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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §52;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Graf als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde des Ing. R in Wiener Neustadt, vertreten durch Dr. Michael Zerobin, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, Herzog Leopoldstraße 2, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 16. April 1998, Zl. RU6-St-R-975, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A bis C, F und G entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, dass ihm "auf Dauer" keine Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften und wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Vorauszuschicken ist, dass das Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung bereits vor Inkrafttreten des Führerscheingesetzes anhängig war, sodass die belangte Behörde zufolge § 41 Abs. 1 leg. cit. das Verfahren nach den Bestimmungen des KFG 1967 zu Ende zu führen hatte.
Festzuhalten ist ferner, dass die Umschreibung der Entziehungszeit mit den Worten "auf Dauer" im Zusammenhalt mit der Begründung des angefochtenen Bescheides dahin zu verstehen ist, dass dem Beschwerdeführer für die Dauer seiner gesundheitlichen Nichteignung die Lenkerberechtigung entzogen wird. Damit wird keine Entziehung für die Dauer von mindestens fünf Jahren im Sinne des § 123 Abs. 1 KFG 1967 ausgesprochen, sodass gegen den Bescheid der belangten Behörde - im Sinne der von ihr erteilten Rechtsmittelbelehrung - keine weitere Berufung zulässig war.
Der angefochtene Bescheid beruht der Sache nach auf der Annahme, dem Beschwerdeführer fehle wegen des Mangels der nötigen kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit die geistige und körperliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen. Die belangte Behörde stützte sich dabei auf das Gutachten ihres ärztlichen Amtssachverständigen vom 16. März 1998, zu dem der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. April 1998 Stellung genommen habe, und führte begründend aus, wie aus dem schlüssigen Amtssachverständigengutachten hervorgehe, bestehe beim Beschwerdeführer eine reduzierte motorische Reaktionssicherheit sowie eine allgemeine Verlangsamung des Reaktionsverhaltens und der Daueraufmerksamkeitsbelastbarkeit, weshalb er die Kriterien für den Besitz der Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B - hinsichtlich dieser Gruppe war im erstinstanzlichen Bescheid die Lenkerberechtigung auf ein Jahr befristet und auf die Verwendung von Kraftfahrzeugen mit Servolenkung und Automatikgetriebe eingeschränkt worden - nicht erfülle. Die Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 7. April 1998 sei nicht geeignet, die Ausführungen des Amtssachverständigen vom 16. März 1998 in Zweifel zu ziehen. Da beim Beschwerdeführer grenzwertige Befunde vorlägen und auch keine Kompensationsmechanismen für das Lenken von Kraftfahrzeugen bestünden, sei ihm die Lenkerberechtigung zu entziehen gewesen.
Das Gutachten des ärztlichen Amtssachverständigen vom 16. März 1998 stützt sich auf einen Befund der Universitätsklinik für Psychiatrie vom 15. Dezember 1997. Danach bestehe beim Beschwerdeführer eine reduzierte motorische Reaktionssicherheit sowie eine allgemeine Verlangsamung des Reaktionsverhaltens und der Daueraufmerksamkeitsbelastbarkeit, "welche die Kriterien für die Lenkerberechtigung der Gruppe B nicht erfüllen (Note 4)". Dieser Befund befindet sich nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten. Sein konkreter Inhalt ist auch aufgrund des amtsärztlichen Sachverständigengutachtens vom 16. März 1998 nicht erschließbar, insbesondere ist nicht zu erkennen, welche Untersuchungen angestellt wurden, welche Werte der Beschwerdeführer dabei erzielt hat und welche Grenzwerte nach dem Erkenntnisstand der Verkehrspsychologie maßgebend sind. Es ist daher nicht möglich, die Schlüssigkeit des Gutachtens und die darauf basierende Annahme der belangten Behörde, dem Beschwerdeführer fehle die kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit, zu überprüfen.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. März 1999
Schlagworte
Gutachten rechtliche BeurteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998110139.X00Im RIS seit
19.03.2001