Entscheidungsdatum
26.02.2019Norm
BBG §40Spruch
W135 2186201-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Heinz TROMPISCH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 27.12.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin brachte am 28.03.2013 einen (ersten) Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (vormals: Bundessozialamt) ein, welcher mit Bescheid vom 01.10.2013 abgewiesen wurde.
Am 01.09.2017 brachte die Beschwerdeführerin den gegenständlichen (zweiten) Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) ein und legte diesem ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln bei.
Die belangte Behörde befasste eine Fachärztin für Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin mit der sachverständigen Einschätzung des Grades der Behinderung nach der anzuwendenden Einschätzungsverordnung.
In dem, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.10.2017, erstellten Sachverständigengutachten vom 21.12.2017 hielt die Sachverständige fest wie folgt:
"Anamnese:
Letzte Begutachtung im Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen am 21.8.2013, Gesamtgrad der Behinderung 30 % (degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenvorfall L2/L3 und L3/L4 30 0/0, vordere Kreuzbandplastik rechts 20 0/0, Depressio 20 0/0)
Zwischenanamnese seit 2013:
2 mal Operation rechtes Knie mit vorderer Kreuzband-Ersatz Plastik, insgesamt dreimal Kreuzbandplastik, dreimal gerissen, rechts nun kein vorderes Kreuzband, Orthese erforderlich
2017 Luxationsfraktur rechte Schulter, Osteosynthese
Lumboischialgie rechts
Warmbad Villach 7/2016
Derzeitige Beschwerden:
"Nächste Woche ist Metallentfernung in der rechten Schulter geplant. Schmerzen habe ich nach wie vor in der rechten Schulter, im rechten Knie. Rechts ist die Implantation einer Knietotalendoprothese geplant. Bekomme regelmäßig Infiltrationen der Wirbelsäule, eine Rehabilitation ist geplant. die Gehstrecke ist auf etwa 100-200 m eingeschränkt wegen der Schwäche in der Oberschenkelmuskulatur und der Schmerzen in der Lendenwirbelsäule."
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente: Trittico, Flux Hexal, Diclofenac, Tramal bei Bedarf, Vitamin-B
Allergie: Novalgin
Nikotin:10-15
Laufende Therapie bei Hausarzt Dr.Wieser, 1120
Sozialanamnese:
verheiratet, 2 Kinder (26,29 Jahre), lebt in Wohnung im Erdgeschoss.
Berufsanamnese: Diplomkrankenschwester, BUP seit 2014, befristet bis 02/2008
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Bericht unfallchirurgische Ambulanz AKH vom 17. 7. 2017 (Luxationsfraktur rechte Schulter, Commotio cerebri, Distorsionen und Contusionen (Sturz mit Moped))
MRT Kniegelenk vom 5. 7. 2016 (intaktes Revisionskreuzbandtransplantat, mediale Meniskusteilresektion, kein wesentliches Knochenmarksödem, minimale Gelenkserguss)
Entlassungsbericht Warmbad Villach vom 11.7.2016 (Zustand nach Revision Kreuzbandplastik rechtes Knie mit Quadrizepssehne und Knochenblock)
MRT der HWS vom 13.2.2016 (kleiner Prolaps C2/C3, beginnende degenerative Veränderungen untere HWS)
Operationsbefund UKH XXXX vom 3.8.2015 (Zustand nach 2-maliger Kreuzbandersatzoperation im rechten Knie, neuerliche Transplantatruptur, Arthroskopie rechtes Knie, Nachresektion des medialen Meniskus, autologes Spongiosaplastik vom linken Beckenkamm, Auffüllung des Bohrkanals)
Bericht Klinikum Klagenfurt am Wörthersee vom 6.8.2014 (Bandscheiben Prolaps L2/L3 und L3/L4, Lumboischialgie nach rechts, Zustand nach Laminektomie L5/S1 links 2006)
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: gut, 54 Jahre
Ernährungszustand: gut
Größe: 175,00 cm Gewicht: 77,00 kg Blutdruck: 150/90
Klinischer Status - Fachstatus:
Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen
Thorax: symmetrisch, elastisch
Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.
Integument: unauffällig
Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:
Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.
Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird als ungestört angegeben.
Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.
Schulter rechts: kleine Narbe nach Nagelung, Umfang geringgradig vermehrt, diffus Druckschmerzen, Schulter etwas verkürzt und verbacken.
Sämtliche weiteren Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Schultern S rechts 0/30, links 0/180, F rechts 0/50, links 0/180,
Rotation: rechts bis Ohr bzw. rechten ISG, links frei, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich KG 5/5, Tonus und Trophik unauffällig. Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.
Becken und beide unteren Extremitäten:
Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.
Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist zu einem Drittel möglich.
Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.
Beinlänge ident.
Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird als ungestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.
Knie rechts: Mehrere Narben nach 3-maliger vordere Kreuzbandoperation, instabil, Lachmann ++ ohne festen Anschlag.
Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.
Aktive Beweglichkeit: Hüften frei beweglich, Knie links 0/0/130, rechts 0/0/120, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.
Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60 0 bei KG 5 möglich.
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte
Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Narbe LWS median 6 cm, massiv Hartspann. Klopfschmerz über der LWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich
BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen 1/3 eingeschränkt beweglich
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Gehhilfe mit angelegter Orthese am rechten Knie, das Gangbild ist rechts hinkend, insgesamt nicht wesentlich verlangsamt.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
Status Psychicus:
Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
"Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lumboischialgie rechts Unterer Rahmensatz, da rezidivierende Beschwerden und ständiger Therapiebedarf bei mäßig eingeschränktem Bewegungsumfang ohne neurologisches Defizit.
02.01.02
30
2
Posttraumatische Funktionseinschränkung rechte Schulter Wahl dieser Position, da deutlich eingeschränkter Bewegungsumfang bei Zustand nach Luxationsfraktur und operativer Versorgung.
02.06.03
20
3
Beginnende Kniegelenksarthrose rechts Oberer Rahmensatz, da bei vorderer Instabilität nach 3-maliger Kreuzbandoperation und Reruptur beginnende Arthrosezeichen.
02.05.18
20
Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch Leiden 2 und 3 nicht erhöht, da jeweils kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.
...
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Depressio (Leiden 3 des Vorgutachtens) ist nicht mehr durch aktuelle fachärztliche Befunde belegt, kann daher keiner Einstufung unterzogen werden. Hinzukommen von Leiden 2, da dokumentiert.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
keine Änderung
Dauerzustand."
Mit angefochtenem Bescheid vom 27.12.2017 sprach die belangte Behörde aus, dass die Beschwerdeführerin mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle und wies den Antrag ab. In der Begründung des Bescheides verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis des eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachtens, welches als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt wurde. Nach diesem Gutachten betrage der Grad der Behinderung 30 v.H. und seien damit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfüllt. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin das orthopädische Sachverständigengutachten vom 21.12.2017 übermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin das Rechtsmittel der Beschwerde und brachte darin im Wesentlichen vor, dass ihr Knie seit 2013 vier Mal operiert worden sei und sie dabei zwei Mal eine Spongiosaplastik erhalten habe. Sie sei auch in laufender psychiatrischer Behandlung. Unter den "derzeitigen Beschwerden" im Gutachten würden ihre starken Schmerzen beim Gehen im rechten Knie fehlen. Durch ihren hinkenden Gang würden ihre Wirbelsäulenschmerzen massiv verstärkt. Damit bestehe auch in jedem Fall eine ungünstige Wechselwirkung zwischen dem Krankheitsbild des geschädigten rechten Knies und der geschädigten Wirbelsäule. Dies hätten ihre behandelnden Ärzte auch bestätigt. Sie könne entgegen dem vorliegenden Gutachten weder den Nacken- und Schürzengriff, noch einen Einbeinstand durchführen. Zudem habe sie anhaltende Sensibilitätsstörungen. Darüber hinaus begründete die Beschwerdeführerin, wieso ihr die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar seien.
Mit der Beschwerde legte die Beschwerdeführerin zum Teil neue orthopädische Befunde, sowie einen Befund zu ihrem psychiatrischen Leidenszustand vor.
Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.02.2018 zur Entscheidung vorgelegt.
Zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens und der damit ergänzend vorgelegten Befunde holte das Bundesverwaltungsgericht ein ergänzendes Sachverständigengutachten der bereits befassten fachärztlichen Sachverständigen ein. Die Sachverständige wurde aufgefordert 1. zu beurteilen, welche Gesundheitsschädigung mit dem mit der Beschwerde neu vorgelegten psychiatrischen Befund dokumentiert wird, 2. zu beurteilen, ob dies eine Änderung bzw. Erweiterung der Beurteilung bedingt, 3. Stellung zu nehmen, ob aus dem Beschwerdevorbringen eine Änderung der bisherigen Beurteilung resultiert und 4. Stellung zu nehmen, ob aus den neu vorgelegten orthopädischen Befunden eine Änderung der Beurteilung resultiert. Die orthopädische Fachärztin führte in ihrem daraufhin basierend auf der Aktenlage erstellten Gutachten vom 13.09.2018 aus wie folgt:
"Stellungnahme:
ad 1) Welche Gesundheitsschädigung wird - in welchem Ausmaß - durch den mit der
Beschwerde neu vorgelegten Befund von Dr. XXXX (Abl. 48) dokumentiert?
Befund Dr. XXXX (Abl. 48) vom 26.1.2018 (chronische Anpassungsstörung mit depressiver-ängstlicher Symptomatik, Diskusprolaps L2/L3. Medikation: Flux, Trittico)
Befund bestätigt chronischen Verlauf einer Anpassungsstörung mit depressiv-ängstlicher Symptomatik, und führt daher zur Einstufung als behinderungsrelevantes Leiden.
Diskusprolaps L2/L3 wird in Leiden 1 bereits berücksichtigt.
Leiden 4:
Chronische Anpassungsstörung mit depressiver-ängstlicher Symptomatik
03.06.01 20 %
2 Stufen unter dem oberen Rahmensatz, da unter Therapie stabilisiert
Der Gesamtgrad der Behinderung wird durch Leiden 4 nicht erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.
ad 2) Bedingt dieser Befund eine Änderung bzw. Erweiterung der Beurteilung?
Ja, siehe oben.
ad 3) Resultiert aus dem Beschwerdevorbringen (Abl. 64-66) eine Änderung der bisherigen Beurteilung? Bitte um eine entsprechende Begründung.
Die Einstufung des Kniegelenksleidens (Nummer 3) wurde in korrekter Höhe durchgeführt. Der dokumentierte Knorpelschaden und die Spongiosaplastik werden in der Einstufung berücksichtigt. Maßgeblich für die Höhe der Einstufung ist der klinische Befund mit vorderer Instabilität bei jedoch gutem Bewegungsumfang und ohne wesentliche Gangbildbeeinträchtigung.
Die regelmäßige psychiatrische fachärztliche Behandlung ist in Abl. 48 dokumentiert und wird entsprechend dem chronischen Verlauf, medikamentös stabilisiert, einer Einstufung unterzogen.
Die angegebenen starken Schmerzen im rechten Knie werden entsprechend den festgestellten Funktionseinschränkungen in der Höhe der Einstufung berücksichtigt. Die Beschwerden in der Wirbelsäule werden entsprechend den festgestellten Funktionseinschränkungen und vorgelegten Befunden berücksichtigt, es konnte jedoch kein Hinweis dafür gefunden werden, dass Stiegensteigen unmöglich sei. Anhand des durchgeführten Untersuchungsgangs konnte kein neurologisches Defizit festgestellt werden, auch kein funktionelles Defizit, welche das Abheben der unteren Extremitäten maßgeblich einschränkt, es konnte auch keine relevante Einschränkung des Bewegungsumfangs der Gelenke der unteren Extremitäten festgestellt werden, Stiegensteigen ist somit zumutbar und möglich.
Vorgebracht wird, dass die BF auf regelmäßige Hilfe angewiesen sei. Es konnte jedoch ein selbständiges Gehen, Ausziehen und Anziehen beobachtet werden.
Sämtliche Befunde des rechten Kniegelenks, einschließlich MRT, werden der Beurteilung zugrunde gelegt, insbesondere die Reruptur des vorderen Kreuzbands, welche als Instabilität berücksichtigt wird.
Die posttraumatische Funktionseinschränkung der rechten Schulter wird in der Einstufung berücksichtigt. Eine hochgradige Funktionseinschränkung ist anhand des objektivierbaren Befundes nicht feststellbar, es liegt eine geringgradige Verkürzung der Schulter vor und etwas verbacken, die Gesamtmobilität nicht erheblich beeinträchtigt.
Es konnte eine Instabilität des rechten Kniegelenks festgestellt werden, der Einbeinstand bei vorderer Instabilität des rechten Knies ist allerdings möglich.
Die Sensibilitätsstörungen am rechten Oberschenkel und Knie erreichen keine gesonderte Einstufung, da nicht objektivierbar, werden aber in den degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule subsumiert, da vertebragen.
Die paradoxe Kyphosierung wie im MRT der HWS festgestellt ist bei der klinischen Untersuchung nicht erkennbar. Degenerative Veränderungen, im MRT beschrieben, werden in Leiden 1 berücksichtigt, die Höhe der Einstufung richtet sich allerdings nach den feststellbaren Defiziten.
Eine höhergradige Kniegelenksschädigung liegt nicht vor. Objektivierbare Defizite, nämlich vordere Instabilität und festgestellte Knorpelschäden, werden in der Einstufung berücksichtigt. Maßgeblich für die Einstufung ist jedoch der klinische Status mit gutem Bewegungsumfang.
Ein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken zwischen Kniegelenksleiden und Wirbelsäulenleiden liegt nicht vor, da das Kniegelenksleiden eine geringgradige Funktionseinschränkung darstellt.
Eine maßgebliche Einschränkung der Mobilität ist weder durch das Wirbelsäulenleiden noch durch das Kniegelenksleiden und auch nicht durch das Schulterleiden rechts begründbar. Eine Wegstrecke von 300-400 m ist zumutbar und möglich, eine Gehhilfe wird nicht verwendet.
ad 4) Ersucht wird um Stellungnahme, ob aus den neu vorgelegten aktuellen Befunden (Abl. 49 und 57) eine Änderung der Beurteilung resultiert.
Abl. 49, Befund Dr. XXXX , Facharzt für Orthopädie vom 8.1.2018 (posttraumatische Gonarthrose rechts, 0/0/130, vordere Instabilität, Valgusfehlstellung, Therapievorschlag:
Endoprothese, Voltaren 100 mg)
Abl. 57, Befund XXXX , Facharzt für Orthopädie vom 7.2.2018 (Panarthrose rechtes
Knie, Zustand nach mehrfachen Voroperationen, das Knie ist nur mit einer
Totalendoprothese zu versorgen)
Die Befunde in Abl. 49 und 57 ergeben keine Änderung der Beurteilung. Es konnte bei der eigenen Begutachtung sowie in Abl. 49 eine gute Beweglichkeit von 0/0/130 festgestellt werden, sodass eine höhere Einstufung nach den Kriterien der EVO nicht vorgesehen ist.
Die Empfehlung der Maßnahme der Implantation einer Endoprothese wird zur Kenntnis genommen, maßgeblich für die Beurteilung nach der EVO sind jedoch die aktuell feststellbaren im Rahmen der ausführlichen orthopädischen Untersuchung objektivierbaren Funktionsdefizite, sodass an getroffener Beurteilung festgehalten wird."
Das im Beschwerdeverfahren eingeholte Sachverständigengutachten wurde der Beschwerdeführerin mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.10.2018 zur Kenntnis gebracht und ihr eine Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt, welche die Beschwerdeführerin ungenützt ließ.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.
Bei der Beschwerdeführerin liegen folgende einschätzungsrelevante Funktionseinschränkungen vor, wobei es sich bei der Funktionsbeeinträchtigung 1. um das führende Leiden handelt:
1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lumboischalgie rechts
2. Posttraumtische Funktionseinschränkung rechte Schulter
3. Beginnende Kniegelenksarthrose rechts
4. Chronische Anpassungsstörung mit depressiver-ängstlicher Symptomatik
Der Gesamtgrad der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Behinderung beträgt 30 v.H.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellung zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt der Beschwerdeführerin ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Die Feststellungen zu den bei der Beschwerdeführerin vorliegenden einschätzungsrelevanten, sohin mehr als sechs Monate andauernden Funktionseinschränkungen und dem Grad der Behinderung basieren auf dem im verwaltungsbehördlichen Verfahren eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie, sowie auf dem aufgrund der Beschwerdeausführungen ergänzend eingeholten medizinischen Aktengutachten derselben Fachärztin (die entscheidungswesentlichen Teile der Gutachten wurden im Verfahrensgang wiedergegeben). Darin wird auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.
Die von den befassten Sachverständigen herangezogenen Positionsnummern der Anlage zur Einschätzungsverordnung und die gewählten Rahmensätze stimmen mit den diesbezüglichen Kriterien der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie mit dem Untersuchungsbefund überein und sind schlüssig und nachvollziehbar.
Hinsichtlich der führenden Funktionseinschränkung Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lumboischialgie rechts, welche ordnungsgemäß der Position 02.01.02 (Funktionseinschränkungen mittleren Grades) zugeordnet wurde, wurde vom orthopädischen Sachverständigen der untere Rahmensatz von 30 v.H. gewählt (die dazu in der Anlage zur Einschätzungsverordnung angeführten Parameter lauten: "Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika"), was vor dem Hintergrund der von der Sachverständigen aufgenommenen Anamnese und des Untersuchungsbefundes schlüssig und nachvollziehbar ist. Ein neurologisches Defizit war nicht feststellbar. Ebenso wenig war ein funktionelles Defizit, welches das Abheben der unteren Extremitäten maßgeblich einschränkt, feststellbar. Die angeführten Beschwerden in der Wirbelsäule wurden im Rahmen dieser Einschätzung entsprechend berücksichtigt. Eine paradoxe Kyphosierung wie im vorgelegten MRT des HWS beschrieben, war bei der klinischen Untersuchung nicht erkennbar, wobei die Sachverständige in diesem Zusammenhang ausführte, dass sich die Höhe der Einstufung nach den feststellbaren Defiziten richtet. Dabei berücksichtigte sie die degenerativen Veränderungen, wie im vorgelegten MRT beschrieben.
Die Funktionseinschränkung Posttraumatische Funktionseinschränkung rechte Schulter, welche ordnungsgemäß der Position 02.06.03 (Funktionseinschränkung mittleren Grades einseitig) zugeordnet wurde, wurde von der Sachverständigen mit dem fixen Rahmensatz mit 20 v.H. bewertet (die dazu in der Anlage der Einschätzungsverordnung angeführten Parameter lauten: "Abduktion und Elevation bis maximal 90°, mit entsprechender Einschränkung der Außen- und Innenrotation").
Die Funktionseinschränkung Beginnende Kniegelenksarthrose rechts wurde von der orthopädischen Sachverständigen in ihrem Gutachten der Position 02.05.18 (Funktionseinschränkungen geringen Grades einseitig) der Anlage zur Einschätzungsverordnung zugeordnet, welche bei einem Rahmensatz von 10 bis 20 v.H. die Parameter "Streckung/Beugung bis 0-0-90°" vorsieht. Die Sachverständige hat die Wahl dieser Position in Übereinstimmung mit ihrem Untersuchungsbefund vorgenommen, woraus sich eine aktive Beweglichkeit des rechten Kniegelenks von 0-0-120 ergibt. Die Wahl des oberen Rahmensatzes von 20 v.H. begründete die Sachverständige nachvollziehbar und schlüssig damit, dass nach dreimaliger Kreuzbandoperation und Reruptur beginnende Arthrosezeichen bestehen. Objektivierbare Defizite, dies sind die vordere Instabilität und festgestellte Knorpelschäden, wurden in dieser Einschätzung berücksichtigt. Ebenso berücksichtigte die fachärztliche Sachverständige die durchgeführten Spongiosaplastik Eine höhergradige Kniegelenksschädigung liegt nicht vor. Die Sensibilitätsstörungen am rechten Oberschenkel und Knie erreichen einerseits mangels Objektivierbarkeit keine gesonderte Einstufung, wären aber andererseits von den degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule konsumiert, da solche von der Wirbelsäule ausgehen. Die angegebenen starken Schmerzen im rechten Knie wurden in der Höhe der Einschätzung berücksichtigt. Dass das Stiegensteigen nicht mehr möglich sei, ist nicht objektivierbar.
Die psychische Funktionseinschränkung der Beschwerdeführerin beschrieb die, auch im Gebiet der Allgemeinmedizin tätige, Sachverständige als chronische Anpassungsstörung mit depressiver-ängstlicher Symptomatik und ordnete dieses Leiden in ihrem ergänzenden Gutachten vom 13.09.2018 der Position 03.06.01 (Depressive Störung - Dysthymie - leichten Grades, Manische Störung - Hypomanie - leichten Grades) der Anlage zur Einschätzungsverordnung zu, welche einen Rahmensatz von 10 bis 40 v. H. vorsieht. Die Sachverständige begründete die Wahl des Rahmensatzes mit zwei Stufen unter dem oberen Rahmensatz damit, dass das Leiden der Beschwerdeführerin unter Therapie stabilisiert ist. Der Einschätzung dieser Funktionseinschränkung legte die Sachverständige den von der Beschwerdeführerin mit ihrer Beschwerde vorgelegten psychiatrischen Befund vom 26.01.2018 zu Grunde, welcher auch eine regelmäßige psychiatrische fachärztliche Behandlung dokumentiert.
Insgesamt nahm die sowohl im Bereich der Orthopädie als auch Allgemeinmedizin tätige Sachverständige eine nachvollziehbare, widerspruchsfreie und schlüssige Beurteilung der bei der Beschwerdeführerin vorliegenden Funktionseinschränkungen vor und steht das Gutachtensergebnis nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes in Einklang mit dem im Rahmen der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 19.10.2017 erhobenen klinischen Untersuchungsbefund sowie den von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Befunden.
Es ist auch als schlüssig anzusehen, wenn die Sachverständige vermeint, dass der Grad des führenden Leidens "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Lumboischialgie rechts" in Höhe von 30 v.H. durch das Kniegelenksleiden (Leiden 3) wegen fehlender maßgeblicher ungünstiger wechselseitiger Leidensbeeinflussung nicht erhöht wird, da das Kniegelenksleiden eine geringgradige Funktionseinschränkung darstellt.
Die Ausführungen im Sachverständigengutachten wurden im Rahmen der Beschwerde nicht substantiiert bestritten. Es wurden auch keine medizinischen Befunde vorgelegt, die das vorliegende Sachverständigengutachten entkräften konnten. Das psychiatrische Leiden wurde im Rahmen des ergänzend erstellten Aktengutachtens vom 13.09.2018 entsprechend neu erfasst als Leiden 4 den bestehenden Funktionseinschränkungen hinzugefügt. Eine wechselseitige Leidensbeeinflussung seitens dieses neu erfassten Leidens besteht auch hier nicht.
Das ärztliche Sachverständigengutachten vom 21.12.2017 samt dem ergänzenden Aktengutachten vom 13.09.2018 sind vollständig, schlüssig und frei von Widersprüchen und es bestehen seitens des Bundesverwaltungsgerichts keine Zweifel an der Richtigkeit des Gutachtensergebnisses und der erfolgten Beurteilung der fachärztlichen Sachverständigen. Die beiden Sachverständigengutachten werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 40 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. ...
5. sie dem Personenkreis der begünstigen Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß Abs. 2 leg. cit. ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2).
In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen (§ 45 Abs. 3).
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen (§ 45 Abs. 4).
§ 35 Einkommenssteuergesetz 1988 (EStG 1988) lautet auszugsweise wie folgt:
"Behinderte
§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
-
durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
-
...
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.
(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
- ...
In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
..."
Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) lauten auszugsweise:
"Behinderung
§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
Auszugsweise aus der Anlage zur Einschätzungsverordnung:
"02 Muskel - Skelett - und Bindegewebssystem
Haltungs- und Bewegungsapparat
02.01 Wirbelsäule
...
02.01.02 Funktionseinschränkungen mittleren Grades 30 - 40 %
Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen, andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika, Beispiel:
Bandscheibenvorfall ohne Wurzelreizung (pseudoradikuläre Symptomatik)
30 %:
Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen
andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika
40 %:
Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, radiologische und/oder morphologische Veränderungen
maßgebliche Einschränkungen im Alltag
...
02.05 Untere Extremitäten
Kniegelenk
Funktionseinschränkungen im Kniegelenk als Folge von Knorpel-, Band- und Meniskusläsionen. Ausprägungen von Knorpelschäden geringeren, mittleren und schweren Grades werden in der Einschätzung mitberücksichtigt.
02.05.18 Funktionseinschränkung geringen Grades einseitig 10 - 20 %
Streckung/Beugung bis 0-0-90°
...
02.06 Obere Extremitäten
...
Schultergelenk, Schultergürtel
Instabilität (habituelle Luxation ist entsprechend dem Ausmaß der Funktionseinschränkungen und der Häufigkeit einzuschätzen.
02.06.03 Funktionseinschränkung mittleren Grades einseitig 20 %
Abduktion und Elevation bis maximal 90°
mit entsprechender Einschränkung der Außen- und Innenrotation
...
03 Psychische Störungen
...
03.06 Affektive Störungen
Manische, depressive und bipolare Störungen
03.06.01 Depressive Störung - Dysthymie - leichten Grades 10 - 40 %
Manische Störung - Hypomanie - leichten Grades
Keine psychotischen Symptome, Phasen mindestens 2 Wochen andauernd
20 %:
Unter Medikation stabil, soziale Integration
3 0%:
Unter Medikation stabil, fallweise beginnend soziale Rückzugstendenz, aber noch integriert
40 %:
Trotz Medikation in stabil, mäßige soziale Beeinträchtigung"
Wie oben unter Punkt II. 2. ausgeführt, werden der gegenständlichen Entscheidung das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie und Ärztin für Allgemeinmedizin, sowie das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte ergänzende Aktengutachten derselben Sachverständigen zugrunde gelegt und wurde darin der bei der Beschwerdeführerin vorliegende Grad der Behinderung in Anwendung der Einschätzungsverordnung und Heranziehung der Positionsnummern 02.01.02, 02.06.03, 02.05.18 und 03.06.01 nachvollziehbar und schlüssig mit 30 v.H. eingeschätzt.
Was den Umstand betrifft, dass die belangte Behörde den Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid spruchgemäß mit 40 v.H. festgestellt hat, ist auf § 35 Abs. 2 EStG 1988, wonach das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen hat, hinzuweisen (vgl. auch VwGH 11.11.2015, Ra 2014/11/0109).
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, insbesondere dem Sachverständigengutachten vom 21.12.2017. Zur Überprüfung des Beschwerdevorbringens und den damit vorgelegten neuen Befunden wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein weiteres Gutachten derselben orthopädischen und allgemeinmedizinischen Sachverständigen eingeholt, welches von der Beschwerdeführerin nicht bestritten wurde. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde im Übrigen nicht beantragt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Betreffend die Frage, ab wann ein Behindertenpass auszustellen ist, konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ohnehin klare Rechtslage des BBG in Zusammenschau mit der anzuwendenden Einschätzungsverordnung samt deren Anlage stützen. Dass der Beurteilung dieser Frage ein, allenfalls mehrere, medizinische Sachverständige beizuziehen sind, gründet ebenfalls auf der klaren Rechtslage des § 4 Abs. 1 Einschätzungsverordnung in Übereinstimmung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Schlagworte
Behindertenpass, Grad der Behinderung, SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019: