TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/4 I403 2215325-1

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Veröffentlicht am 04.03.2019
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Entscheidungsdatum

04.03.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs1 Z2
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I403 2215328-1/2Z

I403 2215327-1/2Z

I403 2215325-1/2Z

I403 2215324-1/2Z

TEILERKENNTNIS:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL über die Beschwerden von XXXX, geb. XXXX; des minderjährigen XXXX, geb. XXXX; des minderjährigen XXXX, geb. XXXX und der minderjährigen XXXX, geb. XXXX, alle Staatsbürger von Nigeria, die minderjährigen Kinder gesetzlich vertreten durch ihre Mutter XXXX, alle vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Robert BITSCHE, Nikolsdorferg. 7-11, 1050 Wien gegen den Spruchpunkt IV. der Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2019, Zl. XXXX zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und Spruchpunkt IV. der

angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Bei den Beschwerdeführern handelt es sich um die Erstbeschwerdeführerin XXXX und deren drei minderjährige Kinder.

Die Mutter der Erstbeschwerdeführerin war von 01.12.2014 bis 28.02.2018 bei der XXXX Botschaft in XXXX tätig; aufgrund dessen waren auch die mit ihr im selben Haushalt lebende Erstbeschwerdeführerin und ihre drei Kinder in dieser Zeit zum Aufenthalt in Österreich berechtigt.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 25.01.2019 erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG und erließ gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Nigeria gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.), erteilte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt III.) und erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt IV.).

Gegen diese Bescheide wurde rechtzeitig eine Beschwerde eingebracht, in der unter anderem beantragt wurde, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die gegenständlichen Beschwerden und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und langten am 01.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Mutter der Erstbeschwerdeführerin war von 01.12.2014 bis 28.02.2018 bei der XXXX Botschaft in XXXX tätig; aufgrund dessen waren die Beschwerdeführer in diesem Zeitraum in Österreich aufenthaltsberechtigt (aufgrund der bis 28.02.2018 gültigen "Legitimationskarte der Republik Österreich").

Die Erstbeschwerdeführerin heiratete am XXXX2016 in XXXX einen XXXX Staatsbürger. Die unbescholtene Erstbeschwerdeführerin legte am 09.12.2015 die A2-Prüfung ab und war geringfügig beschäftigt.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen beruhen auf einem Auszug aus dem Strafregister und dem Zentralen Melderegister vom 01.03.2019 und den mit der Beschwerde vorgelegten Unterlagen (Heiratsurkunde, A2 Zertifikat und Auszug aus der Versicherungsdatenbank).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtliche Grundlage

§ 18 BFA-VG lautet:

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.

3.2. Anwendung auf den Beschwerdefall:

In VwGH, 20.10.2016, Ra 2016/21/0289 führte der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf einen achtfach wegen Vermögens- und Gewaltdelikten straffällig gewordenen Fremden aus, dass bei der Prüfung, ob die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit - hier im Maßstab nach § 11 Abs. 2 Z 1 iVm Abs. 4 Z 1 NAG - gerechtfertigt ist, nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH eine das Gesamtverhalten des Fremden berücksichtigende Prognosebeurteilung vorgenommen werden muss. Die damit erforderliche, auf den konkreten Fall abstellende individuelle Prognosebeurteilung ist jeweils anhand der Umstände im Einzelfall vorzunehmen. Im dort angesprochenen Fall wurde nach Ansicht des VwGH vom Bundesverwaltungsgericht schon deshalb zu Unrecht auf eine mündliche Verhandlung im Beschwerdeverfahren verzichtet, weil es sich bei der Einschätzung der Umstände im konkreten Fall eben um keinen entsprechend eindeutigen Fall gehandelt habe. Und weiter wurde ausgeführt:

"17 Angesichts des Vorliegens eines aus der Sicht des BVwG nicht eindeutigen Falles ist aber - worauf in diesem Zusammenhang noch hinzuweisen ist - auch die nicht weiter begründete Annahme des BVwG, es hätten die Voraussetzungen des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung für eine Beschwerde (Erforderlichkeit der "sofortigen" Ausreise des Revisionswerbers) vorgelegen, nicht nachvollziehbar."

Wenn sich die Behörde nunmehr in der Frage der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auf den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG stützt und damit auf die Vorgabe, dass die sofortige Ausreise der Beschwerdeführer im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist, begründet sie dies nur damit, dass die Erstbeschwerdeführerin sich "beharrlich" weigere, Österreich selbständig zu verlassen und über keinen aufrechten Krankenversicherungsschutz verfüge. Daher bestehe die Gefahr, dass ein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führen könnte.

Für die erkennende Richterin geht aus der Begründung der belangten Behörde kein Sachverhalt hervor, der auch nur im Ansatz die Anwendung der Bestimmung des § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG rechtfertigen würde. Bei der geforderten Gesamtbetrachtung sticht - im Gegenteil - ins Auge, dass die Beschwerdeführer strafgerichtlich unbescholten sind, dass es sich um drei Kinder handelt und dass im angefochtenen Bescheid mit keinem Wort auf die Ehe der Erstbeschwerdeführerin eingegangen wird.

Es ist daher nicht erkennbar, dass eine sofortige Ausreise der Beschwerdeführer im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Zudem wurde die Erstbeschwerdeführerin von der belangten Behörde auch zu keinem Zeitpunkt einvernommen; dies wäre aber etwa notwendig gewesen, um zu klären, ob tatsächlich die Gefahr besteht, dass ihr Aufenthalt im Bundesgebiet bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung zu einer finanziellen Belastung der Republik Österreich führt.

Damit besteht keine Grundlage für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG, weshalb dieser Spruchpunkt nicht hätte ergehen dürfen und damit spruchgemäß ersatzlos zu beheben war.

Der gegenständlichen Beschwerde kommt somit bis zum rechtskräftigen Abschluss des Beschwerdeverfahrens betreffend die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides die aufschiebende Wirkung zu.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben unter Punkt 3.2. zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im Übrigen war eine auf die Umstände des Einzelfalls bezogene Prüfung vorzunehmen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Begründungsmangel, ersatzlose Behebung,
Gefährdung der Sicherheit, Nachvollziehbarkeit,
Prognoseentscheidung, Spruchpunktbehebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2215325.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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