Entscheidungsdatum
01.03.2019Norm
BBG §40Spruch
W133 2186297-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 03.01.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, den Beschluss gefasst:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen stellte dem Beschwerdeführer am 22.07.1997 einen, zuletzt bis 30.06.2008 befristeten Behindertenpass mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 70 von Hundert aus.
Der Beschwerdeführer stellte am 31.10.2017 einen Antrag auf (Neu)ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet) sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass und legte medizinische Unterlagen vor.
Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Einschätzungsverordnung in Auftrag, in welchem nach Durchführung einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers mit Gutachten vom 22.12.2017 die Funktionseinschränkungen den Leidenspositionen
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
Pos.Nr.
GdB%
1
Koronare Herzkrankheit Heranziehung dieser Position mit dem oberen Rahmensatz, da Zustand nach Myocardinfarkt
05.05.02
40
2
Zustand nach Prostatakarzinomoperation Heranziehung dieser Position mit einer Stufe über dem unteren Rahmensatz, da ohne Rezidiv, jedoch episodische Harndrangsymptomatik, ohne befundbelegte, höhergradige Harninkontinenz
13.01.02
20
zugeordnet und
ein Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. medizinisch festgestellt wurden. Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung führte der Gutachter aus, das führende Leiden 1 werde durch Leiden 2 nicht weiter erhöht, da kein maßgebliches ungünstiges Zusammenwirken bestehe. Keinen Grad der Behinderung erreiche eine COPD, da diese erst kürzlich diagnostiziert und anbehandelt worden sei. Der Gesamtgrad der Behinderung wurde somit um 3 Stufen herabgesetzt und dieser Zustand als Dauerzustand beurteilt.
Zu diesem Gutachten räumte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer kein Parteiengehör ein.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 03.01.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab, da er mit dem festgestellten Grad der Behinderung von 40 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle. In der Begründung verwies die belangte Behörde auf das ärztliche Sachverständigengutachten, wonach der Grad der Behinderung 40 v.H. betrage. Das Gutachten wurde dem Beschwerdeführer erstmals als Beilage zu diesem Bescheid übermittelt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit E-Mailschreiben vom 06.02.2018 fristgerecht eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin führt er zusammengefasst aus, sein Zustand habe sich objektiv sicher nicht derart verbessert, eine Herabsenkung um 3 Stufen sei nicht nachvollziehbar. Bezüglich der COPD-Erkrankung teilte er mit, dass diese - entgegen den Ausführungen im Gutachten - schon seit 2009 bestehe und er auch in Behandlung stehe. Er ersuche um Neubeurteilung des Bescheides. Der Beschwerde legte er weitere medizinische Befunde bei.
Am 16.02.2018 legte die belangte Behörde die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor. Im Begleitschreiben hielt die belangte Behörde fest, es lägen keine neuen Aspekte vor, die eine Beschwerdevorentscheidung rechtfertigen würden.
Am 06.02.2019 ersuchte der Beschwerdeführer telefonisch beim Bundesverwaltungsgericht um dringende Entscheidung in seinem Verfahren.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zu A) Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer eheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Nach dem klaren Wortlaut des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG ist Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach dieser Bestimmung das Fehlen notwendiger Ermittlungen des Sachverhaltes seitens der belangten Behörde.
Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, allerdings mit dem Unterschied, dass die Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 28 Abs. 3 VwGVG nicht erforderlich ist (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11.)
§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.
Wie der Verwaltungsgerichtshof unter anderem bereits in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, zur Auslegung des § 28 Abs. 3 zweiter Satz ausgeführt hat, wird eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f).
Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG somit insbesondere auch dann in Betracht, wenn die Behörde bloß ansatzweise ermittelt hat bzw. gravierende Ermittlungslücken im verwaltungsbehördlichen Verfahren bestehen (vgl. nochmals das oben zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 und zuletzt auch VwGH, 11.05.2017, Zl. Ra 2017/04/0030).
Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als gravierend mangelhaft:
Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990 idF BGBl. I Nr. 59/2018, lauten auszugsweise:
"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
...
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
...
§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
...
§ 45.
(1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
....
§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden
In dem zu beurteilenden Fall erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.
Im Beschwerdefall hatte die Behörde ein allgemeinmedizinisches Gutachten vom 22.12.2017 eingeholt, dem Beschwerdeführer aber kein Parteiengehör dazu gewährt, sondern das Gutachten erst gemeinsam mit dem Bescheid an den Beschwerdeführer übermittelt.
Dieser erhob sodann Beschwerde, bestritt das Gutachten und legte weitere medizinische Befunde vor, die - da sie vor Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht eingebracht wurden - jedenfalls nicht von der Neuerungsbeschränkung des § 46 BBG erfasst und somit im Verfahren zu berücksichtigen sind. Diese Befunde hätten zumindest einer nachvollziehbaren ergänzenden medizinischen Begutachtung bedurft, um beurteilen zu können, ob sich daraus eine entscheidungswesentliche Änderung des Sachverhaltes ergibt.
In dem, dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten Gutachten vom 22.12.2017 war der Sachverständige davon ausgegangen, dass die COPD-Erkrankung des Beschwerdeführers "erst kürzlich diagnostiziert und anbehandelt worden sei", weshalb dieses Leiden keinen Grad der Behinderung erreiche. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, welches er durch eine Befundbeilage zur Beschwerde auch belegt hat, ergibt sich jedoch, dass er bereits seit dem Jahr 2009 an einer COPD II leiden dürfte. Der Befund des Facharztes für Lungenheilkunde vom 02.04.2009 widerspricht dabei eindeutig der bisherigen gutachterlichen Beurteilung, dass das Leiden "erst kürzlich diagnostiziert und anbehandelt worden sei", weshalb es keinen Grad der Behinderung begründe. Das Gutachten ist somit nicht vollständig und widerspricht vorliegenden Befunden.
Anlässlich dieses konkreten und belegten Beschwerdevorbringens hätte die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht weitere Ermittlungen anstellen müssen, zumal ohne weitere gutachterliche Beurteilung nicht ausgeschlossen werden kann, dass die vorgelegten Beweismittel zu einer Änderung der Beurteilung führen könnten, da sie das Vorbringen des Beschwerdeführers untermauern. Würde auch aktuell tatsächlich noch eine COPD-Erkrankung im Stadium II, wie diese im vorgelegten Facharztbefund bereits im Jahr 2009 diagnostiziert worden war, vorliegen, so wäre damit eine Zuordnung zur Positionsnummer 06.06.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung gerechtfertigt, welche mit einem Einzelgrad der Behinderung von 30% bis 40% bewertet ist. Diesem Leidenszustand könnte somit - sollte dieses chronische Leiden tatsächlich aktuell noch vorliegen - durchaus maßgebliche Bedeutung bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung zukommen.
Die belangte Behörde verabsäumte es daher, ihrer Entscheidung ein vollständiges, schlüssiges und widerspruchsfreies Sachverständigengutachten zu Grunde zu legen.
Auch hat die belangte Behörde das Sachverständigengutachten vom 22.12.2017 nicht dem Parteiengehör unterzogen. Hierdurch hatte der Beschwerdeführer erst anlässlich der Beschwerdeerhebung die Möglichkeit, den Ermittlungsergebnissen entgegenzutreten sowie - unter Vorlage medizinischer Beweismittel - auszuführen, ob und gegebenenfalls welche gutachterlichen Ausführungen dem tatsächlichen Leidensausmaß widersprechen.
Aufgrund der Verletzung des Parteiengehörs durch die belangte Behörde blieb freilich jegliche Entgegnung des nunmehrigen Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt.
Insgesamt ist das im vorliegenden Fall von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten zur Beurteilung des bei dem Beschwerdeführer vorliegenden Beschwerdebildes somit nicht vollständig und vor dem Hintergrund der vorgelegten Befunde und des bisherigen Untersuchungsergebnisses auch nicht ausreichend nachvollziehbar.
Die seitens des Bundesverwaltungsgerichtes erforderliche Überprüfung im Rahmen der freien Beweiswürdigung ist auf dieser Grundlage daher nicht möglich. Das bisherige Ermittlungsverfahren vermag die verwaltungsbehördliche Entscheidung nicht zu tragen.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde sohin eine entsprechende neuerliche Begutachtung, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, einholen müssen. Von den Ergebnissen des weiteren Ermittlungsverfahrens wird der Beschwerdeführer mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme in Wahrung des Parteiengehörs in Kenntnis zu setzen sein.
Aus den dargelegten Gründen ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat und sich der vorliegende Sachverhalt zur Beurteilung des Grades der Behinderung als so mangelhaft erweist, dass weitere Ermittlungen bzw. konkretere Sachverhaltsfeststellungen erforderlich sind.
Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens durch das Bundesverwaltungsgericht kann - im Lichte der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG - nicht im Sinne des Gesetzes liegen. Dass eine unmittelbare weitere Beweisaufnahme durch das Bundesverwaltungsgericht "im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden" wäre, ist - angesichts des mit dem bundesverwaltungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren als Mehrparteienverfahren verbundenen erhöhten Aufwandes und angesichts der im gegenständlichen Fall unterlassenen Sachverhaltsermittlungen - nicht ersichtlich.
Im Übrigen scheint die Zurückverweisung der Rechtssache an die belangte Behörde auch vor dem Hintergrund der seit 01.07.2015 geltenden Neuerungsbeschränkung in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gemäß § 46 BBG als geboten. Dies insbesondere unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Beschwerdeführer - wie bereits ausgeführt - erst mit der Erlassung des angefochtenen Bescheides erstmals Kenntnis von dem der Entscheidung zugrunde gelegten Gutachten erhielt und daher erstmals im Rahmen der Beschwerde die Möglichkeit hatte, entsprechende Einwendungen gegen das unvollständige Gutachten zu erheben.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind somit im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt im zu beurteilenden Fall noch nicht feststeht und vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht rasch und kostengünstig festgestellt werden kann, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W133.2186297.1.00Zuletzt aktualisiert am
08.05.2019