TE Bvwg Beschluss 2019/3/13 I403 2136758-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.03.2019
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Entscheidungsdatum

13.03.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
VwGVG §28
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I403 2136758-2/3E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.02.2019, Zl. 1020701303/190186135, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, StA. Algerien, hat das Bundesverwaltungsgericht durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Fremde, ein Staatsangehöriger von Algerien, reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte erstmalig am 03.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er in seiner Erstbefragung zunächst mit den schlechten Lebensbedingungen in Algerien begründete, im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde hingegen damit, dass sein Vater in Algerien umgebracht worden sei, da er Alkohol verkauft habe. Sein erster Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (fortan: BFA; belangte Behörde) vom 20.09.2016 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn ausgesprochen. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.12.2016 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

2. Am 06.12.2016 wurde der Fremde einer Delegation der algerischen Vertretungsbehörde in Wien vorgeführt und als algerischer Staatsangehöriger identifiziert.

3. Am 21.02.2019 stellte der Fremde während seiner Anhaltung in Schubhaft einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete er in der Erstbefragung am selben Tag damit, dass der Dolmetscher in seiner "1. Asyleinvernahme" ihn falsch verstanden und auch falsche Angaben gemacht habe. Der Fremde würde nicht aus Algerien stammen, sondern aus "Polisario", Westsahara. Er habe keinerlei Bezug zu Algerien. Sein Vater sei albanischer Herkunft und er kenne ihn nicht. Seine Mutter habe jemand anderen geheiratet, sodass der Fremde in "Polisario" als "Bastard" gelte und von der Gesellschaft nicht akzeptiert werde. Er habe Angst, in seiner Heimat als "identitätsloser Mensch" getötet zu werden.

4. Mit schriftlicher Verfahrensanordnung gemäß § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG 2005 vom 25.02.2019 wurde dem Fremden die Absicht der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht, seinen Folgeantrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und den faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.

5. Bei seiner am 28.02.2019 erfolgten niederschriftlichen Einvernahme durch das BFA brachte der Fremde neuerlich vor, in "Polisario" geboren worden zu sein. Seine Mutter sei nach Libyen gezogen und habe dort wieder geheiratet. Als uneheliches Kind sowie aufgrund seines albanischen Namens habe der Fremde ständig Probleme in den arabischen Ländern, sodass er nach Europa gezogen sei.

6. Nach Abschluss der Vernehmung sowie nach Unterbrechung und Fortsetzung der Amtshandlung hob das BFA mit dem am 28.02.2019 mündlich verkündeten Bescheid den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auf. Das BFA wies darauf hin, dass das nunmehrige Vorbringen des Fremden nicht glaubhaft sei und sich kein objektiv neuer Sachverhalt ergeben habe. Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz sei daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

7. Der Verwaltungsakt und der Bescheid wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 05.03.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Vorlage des Aktes durch das Bundesamt gilt gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 bereits als Beschwerde.

1. Feststellungen:

Der volljährige Fremde ist algerischer Staatsangehöriger und somit Drittstaatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Der erste Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 03.06.2014 wurde mit Bescheid des BFA vom 20.09.2016 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn ausgesprochen. Eine gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.12.2016 rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

Im gegenständlichen Asylverfahren brachte der Fremde keine glaubhaften Fluchtgründe vor, aus welchen sich ein objektiv neuer Sachverhalt ergibt.

Weder im Hinblick auf die allgemeine Lage in Algerien noch im Hinblick auf die anzuwendenden rechtlichen Bestimmungen ist seit Dezember 2016 und damit seit Rechtskraft des vorangegangenen abweisenden Erkenntnisses eine maßgebliche Änderung eingetreten.

Der Fremde machte auch keine schwerwiegenden gesundheitlichen Probleme geltend. Auch eine wesentliche Änderung des Privat- und Familienlebens des Fremden kann nicht festgestellt werden. Der Fremde verfügt in Österreich über keine familiären, beruflichen oder sonstigen maßgeblichen sozialen oder privaten Anknüpfungspunkte, er verfügt über keine ausreichenden Existenzmittel und ist nicht erwerbstätig. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung ist nicht erkennbar. Er hat zwei Deutsch-Kurse besucht, kann jedoch kein Zertifikat vorweisen.

Der Fremde weist in Österreich vier rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilungen auf:

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 26.06.2015 wurde der Fremde wegen des gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 SMG, wegen Urkundenunterdrückung nach §§ 15, 229 StGB, sowie wegen gewerbsmäßigen Diebstahls und Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 15, 127, 130 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 27.07.2015 wurde der Fremde wegen Urkundenunterdrückung nach § 229 StGB, wegen gewerbsmäßigen Diebstahls und Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 15, 127, 130 Abs. 1 erster Fall StGB sowie wegen Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 30.10.2015 wurde der Fremde wegen des gewerbsmäßigen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 15 StGB, § 27 Abs. 1 Z 1 achter Fall, Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 02.08.2016 wurde der Fremde wegen gewerbsmäßigen Diebstahls und Diebstahls im Rahmen einer kriminellen Vereinigung nach §§ 12 dritter Fall, 15, 127, 130 Abs. 1 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten verurteilt.

2. Beweiswürdigung:

Die Identität des Fremden ergibt sich aufgrund dessen, dass dieser am 06.12.2016 einer Delegation der algerischen Vertretungsbehörde in Wien vorgeführt und hierbei als algerischer Staatsangehöriger identifiziert wurde.

Die Angaben zu den Asylverfahren des Fremden ergeben sich aus den vorliegenden Akten.

Der Fremde hatte im vorangegangenen Verfahren zunächst angegeben, Algerien aufgrund der schlechten Lebensbedingungen verlassen zu haben, ehe er seinen Fluchtgrund dahingehend abänderte, dass sein Vater in Algerien umgebracht worden sei, da er Alkohol verkauft habe.

Im gegenständlichen Verfahren änderte der Fremde sein Vorbringen aus dem Erstverfahren gänzlich. Er gab an, der Dolmetscher in seiner "1. Asyleinvernahme" habe ihn falsch verstanden und auch falsche Angaben gemacht. Der Fremde würde nicht aus Algerien stammen, sondern aus "Polisario", Westsahara. Er habe keinerlei Bezug zu Algerien. Sein Vater sei albanischer Herkunft, und er kenne ihn nicht. Seine Mutter habe jemand anderen geheiratet, sodass der Fremde in "Polisario" als "Bastard" gelte und von der Gesellschaft nicht akzeptiert werde. Er habe Angst, in seiner Heimat als "identitätsloser Mensch" getötet zu werden.

Den Ausführungen des Fremden zu seinen Fluchtgründen in seinem nunmehr zweiten Asylverfahren ist jegliche Glaubhaftigkeit zu versagen, insbesondere aufgrund dessen, dass dieser am 06.12.2016 bereits von einer Delegation der algerischen Vertretungsbehörde in Wien als algerischer Staatsangehöriger identifiziert wurde. Zudem handelt es sich bei "Polisario" um keinen Ort, sondern ist dies die Bezeichnung für die Unabhängigkeitsbewegung für die Westsahara. Wenn der Beschwerdeführer tatsächlich aus dieser Gegend stammen würde, würde er dies wissen und nicht angeben, in "Polisario" geboren zu sein. Außerdem wäre anzunehmen, dass er, wenn er aus dem Gebiet der Westsahara stammen würde, dass er dies im ersten Asylverfahren angegeben hätte; dass er in beiden Einvernahmen des ersten Asylverfahrens hinsichtlich seiner Staatsbürgerschaft missverstanden worden ist, ist nicht plausibel. Sein Vorbringen, aus der Westsahara zu stammen, ist daher nicht glaubhaft.

Ein Abgleich zwischen den Länderfeststellungen des ersten Asylverfahrens und dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Algerien ergibt keine Verschlechterung der allgemeinen Situation in Algerien. Eine solche würde auch nicht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes entsprechen und wurde vom Fremden auch nicht behauptet. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Fremden nach Algerien eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.

In Bezug auf das Privat- und/oder Familienleben des Fremden im Bundesgebiet ist seit rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens keine entscheidungsrelevante Änderung des Sachverhaltes erkennbar. Insbesondere kann aufgrund der inkonsistenten und unsubstantiierten Angaben des Fremden nicht festgestellt werden, ob er im Raum der Europäischen Union tatsächlich Verwandte hat. Während der Fremde in seinem ersten Asylverfahren noch angegeben hatte, Vater eines Sohnes zu sein, gab er in seinem zweiten Asylverfahren wiederum an, möglicherweise Vater einer Tochter zu sein, welche in Belgien leben würde.

Der Umstand, dass der Beschwerdeführer in Österreich zwei Deutsch-Kurse besucht hat, ergibt sich aus diesbezüglich vorgelegten Teilnahmebestätigungen.

Die rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Abfrage im Strafregister der Republik Österreich vom 11.03.2019.

Was den Gesundheitszustand des Fremden betrifft, so brachte dieser im gegenständlichen Verfahren eine Therapiebestätigung vom 07.02.2019 in Vorlage, aus welcher hervorgeht, dass er vom 11.10.2018 bis 11.02.2019 an einer Drogentherapiegruppe in der JA XXXX teilgenommen hat, welche für ein Jahr vorgesehen ist, jedoch nunmehr nach 4 Monaten, aufgrund seiner Haftentlassung, beendet wurde. Die Therapie kann erforderlichenfalls auch in Algerien, wo medizinische Versorgung grundsätzlich, wie dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu entnehmen ist, allgemein zugänglich und kostenfrei ist, fortgesetzt werden.

Der Folgeantrag wird daher voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss.

Zu A) Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

3.1. Zu den rechtlichen Grundlagen

Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:

§12a Abs. 2 und 6 AsylG 2005 lauten:

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 lautet:

(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

§ 22 BFA-VG lautet:

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

3.2. Zur Rechtsprechung zum § 12a AsylG 2005

3.2.1. Der Verwaltungsgerichtshof fasste die Leitlinien zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes folgendermaßen zusammen (VwGH, 19.12.2017, Ra 2017/18/0451):

"Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, genießt gemäß § 12 AsylG 2005 grundsätzlich bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 nicht mehr zulässig ist, faktischen Abschiebeschutz; das bedeutet, dass er weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden darf.

Durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, wurden für Folgeanträge auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 Sonderregelungen geschaffen, die in bestimmten Fällen Ausnahmen vom faktischen Abschiebeschutz vorsehen.

Sie haben - nach den Gesetzesmaterialien (RV 330 BlgNR 24. GP 11) -

"unter Wahrung der notwendigen rechtsstaatlichen Garantien ... das

Ziel, jene Fälle, in denen ein berechtigtes Interesse an einem neuerlichen Asylverfahren besteht, möglichst früh von klar missbräuchlichen Antragstellungen zu unterscheiden und diese in weiterer Folge als Mittel zur Hintanhaltung fremdenpolizeilicher Maßnahmen unbrauchbar zu machen."

Dieses Ziel wird sowohl vom Verfassungsgerichtshof in seiner bisher zu § 12a AsylG 2005 ergangenen Rechtsprechung (vgl. etwa VfSlg. 19.215/2010, VfSlg 19.841/2014) als auch im Unionsrecht als legitim anerkannt. So sieht die Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Verfahrensrichtlinie) zum einen vor, Folgeanträge unter bestimmten Voraussetzungen als unzulässig zu betrachten (vgl. Art. 33 Abs. 2 lit. d, Art. 40 Abs. 5 leg. cit.), zum anderen erlaubt Art. 41 Abs. 1 der Verfahrensrichtlinie den Mitgliedstaaten, Ausnahmen vom Recht auf Verbleib im Hoheitsgebiet zu machen, wenn eine Person a) nur zur Verzögerung oder Behinderung der Durchsetzung einer Entscheidung, die zu ihrer unverzüglichen Abschiebung aus dem betreffenden Mitgliedstaat führen würde, förmlich einen ersten Folgeantrag gestellt hat, der gemäß § 40 Abs. 5 nicht weiter geprüft wird, oder

b) nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag gemäß Art. 40 Abs. 5 als unzulässig zu betrachten, oder nach einer bestandskräftigen Entscheidung, einen ersten Folgeantrag als unbegründet abzulehnen, in demselben Mitgliedstaat einen weiteren Folgeantrag stellt. Allerdings können die Mitgliedstaaten eine solche Ausnahme nur dann machen, wenn die Asylbehörde die Auffassung vertritt, dass eine Rückkehrentscheidung keine direkte oder indirekte Zurückweisung zur Folge hat, die einen Verstoß gegen die völkerrechtlichen und unionsrechtlichen Pflichten dieses Mitgliedstaates darstellt. In den aufgeführten Fällen können die Mitgliedstaaten ferner - im Einklang mit dem nationalen Recht - von den für beschleunigte Verfahren üblicherweise geltenden Fristen abweichen, sofern das Prüfungsverfahren gemäß Art. 31 Abs. 8 lit. g der Verfahrensrichtlinie beschleunigt durchgeführt wird, bzw. - im Einklang mit dem nationalen Recht - von den Fristen abweichen, die üblicherweise für Zulässigkeitsprüfungen gemäß den Art. 33 und 34 der Verfahrensrichtlinie gelten. Auch kann von Art. 46 Abs. 8 der Verfahrensrichtlinie abgewichen werden, wonach dem Antragsteller gewöhnlich bis zur Entscheidung über seinen Rechtsbehelf gestattet wird, im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaates zu verbleiben.

Die Verfahrensrichtlinie erlaubt es daher, das Recht auf Verbleib eines Asylwerbers im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates auch während der Prüfung seines Folgeantrags zu beschränken, wenn der Folgeantrag entweder nur dazu dient, eine (rechtmäßige) Abschiebung zu verzögern oder zu behindern, oder wenn nach vorangegangener Prüfung eines Folgeantrags, der zu einer Zurückweisung oder Abweisung geführt hat, (zumindest) ein weiterer Folgeantrag gestellt wird. In jedem Fall ist jedoch der Refoulementschutz zu wahren.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist auch die in Rede stehende Norm des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 auszulegen. Sie sieht vor, dass das BFA den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden, der einen Folgeantrag gestellt hat und bei dem - wie im vorliegenden Fall - die Voraussetzungen des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 nicht erfüllt sind, aberkennen kann, wenn drei Voraussetzungen gegeben sind: Erstens muss gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG bestehen; zweitens muss die Prognose zu treffen sein, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und drittens darf die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern.

Auf einen solchen missbräuchlichen Zweck deutet - unter Bedachtnahme auf Art. 41 Abs. 1 lit. b der Verfahrensrichtlinie - etwa auch die mehrfache Folgeantragstellung hin, wenn dieser keine substanziell neuen und eine andere Beurteilung rechtfertigenden Sachverhaltselemente zugrunde liegen. Möglich sind aber auch andere Umstände, die den Schluss zulassen, dass der Fremde mit seinem Folgeantrag eine (bevorstehende) Abschiebung verhindern oder verzögern möchte.

Nach § 22 Abs. 1 BFA-VG ist das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. (...) In dem bereits zitierten Urteil vom 26. Juli 2017, Sacko, C-348/16, hat der EuGH erkannt, dass es weder der Verfahrensrichtlinie noch Art. 47 GRC widerspricht, wenn ein nationales Gericht einen Rechtsbehelf gegen die Entscheidung, einen offensichtlich unbegründeten Antrag (wozu nach Art. 31 Abs. 8 lit. f der Verfahrensrichtlinie auch ein unzulässiger Folgeantrag gehört) abzulehnen, ohne Anhörung des Fremden entscheidet. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Fremde im erstinstanzlichen Verfahren persönlich angehört worden ist, seine Angaben in den Akten aufscheinen und die tatsächlichen Umstände keine Zweifel an der Begründetheit der ablehnenden Entscheidung aufkommen lassen. Gleichzeitig hat der EuGH aber betont, dass der nationale Gesetzgeber das Gericht nicht daran hindern darf, eine Anhörung anzuordnen, wenn es die bei der persönlichen Anhörung des Fremden im erstinstanzlichen Verfahren erlangten Informationen für unzureichend hält und deshalb eine solche Anhörung als erforderlich ansieht, um eine umfassende, sich sowohl auf Tatsachen als auch auf Rechtsfragen erstreckende Exnunc-Prüfung vorzunehmen (vgl. insbesondere Rn. 49 des zitierten Urteils).

Nichts anderes kann aber gelten, wenn es - wie hier - um eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes bei einem Folgeantrag geht, handelt es sich dabei doch um eine der endgültigen Entscheidung über den Folgeantrag vorgelagerte Anordnung mit weitreichenden Folgen für den Status und den Schutz des Betroffenen.

§ 22 Abs. 1 BFA-VG ist daher - unionsrechtskonform - so zu verstehen, dass das BVwG zwar ohne Verhandlung entscheiden kann, die Norm aber kein "Verhandlungsverbot" statuiert, sondern dem BVwG die Möglichkeit offen lässt, im Sinne der zitierten Rechtsprechung des EuGH erforderlichenfalls eine Verhandlung durchzuführen."

3.2.2. Zur Verfassungsmäßigkeit der § 12a AsylG 2005, § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und des § 22 BFA-VG stellte der Verfassungsgerichtshof fest (VfGH, 10.10.2018, G186/2018 ua) fest:

"Gemäß §22 Abs10 AsylG 2005 wird nicht das BVwG, sondern vielmehr das BFA, also die Verwaltungsbehörde, von Amts wegen tätig. Das BFA hat dem BVwG die Verwaltungsakten unverzüglich zur Überprüfung zu übermitteln. Nach den Erläuterungen zu §22 Abs10 AsylG 2005 erfolgt diese Übermittlung der Verwaltungsakten "automatisch", also von Amts wegen. Das BVwG wird indes nicht aus Eigenem tätig; vielmehr wird die Pflicht zur Überprüfung des verwaltungsbehördlichen Bescheides erst mit dem Einlangen der Verwaltungsakten, die das BFA zu übermitteln hat, ausgelöst (vgl die VfSlg 19215/2010 zugrundeliegende Gesetzessystematik).

Des Weiteren liegt auch eine Beschwerde iSd Art. 130 B-VG vor. Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann eine Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde u.a. erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet ("Parteibeschwerde"). Art. 132 B-VG regelt somit, wem die Beschwerdeberechtigung zukommt; eine Beschwerde kann ausschließlich von einem legitimierten Beschwerdeführer erhoben werden. Die Beschwerdelegitimation knüpft dabei an den jeweiligen Beschwerdegegenstand an. Die gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 erfolgte Übermittlung der Verwaltungsakten an das BVwG gilt nach der ausdrücklichen Anordnung des § 22 Abs. 10 vierter Satz leg cit als Beschwerde gegen den Bescheid des BFA. Den Erläuterungen zufolge sei "eine gesonderte Beschwerde aus Eigenem [...] daher nicht zulässig" bzw "erforderlich".

Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber mit der Übermittlung der Verwaltungsakten intendiert, eine Parteibeschwerde, also die Geltendmachung einer Rechtswidrigkeit durch den Betroffenen im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG, zu fingieren.

Die vom Gesetzgeber in § 22 Abs. 10 AsylG 2005 und § 22 BFA-VG angeordnete Rechtsschutzkonstruktion in Form einer fiktiven Parteibeschwerde in ausnahmslos jedem Fall einer Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist - vor dem Hintergrund des engen inhaltlichen Zusammenhanges des Aufhebungsverfahrens mit dem Folgeantrag - mit dem in Art. 130 und 132 B-VG vorgesehenen System der Verwaltungsgerichtsbarkeit vereinbar:

Das Verfahren über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 steht stets in Zusammenhang mit einem Asylverfahren anlässlich eines Folgeantrages, über den noch nicht abschließend entschieden wurde. Diesem Folgeantrag geht ein rechtskräftig mit der vollinhaltlichen Ab- oder Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz abgeschlossenes, rechtsstaatlich durchgeführtes, Asylverfahren ("Erstverfahren") voraus, das mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden wurde. Folglich wurde bereits vor der Stellung eines Folgeantrages zumindest einmal eine Refoulement-Prüfung bzw Interessenabwägung vorgenommen.

Gemäß § 12a Abs. 2 Z1 AsylG 2005 kann der faktische Abschiebeschutz nur aufgehoben werden, wenn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG vorliegt. § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt eine Prognoseentscheidung über eine voraussichtliche Antragszurückweisung; die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Darüber hinaus sieht § 12a Abs. 2 Z 3 leg cit vor, dass vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und damit vor der möglichen Effektuierung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erneut eine Refoulement-Prüfung nach Art. 2 und 3 EMRK sowie eine Interessenabwägung iSv Art8 EMRK vorzunehmen sind.

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 12a und § 41a Abs. 2 AsylG 2005 idF vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 heben hervor, dass sich die Refoulement-Prüfung auf einen seit dem Entscheidungszeitpunkt des vorigen Verfahrens geänderten Sachverhalt zu beziehen hat. Die - durch die Übermittlung der Verwaltungsakten an das BVwG ausgelöste - "automatische" Überprüfung der Entscheidung des BFA gewährleistet die rasche Überprüfung durch das BVwG. Der Überprüfung durch das BVwG kommt an sich keine aufschiebende Wirkung zu. Jedoch hat der Gesetzgeber mit der - ab Einlangen des Verwaltungsaktes bei der zuständigen Gerichtsabteilung beginnenden - Frist von drei Arbeitstagen, innerhalb derer mit der Effektuierung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme zuzuwarten ist, in einem erforderlichen Maß sichergestellt, dass das BVwG in der Lage ist, den Fall zu prüfen und gegebenenfalls die Entscheidung des BFA zu beheben, bevor es zu einer Außerlandesschaffung kommt.

Die Gesetzesmaterialien erklären die Einführung der Sonderbestimmungen für Folgeanträge mit der Praxis in der Vergangenheit. Diese habe gezeigt, dass Fremde, deren Asylantrag auch nach Beschwerden vor dem Asyl- und VfGH ab- oder zurückgewiesen wurde, oftmals einen oder auch mehrere weitere Asylanträge gestellt hätten (diese Feststellung wird in den Materialien mit entsprechendem Datenmaterial untermauert). Diese Anträge würden oft nicht dem berechtigten Vorbringen neuer Asylgründe dienen, sondern allein auf die Verhinderung aufenthaltsbeendender Maßnahmen und damit auf die ungerechtfertigte Verlängerung des faktischen Aufenthalts in Österreich abzielen. Diese Vorgehensweise stelle für das Asylsystem eine enorme Belastung dar und gefährde den geordneten Vollzug des Fremdenwesens.

Die angefochtenen Bestimmungen gewährleisten für den vorliegenden Zusammenhang, dass im Verfahren über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes rasch entschieden wird. Mit einem Folgeantrag auf internationalen Schutz begehrt ein Fremder, den Status eines Asylberechtigten iSd § 2 Abs. 1 Z 15 AsylG 2005 zu erlangen. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durch das BFA läuft dem vom Fremden mit der Stellung des Folgeantrages erkennbar verfolgten Ziel, sich (rechtmäßig) im Bundesgebiet aufzuhalten, zuwider. Zudem greift die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes, der Fremden zunächst durch § 12 Abs. 1 AsylG 2005 ex lege zusteht, in deren verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte ein.

Der VwGH und das BVwG gehen zwar zu Recht davon aus, dass Art. 130 B-VG grundsätzlich der Gedanke zugrunde liegt, ein Verwaltungsgericht habe nur dann über Streitigkeiten betreffend die Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde zu entscheiden, wenn solche von jemandem, der rechtliche Interessen verfolgt, an das Verwaltungsgericht herangetragen werden. Doch kann dem Gesetzgeber im vorliegenden Fall von Verfassungs wegen nicht entgegengetreten werden, wenn er den von einem Aufhebungsbescheid betroffenen Fremden in typisierender Betrachtungsweise unterstellt, eine Abschiebung für die Zukunft unterbinden und daher den Bescheid über die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes bekämpfen zu wollen. Vor diesem Hintergrund geht der Gesetzgeber in der spezifischen Konstellation der §§ 22 Abs. 10 AsylG 2005 und 22 BFA-VG zulässigerweise davon aus, dass eine Beschwerdeerhebung in Form einer gesetzlichen Fiktion den rechtlichen Interessen des von einem Aufhebungsbescheid betroffenen Fremden entspricht.

Das BVwG hat den Bescheid gemäß § 22 Abs. 10 letzter Satz AsylG 2005 auf seine Rechtswidrigkeit hin zu überprüfen. Das BVwG ist sohin gehalten, (sämtliche) Rechtswidrigkeiten aufzugreifen. Abgesehen davon ist es dem betroffenen Fremden nicht verwehrt, eine Stellungnahme abzugeben bzw durch eine Beschwerdeergänzung auf Umstände des Falles hinzuweisen, die ihm entscheidungsrelevant erscheinen. Dies wird durch § 22 Abs. 1 dritter Satz BFA-VG bestätigt, der die Geltung des § 20 leg.cit. normiert und damit eine Beschränkung des zulässigen (Beschwerde-)Vorbringens auch für das Verfahren über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes anordnet. Dem Fremden wird insofern von Gesetzes wegen insbesondere auch nicht die Möglichkeit genommen, von ihm behauptete Rechtswidrigkeiten des Aufhebungsbescheides vorzubringen."

3.3. Anwendung auf den Beschwerdefall:

Das Verfahren über den Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 03.06.2014 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.12.2016 rechtskräftig abgeschlossen. Beim Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 21.02.2019 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.12.2016 wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen. Es liegt somit kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG 2005 vor.

Aufrechte Rückkehrentscheidung

Das Vorliegen einer aufrechten Rückkehrentscheidung ist notwendiges Tatbestandselement des § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Gegenständlich liegt durch das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.12.2016 eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gegen den Fremden vor.

Res iudicata

Der Antrag vom 21.02.2019 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist. Der Fremde änderte sein Vorbringen aus dem Erstverfahren zwar gänzlich und gab insbesondere an, er würde gar nicht aus Algerien stammen, sondern aus der Westsahara. Den Ausführungen des Fremden zu seinen Fluchtgründen in seinem nunmehr zweiten Asylverfahren ist jedoch jegliche Glaubhaftigkeit zu versagen, insbesondere aufgrund dessen, dass dieser am 06.12.2016 bereits von einer Delegation der algerischen Vertretungsbehörde in Wien als algerischer Staatsangehöriger identifiziert wurde.

Ist davon auszugehen, dass ein/eine Asylwerber/Asylwerberin einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz auf behauptete Tatsachen stützt, die bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens bestanden haben, die dieser/diese jedoch nicht bereits im ersten Verfahren vorgebracht hat, liegt schon aus diesem Grund keine Sachverhaltsänderung vor und ist der weitere Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Daher wird auch aus diesem Grund der Antrag auf internationalen Schutz mit hoher Wahrscheinlichkeit zurückzuweisen sein.

Verletzungen der EMRK

Im vorangegangenen Verfahrensgang hat das Bundesverwaltungsgericht bereits ausgesprochen, dass der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention ausgesetzt wäre oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestehen würde (§ 50 FPG). In der Begründung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes wird ausgeführt, dass der Fremde keine Gefährdung seiner Person glaubhaft machen konnte. Es sei nicht anzunehmen, dass er im Falle einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein würde. Auch aus der allgemeinen Situation im Heimatland bzw. der zu erwartenden Rückkehrsituation alleine ließe sich eine solche nicht ableiten.

Auch im gegenständlichen Asylverfahren vor dem BFA sind keine Risiken für den Fremden im Sinne von § 12a Abs. 2 Z 3 AsylG hervorgekommen oder substantiiert behauptet worden. Es sind auch keine wesentlichen in der Person des Fremden liegenden neuen Sachverhaltselemente bekannt geworden, wie beispielsweise eine schwere Erkrankung, die eine umfassende Refoulementprüfung für notwendig erscheinen lassen würden. Der Umstand alleine, dass der Fremde eine Suchtmitteltherapie begonnen hat, reicht nicht aus, um von einer schwerwiegenden Erkrankung und damit verbunden einer Art. 2 oder 3 EMRK Verletzung für den Fall einer Rückkehr auszugehen. Auch seitens des Fremden wurde kein entsprechendes konkretes Vorbringen hiezu getätigt. Ebenso gibt es keine Hinweise darauf, dass der Fremde in Österreich ein schützenswertes Privat- und Familienleben führen würde, so dass auch nicht anzunehmen ist, dass eine Rückkehrentscheidung für ihn eine Verletzung seiner in Art. 8 EMRK geschützten Rechte bedeuten würde.

Im Lichte des § 22 BFA - VG hatte keine mündliche Verhandlung stattzufinden.

Da insgesamt die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG für die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes vorgelegen sind, ist der dazu mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 28.02.2019 rechtmäßig erfolgt. Aufgrund der oben dargelegten Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfGH, 10.10.2018, G186/2018) liegt im gegenständlichen Fall eine fingierte Parteibeschwerde vor (siehe dazu auch VwGH, 12.12.2018, Ra 2018/19/0010: "Ungeachtet dessen, dass das Verwaltungsgericht seinen Spruch als feststellende Entscheidung formuliert hat, ist unzweifelhaft davon auszugehen, dass es eine Entscheidung über die vom Gesetz fingierte Parteibeschwerde getroffen hat."), weshalb spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an eine Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Da die in der vorliegenden Entscheidung maßgeblichen Rechtsfragen klar sind und keiner Auslegung bedürfen, geht das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG aus.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache, Privat- und Familienleben, real risk, reale
Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2136758.2.00

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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