen wieder zurückgeschoben würden. Auch in Rumänien habe er Verfolgung und vor allem Abschiebung in den Irak oder nach Jordanien befürchtet, da in Rumänien die Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens nicht gewährleistet sei und Flüchtlinge ebenfalls wieder zurückgeschoben werden würden. Schließlich sei er auch in Ungarn vor Verfolgung nicht sicher gewesen; Ungarn sei der Flüchtlingskonvention nämlich nur unter dem Vorbehalt der Alternative a Abschnitt B des Art. 1 beigetreten, was bedeute, daß in diesem Land die Flüchtlingskonvention auf Asylwerber, die ihr Ansuchen um Asyl mit Ereignissen außerhalb Europas begründen, keine Anwendung finde. Er habe sohin in allen Transitstaaten Verfolgung befürchten müssen bzw. in keinem Transitstaat einen wirksamen Schutz vor Abschiebung in den Verfolgerstaat genossen. Er sei damit gemäß § 6 Abs. 1 Asylgesetz 1991 direkt aus einem Staat eingereist, in dem er Verfolgung befürchten habe müssen und habe gemäß § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 ein Recht auf Einreise in das Bundesgebiet. Er sei daher gemäß § 7 Asylgesetz 1991 ab dem Zeitpunkt, zu dem er den Asylantrag gestellt habe, bis zum rechtskräftigen Abschluß des Asylverfahrens berechtigt, sich im Bundesgebiet aufzuhalten und dürfe gemäß § 15 Abs. 1 Z. 3 FrG sowie § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991, worin die Anwendung des § 17 FrG (Ausweisung) auf Asylwerber mit vorläufiger Aufenthaltsberechtigung (§ 7 Asylgesetz 1991) verboten sei, nicht ausgewiesen werden. Unrichtig sei daher sowohl die Ansicht der belangten Behörde, daß ihm zu keinem Zeitpunkt eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zugekommen sei, als auch, daß sein Aufenthalt uneingeschränkt den Bestimmungen des Fremdengesetzes unterliege.
Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid weiters infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften für rechtswidrig, da die belangte Behörde nicht einmal geprüft habe, ob ihm eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zukomme. Sie habe sich mit der Frage, ob er gemäß § 6 Asylgesetz 1991, sohin direkt, aus einem Staat, in dem er Verfolgung befürchten mußte, eingereist sei und ihm gemäß § 7 Asylgesetz 1991 eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung zukomme, in keiner Weise auseinandergesetzt und es unterlassen, die erforderlichen Sachverhaltsfeststellungen zu diesem Thema zu treffen.
Die Beschwerde ist begründet. Der Beschwerdeführer hat nämlich bereits in seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 19. Februar 1996 angegeben, daß er in Jordanien vor einer Zurückschiebung in den - mit diesem Staat befreundeten - Irak nicht sicher gewesen sei. Er hat weiters in der gegen den Bescheid der Behörde erster Instanz erhobenen Berufung zunächst ausgeführt, er sei weder in Rumänien noch in Ungarn vor einer Rückschiebung in den Verfolgerstaat sicher gewesen; er sei daher gemäß § 6 Asylgesetz 1991 in das Bundesgebiet eingereist. Darüber hinaus hat er in diesem Rechtsmittel unter Wiedergabe der Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes u.a. folgendes aufgeführt:
"Die belangte Behörde stellt im angefochtenen Bescheid, wiederum ohne nähere Feststellungen etwa bezüglich der Einhaltung des Refoulment - Verbotes, der Mitgliedschaft zur Genfer Flüchtlingskonvention, der innerstaatlichen Umsetzung und Einhaltung derselben zu treffen, schlicht fest, daß im Fall des Berufungswerbers 'von vorneherein' der Asylausschließungsgrund des § 2 Abs. 2 Z 3 AsylG 1991 vorliege, da sich dieser nach Verlassen des angegebenen Verfolgerstaates und vor seiner Einreise in das Bundesgebiet bereits in Rumänien und in zumindest einem Transitstaat, 'offenbar', Ungarn befand.
Da der Asylwerber nun von vorneherein sicher war, hielt die erkennende Behörde eine eingehendere Erörterung und Ermittlung hinsichtlich der Frage der Drittlandsicherheit entgegen der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes offenbar nicht für erforderlich.
Entgegen der Rechtsansicht der erkennenden Behörde war der Berufungswerber in keinem Staat seiner Flucht vor Verfolgung im Sinne des § 2 Abs. 2 Z 3 AsylG 1991 sicher.
Sollte er sich überhaupt in Ungarn aufgehalten haben, so konnte er dort als nicht europäischer Flüchtling einen Schutz im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung und im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention nicht realisieren. Nach einer Stellungnahme UNHCR Wien, bezüglich der Situation nichteuropäischer Flüchtlinge in Ungarn (Beilage) gibt es zur Zeit keine Gewährleistung dafür daß diese Personen effektiven Schutz in Ungarn erhalten können, da kein Zugang zu einem nationalen Asylverfahren gegeben ist und ein formelles Verfahren zur Sicherstellung der Einhaltung von Art 33 GFK fehlt.
Auch in Rumänien ist nach einer Stellungnahme UNHCR Wien (Beilage) ein Zugang zum Asylverfahren nicht in allen Fällen gewährleistet. Das derzeitige Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft weist gravierende Verfahrensmängel auf, eine effektive Gewährleistung verfassungsgesetzlich garantierter Rechte ist mangels innerstaatlicher Umsetzung und entsprechender Verfahrensregelungen nicht gegeben.
...
Ich war in Ungarn und Rumänien nicht sicher vor Rückschiebung in den Verfolgerstaat; etwaige Rückschiebungshindernisse i.S.d. GFK bleiben ungeprüft. Es sind vielfach Fälle bekannt, in denen die rumänischen und ungarischen Behörden Flüchtlinge in den Verfolgerstaat rückführten.
Beweis: meine persönliche Einvernahme
einzuholende Gutachten des UNHCR und des Ludwig-Boltzmann-Institutes für Menschenrechte zur Verfolgungssicherheit und Sicherheit vor Rückschiebung v
on
Asylsuchenden und Flüchtlingen in den Verfolgerstaat in Ungarn und Rumänien."
Über dieses Vorbringen durfte sich die belangte Behörde nicht mit dem bloßen Hinweis hinwegsetzen, daß der Beschwerdeführer (der unmittelbar nach seiner Einreise einen Asylantrag gestellt hat, über den bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht rechtskräftig abgesprochen war) illegal in das Bundesgebiet eingereist und ihm zu keinem Zeitpunkt eine Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz 1991 zugekommen sei. Denn bezüglich der Frage, ob ein Asylwerber zum vorläufigen Aufenthalt gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 1991 berechtigt - und daher eine Ausweisung im Grunde § 9 Abs. 1 Asylgesetz 1991 unzulässig - ist, ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch maßgeblich, ob der Betroffene in den Durchreisestaaten verfolgt oder von einer Rückschiebung bedroht war oder ob er wegen des Vorliegens der im § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG genannten Gründe bei seiner Einreise nicht hätte zurückgewiesen werden dürfen und ihm die Einreise gemäß § 6 Abs. 2 Asylgesetz 1991 zu gestatten gewesen wäre (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 95/21/0984, mwN).
Die belangte Behörde hätte sich somit im Sinn der genannten Rechtsprechung mit der konkreten und aktuellen Praxis zumindest von Ungarn hinsichtlich der Einhaltung des Refoulement-Verbotes in bezug auf die im § 37 Abs. 1 und 2 FrG genannten Gefahren auseinandersetzen müssen. Weil sie dies - offensichtlich in Verkennung der Rechtslage - verabsäumt hat, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. März 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996210797.X00Im RIS seit
20.11.2000