Entscheidungsdatum
22.02.2019Norm
AsylG 2005 §9 Abs1Spruch
W168 2150926-2/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter MMag.Dr. Bernhard MACALKA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Afghanistan
gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.01.2019, ZL: 1089757701 / 190021735, beschlossen:
A)
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und das Verfahren an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Der (BF) gelangte unberechtigt in das Bundesgebiet und stellte am 04.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 03.03.2017 wurde dem BF der Status des Asylberechtigten, sowie eines subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen.
Hiergegen wurde fristgerecht Beschwerde eingebracht.
Mit Erkenntnis des BVwG vom 14.12.2017 wurde die Beschwerde gegen die Abweisung des Asylstatus als unbegründet abgewiesen und dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Begründend wurde betreffend die Zuerkennung des subsidiären Schutzes ausgeführt, dass basierend auf den UNHCR Richtlinien aus 2016 die Annahme der Sicherung des Überlebens grundlegend in Frage gestellt ist wenn es sich bei diesen um alleinstehende junge gesunden Männer handelt die nach langjährigen Exil nach Afghanistan zurückkehren. Bei dem BF handle es sich um einen allein stehenden Mann der nach längerer Zeit in seine Heimat zurückkehre und somit in Ermangelung von Familienanschluss in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation geraten könnte.
De BF stellte am 06.11.2018 einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.
Bei der Einvernahme vor dem BFA vom 21.12.2018 führte der BF insbesondere befragt zu seinen Familienmitgliedern aus, dass diese im Iran unter mittelmäßigen Lebensumständen leben würden und dem BF kein Geld schicken könnten. Der Vater wäre ein Einzelkind und es würden sich keine Verwandten in Afghanistan aufhalten. Auch die Mutter hätte keine Geschwister. Die Eltern oder anderen sich im Iran aufhältige Verwandte hätten keinen Kontakt zu Personen in Afghanistan, weil diese dort auch niemanden hätten. Die Familie des BF könnte nicht zurück nach Afghanistan, weil es dort unsicher wäre.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde 1.) dem BF der mit Erkenntnis vom 14.12.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. §9 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG von Amts wegen aberkannt, 2.) der Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gem. §8 Abs. 4. AsylG abgewiesen, 3.) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, 4.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde 5.) gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und 6.) wurde weiters ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass der BF angegeben hätte, dass sich die Eltern des BF und dessen Geschwister, bzw. ein Onkel und eine Tante im Iran aufhalten würden. Betreffend Kontakte in Afghanistan befragt hätte der BF ausgeführt, dass er bzw. diese keinen Kontakt zu Personen in Afghanistan hätten. Dies wäre jedoch für die Behörde vor dem Hintergrund der in Afghanistan üblichen Großfamilien mehr als unplausibel und nicht nachvollziehbar. Vielmehr wäre mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Eltern nach wie vor Kontakt zu in Afghanistan verbliebenen Angehörigen hätten, die der BF lediglich verschweigen würde, um so eine Aberkennung schwieriger zu gestalten. Es wäre für die Behörde somit vollkommen klar, dass der BF über seine Eltern den Kontakt zu Familienangehörigen in Afghanistan herstellen könnte. Überdies könnte der BF auch deren genauen Aufenthaltsort in Afghanistan vom Vater erfragen. Die Behörde würde daher in berechtigter Weise davon ausgehen, dass der BF bei einer eventuellen Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit, sowohl auf die Unterstützung der vorhandenen Familienangehörigen, als auch auf die Unterstützung ihrer Volksgruppe zugreifen könnte, so wie der BF auch auf die Unterstützung seiner Volksgruppe in Österreich zurückgreifen könne.
Weiters wurde ausgeführt, dass sich die subjektive Bedrohungslage bei einer Rückkehr im Vergleich zum damaligen Zeitpunkt geändert habe, da dem BF die Unterstützung durch die Verwandtschaft bzw. Volksgruppe, zumindest für eine Anfangszeit, gewährleistet sei. Die Behörde sehe es als bewiesen an, dass der BF bei einer Rückkehr zumutbar auf die Unterstützung seiner Verwandtschaft zurückgreifen könne, bzw. wären die Rückkehrprogramme der IOM inzwischen derart manifestiert, dass der BF auch auf diese zurückgreifen könne. Die Feststellungen, dass der BF mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von seiner Verwandtschaft bzw. Volksgruppe unterstützt würde, ergebe sich aus den eigenen Ausführungen in Verbindung mit der afghanischen Kultur, die durch eine starke Familienbindung auch in die etwas weitschichtigere Verwandtschaft gekennzeichnet wäre. Der BF hätte angegeben, dass es der Verwandtschaft schlecht ginge. Eine schlechte wirtschaftliche Lage würde jedoch die Rückkehr nicht ausschließen.
Betreffend der Gründe für die Aberkennung des subjektiven Schutzes wurde ausgeführt, dass die Länderfeststellungen belegen würden, dass trotz der Anschläge in Afghanistan eine Rückkehr für einen arbeitsfähigen, jungen Afghanen zumutbar wären. Der BF hätte subsidiären Schutz aufgrund der damaligen Sicherheitslage erhalten, bzw. aufgrund der Tatsache, dass damals davon ausgegangen wurde, dass der BF keinen Zugriff auf ein familiäres Netzwerk habe. Nachdem die Behörde sich bei der Verlängerung nach §8 Abs. 4 AsylG nach der aktuellen Gesetzeslage bzw. Judikatur zu orientieren habe, müsse in casu eindeutig festgestellt werden, dass zum damaligen Entscheidungszeitpunkt eine Rückkehr nach Afghanistan ausgeschlossen werden musste. Inzwischen hätte sich die objektive Lage, Daikundi würde zu den sichersten Provinzen zählen, als auch die subjektive Lage geändert, da der BF eindeutig wieder Zugriff auf familiäre Netzwerke hätte. Die subjektive Bedrohungslage hätte sich somit bei einer Rückkehr im Vergleich zum damaligen Zeitpunkt geändert, da der BF die Unterstützung durch seine Verwandtschaft, bzw. Volksgruppe, zumindest für die Anfangszeit gewährleistet ist. Die Behörde würde es mittlerweile als bewiesen ansehen, dass der BF bei einer Rückkehr zumutbar auf die Unterstützung seiner Verwandtschaft zurückgreifen könne. Dass der BF den Lebensunterhalt in Kabul/ Mazar - e Sharif, Herat bestreiten könne, wäre aufgrund der Länderfeststellungen festgestellt worden. Es bestehe kein Zweifel, dass der BF als erwachsener junger gesunder und arbeitsfähiger Mann im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan seinen Unterhalt bestreiten könne. Insbesondere da der BF ein junger gesunder und arbeitsfähiger Mann wäre, der eine der dortigen Sprachen spreche und er mit der ansässigen Kultur vertraut wäre.
Gegen den gegenständlichen Bescheid des BFA wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Hierin wird insbesondere ausgeführt, dass die Ausführungen des BFA, wonach sich die objektive Lage zum positiven geändert habe, bzw. auch die subjektive Lage des BF sich dahingehend geändert habe, da der BF nunmehr Zugriff auf ein familiäres Netzwerk habe, bzw. die Sicherheitslage in Kabul ausreichend wäre bekämpft würden. Dies, da sich die Sicherheitslage in Kabul verschlechtert habe, sodass nach UNHCR Kabul als Fluchtalternative generell nicht mehr in Frage kommen würde. Auch hätte das BF eine willkürliche Beweiswürdigung vorgenommen, da dieses dem BF die Glaubwürdigkeit dahingehend abspricht, dass dieser über keine Familienangehörigen in Afghanistan verfügen würde, bzw. das BFA davon ausgehen würde, dass in Afghanistan Familien in Großfamilien leben würden. Der BF hätte keine einzige Grundlage dafür geboten, dass dieser diesbezüglich gelogen hätte. Die Schlussfolgerungen des BFA wären daher vollkommen unverständlich und abzulehnen. Insgesamt könne nicht nachvollzogen werden, auf welcher Grundlage das BFA davon ausgehen würde, dass sich die Lage in Afghanistan wesentlich zum positiven geändert habe und daher eine Aberkennung gerechtfertigt wäre. Es läge keine wesentliche Änderung vor, die eine Rückführung des BF rechtfertigen würde. Wie das BFA zum Schluss gelangt wäre, dass nun ein familiäres Netzwerk gegeben sei, wäre nicht nachzuvollziehen. Aus sämtlichen Ausführungen des BF könne zudem nicht erschlossen werden, dass ihn seine Familienmitglieder unterstützen könnten. Kommt das BFA zum Schluss, dass der BF auch aufgrund seiner nunmehrigen Lebenserfahrung ohne familiären Background in Afghanistan eine zumutbare Lebensgrundlage vorfinden würde, so wäre es nicht klar, wie die Behörde zu diesem Schluss gelangen würde. Die Länderfeststellungen würden klar aufzeigen, dass keine dauerhafte und nachhaltige Verbesserung der Lage erkennbar wäre, bzw. wäre eine Verschlechterung der Lage zu verzeichnen. Die Frage der Zulässigkeit der Aberkennung des subsidiären Schutzes, der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung, der Zulässigkeit einer Abschiebung wären daher keiner adäquaten Beurteilung unterzogen worden. Aus diesem Grund wären die Anträge zu stellen, den Bescheid des BFA abzuändern, sodass dem BF subsidiärer Schutz gewährt würde, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, die Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig zu erklären, einen Aufenthaltstitel aus besonders zu berücksichtigenden Gründen zu erteilen, die Unzulässigkeit der Abschiebung festzustellen, bzw. eine Karte für Geduldete auszustellen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.1. Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes ist daher im vorliegenden Beschwerdeverfahren gegeben.
Zu A) Behebung gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG
1.2. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu der vergleichbaren Bestimmung des § 66 Abs. 2 AVG ergibt sich, dass nur Mängel der Sachverhaltsfeststellung d.h. im Tatsachenbereich zur Behebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit berechtigen (vgl. VwGH 19.11.2009, 2008/07/0168).
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit den Erkenntnissen vom 21.11.2002, Zl. 2002/20/0315 und Zl. 2000/20/0084, grundsätzliche Ausführungen zur Anwendbarkeit des § 66 Abs. 2 AVG im Asylverfahren im Allgemeinen und durch den Unabhängigen Bundesasylsenat im Besonderen getätigt. Dabei hat er im letztgenannten insbesondere ausgeführt:
"Bei der Abwägung der für und gegen eine Entscheidung gemäß § 66 Abs. 2 AVG sprechenden Gesichtspunkte muss nämlich auch berücksichtigt werden, dass das Asylverfahren nicht nur möglichst kurz sein soll. Zur Sicherung seiner Qualität hat der Gesetzgeber einen Instanzenzug vorgesehen, der zur belangten Behörde und somit zu einer gerichtsähnlichen, unparteilichen und unabhängigen Instanz als besonderem Garanten eines fairen Asylverfahrens führt (vgl. bereits das Erkenntnis vom 16. April 2002, Zl. 99/20/0430). Die der belangten Behörde in dieser Funktion schon nach der Verfassung zukommenden Rolle einer obersten Berufungsbehörde (Art. 129c 1 B-VG) wird aber ausgehöhlt und die Einräumung eines Instanzenzuges zur bloßen Formsache degradiert, wenn sich das Asylverfahren einem eininstanzlichen Verfahren vor der Berufungsbehörde nähert, weil es das Bundesasylamt ablehnt, auf das Vorbringen sachgerecht einzugehen und brauchbare Ermittlungsergebnisse in Bezug auf die Verhältnisse im Herkunftsstaat in das Verfahren einzuführen. Diese über die Unvollständigkeit der Einvernahme hinaus gehenden Mängel des erstinstanzlichen Verfahrens sprechen auch bei Bedachtnahme auf die mögliche Verlängerung des Gesamtverfahrens unter dem Gesichtspunkt, dass eine ernsthafte Prüfung des Antrages nicht erst bei der "obersten Berufungsbehörde" beginnen und zugleich - abgesehen von der im Sachverhalt beschränkten Kontrolle der letztinstanzlichen Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof - bei derselben Behörde enden soll, für die mit der Amtsbeschwerde bekämpfte Entscheidung."
1.3. Der Verwaltungsgerichtshof verlangt in seiner Rechtsprechung eine ganzheitliche Würdigung des individuellen Vorbringens eines Asylwerbers unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers und der objektiven Wahrscheinlichkeit seines Vorbringens, wobei letzteres eine Auseinandersetzung mit (aktuellen) Länderberichten verlangt (VwGH vom 26.11.2003, Zl. 2003/20/0389).
Ebenso hat der Verfassungsgerichtshof, in nunmehr ständiger Rechtsprechung (vgl. Erkenntnis vom 24.02.2009, Zl. U 179/08-14 u. a.) ausgesprochen, dass willkürliches Verhalten einer Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, dann anzunehmen ist, wenn in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen wird oder ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren gar nicht stattfindet, insbesondere in Verbindung mit dem Ignorieren des Parteienvorbringens oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhalts (vgl. VfSlg.15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001). Ein willkürliches Vorgehen liegt insbesondere dann vor, wenn die Behörde den Bescheid mit Ausführungen begründet, denen jeglicher Begründungswert fehlt (vgl. VfSlg. 13.302/1992 m.w.N., 14.421/1996, 15.743/2000).
2. In seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063-4 hat der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in Hinblick auf die nach § 28 Abs. 3 VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit ausgesprochen, dass prinzipiell eine meritorische Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte bestehe und von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen beziehungsweise besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden könne. Diesbezüglich führte er aus, dass eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht komme, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gelte, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
3. Die belangte Behörde hat die von der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts geforderten Maßstäbe eines umfassend ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens in den gegenständlichen Verfahren missachtet. In den gegenständlichen Verfahren wurde ebenso gegen die in § 18 AsylG 2005 determinierten Ermittlungspflichten verstoßen. Der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 18 AsylG 2005 bestimmt nämlich, dass das Bundesamt in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden, die Beweismittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Beweismittel ergänzt oder überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Beweismittel auch von Amts wegen beizuschaffen.
Diese Rechtsnorm, die eine Konkretisierung der aus § 37 iVm. § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörde darstellt, den maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und festzustellen, hat die belangte Behörde in diesem Verfahren jedoch missachtet.
Das Bundesamt hat betreffend mehrerer wesentlicher Verfahrensfragen den entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht, bzw. grundlegend nicht ausreichend ermittelt, hat verfahrenswesentliche Feststellungen nachvollziehbar nicht begründet und nicht getroffen und entsprechende Länderfeststellungen den gegenständlichen Bescheid nicht zu Grunde gelegt.
Das BFA hat im angefochtenen Bescheid als eine der Begründungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zunächst festgehalten, dass sich die subjektive Situation des BF dahingehend geändert habe, dass dieser nunmehr Zugriff auf ein familiäres Netzwerk in Afghanistan hätte. Begründend führte das BFA aus, dass den Angaben des BF, dass dieser über keine Verwandte in Afghanistan verfügen würde, aufgrund eines grundsätzlichen Vorliegens von Großfamilien nicht zu folgen wäre, bzw. ist das BFA vom Vorliegen von familiären Kontakten in Afghanistan ausgegangen.
Betreffend diese Ausführungen ist festzuhalten, dass es zweifellos stimmt, dass große Familienverbände in Afghanistan sehr verbreitet sind. Dieses Wissen lässt jedoch keine validen Rückschlüsse auf den konkreten Einzelfall dahingehend zu, dass entgegen den eindeutigen Angaben des BF, dass dieser eben über keinerlei Familienbezug in Afghanistan verfüge, dennoch vom Vorliegen eines solchen im konkreten Einzelfall auszugehen wäre. Führt das BFA im angefochtenen Bescheid hierzu aus, dass im konkreten Einzelfall nunmehr eindeutig davon ausgegangen würde, dass der BF wieder Zugriff auf familiäre Netzwerke hätte, so legt die Behörde nachvollziehbar nicht dar, wie sie in casu zu dieser konkreten Schlussfolgerung gelangt ist und warum belegbar im konkreten Verfahren vom Bestehen von familiären Kontakten des BF in Afghanistan auszugehen sei. Lediglich basierend auf allgemeinen Annahmen, bzw. ohne die Vornahme von konkret die diesbezüglichen Annahmen der Behörde stützenden Ermittlungen und Abklärungen kann im gegenständlichen Verfahren jedoch nicht mit maßgeblicher Sicherheit von einer wesentlichen Veränderung der subjektiven Situation des BF bei einer Rückkehr ausgegangen werden.
Führt das BFA auch aus, dass in casu zudem auch eine wesentliche Verbesserung der objektiven Situation in Afghanistan im Vergleich zum Zeitpunkt der Gewährung des subjektiven Schutzes festzustellen wäre, so ist auch diesbezüglich festzuhalten, dass dem gegenständlichen Bescheid des BFA nachvollziehbare Ausführungen nicht entnommen werden können, aufgrund derer diese Annahme nachvollziehbar fundiert begründet werden kann. Welche konkreten neuen Entwicklungen oder welchen substantiellen Veränderungen die Situation in Afghanistan im Dezember 2018 als im Vergleich zu dem Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes mit Dezember 2017 als wesentlich verbessert bzw. geändert anzusehen wären, wird nicht ausgeführt. Alleine aus einem direkten Vergleich der vorliegenden Länderberichte des BFA Stand Dezember 2017 mit Stand Dezember 2018 kann eine solche relevante Veränderung der Gesamtsituation unmittelbar nicht erschlossen werden.
Das BFA wird somit im vorliegenden Verfahren, sollte es an der Aussage des BF, dass dieser über keine familiären Kontakte in Afghanistan verfüge zweifeln, diesbezüglich entsprechende Ermittlungen vorzunehmen, bzw. hierauf bezogene Abklärungen anzustrengen haben und wird erst auf dem Ergebnis dieser in der Lage sein, die die subjektive Situation des BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan zu beurteilen haben.
Ferner wird die belangte Behörde, in Hinblick auf die Ausführungen, dass es nunmehr zu einer relevanten objektiven Lageänderung in Afghanistan gekommen wäre, aufgrund derer, im Unterschied zum Zuerkennungszeitpunkt, es nunmehr einem -auch alleinstehendenjungen gesunden und insgesamt arbeitsfähigen Mann, auch ohne konkrete Berufserfahrung, der im Iran aufgewachsen ist, eine Rückkehr zumutbar wäre, diese Annahme mit entsprechend nachvollziehbaren Berichten zu unterlegen haben. Die konkreten Änderungen werden basierend auf aktuellen Berichten zur Lage in Afghanistan zu benennen und bezogen auf den konkreten Einzelfall zu bewerten sein. Jedenfalls werden die Quellen aus denen sich eine solche wesentliche Veränderung der Lage und der Kriterien der Rückkehr für den genannten Personenkreis im Unterschied zum zuerkennenden Erkenntnis des BVwG mit Dezember 2017 erschließen lässt, im gegenständlichen Verfahren konkret anzuführen sein.
Das BFA geht in den angefochtenen Bescheiden somit auf wesentliche Verfahrensfragen nicht ausreichend ein, bzw. unterlässt die diesbezüglich erforderlichen Abklärungen gänzlich. Der von der Verwaltungsbehörde diesbezüglich ermittelte Sachverhalt ist somit diesbezüglich grundlegend ergänzungsbedürftig und der angefochtene Bescheid ist damit in den angeführten Punkten begründungslos ergangen.
Das BFA wird somit die oben angeführten Ermittlungen im Zuge von ergänzenden Befragungen und Abklärungen nachzuholen und auch unter Berücksichtigung der entsprechend aktuellen Länderfeststellungen, als auch der aktuellen UNHC - Richtlinien etwa zur Lage in Kabul zu würdigen haben. (vgl. zur Indizwirkung der UNHCR-Richtlinien VwGH 22.11.2016,Ra 2016/20/0259 mwN).
Die Vornahme solcherart verfahrenswesentlicher Abklärungen kann nicht gänzlich zur erstmaligen bzw. vollständigen Ermittlung im Beschwerdeverfahren an das BVwG delegiert werden. Eine solcherart gänzliche erstmalige Vornahme eines in den angeführten Punkten verfahrenswesentlich durchzuführenden Ermittlungsverfahrens als auch eine solcherart darauf aufbauende erstmalige Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann jedenfalls nicht im Sinne des Gesetzes liegen.
Dies insbesondere auch unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde im Rahmen der Staatendokumentation für die Sammlung relevanter Tatsachen zur Situation in den betreffenden Staaten samt den Quellen zuständig ist und eine sämtliche verfahrensrelevanten Aspekte abdeckende Prüfung des Antrages nicht erst beim BVwG beginnen und zugleich enden soll.
Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - auch angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteiverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes- nicht ersichtlich.
Da der maßgebliche Sachverhalt in dem gegenständlichen Verfahren somit nach wie vor in verfahrensrelevant wesentlichen Punkten nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen dem Antrag des Beschwerdeführers den angefochtenen Bescheid zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen stattzugeben.
Auf Grundlage der neuen Ermittlungsergebnisse wird das BFA nach Vornahme von entsprechenden Abklärungen und Ermittlungen, sowie unter Zugrundelegung von aktuellen, die oben angeführten Punkte abklärenden Länderfeststellungen und UNHCR Richtlinien, einen neuen Bescheid zu erlassen haben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil der gegenständliche Fall rein tatsachenlastig ist und keinerlei Rechtsfragen - schon gar nicht von grundsätzlicher Bedeutung - aufwirft. Der Vollständigkeit halber sei ausgeführt, dass die Judikatur zu § 66 Abs. 2 AVG in ihrem Kernbereich auf § 28 Abs. 3 VwGVG anzuwenden ist und diesbezüglich seit jeher Einheitlichkeit gegeben ist.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Beweisverfahren, Ermittlungspflicht,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W168.2150926.2.00Zuletzt aktualisiert am
09.05.2019