TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/22 W262 2206092-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.02.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

22.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W262 2206092-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 14.08.2018, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG, §§ 1 Abs. 2, 40 Abs. 1 und 2, 41 Abs. 1, 42 Abs. 1 und 2 sowie 45 Abs. 1 und 2 BBG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wie folgt abgeändert:

Mit einem festgestellten Grad der Behinderung von fünfzig von Hundert (50 v.H.) erfüllt XXXX ab 22.11.2018 die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses, sodass ihrem darauf gerichteten Antrag vom 11.04.2018 stattzugeben ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin stellte am 11.04.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet), unter Vorlage medizinischer Befunde einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO.

Folgender Hinweis ist im Antragsformular der Behörde enthalten:

"Wenn Sie noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' sind, gilt dieser Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel' in den Behindertenpass."

2. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem - auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 02.05.2018 erstatteten - Gutachten vom 16.07.2018 wurden als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos. Nr.

GdB %

1

Degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Osteoporose mit Grund- und Deckplattenimpression im Lendenwirbelsäulensegment, Zustand nach operiertem Diskusprolaps und Rezidiv im Lendenwirbelsäulensegment, Zustand nach exazerbiertem Cervicalsyndrom, Zustand nach Ozonnukleolyse Unterer Rahmensatz, da keine maßgeblichen motorischen Defizite fassbar

02.01.02

30

2

Bewegungsstörung beider Schultergelenke fixer Rahmensatz; Wahl dieser Position, da die Arme bis zur Horizontalen gehoben werden können

02.06.04

30

3

Zustand nach Quadrantenresektion der linken Brust wegen bösartiger Neubildung 2009, axilläre Lymphknotendissektion und Radiatio Eine Stufe über dem unteren Rahmensatz da Zustand nach Quadrantenresektion nach Ablauf der Heilungsbewährung ohne Zeichen eines Fortschreitens der Grunderkrankung

08.03.01

20

4

Zustand nach abgeheilter Lungentuberkulose, COPD oberer Rahmensatz, da ständiges Therapieerfordernis ohne signifikante Klinik

06.09.04

20

5

mäßiger Bluthochdruck fixer Rahmensatz; Wahl dieser Position, da keine Linksventrikelfunktionstörung dokumentiert

05.01.02

20

6

Abnützungserscheinung an beiden Kniegelenken Unterer Rahmensatz, da zwar Krepitieren, jedoch keine signifikante Funktionsstörung ermittelt werden kann

02.02.01

10

7

Zustand nach Carpaltunnelsyndromoperation rechts Unterer Rahmensatz, da gutes postoperatives Ergebnis und keine Atrophiezeichen

04.05.06

10

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt. Begründend wurde ausgeführt, dass das führende Leiden 1 durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht werde, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliege. Die übrigen Leiden würden mangels ungünstigen Zusammenwirkens nicht weiter erhöhen. Eine Niereninsuffizienz werde zwar in der Diagnoseliste geführt, es würden jedoch keine Laborbefunde vorliegen, die diese Gesundheitsschädigungen adäquat quantifizieren ließen. Der Zustand nach erfolgreicher Zahnwurzelresektion ohne dokumentierte Folgeschäden bedinge keinen Grad der Behinderung. Es handle sich um einen Dauerzustand.

Das Vorliegen der medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass wurde im Gutachten mit näherer Begründung verneint.

3. Die Beschwerdeführerin äußerte sich im Rahmen des gewährten Parteiengehörs dazu nicht.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14.08.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 BBG abgewiesen und ein Grad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Das Sachverständigengutachten vom 16.07.2018 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.

Abschließend wies die belangte Behörde darauf hin, dass über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO nicht abgesprochen werde, da die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden.

5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 14.09.2018 fristgerecht Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass die Begutachtung nur sehr kurz gedauert habe und der Gutachter nicht gefragt habe, wie sie außerhalb des Hauses zurecht komme. Sie habe einen Bandscheibenvorfall und Probleme beim Aufstehen. Darüber hinaus bestehe eine Niereninsuffizienz. Weiters legte die Beschwerdeführerin diverse medizinische Unterlagen vor.

6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 21.09.2018 vorgelegt.

7. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 22.11.2018 erstatteten Gutachten vom 25.11.2018 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (ergänzt um die Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

"...

Derzeitige Beschwerden:

‚Möchte in erster Linie den Behindertenausweis für das Auto, habe selber keinen Führerschein, werde aber mit dem Auto vom Sohn überall hin gebracht. Die Gehstrecke ist eingeschränkt. Bin mit der Straßenbahn hergekommen, da ich nicht mehr mit der Rolltreppe fahre, weil ich mit 2 Krücken gehe. Vom Schwedenplatz bis hierher in die Ordination war es schon sehr mühsam. Ich kann nicht länger stehen, muss mich immer anlehnen oder anhalten, habe oft Krämpfe in der Nacht, Schmerzen im linken Unterschenkel, kann mich nicht auf die rechte Schulter legen, kann nicht aufstehen vom Knien.'

...

STELLUNGNAHME:

ad 1) Einschätzung des Grades der Behinderung:

1) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Osteoporose mit Grund- und Deckplattenimpressionen, Zustand nach Bandscheibenoperation und Rezidivoperation L3/L4 02.01.02 40%

Oberer Rahmensatz, da anhaltende Beschwerden und deutlich eingeschränkte Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule ohne objektivierbares neurologisches Defizit.

2) Abnützungserscheinungen beider Schultergelenke 02.06.04 30%

Wahl dieser Position, da die Arme bis zur Horizontalen gehoben werden können.

3) Kniegelenksarthrose beidseits 02.05.19 20%

Unterer Rahmensatz, da jeweils geringgradige funktionelle Einschränkung.

4) Zustand nach Quadrantenresektion der linken Brust wegen bösartiger Neubildung 2009 08.03.01 20%

1 Stufe über dem unteren Rahmensatz, da bei Zustand nach Quadrantenresektion und nach Ablauf der Heilungsbewährung kein Hinweis für Rezidiv.

5) Zustand nach abgeheilter Lungentuberkulose, COPD 06.09.04 20%

Oberer Rahmensatz, da ständige Therapieerfordernis ohne signifikante Klinik.

6) Bluthochdruck 05.01.02 20%

Fixer Richtsatzwert.

7) Zustand nach CarpaItunnelsyndrom-Operation rechts 04.05.06 10%

Unterer Rahmensatz, da gutes postoperatives Ergebnis und keine Atrophiezeichen.

8) Chronisch venöse Insuffizienz 05.08.01 10%

Unterer Rahmensatz, da geringgradige Schwellungsneigung.

ad 2) Einschätzung und Begründung des Gesamtgrades der Behinderung, wobei auf eine allfällige Erhöhung durch wechselseitige

Leidensbeeinflussung eingegangen werden möge:

GesGdB: 50%

Leiden 1 wird durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Die führende Funktionsbeeinträchtigung Nummer 1 wird durch die übrigen Leiden nicht erhöht, da diese nur von geringem Ausmaß und geringer funktioneller Relevanz sind und das Gesamtbild in funktioneller Hinsicht nicht maßgeblich negativ beeinflussen. Die Auswirkungen des führenden Leidens werden durch Leiden 3-8 nicht erheblich verstärkt.

ad 3) Stellungnahme, ab wann der GdB anzunehmen ist:

Ab Untersuchungsdatum 22.11.2018, da zu diesem Zeitpunkt die für die Einstufung maßgeblichen Funktionseinschränkungen festgestellt wurden und es im Vergleich zum Vorgutachten zu einer klinisch objektivierbaren Verschlechterung gekommen ist.

...

ad 5) Stellungnahme zu den Einwendungen in Beschwerde Abl. 24 bis

25.

Vorgebracht wird, dass die BF aufgrund der Schmerzen vor allem außerhalb der Wohnung auf Krücken angewiesen sei, Bandscheibenvorfall und Abnützungserscheinungen der Kniegelenke nicht ausreichend berücksichtigt worden seien, die Niereninsuffizienz sei gar nicht berücksichtigt worden.

Die Gesamtmobilität ist ausreichend sicher, sodass das behinderungsbedingte Erfordernis der ständigen Verwendung von zwei Unterarmstützkrücken anhand der aktuellen Untersuchung nicht ausreichend begründbar ist. Weder liegt ein motorisches Defizit vor noch konnten im Bereich der Gelenke der unteren Extremitäten höhergradige Funktionseinschränkungen festgestellt werden. Eine ständige analgetische Therapie ist nicht etabliert, Schmerzmittel bei Bedarf werden eingenommen. Eine Niereninsuffizienz ist nicht durch aktuelle Befunde belegt, kann daher keiner Einstufung unterzogen werden.

ad 6) Begründung einer allfälligen zum angefochtenen Sachverständigengutachten vom 16.7.2018 abweichenden Beurteilung:

Es ist im Vergleich zum Gutachten vom 16.7.2018 zu einer einschätzungsrelevanten Verschlechterung der objektivierbaren funktionellen Einschränkungen von Leiden 1 gekommen, sodass eine Neueinstufung von Leiden 1 und dadurch bedingte Neueinstufung des Gesamtgrades der Behinderung erforderlich sind. Hinzukommen von Leiden 8, da objektivierbar.

ad 7) Stellungnahme, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

Nachgereichte bzw. im Rahmen der nunmehrigen Begutachtung vorgelegte Befunde:

Befund Irrigoskopie vom 4. 7. 2018 (Coecum mobile, Divertikulose)

Mammographie und Ultraschall vom 9. 4. 2018 (bei Zustand nach N. mammae links kein Nachweis suspekter Herdläsionen, Lymphknoten unauffällig)

Die nachgereichten Befunde führen zu keiner Änderung der getroffenen Einschätzung. Die festgestellte Divertikulose stellt kein behinderungsrelevantes Leiden dar, da keine einschätzungsrelevanten Verdauungsstörungen objektivierbar sind."

8. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.12.2018 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

9. Mit Schreiben vom 02.01.2019 wiederholte die Beschwerdeführerin, dass sie auf die Hilfe ihres Sohnes angewiesen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin stellte am 11.04.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO, welcher von der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gewertet wurde.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Osteoporose mit Grund- und Deckplattenimpressionen, Zustand nach Bandscheibenoperation und Rezidivoperation L3/L4 mit anhaltenden Beschwerden und deutlich eingeschränkter Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule, jedoch ohne objektivierbares neurologisches Defizit;

2) Abnützungserscheinungen beider Schultergelenke;

3) Kniegelenksarthrose beidseits mit geringgradigen funktionellen Einschränkungen;

4) Zustand nach Quadrantenresektion der linken Brust wegen bösartiger Neubildung, nach Ablauf der Heilungsbewährung und ohne Hinweis für Rezidiv;

5) Zustand nach abgeheilter Lungentuberkulose und COPD, bei ständigem Therapieerfordernis ohne signifikante Klinik;

6) Bluthochdruck;

7) Zustand nach CarpaItunnelsyndrom-Operation rechts bei gutem postoperativem Ergebnis und ohne Atrophiezeichen;

8) Chronisch venöse Insuffizienz bei geringgradiger Schwellungsneigung.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, ihres Ausmaßes, medizinischer Einschätzung und wechselseitiger Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 25.11.2018 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt ab 22.11.2018 50 v.H.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Antragstellung und Wertung des Antrages ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet hat, ergibt sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Der Gesamtgrad der Behinderung basiert auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 25.11.2018. Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin, deren Ausmaß und wechselseitige Leidensbeeinflussung vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Das Gutachten setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunden, den erhobenen Einwendungen und dem durch die belangte Behörde eingeholten Sachverständigengutachten auseinander. Die getroffenen Einschätzungen stimmen mit den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen überein und wurden auch entsprechend den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung richtig zugeordnet.

Das im Beschwerdeverfahren eingeholte Gutachten weicht in seinen Einschätzungen vom Vorgutachten ab und begründet widerspruchsfrei und schlüssig die nunmehr höhere Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung.

Bei Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule sind allgemeine einschätzungsrelevante Kriterien etwa die Beweglichkeit und Belastbarkeit, Gelenksfunktionen, Funktionen der Muskel, Sehnen, Bänder und Gelenkskapsel, Messungen des Bewegungsradius, Entzündungsaktivität (Schmerzen, Schwellung) sowie Ausmaß der beteiligten Gelenke, Körperregionen und organische Folgebeteiligung. Bei radiologischen Befunden ist die Korrelation mit der klinischen Symptomatik für die Einschätzung relevant. Die konkrete Differenzierung zwischen Funktionseinschränkungen geringen, mittleren und schweren Grades wird insbesondere auch anhand der Häufigkeit und Dauer akuter Episoden, des Ausmaßes radiologischer und/oder morphologischer Veränderungen, des Vorliegens klinischer Defizite, des jeweiligen Therapie- und Medikationsbedarfs sowie des Ausmaßes der Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben vorgenommen.

Die Beschwerdeführerin leidet an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, Osteoporose mit Grund- und Deckplattenimpressionen und einem Zustand nach Bandscheibenoperation und Rezidivoperation in L3/L4 mit anhaltenden Beschwerden und deutlich eingeschränkter Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule, jedoch ohne objektivierbares neurologisches Defizit. Dieses Leidensbild wurde von der befassten Sachverständigen nachvollziehbar der Positionsnummer 02.01.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem - im Vergleich zum Vorgutachten um eine Stufe erhöhten - Grad der Behinderung von 40 v. H. zugeordnet.

Die konkret vorgenommene Einschätzung wurde von der befassten Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin schlüssig mit den anhaltenden Beschwerden und der deutlich eingeschränkten Beweglichkeit der Beschwerdeführerin begründet. Ein neurologisches Defizit ist nicht objektivierbar.

Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule schweren Grades, die u.a. mit maßgeblichen Einschränkungen im Alltag einhergehen und daher auch einen höheren Grad der Behinderung begründen als im Fall der Beschwerdeführerin, konnten im Rahmen der persönlichen Untersuchung nicht festgestellt werden.

Die Abnützungserscheinungen beider Schultergelenke (Leiden 2) wurden nachvollziehbar - dem Vorgutachten entsprechend - der Positionsnummer 02.06.04 (beidseitige Funktionseinschränkungen der oberen Extremitäten mittleren Grades mit Elevation bis maximal 90) der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem fixen Rahmensatz von 30 v.H. zugeordnet. Im Gutachten wird nachvollziehbar dargelegt, dass die Beschwerdeführerin beide Arme bis zur Horizontale heben kann.

Die Kniegelenksarthrose beidseits (Leiden 3) wurde von den befassten Sachverständigen bei geringgradigen funktionellen Einschränkungen nachvollziehbar der Positionsnummer 02.05.19 (beidseitige Funktionseinschränkungen geringen Grades mit Streckung/Beugung bis 0-0-90) der Anlage zur Einschätzungsverordnung unter Heranziehung des unteren Rahmensatzes von 20 v.H. zugeordnet.

Betreffend den bei der Beschwerdeführerin festgestellten Zustand nach Quadrantenresektion der linken Brust wegen bösartiger Neubildung 2009 (Leiden 4) wurde im Sachverständigengutachten korrekt die Positionsnummer 08.03.01 unter Heranziehung des unteren Rahmensatzes von 20 v.H. angesetzt. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass nach Heilungsbewährung kein Rezidivgeschehen dokumentiert ist.

Den Zustand nach abgeheilter Lungentuberkulose (Leiden 5) hat die Sachverständige korrekt der Positionsnummer 06.09.04 (abgeheilte Lungentuberkulose mit geringen Funktionseinschränkungen) mit dem oberen Rahmensatz von 20 v.H. zugeordnet, da zwar ein ständiges Therapieerfordernis gegeben, jedoch keine signifikante Klinik objektivierbar ist.

Der Bluthochdruck (Leiden 6) wurde im Gutachten der Positionsnummer 05.01.02 und dem dort vorgesehenen fixen Rahmensatz von 20 v.H. zugeordnet.

Der bei der Beschwerdeführerin bestehende Zustand nach Carpaltunnelsyndrom-Operation rechts (Leiden 7) wurde von der Sachverständigen im Hinblick auf das gute postoperative Ergebnis ohne Atrophiezeichen korrekt mit der Positionsnummer 04.05.06 unter Heranziehung des unteren Rahmensatzes von 10 v.H. bewertet.

Die im Vergleich zum Vorgutachten nunmehr objektivierbare chronisch venöse Insuffizienz (Leiden 8) wurde bei geringer Schwellungsneigung im Gutachten nachvollziehbar der Positionsnummer 05.08.01 (Funktionseinschränkungen geringen Grades) unter Heranziehung des unteren Rahmensatzes von 10 v.H. zugeordnet.

Im Vergleich zum Vorgutachten vom 15.07.2018 kam es zu einer einschätzungsrelevanten Verschlechterung der objektiven funktionellen Einschränkungen von Leiden 1, sodass eine Neueinstufung von Leiden 1 und dadurch bedingt eine Neueinstufung des Gesamtgrades der Behinderung erforderlich war. Leiden 3 bis 7 und das neu eingestufte Leiden 8 erhöhen den Grad der Behinderung aufgrund ihrer geringen funktionellen Relevanz nicht weiter

Die belangte Behörde hat sich zu diesem Gutachten im Rahmen des Parteiengehörs nicht geäußert. Die Beschwerdeführerin bekräftigte in ihrer Stellungnahme die Notwendigkeit der Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 25.11.2018. Es wird in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

Soweit sich das Vorbringen der Beschwerdeführerin auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bzw. die Notwendigkeit eines Parkausweises nach § 29b StVO bezieht, ist auf die rechtliche Beurteilung zu verweisen (Pkt. 3.4. und 3.6.).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu Spruchteil A)

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

"BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist."

"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(...)"

"§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(...)"

"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(...)"

3.3. §§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

"Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen."

"Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."

3.4. Zunächst ist festzuhalten, dass mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 14.08.2018 der Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Behindertenpasses abgewiesen wurde. Ein Abspruch über die beantragte Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO bzw. Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" erfolgte - soweit ersichtlich - bis dato nicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Sache" des Berufungs- bzw. (nach Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012) Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht - ungeachtet des durch § 27 VwGVG vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.12.2014, Ra 2014/03/0049; VwGH 17.12.2014, Ro 2014/03/0066; VwGH 22.01.2015, Ra 2014/06/0055; VwGH 26.03.2015, Ra 2014/07/0077; VwGH 27.04.2015, Ra 2015/11/0022).

Aufgrund dieser Beschränkung der Sache des Beschwerdeverfahrens ist das Verwaltungsgericht nicht befugt, über von der Behörde nicht behandelte Anträge abzusprechen. Ebenso wenig darf das Verwaltungsgericht ein zusätzliches Begehren zum Gegenstand seiner Entscheidung machen, das über den bei der belangten Behörde gestellten und entschiedenen Antrag hinausginge.

Verfahrensgegenstand im vorliegenden Verfahren ist somit ausschließlich die Ausstellung eines Behindertenpasses.

3.5. Wie bereits oben eingehend ausgeführt wurde, wird der Entscheidung das schlüssige Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin vom 25.11.2018 zugrunde gelegt, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin ab 22.11.2018 50 v.H. beträgt.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, erfüllt.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid spruchgemäß abzuändern.

3.6. Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin folglich einen unbefristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H. auszustellen. Darüber hinaus wird die belangte Behörde über die bis dato unerledigt gebliebenen Anträge auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abzusprechen haben.

3.7. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung

3.7.1. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die Beschwerdeführerin die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäße und zu begründende Ermessen des Verwaltungsgerichtes gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 VwGVG normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensübung anzusehen sind (vgl. zur insofern gleichartigen Regelungsstruktur des § 67d Abs. 1 und 2 bis 4 AVG [alte Fassung] die Darstellung bei Hengstschläger/Leeb, AVG [2007] § 67d Rz 17 und 29, mwH).

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

3.7.2. Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und aus dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten - vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten - Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin, das von den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs unwidersprochen zur Kenntnis genommen wurde; die Beschwerdeführerin bekräftigte in ihrer Stellungnahme die hier nicht verfahrensgegenständliche Notwendigkeit der Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3.7.3. Ergänzend ist im Beschwerdefall aus dem Blickwinkel von Art. 6 EMRK (Art. 47 GRC) auf den Umstand hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin vom Bundesverwaltungsgericht bei Einräumung des Parteiengehörs auf die Möglichkeit hingewiesen wurde, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beantragen, indem ihr seitens des Verwaltungsgerichtes mitgeteilt wurde, dass - sollte sie eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragen - eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung in Aussicht genommen werde. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Stellungnahme vom 02.01.2019 keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat die Beschwerdeführerin die Durchführung einer Verhandlung bereits in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Zu den einen Entfall der Verhandlung nach Art. 6 EMRK rechtfertigenden Umständen gehört auch der (ausdrückliche oder schlüssige) Verzicht auf die mündliche Verhandlung. Nach der Rechtsprechung kann die Unterlassung eines Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung von der Rechtsordnung unter bestimmten Umständen als (schlüssiger) Verzicht auf eine solche gewertet werden. Zwar liegt ein solcher Verzicht dann nicht vor, wenn eine unvertretene Partei weder über die Möglichkeit einer Antragstellung belehrt wurde, noch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass sie von dieser Möglichkeit hätte wissen müssen (vgl. VfSlg. 16.894/2003 und 17.121/2004; VwGH 26.04.2010, 2004/10/0024; VwGH 12.08.2010, 2008/10/0315; VwGH 30.01.2014, 2012/10/0193). Dies ist hier aber angesichts des erwähnten Umstands eines entsprechenden Hinweises an die Beschwerdeführerin und der ihr explizit eingeräumten Gelegenheit zur Antragstellung nicht der Fall. Die unterbliebene Antragstellung kann vor diesem Hintergrund als schlüssiger Verzicht im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 6 EMRK gewertet werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die angewendeten Teile des Bundesbehindertengesetzes und der Einschätzungsverordnung sind - soweit im Beschwerdefall relevant - eindeutig. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W262.2206092.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten