TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/8 W144 2215527-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.03.2019
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Entscheidungsdatum

08.03.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W144 2215527-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, XXXX alias XXXX alias XXXX geb, StA. von Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.02.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als

unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (BF), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte am 01.02.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, nachdem er bereits vormals (vom Iran über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn kommend) im Bundesgebiet am 13.09.2015 einen solchen Antrag gestellt hatte, der jedoch aufgrund der Zuständigkeit Ungarns gem. § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen worden war, und sich der BF in der Folge in Liechtenstein und Deutschland aufgehalten und weitere Asylverfahren betrieben hatte. Seit 31.01.2019 befindet sich der BF wieder in Österreich.

Zur Person des BF liegen folgende EURODAC-Treffermeldungen (sämtliche wegen Asylantragstellungen) vor:

* Ungarn vom 12.09.2015

* Österreich vom 13.09.2015

* Liechtenstein vom 22.03.2016

* Deutschland vom 16.11.2018

Der Beschwerde liegt folgendes Verwaltungsverfahren zugrunde:

Im Verlauf der Erstbefragung durch Landespolizeidirektion Vorarlberg vom 01.02.2019 gab der BF - neben seinen Angaben zum Reiseweg - im Wesentlichen an, dass er in den genannten Ländern Asylanträge gestellt habe. Ungarn sei mit den Flüchtlingen jedoch nicht gut umgegangen, Deutschland hingegen sei ein gutes Land gewesen. In Liechtenstein habe er einen negativen Bescheid bekommen, in Deutschland habe er einen Duldungsstatus innegehabt, habe jedoch dann wieder zurück nach Liechtenstein reisen müssen. Über Österreich könne er von seinem vormaligen Aufenthalt nichts angeben, er habe keine Unterlagen mehr, er habe alles weggeworfen, jedenfalls habe er nach sechs Monaten Angst bekommen und sei weggereist. Er könne nicht nach Liechtenstein zurückkehren, Deutschland wäre hingegen kein Problem für ihn.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 06.02.2019 unter Hinweis auf den Reiseweg des BF und die Eurodac-Treffermeldungen ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. d der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Liechtenstein. Liechtenstein stimmte mit Schreiben vom 08.02.2019 diesem Ersuchen ausdrücklich zu und teilte unter einem nachstehende Alias-Identitäten des BF mit: XXXX, XXXX geb., alias XXXX geb.

In der Folge wurde der BF am 15.02.2019 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen zu Protokoll gab, dass er an Depressionen leide und deshalb in Behandlung stehe. Er nehme Medikament (Beruhigungsmittel und Schlaftabletten) ein. Im Rahmen seiner Erstbefragung habe er die Wahrheit gesagt und nichts zu korrigieren. Er habe weder in Österreich noch im Bereich der Mitgliedstaaten Verwandte, jedoch sehr enge Freunde. Konkret viele Freunde in Vorarlberg, Liechtenstein und der Schweiz; er habe auch eine Freundin in Deutschland; von allen werde er moralisch unterstützt, erhalte aber keine finanziellen Zuwendungen. Nach Vorhalt, dass zur Prüfung seines Antrags auf internationalen Schutz Liechtenstein zuständig sei, gab der BF an, dass dies nicht stimme, Ungarns sei für ihn zuständig. Er habe bereits bei der Erstbefragung gesagt, warum er nicht nach Liechtenstein zurückkehren wolle. Er sei dort zwei Jahre und acht Monate lang aufhältig gewesen. Er habe dort ein Problem mit einem Büroangestellten in einem Flüchtlingsheim gehabt. Konkret habe er medizinische Behandlung und Medikamente benötigt, habe jedoch "gar nichts" erhalten. Wenn er Probleme gehabt habe, seien ihm "irgendwelche Medikamente" gegeben worden. Bei einem Arzt sei er nie gewesen. Er sei einmal bei einem Arzt gewesen. Dies habe er selbst organisiert. Obwohl "er minderjährig gewesen sei, er habe sich als minderjährig ausgegeben" (!), habe man ihn nicht zur Schule geschickt, sondern habe er nur 2 Stunden pro Woche einen Deutschkurs bekommen. Er sei in einem Zimmer mit mehreren volljährigen Personen gewesen, er hätte jedoch ein Einzelzimmer benötigt, welches er nicht bekommen habe. Nach Vorhalt der Länderfeststellungen zu Liechtenstein gab der BF an, dass Liechtenstein für ihn kein sicheres Land sei, die Menschenrechte würden dort nicht respektiert werden. Auf die Frage, warum er sich zwei Jahre und acht Monate lang in Liechtenstein aufgehalten habe, wenn es dort so schlecht gewesen sei, gab der BF an, weil er auf eine positive Antwort gehofft und gewartet habe. Ansonsten wäre er schon viel früher nach Deutschland gegangen. Er gehe nicht nach Liechtenstein zurück, lieber würde in Österreich sterben.

Unter einem legte der BF medizinische Unterlagen vor, wonach er bei ihm eine Anpassungsstörung diagnostiziert worden ist vgl. insbesondere: Uniklinikum XXXX vom 08.02.2019)

Das BFA wies sodann den Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten mit Bescheid vom 18.02.2019 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurück und sprach aus, dass Liechtenstein gemäß 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO zur Prüfung des Antrags zuständig sei. Gleichzeitig wurde die Außerlandesbringung des BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG idgF angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Liechtenstein zulässig sei.

Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die Sachverhaltsfeststellungen sowie die Beweiswürdigung zur Lage im Mitgliedstaat wurden im den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

? Zur Lage im Mitgliedsstaat

Gesamtaktualisierung am 05.02.2018

1. Allgemeines zum Asylverfahren

Die Regierung entscheidet über die Gewährung von Asyl. Für den Bereich Asyl ist das Ausländer- und Passamt (APA) im Ministerium für Inneres zuständig, vom Asylantrag bis zur Organisation des Vollzugs einer Ausweisung. Es führt insbesondere die Dublin- und Asylverfahren durch und bereitet Entscheidungen der Regierung vor (LLV o.D.a).

Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit (LLV o.D.b; vgl. AsylG 14.12.2011, Art. 76 ff.; USDOS 3.3.2017 für weitere Informationen siehe dieselben Quellen).

Quellen:

-

AsylG - Asylgesetz (14.12.2011): Fassung vom 1.1.2017, https://www.gesetze.li/konso/2012.29, Zugriff 31.1.2018

-

LLV - Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein (o.D.a):

Zuständigkeiten im Asylbereich, https://www.llv.li/#/117387/zustandigkeiten-im-asylbereich, Zugriff 31.1.2018

-

LLV - Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein (o.D.b):

Asylverfahren, https://www.llv.li/#/117389/asylverfahren, Zugriff 31.1.2018

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liechtenstein, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395803.html, Zugriff 2.2.2018

2. Dublin-Rückkehrer

Ergibt sich im Dublin-Verfahren eine Zuständigkeit Liechtensteins, wird das erstinstanzliche Verfahren eingeleitet (LLV o.D.c).

Quellen:

-

LLV - Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein (o.D.c):

Dublin-Verfahren, https://www.llv.li/#/117393/dublin-verfahren, Zugriff 31.1.2018

3. Non-Refoulement

Grundsätzlich gilt das so genannte Rückschiebungsverbot (non-refoulement). Das heißt, dass keine Person in irgendeiner Form zur Ausreise in einen Staat gezwungen werden darf, in dem ihr Leib, ihr Leben oder ihre Freiheit gefährdet ist oder die Gefahr besteht, dass sie zur Ausreise in einen solchen Staat gezwungen wird; oder sie der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen wird oder die Gefahr besteht, dass sie zur Ausreise in einen solchen Staat gezwungen wird (LLV o.D.).

Dem Gesetz zufolge haben Personen, die aus sicheren Staaten einreisen, keinen Anspruch auf Asyl in Liechtenstein. Es gibt einen temporären Schutz für Antragsteller, die sich nicht für internationalen Schutz qualifizieren, für deren Heimkehr aber Sicherheitsbedenken bestehen (USDOS 3.3.2017).

Auch das geänderte Asylgesetz, in Kraft getreten am 1.1.2017, steht weiterhin auf der Grundlage der Genfer Konvention einschließlich des Non-Refoulement-Prinzips (UNHRC 1.11.2017).

Quellen:

-

LLV - Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein (o.D.):

Flüchtlingsbegriff und Asylrecht, https://www.llv.li/#/117386/fluchtlingsbegriff-und-asylrecht, Zugriff 31.1.2018

-

UNHRC - UN Human Rights Council (1.11.2017): National report submitted by Liechtenstein,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1420344/1930_1513874346_g1733103.pdf, Zugriff 2.2.2018

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liechtenstein, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395803.html, Zugriff 2.2.2018

4. Versorgung

Gemäß Leistungsvereinbarung mit der Regierung ist der Verein Flüchtlingshilfe Liechtenstein (FHL) für die Unterbringung und Betreuung von Asylsuchenden, vorläufig Aufgenommenen und Schutzbedürftigen zuständig (LLV o.D.a).

Die FHL ist zuständig für die Unterbringung in geeigneten Unterkünften; die Sicherstellung der wirtschaftlichen, medizinischen und psychosozialen Versorgung; die Beratung und Begleitung während des Aufenthalts in Liechtenstein; die Förderung der Integration und der Rückkehrfähigkeit; die sinnvolle Beschäftigung und die Unterstützung bei der Arbeitssuche; usw. Der Staat trägt dabei die Kosten für den Aufwand der Flüchtlingshilfe sowie das Aufnahmezentrum, die Infrastruktur und Miete allfälliger Unterkünfte; die Unterbringung, die Lebenserhaltungskosten, allfällige Versicherungen sowie Kostenbeteiligungen bei Krankheit und Unfall; sowie die Rechtsberatung der unter das Asylgesetz fallenden Personen. Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene oder Schutzbedürftige, die über ausreichendes Vermögen verfügen, sind zur Rückerstattung der Kosten verpflichtet. Asylsuchende dürfen sich bis zum Abschluss des Asylverfahrens in Liechtenstein aufhalten und sind verpflichtet, nach Möglichkeit selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Sie dürfen ab dem ersten Tag einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die allerdings der Zustimmung des Ausländer- und Passamtes bedarf. Gehen Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene oder Schutzbedürftige einer Erwerbstätigkeit nach, so werden die Lohnforderungen an den Staat abgetreten (Lohnzession). Die Gelder werden von der Flüchtlingshilfe verwaltet. Ein bestimmter Betrag wird als Motivationsprämie ausbezahlt. Die Lohnzession endet entweder mit der Asylgewährung, der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der nachweislichen Ausreise oder mit der Abschreibung des Asylantrags, in jedem Fall aber spätestens fünf Jahre nach Asylantragstellung (LLV o.D.d).

Hilfsbedürftige Asylwerber, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige haben Anspruch auf Fürsorgeleistungen, welche in Form von Lebensmittelgutscheinen in der Höhe von CHF 10 pro Tag für eine erwachsene Person ausbezahlt werden. Bei Familien erhält das zweite Kind CHF 7, jedes weitere CHF 4 pro Tag. Bei einer Aufenthaltsdauer von sechs Wochen erhält jede Person ein Taschengeld von CHF 4, jedoch sind Asylwerber aus sicheren Drittstaaten davon durch einen entsprechenden Regierungsbeschluss ausgeschlossen. Die Ausrichtung von Leistungen der sozialen Sicherheit richtet sich nach den einschlägigen Spezialgesetzen, soweit das Asylgesetz nichts anderes bestimmt. Der Staat übernimmt die im Rahmen der obligatorischen Krankenversicherung anfallenden Prämien und Kostenbeteiligungen und die Kosten für zahnärztliche Behandlungen, soweit diese der Schmerzbehandlung dienen oder aus gesundheitlichen Gründen zwingend notwendig sind (LLV o.D.e).

Asylwerber werden in einem der beiden zentralen Empfangszentren Vaduz (Familien und alleinstehende Frauen) bzw. Triesen (alleinstehende Männer) untergebracht. Die Einrichtung in Vaduz verfügt über 60 Plätze, und jene in Triesen über 34 Plätze. Beide werden von der Flüchtlingshilfe Liechtenstein betrieben. Auch bei der Einvernahme ist ein Vertreter der Organisation anwesend, außer der Antragsteller will das nicht (UNHRC 1.11.2017).

Bei hoher Auslastung ist auch Unterbringung in Wohncontainern möglich (USDOS 3.3.2017).

MedCOI bearbeitet grundsätzlich keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind. Ausnahmen von dieser Regel sind nur in sehr spezifischen Einzelfällen möglich (MedCOI 14.12.2016).

Quellen:

-

LLV - Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein (o.D.a):

Zuständigkeiten im Asylbereich, https://www.llv.li/#/117387/zustandigkeiten-im-asylbereich, Zugriff 31.1.2018

-

LLV - Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein (o.D.d):

Unterbringung und Betreuung,

https://www.llv.li/#/117394/unterbringung-und-betreuung, Zugriff 31.1.2018

-

LLV - Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein (o.D.e):

Leistungen nach dem Asylgesetz, https://www.llv.li/#/117395/leistungen-nach-dem-asylgesetz, Zugriff 31.1.2018

-

MedCOI - Medical Country of Origin Information (14.12.2016):

Auskunft MedCOI, per E-Mail

-

UNHRC - UN Human Rights Council (1.11.2017): National report submitted by Liechtenstein,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1420344/1930_1513874346_g1733103.pdf, Zugriff 2.2.2018

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Liechtenstein, https://www.ecoi.net/de/dokument/1395803.html, Zugriff 2.2.2018

5. Schutzberechtigte

Ein anerkannter Flüchtling erhält in Liechtenstein Asyl und somit eine Aufenthaltsbewilligung. Asylsuchende, denen kein Asyl in Liechtenstein gewährt wird, bei denen jedoch der Vollzug der Wegweisung nicht möglich (technisch nicht möglich), nicht zulässig (konkrete Gefährdung: Verstöße gegen die Europäische Menschenrechtskonvention) oder nicht zumutbar (z.B. wegen Krieg oder schwerwiegender persönlicher Notlage) ist, erhalten eine vorläufige Aufnahme für die Dauer eines Jahres. Danach wird der Grund für die vorläufige Aufnahme erneut überprüft (LLV o.D.b).

Wird ein Asylsuchender als Flüchtling anerkannt oder erhält ein vorläufig Aufgenommener seine Aufenthaltsbewilligung, endet die Zuständigkeit der Flüchtlingshilfe. Ab diesem Zeitpunkt ist das Amt für Soziale Dienste für die Betreuung zuständig (LLV o.D.d).

Mit der Änderung des Asylgesetzes, in Kraft getreten am 1.1.2017, wurden die Verfahren und damit auch der Start der Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte beschleunigt (UNHRC 1.11.2017).

Quellen:

-

LLV - Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein (o.D.b):

Asylverfahren, https://www.llv.li/#/117389/asylverfahren, Zugriff 31.1.2018

-

LLV - Landesverwaltung Fürstentum Liechtenstein (o.D.d):

Unterbringung und Betreuung,

https://www.llv.li/#/117394/unterbringung-und-betreuung, Zugriff 31.1.2018

-

UNHRC - UN Human Rights Council (1.11.2017): National report submitted by Liechtenstein,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1420344/1930_1513874346_g1733103.pdf, Zugriff 2.2.2018

A) Beweiswürdigung

Die Behörde gelangt zu obigen Feststellungen aufgrund folgender Erwägungen:

[ ... ]

? Betreffend die Feststellungen zur Lage im Mitgliedsstaat:

Die Feststellungen zum Mitgliedsstaat basieren auf einer Zusammenstellung der Staatendokumentation des BFA. Diese ist gemäß § 5 Abs. 2 BFA-G zur Objektivität verpflichtet und unterliegt der Beobachtung eines Beirates. Es ist daher davon auszugehen, dass alle zitierten Unterlagen von angesehenen staatlichen und nichtstaatlichen Einrichtungen stammen, ausgewogen zusammengestellt wurden und somit keine Bedenken bestehen, sich darauf zu stützen.

Die Länderfeststellungen ergeben sich aus den zitierten, unbedenklichen Quellen. Bezüglich der von der erkennenden Behörde getätigten Feststellungen zur allgemeinen Situation im Mitgliedstaat ist festzuhalten, dass diese Kenntnisse als notorisch vorauszusetzen sind. Gemäß § 45 Absatz 1 AVG bedürfen nämlich Tatsachen, die bei der Behörde offenkundig sind (so genannte "notorische" Tatsachen; vergleiche Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze 13-MSA1998-89) keines Beweises. "Offenkundig" ist eine Tatsache dann, wenn sie entweder "allgemein bekannt" (notorisch) oder der Behörde im Zuge ihrer Amtstätigkeit bekannt und dadurch "bei der Behörde notorisch" (amtsbekannt) geworden ist; "allgemein bekannt" sind Tatsachen, die aus der alltäglichen Erfahrung eines Durchschnittsmenschen - ohne besondere Fachkenntnisse - hergeleitet werden können (VwGH 23.01.1986, 85/02/0210; vergleiche auch Fasching; Lehrbuch 2 Rz 853). Zu den notorischen Tatsachen zählen auch Tatsachen, die in einer Vielzahl von Massenmedien in einer der Allgemeinheit zugänglichen Form über Wochen hin im Wesentlichen gleich lautend und oftmals wiederholt auch für einen Durchschnittsmenschen leicht überprüfbar publiziert wurden, wobei sich die Allgemeinnotorietät nicht auf die bloße Verlautbarung beschränkt, sondern allgemein bekannt ist, dass die in den Massenmedien verbreiteten Tatsachen auch der Wahrheit entsprechen.

Zur Aktualität der Quellen, die für die Feststellungen herangezogen wurden, wird angeführt, dass diese, soweit sich die erkennende Behörde auf Quellen älteren Datums bezieht, aufgrund der sich nicht geänderten Verhältnisse nach wie vor als aktuell bezeichnet werden können.

In der Erstbefragung gaben Sie, befragt über Ihren Aufenthalt in den durchreisten EU Ländern an, dass Sie in Ungarn, Österreich, Liechtenstein und Deutschland einen Asylantrag gestellt hätten. In Liechtenstein hätten Sie einen negativen Bescheid erhalten und könnten nicht dorthin zurück. Sie gaben weiters an, dass Sie in Österreich bleiben möchten.

In der Einvernahme vor dem BFA XXXX gaben Sie zusammengefasst gesteigert an, dass Sie in Liechtenstein schlecht behandelt worden wären. Sie hätten sich zuerst mit mehreren Erwachsenen ein Zimmer teilen müssen und später mit einem anderen Asylwerber aus Algerien ein Doppelzimmer. Ein Einzelzimmer habe man Ihnen verwehrt. Weiters führten Sie an, dass Sie keine ärztliche Behandlung erhalten hätten. In die Schule hätten Sie erst nach Intervention der Lehrer gehen dürfen. Man hätte Sie in der Asylunterkunft sehr schlecht behandelt und Ihnen Fehlverhalten unterstellt. Die Leute im Quartier hätten die Hälfte Ihres Einkommens zurückbehalten.

Soweit Sie in der Erstbefragung angaben, dass Sie in Liechtenstein einen negativen Bescheid erhalten hätten, ist festzuhalten, dass dies einer gängigen Praxis - wie auch in Österreich - entspricht. Es ist aber auch klar festzustellen, dass es sich bei Liechtenstein um Rechtsstaat mit ausreichend Rechtsschutzeinrichtung handelt, um sich gegen behördliches Fehlverhalten zur Wehr setzen zu können.

An dieser Stelle wird weiters auf die oben angeführte Länderfeststellung Punkt 1 verwiesen, aus der ehrvorgeht, dass ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlicher Beschwerdemöglichkeit existiert (LLV o.D.b; vgl. AsylG 14.12.2011, Art. 76 ff.; USDOS 3.3.2017.

Zu Ihren Angaben, dass man die Hälfte Ihres Lohnes einbehalten habe, wird auf den Punkt 4. Versorgung der Länderfeststellungen verwiesen,

aus dem hervorgeht: ......

Asylsuchende dürfen sich bis zum Abschluss des Asylverfahrens in Liechtenstein aufhalten und sind verpflichtet, nach Möglichkeit selbst für ihren Lebensunterhalt zu sorgen. Sie dürfen ab dem ersten Tag einer Erwerbstätigkeit nachgehen, die allerdings der Zustimmung des Ausländer- und Passamtes bedarf. Gehen Asylsuchende, vorläufig Aufgenommene oder Schutzbedürftige einer Erwerbstätigkeit nach, so werden die Lohnforderungen an den Staat abgetreten (Lohnzession). Die Gelder werden von der Flüchtlingshilfe verwaltet. Ein bestimmter Betrag wird als Motivationsprämie ausbezahlt. Die Lohnzession endet entweder mit der Asylgewährung, der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der nachweislichen Ausreise oder mit der Abschreibung des Asylantrags, in jedem Fall aber spätestens fünf Jahre nach Asylantragstellung (LLV o.D.d).

Zu Ihren Angaben in der Erstbefragung, dass Sie in Österreich bleiben möchten, als auch in der Einvernahme vor dem BFA XXXX am 12.02.2019 angaben, dass man Sie schlecht behandelt hätte, Ihnen kein Einzelzimmer gegeben hätte, Sie keine ärztliche Behandlung erhalten hätten und Sie erst nach Intervention der Lehrer die Schule besuchen hätten dürfen und Sie in Österreich bleiben möchten, ist festzuhalten, dass sich Asylwerber im Zuge der Feststellung des für das Asylverfahren zuständigen Dublin Staates nicht jenen Mitgliedstaat aussuchen können, in dem sie bestmögliche Unterbringung und Versorgung erwarten können. Es ist auch auf den Hauptzweck der Dublin II-VO zu verweisen, wonach eine im Allgemeinen von individuellen Wünschen der Asylwerber losgelöste Zuständigkeitsreglung zu treffen ist. Schwierige Lebensbedingungen, wie etwa regional bestehende Engpässe bei den Aufnahmekapazitäten oder Umstände, wie sie von Ihnen bemängelt wurden, weisen selbst im Falle ihres Zutreffens keine die Schwelle des Art. 3 EMRK übersteigende Eingriffsintensität auf (vgl. dazu in einem ähnlich gelagerten Fall Erkenntnis des AGH vom 13.03.2013, Zl. S2 433.030-1/2013/3E).

Die Behörde schenkt diesbezüglich dem Amtswissen deshalb größere Glaubwürdigkeit, weil dieses aus verlässlichen, aktuellen und unbedenklichen Quellen stammt, deren Inhalt schlüssig und widerspruchsfrei ist. Die ausgewogene Auswahl der Quellen zeigt in ihrem wesentlichen Inhalt übereinstimmend das geschilderte Bild über die aktuelle Lage der Asylwerber und deren (medizinische) Versorgung in Liechtenstein.

Auch ist darauf zu verweisen, dass aufgrund der Zusicherung seitens der Behörden in Liechtenstein, Sie zu übernehmen und das dort noch anhängige Verfahren fortzuführen, keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit dafür erkannt werden kann, dass man Sie in Liechtenstein ohne jegliche staatliche Versorgung gleichsam Ihrem Schicksal überlassen würde.

Zusammenfassend sind aus Ihren eigenen Angaben keine stichhaltigen Gründe zu entnehmen, dass Sie tatsächlich konkret Gefahr laufen würden, in Liechtenstein Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden oder dass Ihnen eine Verletzung Ihrer durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte dadurch drohen könnte. Sie tätigten auch weder bei der Erstbefragung, noch vor dem BFA Aussagen, welche Sie selbst auch vermuten lassen könnte, dies befürchten zu müssen. Es ist auch laut allgemeinen Feststellungen zur Lage in Liechtenstein über solche Übergriffe nichts bekannt geworden.

Sie haben somit nicht glaubhaft vorgebracht, in Liechtenstein Misshandlung, Verfolgung oder einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt zu sein."

Es folgte im angefochtenen Bescheid die rechtliche Beurteilung zu den beiden Spruchpunkten. Der Antrag auf internationalen Schutz sei zurückzuweisen, weil Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin III-VO formell erfüllt (und gemeint: sohin Liechtenstein für die Prüfung des Antrags zuständig) sei. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, die die Gefahr einer Verletzung der GRC oder der EMRK im Falle einer Überstellung des BF ernstlich für möglich erscheinen lassen, seien im Verfahren nicht hervorgekommen. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG treffe daher zu und es habe sich kein Anlass für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Humanitäre Gründe gem. Art 16 und 17 Abs. 2 Dublin III-VO lägen (implizit) nicht vor. Seine Ausweisung stelle mangels familiärer Anknüpfungspunkte und dem Umstand, dass sein Aufenthalt im Bundesgebiet zu kurz gewesen sei, keinen ungerechtfertigten Eingriff in sein Grundrecht nach Art. 8 EMRK dar.

Der Bescheid wurde am 18.02.2019 rechtswirksam zugestellt.

Gegen den obgenannten Bescheid richtet sich die jedenfalls fristgerecht erhobene Beschwerde des BF, in welcher er im Wesentlichen geltend machte, dass sich in der angefochtenen Entscheidung keine Feststellungen zur Situation von Dublin-Rückkehrern befänden und nicht festgestellt worden sei, dass der BF damit rechnen müsse, dass sein Asylgesuch in Liechtenstein aufgrund des bereits durchlaufenen Asylverfahrens unzulässig sei. Zudem sei nicht festgestellt worden, dass der BF an einer Anpassungsstörung leide und daher vulnerabel sei. Schließlich seien sowohl die Beweiswürdigung mangelhaft als auch die rechtliche Beurteilung unrichtig und hätte Österreich vom Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO Gebrauch machen müssen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der dargelegte Verfahrensgang.

Besondere, in der Person des BF gelegene Gründe, welche für eine reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung in Liechtenstein sprechen, liegen nicht vor.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Lage im Mitgliedstaat an.

Der BF hat im Bundesgebiet keine familiären Anknüpfungspunkte, erlebt auch mit keiner sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder familieneheähnlichen Lebensgemeinschaft.

Der BF leidet an einer Anpassungsstörung und wird dagegen medikamentös mit Beruhigungs- und Schlafmitteln behandelt, er leidet an keinen akut lebensbedrohenden Erkrankungen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus den Akten des BFA, insbesondere den Eurodac-Treffern, dem Antwortschreiben Liechtensteins im Rahmen der Dublin-Konsultationen, und dem Vorbringen des BF selbst.

Die Feststellung zur familiären Situation des BF im Bundesgebiet ergibt sich aus seinem Vorbringen.

Die Feststellung zu seinem gesundheitlichen Zustand ergibt sich aus seinem Vorbringen in Verbindung mit den vorgelegten medizinischen Unterlagen, insbesondere dem aktuellen Ambulanzbericht des Uniklinikums XXXX vom 08.02.2019.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen.

Das Bundesamt hat im angefochtenen Bescheid neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in Liechtenstein auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf "Dublin-Rückkehrer") samt dem dortigen jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelwege getroffen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Erwägungen zur Beweiswürdigung an.

Soweit in der Beschwerde gerügt wird, dass keine Feststellungen in Bezug auf Dublin-Rückkehrer in der angefochtenen Entscheidung getroffen worden seien, ist dies schlicht unrichtig, vielmehr ergibt sich etwa bei den Ausführungen "zur Lage im Mitgliedstaat" unter Punkt 2., Überschrift Dublin-Rückkehrer, dass das erstinstanzliche Verfahren eingeleitet werde, wenn sich eine Zuständigkeit Liechtenstein im Zuge eines Dublin Verfahrens ergibt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) idgF lauten:

"§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 144/2013 lautet:

"§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist."

§ 61 FPG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 lautet:

"§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird."

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates ("Dublin III-VO") zur Ermittlung des zuständigen Mitgliedstaates lauten:

"KAPITEL II

ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE UND SCHUTZGARANTIEN

Art. 3

Verfahren zur Prüfung eines Antrags auf internationalen Schutz

(1) Die Mitgliedstaaten prüfen jeden Antrag auf internationalen Schutz, den ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einschließlich an der Grenze oder in den Transitzonen stellt. Der Antrag wird von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft, der nach den Kriterien des Kapitels III als zuständiger Staat bestimmt wird.

(2) Lässt sich anhand der Kriterien dieser Verordnung der zuständige Mitgliedstaat nicht bestimmen, so ist der erste Mitgliedstaat, in dem der Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig.

Erweist es sich als unmöglich, einen Antragsteller an den zunächst als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, da es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen, so setzt der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat, die Prüfung der in Kapitel III vorgesehenen Kriterien fort, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann.

Kann keine Überstellung gemäß diesem Absatz an einen aufgrund der Kriterien des Kapitels III bestimmten Mitgliedstaat oder an den ersten Mitgliedstaat, in dem der Antrag gestellt wurde, vorgenommen werden, so wird der die Zuständigkeit prüfende Mitgliedstaat der zuständige Mitgliedstaat.

(3) Jeder Mitgliedstaat behält das Recht, einen Antragsteller nach Maßgabe der Bestimmungen und Schutzgarantien der Richtlinie 32/2013/EU in einen sicheren Drittstaat zurück- oder auszuweisen.

KAPITEL III

KRITERIEN ZUR BESTIMMUNG DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Art. 7

Rangfolge der Kriterien

(1) Die Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats finden in der in diesem Kapitel genannten Rangfolge Anwendung.

(2) Bei der Bestimmung des nach den Kriterien dieses Kapitels zuständigen Mitgliedstaats wird von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Antragsteller seinen Antrag auf internationalen Schutz zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat stellt.

(3) Im Hinblick auf die Anwendung der in den Artikeln 8, 10 und 6 (Anmerkung: gemeint wohl 16) genannten Kriterien berücksichtigen die Mitgliedstaaten alle vorliegenden Indizien für den Aufenthalt von Familienangehörigen, Verwandten oder Personen jeder anderen verwandtschaftlichen Beziehung des Antragstellers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats, sofern diese Indizien vorgelegt werden, bevor ein anderer Mitgliedstaat dem Gesuch um Aufnahme- oder Wiederaufnahme der betreffenden Person gemäß den Artikeln 22 und 25 stattgegeben hat, und sofern über frühere Anträge des Antragstellers auf internationalen Schutz noch keine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist.

Art. 13

Einreise und/oder Aufenthalt

(1) Wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 dieser Verordnung genannten Verzeichnissen, einschließlich der Daten nach der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 festgestellt, dass ein Antragsteller aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig. Die Zuständigkeit endet zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts.

(2) Ist ein Mitgliedstaat nicht oder gemäß Absatz 1 dieses Artikels nicht länger zuständig und wird auf der Grundlage von Beweismitteln oder Indizien gemäß den beiden in Artikel 22 Absatz 3 genannten Verzeichnissen festgestellt, dass der Antragsteller - der illegal in die Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten eingereist ist oder bei dem die Umstände der Einreise nicht festgestellt werden können - sich vor der Antragstellung während eines ununterbrochenen Zeitraums von mindestens fünf Monaten in einem Mitgliedstaat aufgehalten hat, so ist dieser Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

Hat sich der Antragsteller für Zeiträume von mindestens fünf Monaten in verschiedenen Mitgliedstaaten aufgehalten, so ist der Mitgliedstaat, wo er sich zuletzt aufgehalten hat, für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig.

KAPITEL IV

ABHÄNGIGE PERSONEN UND ERMESSENSKLAUSELN

Artikel 16

Abhängige Personen

(1) Ist ein Antragsteller wegen Schwangerschaft, eines neugeborenen Kindes, schwerer Krankheit, ernsthafter Behinderung oder hohen Alters auf die Unterstützung seines Kindes, eines seiner Geschwister oder eines Elternteils, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, angewiesen oder ist sein Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil, das/der sich rechtmäßig in einem Mitgliedstaat aufhält, auf die Unterstützung des

Antragstellers angewiesen, so entscheiden die Mitgliedstaaten in der Regel, den Antragsteller und dieses Kind, dieses seiner Geschwister oder Elternteil nicht zu trennen bzw. sie zusammenzuführen, sofern die familiäre Bindung bereits im Herkunftsland bestanden hat, das Kind, eines seiner Geschwister oder der Elternteil in der Lage ist, die abhängige Person zu unterstützen und die betroffenen Personen ihren Wunsch schriftlich kundgetan haben.

(2) Hält sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil im Sinne des Absatzes 1 rechtmäßig in einem anderen Mitgliedstaat als der Antragsteller auf, so ist der Mitgliedstaat, in dem sich das Kind, eines seiner Geschwister oder ein Elternteil rechtmäßig aufhält, zuständiger Mitgliedstaat, sofern der Gesundheitszustand des Antragstellers diesen nicht längerfristig daran hindert, in diesen Mitgliedstaat zu reisen. In diesem Fall, ist der Mitgliedstaat, in dem sich der Antragsteller aufhält, zuständiger Mitgliedstaat. Dieser Mitgliedstaat kann nicht zum Gegenstand der Verpflichtung gemacht werden, d s Kind, eines

seiner Geschwister oder ein Elternteil in sein Hoheitsgebiet zu verbringen.

(3) Der Kommission wird die Befugnis übertragen gemäß Artikel 45 in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung des Abhängigkeitsverhältnisses zu berücksichtigen sind, in Bezug auf die Kriterien zur Feststellung des Bestehens einer nachgewiesenen familiären Bindung, in Bezug auf die Kriterien zur Beurteilung der Fähigkeit der betreffenden Person zur Sorge für die abhängige Person und in Bezug auf die Elemente, die zur Beurteilung einer längerfristigen Reiseunfähigkeit zu berücksichtigen sind, delegierte Rechtsakte zu erlassen.

(4) Die Kommission legt im Wege von Durchführungsrechtsakten einheitliche Bedingungen für Konsultationen und den Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten fest. Diese

Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 44 Absatz 2 genannten Prüfverfahren erlassen.

Art. 17

Ermessensklauseln

(1) Abweichend von Artikel 3 Absatz 1 kann jeder Mitgliedstaat beschließen, einen bei ihm von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen gestellten Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist.

Der Mitgliedstaat, der gemäß diesem Absatz beschließt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu prüfen, wird dadurch zum zuständigen Mitgliedstaat und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Er unterrichtet gegebenenfalls über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet worden ist, den zuvor zuständigen Mitgliedstaat, den Mitgliedstaat, der ein Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder den Mitgliedstaat, an den ein Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch gerichtet wurde.

Der Mitgliedstaat, der nach Maßgabe dieses Absatzes zuständig wird, teilt diese Tatsache unverzüglich über Eurodac nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 mit, indem er den Zeitpunkt über die erfolgte Entscheidung zur Prüfung des Antrags anfügt.

(2) Der Mitgliedstaat, in dem ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt worden ist und der das Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats durchführt, oder der zuständige Mitgliedstaat kann, bevor eine Erstentscheidung in der Sache ergangen ist, jederzeit einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, aus humanitären Gründen, die sich insbesondere aus dem familiären oder kulturellen Kontext ergeben, um Personen jeder verwandtschaftlichen Beziehung zusammenzuführen, auch wenn der andere Mitgliedstaat nach den Kriterien in den Artikeln 8 bis 11 und 16 nicht zuständig ist. Die betroffenen Personen müssen dem schriftlich zustimmen.

Das Aufnahmegesuch umfasst alle Unterlagen, über die der ersuchende Mitgliedstaat verfügt, um dem ersuchten Mitgliedstaat die Beurteilung des Falles zu ermöglichen.

Der ersuchte Mitgliedstaat nimmt alle erforderlichen Überprüfungen vor, um zu prüfen, dass die angeführten humanitären Gründe vorliegen, und antwortet dem ersuchenden Mitgliedstaat über das elektronische Kommunikationsnetz DubliNet, das gemäß Artikel 18 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 eingerichtet wurde, innerhalb von zwei Monaten nach Eingang des Gesuchs. Eine Ablehnung des Gesuchs ist zu begründen.

Gibt der ersuchte Mitgliedstaat dem Gesuch statt, so wird ihm die Zuständigkeit für die Antragsprüfung übertragen.

KAPITEL V

PFLICHTEN DES ZUSTÄNDIGEN MITGLIEDSTAATS

Artikel 18

Pflichten des zuständigen Mitgliedstaats

(1) Der nach dieser Verordnung zuständige Mitgliedstaat ist verpflichtet:

a) einen Antragsteller, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Artikel 21, 22 und 29 aufzunehmen;

b) einen Antragsteller, der während der Prüfung seines Antrags in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

c) einen Drittstaatsangehörigen oder einen Staatenlosen, der seinen Antrag während der Antragsprüfung zurückgezogen und in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich ohne Aufenthaltstitel im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen;

d) einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, dessen Antrag abgelehnt wurde und der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat oder der sich im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats ohne Aufenthaltstitel aufhält, nach Maßgabe der Artikel 23, 24, 25 und 29 wieder aufzunehmen.

(2) Der zuständige Mitgliedstaat prüft in allen dem Anwendungsbereich des Absatzes 1 Buchstaben a und b unterliegenden Fällen den gestellten Antrag auf internationalen Schutz oder schließt seine Prüfung ab.

Hat der zuständige Mitgliedstaat in den in den Anwendungsbereich von Absatz 1 Buchstabe c fallenden Fällen die Prüfung nicht fortgeführt, nachdem der Antragsteller den Antrag zurückge

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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