TE Bvwg Beschluss 2019/3/18 W230 2210033-2

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Veröffentlicht am 18.03.2019
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Entscheidungsdatum

18.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W230 2210036-2/2E

W230 2210045-2/2E

W230 2210037-2/2E

W230 2210040-2/2E

W230 2210044-2/2E

W230 2210033-2/2E

W230 2210028-2/2E

W230 2210042-2/2E

W230 2210030-2/2E

W230 2210032-2/2E

W230 2210026-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Philipp CEDE, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerden von

1. XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. XXXX ,

2. XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. XXXX ,

3. XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. XXXX ,

4. XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. XXXX ,

5. XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. XXXX ,

6. XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. XXXX ,

7. XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. XXXX ,

8. XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. XXXX ,

9. XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. XXXX ,

10. XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. XXXX ,

und

11. XXXX , geb. XXXX , StA.: Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.02.2019, Zl. XXXX :

A)

Die angefochtenen Bescheide werden gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an die belangte Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerden richten sich gegen Bescheide, mit denen die rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß § 69 AVG wieder aufgenommen, diese Anträge abgewiesen und Rückkehrentscheidungen erlassen wurden. Für Näheres wird auf die Feststellungen verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid vom 23.03.2017 gewährte die belangte Behörde dem Erstbeschwerdeführer den Status des Asylberechtigten mit der Begründung, er sei zum Christentum konvertiert (und habe in Afghanistan Verfolgung zu befürchten). Mit Bescheiden vom 03.10.2017 gewährte sie den Familienangehörigen den gleichen Schutzstatus.

Mit Bescheiden vom 22.10.2018 erkannte die belangte Behörde den Beschwerdeführern den Status als Asylberechtigte ab. In der dagegen erhobenen Beschwerde stellten die Beschwerdeführer unter anderem den Antrag auf Einvernahme des (namentlich näher bezeichneten) "Gemeindeältesten" der christlichen Gemeinde, die den Erstbeschwerdeführer aufgenommen habe. Diese Bescheide behob das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 30.11.2018 ersatzlos, weil der Sachverhalt auf keine (eine Aberkennung rechtfertigende) Änderung der Umstände hindeutete, sondern allenfalls einen Verdacht darauf zuließe, dass der Erstbeschwerdeführer schon ursprünglich nicht konvertiert ist. Dies wäre im Rahmen eines Verfahrens zur Wiederaufnahme der Verfahren über die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zu prüfen. Das Bundesverwaltungsgericht führte dazu näher aus: "Sollten diese Verfahren wieder aufgenommen werden, wird die Behörde über die (dann wieder offenen) Anträge auf Zuerkennung von internationalem Schutz zu entscheiden und dabei auch die Frage der Konversion zu klären haben. In diesem Fall hätte sie sich auch mit dem in den Beschwerden erstatteten Vorbringen und den darin gestellten Beweisanträgen auseinanderzusetzen".

In weiterer Folge führte die belangte Behörde am 28.01.2019 Einvernahmen der Beschwerdeführer durch. Mit Bescheiden vom 04.02.2019 sprach die belangte Behörde aus, dass die Verfahren über die Anträge auf Gewährung von internationalem Schutz wieder aufgenommen werden, wies diese Anträge ab und erließ Rückkehrentscheidungen.

Zum Einvernahmetermin am 28.01.2019 erschienen die Beschwerdeführer in Begleitung einer Pastorin, die dem Einvernahmeleiter als Zeugin "für theologische Rückfragen im Bezug auf baptistische bzw. freikirchliche Glaubenspraktiken" angeboten wurde. Diese gab dem Einvernahmeleiter weiters bekannt, dass eine Zeugenaussage von Herrn XXXX und Herrn XXXX [der bereits mehrfach erwähnte "Gemeindeälteste"] geeigneter wären, da sie zum Erstbeschwerdeführer "einen engeren Bezug haben". Die belangte Behörde sah von der Aufnahme eines weiteren Zeugenbeweises jedoch ab. Diese Vorgänge wurden von der belangten Behörde weder in einer Niederschrift noch in einem Aktenvermerk aktenkundig gemacht. Die Verweigerung der beantragten Einvernahme des ebenfalls (in diesem Fall bereits in der Beschwerde gegen die Aberkennungsbescheide) als Zeugen beantragten "Gemeindeältesten" begründet die belangte Behörde in den nunmehr angefochtenen Bescheiden mit der folgenden Passage: "Auch die vorgelegte Taufbestätigung oder die Zeugenaussagen können an dieser Feststellung nichts ändern, zumal der amts- und gerichtsbekannte Dr. ... [=der ‚Gemeindeälteste'] immer sehr vage Ausführungen über die Anwesenheiten der Mitglieder gibt. Lediglich eine schriftlich geführte Anwesenheitsliste könnte etwas glaubhaftere Indizien für eine tatsächliche Regelmäßigkeit der Kirchenbesuche darstellen". Die Anwesenheit der Pastorin als Vertrauensperson ließ die belangte Behörde während der Einvernahme nicht zu.

Die beschwerdeführende Familie besteht aus den Eltern und 9 Kindern im Alter von 1/2 Jahr bezieheungsweise 3, 7, 9, 11, 14, 15 und 17 Jahren. Ein Kind leidet unter einer Behinderung.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich (mit Ausnahme der Anwesenheit, Aussagen und Nichteinvernahme der Begleitperson) aus dem den Parteien bekannten Verfahrensgang, wie er auch aus den angefochtenen Bescheiden hervorgeht und unbestritten blieb. Die Feststellung, wonach eine Pastorin als Begleitperson zum Termin der Einvernahme der Beschwerdeführer im Jänner 2019 erschienen ist und dabei die genannten Zeugen namhaft gemacht wurden, ergibt sich aus dem Vorbringen in der Beschwerde, der ein "Gedächtnisprotokoll" dieser Person beigefügt war, sowie aus der Reaktion der belangten Behörde, die bei Vorlage der Beschwerde eine ausführliche Stellungnahme an das Bundesverwaltungsgericht erstattete, in der sie aber der Behauptung der Anwesenheit dieser Person und der Tatsache, dass sie als Zeugin angeboten worden war, nicht entgegentritt, sondern im Wesentlichen bestätigt, dafür aber dem darauf Bezug nehmenden Beschwerdevorbringen entgegenhält: "Hinsichtlich des Gedächtnisprotokolls ist anzuführen, dass die Vertrauensperson Fr. [...] nach der rechtlichen Grundlage § 19 Abs. 5 AsylG nicht zugelassen wurde [...]. Nachdem seitens der Behörde keine theologischen Fragen mehr offen waren, wurde von einer Zeugenbefragung Abstand genommen."

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Die Beschwerdeführer haben sich auf Zeugenbeweise berufen, die die belangte Behörde zu Unrecht nicht aufgenommen hat: Zum Einen ist sie auf den (bereits in den Beschwerden gegen die Bescheide vom 22.10.2018 gestellten) Antrag auf Einvernahme des "Gemeindeältesten" als Zeugen nicht gesetzeskonform eingegangen, zum Anderen hat sie verabsäumt, die von der als Zeugin mitgeführten Begleitperson (Pastorin) namhaft gemachte Person als weiteren Zeugen einzuvernehmen, wobei es (mangels entsprechender Nachfrage und Protokollierung) offen geblieben ist, ob das Namhaftmachen dieses weiteren Zeugen durch die begleitende Pastorin auch als im Namen der Beschwerdeführer abgegebene Erklärung zu verstehen war, und obwohl die Aussage für das hier zu klärende Beweisthema zumindest abstrakt relevant gewesen wäre: Die Behörde darf sich über relevante Zeugenanträge nicht begründungslos hinwegsetzen (vgl. mutatis mutandis VwGH 12.12.2018, Ra 2018/19/0010, Rz. 36; der VwGH erblickt sogar ohne darauf abzielenden Zeugenantrag einen Verfahrensmangel, wenn bei der Einvernahme ein Pastor anwesend ist aber nicht einvernommen wird, zB VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0260). Die Relevanz dieser Zeugenaussagen für das Beweisthema der Konversion ist naheliegend. Wenn die belangte Behörde das Unterbleiben der Einvernahme des "Gemeindeältesten" mit dem Hinweis begründet, dass dieser "immer nur vage Auskunft" gebe, liegt darin eine vorweggenommene Beweiswürdigung, die von vornherein keine gesetzeskonforme Begründung der Verweigerung der Aufnahme eines relevanten Zeugenbeweises bieten kann (Eine unzulässige antizipierende Beweiswürdigung liegt dann vor, wenn ein vermutetes Ergebnis noch nicht aufgenommener Beweise vorweggenommen wird; VwGH 14.08.2018, Ra 2018/01/0344; 30.01.2019, Ra 2018/03/0131). Dasselbe gilt für das Nichteingehen auf den weiteren namhaft gemachten Zeugen, für dessen Nichteinvernahme nicht einmal Gründe angeführt wurden.

Doch selbst unter Ausklammerung dieser ausstehenden Ermittlungsschritte zur Konversion und bei Unterstellung einer Scheinkonversion bieten die bisherigen Ermittlungsergebnisse keine tragfähige Grundlage für die getroffenen Rückkehrentscheidungen:

Die Behörde hat die angefochtenen Bescheide darauf gestützt, dass "in Bezug auf die Herkunftsprovinz" (Takhar) der Beschwerdeführer "von einer allgemein relevanten Gefährdungslage auszugehen sei" (ohne freilich im Detail darzulegen, warum die Rückkehr in diese Provinz in concreto eine Gefährdung im Sinne der Ausführungen im Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, bedeuten würde), geht in weiterer Folge aber davon aus, dass die Familie der Beschwerdeführer in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif eine innerstaatliche Fluchtalternative vorfinden könne.

Für die Annahme, dass eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehe, bezieht sich die Begründung der angefochtenen Bescheide sodann auf seitenlange Zitate von Passagen aus verwaltungsgerichtlicher Judikatur zur Zumutbarkeit einer Fluchtalternative für "alleinstehende, leistungsfähige Männer im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität" (die Behörde zitiert in diesem Zusammenhang ausschließlich VwGH-Judikatur in Bezug auf alleinstehende, gesunde erwerbsfähige Männer, so etwa VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063, 13.09.2016, Ra 2016/01/0096; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016, VfGH 12.12.2017, E 2068/2017) und verwertet auf Ebene der Beweismittel die dafür einschlägigen Aussagen der UNHCR-Richtlinien und des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation des BFA.

Die beschwerdeführende Familie ist aber weit davon entfernt, mit der Kategorie eines "alleinstehenden, leistungsfähigen Mannes im berufsfähigen Alter ohne spezifische Vulnerabilität" (oder auch eines verheirateten kinderlosen Paares) gleichgesetzt werden zu können. Die Berichtslage (insb. UNHCR-RL 2018) spricht auch für Herat, Mazar-e Sharif und Kabul gerade nicht für eine ohne weiteres unproblematische Niederlassung, sondern "problematisiert" die Niederlassung an diesen Orten und macht sie "von einer sorgfältigen Prüfung für den jeweiligen bestimmten Antragsteller abhängig" (VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533), was die Zumutbarkeit einer Niederlassung gerade einer Familie wie der hier vorliegenden daher begründungs- und unter Umständen ermittlungsbedürftig erscheinen lässt: Welche Elemente der Berichtslage die belangte Behörde herangezogen und/oder ermittelt haben will, die gerade für einen Fall wie den vorliegenden, einer 11-köpfigen Familie mit minderjährigen Kindern, teils im Kleinkinderalter, von denen eines behindert ist, einen Beleg für die Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative in Mazar-e Sharif, Kabul oder Herat zu belegen, legt der Bescheid ebensowenig offen wie die Grundlage dafür, warum in der Herkunftsprovinz eine (nach den Kriterien des Erkenntnisses 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 relevante) Gefährdung besteht, die eine Prüfung einer innerstaatlichen Fluchtalternative überhaupt erforderlich machen würde.

Entscheidungen mit einem Begründungsduktus wie jenem der hier angefochtenen Bescheide, das heißt ohne Heranziehung ergänzender (für die ausnahmsweise Zumutbarkeit einer Fluchtalternative sprechender) Beweisergebnisse, werden in der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes als Willkür qualifiziert und aufgehoben, so etwa in einem Fall, in dem das Bundesverwaltungsgericht bei einer Familie bestehend aus einem "verheirateten Elternpaar und drei minderjährigen Kindern weiblichen Geschlechts im Alter von eineinhalb bis fünf Jahren" die "unsubstantiierte Schlussfolgerung" gezogen hatte, den Beschwerdeführern könne "als Familie eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul oder Mazar-e-Sharif auch ohne familiäre Unterstützung oder soziale Anknüpfung zugemutet werden"; eine solche Schlussfolgerung stehe - so der Verfassungsgerichtshof - "im Widerspruch zu den Ausführungen in den Länderfeststellungen, wonach lediglich alleinstehende leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf die einzigen Ausnahmen von der Anforderung externer Unterstützung darstellen" (VfGH 11.06.2018, E 941/2018).

Ebenso bezeichnet es der Verfassungsgerichtshof als Willkür und hebt entsprechende Entscheidungen als verfassungswidrig auf, wenn im Verfahren keine Ermittlungen (Berichtslage) zur Sicherheitslage für minderjährige Kinder erhoben werden, indem "[w]eder Feststellungen zur allgemeinen Gefährdungslage von Minderjährigen in Afghanistan noch [...] eine Auseinandersetzung mit der Tatsache der Minderjährigkeit der [B]eschwerdeführer in der Beweiswürdigung oder der rechtlichen Begründung" erfolgen (VfGH 25.09.2018, E 1463/2018).

Die Behörde hat Zeugenaussagen und ergänzende Beweismittel im Sinne des oben Ausgeführten nicht erhoben und ihr Ermittlungsverfahren daher teils auf ungeeignete Ermittlungen beschränkt und teils bloß ansatzweise ermittelt. Dies wiegt umso schwerer als das Bundesverwaltungsgericht bereits im Erkenntnis vom 30.11.2018 zum Ausdruck brachte, dass es erwartet, dass sich die Behörde in einem allfälligen fortgesetzten Verfahren auch mit dem in den Beschwerden erstatteten Vorbringen und den darin gestellten Beweisanträgen auseinandersetzt. Sowohl durch die Heranziehung unpassender (weil nicht einschlägiger) Judikaturnachweise und Berichtselemente als auch dadurch, dass sie (erst) als Beilage zu ihrem Vorlageschreiben an das Verwaltungsgericht als ergänzendes Beweismittel eine Anfragebeantwortung zum Thema "Rückkehrhilfe, Finanzdienstleistungen" vorlegt (das sie als relevant zu erachten scheint, ohne es jedoch selbst mittels Parteiengehör in das behördliche Verfahren einbezogen und gewürdigt zu haben), vermittelt die belangte Behörde den Eindruck, dass sie im Rahmen der Prüfung der Zumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchalternative nicht in der Lage war, durch eigene Ermittlungen und nachvollziehbare Würdigung der Beweisergebnisse zu einem die Rückkehrentscheidung einwandfrei tragenden Ermittlungsergebnis zu gelangen, sondern offenbar vom Verwaltungsgericht erwartet, dass dieses nun an ihrer Stelle solche Grundlagen für das von ihr gewünschte Ergebnis beschafft und ihr eine entsprechende Begründung nachliefert. Das Gericht sieht sich nicht gehalten, sich in eine solche Rolle drängen zu lassen.

Das im § 28 VwGVG normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwSlg. 18.886 A/2014).

Seit Erlassung der angefochtenen Bescheide sind erst sechs Wochen vergangen, die Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht liegt erst rund zehn Tage zurück. Neben den aufgezeigten Ermittlungslücken und dem aufgezeigten Anschein der Delegation von Verfahrensschritten an das Verwaltungsgericht spricht daher zusätzlich auch die äußerst kurze bisherige Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens (zur Berücksichtigung dieses Aspekts im umgekehrten Fall s zB VwGH 18.11.2015, Ra 2015/18/0099) im Rahmen der Ermessensübung nach § 28 Abs. 3 VwGVG für die Aufhebung und Zurückweisung.

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (zu den Kriterien, nach denen eine Aufhebung und Zurückverweiseung gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zulässig ist, s VwSlg. 18.886 A/2014); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Rückkehrhilfe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W230.2210033.2.00

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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