Entscheidungsdatum
20.03.2019Norm
AsylG 2005 §10Spruch
W247 2014282-2/5E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert-Peter HOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. China, gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 26.06.2018, Zl. XXXX zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG idgF, iVm § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 VwGVG idgF, sowie gemäß §§ 10, 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG idgF, §§ 52, 53 und 55 FPG 2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Erster Antrag auf internationalen Schutz:
1. Die Beschwerdeführerin, eine chinesische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe Han, stellte am 17.10.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, zu dem sie am 18.10.2014 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Dabei gab die BF an, legal auf dem Luftweg schlepperunterstützt in das Bundesgebiet eingereist zu sein. Auf Nachfrage über den Verbleib ihres Reisepasses führt sie aus, dass ihr dieser von ihrem Schlepper besorgt worden sei, und sie diesen Reisepass nie selbst in Händen gehabt habe. Nach ihrem Fluchtgrund befragt, gab die BF an, spielsüchtig gewesen zu sein und ca. 1 Million RMB (1 RMB = 0,13 €) verspielt zu haben. Daraufhin habe sie sich von einer Privatperson, deren Namen sie nicht kenne, einen Betrag in dieser Höhe geliehen. Da sie jedoch kein Geld für die Rückzahlung gehabt habe, habe sie China verlassen. Sie habe ansonsten weder politische, noch religiöse Fluchtgründe.
2. Am 30.10.2014 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden BFA) eine niederschriftliche Einvernahme unter Beziehung einer Dolmetscherin der chinesischen Sprache statt. Zu den Fluchtgründen befragt gab die BF zusammengefasst an:
Die BF sei spielsüchtig. Sie habe beim Spielen viel Geld verloren. Um weiter spielen zu können habe sie einen Kredit in Höhe von mehr als eine Million RMB, nochmals nachgefragt 1,5 Millionen RMB, aufgenommen. Dieses Geld habe sie allerdings auch verspielt. Sie könne das ausgeborgte Geld daher nicht zurückzahlen. Die Geldgeber hätten sie nun bedroht ("Wenn ich das Geld nicht in ein paar Tagen zurückzahle, würden sie mir die Augen herausreißen"). Um überhaupt den Kredit zu erhalten, seien Bürgen notwendig gewesen. Diese würden die BF auch suchen. Weder bei der polizeilichen Ersteinvernahme, noch vor dem BFA habe die BF angeben, Kinder zu haben. Vielmehr habe sie bei Nachfrage dies explizit verneint.
3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 31.10.2014, der BF am 03.11.2014 zugestellt, wurde der Antrag der BF vom 17.10.2014 in vollem Umfang abgewiesen (Spruchpunkte I. und II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 PFG festgestellt, dass eine Abschiebung der BF nach China zulässig ist. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine zweiwöchige Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. (Spruchpunkt III.). Ein Einreiseverbot wurde nicht verhängt.
4. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 03.11.2014 wurde der BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG die juristische Person XXXX als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
5. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 03.11.2014 wurde die BF aufgrund der gegen sie erlassenen durchsetzbaren Rückkehrentscheidung über die Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise informiert.
6. Mit Schreiben der BF vom 14.11.2014 erhob diese durch ihre rechtsfreundliche Vertretung, nunmehr den MigrantInnenverein St. Marx, Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III. des im Spruch genannten Bescheid.
7. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 17.11.2014, beim Bundesverwaltungsgericht am 18.11.2014 eingelangt, legte die belangte Behörde die Beschwerde vor.
8. Zur Erledigung dieser Beschwerde hielt das Bundesverwaltungsgericht am 09.05.2017 eine mündliche Verhandlung ab.
Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die BF in der mündlichen Verhandlung zusammengefasst an, sie habe Schulden, weil sie in "Untergrund Casinos" Geld beim Ma-Jongg spielen verspielte. Das Geld für die Spieleinsätze habe sich die BF mit hohen Zinsen ausgeborgt. Als die BF nicht in der Lage war das Geld zurückzubezahlen sei sie von Geldeintreibern mehrfach bedroht und verprügelt worden. Die BF habe Ma-Jongg gespielt um unter anderem mit den Gewinnen ihrem Vater finanziell helfen zu können.
9. Das Bundesverwaltungsgericht wies die Beschwerde der BF mit Erkenntnis vom 23.05.2017 XXXX (hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asyl- wie des subsidiär Schutzberechtigten) als unbegründet rechtskräftig ab. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus: es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF in China eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung maßgeblicher Intensität - oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität - in der Vergangenheit gedroht hat bzw. aktuell droht. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach China in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre. Es konnte ferner nicht festgestellt werden, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre. Beweiswürdigend hielt das BVwG fest, dass die Verfolgung aufgrund von Spiel-Schulden unglaubwürdig ist.
10. Die BF kam der Ausreiseverpflichtung nicht nach und wurde am 29.09.2017 im Bundesamt zur Durchsetzung und Effektuierung der Abschiebung niederschriftlich einvernommen. Im Rahmen der Einvernahme erklärte die BF, den Namen XXXX zu führen und am XXXX geboren worden zu sein. Mit Verbalnote vom 27.12.2017 teilte die Botschaft der Volksrepublik China mit, dass eine Überprüfung in China ergeben hat, dass nicht bewiesen werden kann, dass es sich bei der angegebenen Identität der BF tatsächlich um einen chinesischen Staatsangehörigen handelt.
11. Mit Bescheid des Bundesamts vom 09.01.2018 wurde der BF gem. § 46 Abs. 2a und 2b FPG aufgetragen bei der Einholung eines Ersatzreisedokumentes mitzuwirken und am 02.02.2018 beim BFA, Regionaldirektion Wien zu erscheinen.
12. In der Einvernahme vor dem Bundesamt am 02.02.2018 gab die BF an, den Namen XXXX zu führen und am XXXX in Hebei in China geboren zu sein. Die BF sei Staatsangehörige der Volksrepublik China. Zum Beweis dafür konnte die BF nun einen Reisepass vorlegen.
2. Zweiter Antrag auf internationalen Schutz:
1. Am 16.02.2018 stellte die BF, ohne in der Zwischenzeit das Bundesgebiet verlassen zu haben, ihren zweiten Antrag auf internationalen Schutz. In der Erstbefragung vom 16.02.2018 gab die BF zusammengefasst an, dass ihr Schlepper ihr gesagt habe, sie solle bei ihrer ersten Einvernahme einen falschen Namen und einen falschen Fluchtgrund angeben. Sie heiße XXXX und war am XXXX geboren. Die BF habe China verlassen, weil sie gehört habe, dass man in Österreich gut arbeiten und Geld verdienen kann. Die BF habe auch Angst, dass der Schlepper ihre Tochter bedrohe, weil die BF die ganzen Kosten für die Schleppung noch nicht vollständig bezahlt habe.
2. Am 26.03.2018 wurde die BF durch das BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie zu den Fluchtgründen zusammengefasst an, sie hätte bei der Ersteinvernahme vom 16.02.2018 nicht die Wahrheit gesagt. Befragt, was nun ihr wahrer Fluchtgrund sei, gab die BF an China verlassen zu haben, weil sie in Österreich Geld verdienen wollte. Nachgefragt, hätte sie in China auch Geld verdienen können, aber aufgrund einer Information habe sie erfahren, dass man in Österreich mehr Geld verdienen könne. Sie habe sich aufgrund einer falschen Information entschieden nach Österreich zu kommen. Sie sei nicht gezwungen worden nach Österreich zu kommen. Auch in Österreich sei sie zu nichts gezwungen worden. Die Reisekosten seien sehr wohl vollständig bezahlt und die Tochter wäre auch nicht vom Schlepper bedroht worden. Sie habe China nur verlassen, weil die BF in Österreich Geld verdienen möchte. Die BF könne die psychische Belastung einer Rückkehrentscheidung nur schwer verkraften, weil sie dann umsonst Deutsch gelernt hätte und sie dadurch auch von ihrem Freund getrennt werden würde.
3. Mit dem hier angefochtenen Bescheid des BFA vom 26.06.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 16.02.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde der BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005 gegen die BF erlassen (Spruchpunkt IV.); gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung nach China gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Schließlich komme der BF gemäß § 55 Abs. 1a FPG 2005 keine Frist für die freiwillige Ausreise zu (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG idgF wurde gegen die BF ein auf Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
4. Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründet das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass kein - verglichen mit dem letzten Asylverfahren - wesentlich geänderter Sachverhalt vorliege. Neue entscheidungsrelevante Fluchtgründe und Abschiebungshindernisse habe der BF nicht vorgebracht. Neue aussagekräftige Dokumente seien ebenso nicht vorgelegt worden. Auch hätten sich die örtlichen Gegebenheiten in der Volksrepublik China seit der letzten inhaltlichen Asylentscheidung nicht maßgeblich geändert. Außerdem seien keine schweren körperlichen Erkrankungen oder schwere psychische Störungen des BF hervorgekommen, die sich bei einer Abschiebung unzumutbar verschlechtern könnten. Da sich auch die maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht wesentlich geändert hätten, sei der Antrag auf internationalen Schutz mithin wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
5. Mit Verfahrensanordnung vom 27.06.2018 wurde der BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.
6. Gegen den Bescheid vom 26.06.2018 erhob die BF am 27.07.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Zusammengefasst wird darin ausgeführt, die BF sei ein Opfer von Menschenhandel. Der Onkel der BF habe die BF nach Österreich gelockt, weil es in Österreich angeblich sehr leicht wäre gutes Geld zu verdienen. Der Onkel habe den Kontakt zum Schlepper hergestellt. Die Eltern der BF hätten dann die Schlepperkosten in Höhe von € 10.000 bezahlt. Die BF müsse dieses Geld ihren Eltern zurückzahlen. Die BF ist daher besorgt, sollte sie nicht den gesamten Betrag zurückzahlen, würde ihre Tochter leiden. Die Tochter lebe im Herkunftsland bei den Eltern der BF. Der Onkel habe die BF angeleitet eine falsche Geschichte und einen falschen Namen im Asylverfahren anzugeben. Der Onkel habe die BF dann zu sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen an chinesische Familien vermittelt. Der BF sei bald klar gewesen, dass sie unter solchen Arbeitsbedingungen niemals im Stande wäre, ihre Schulden abzubezahlen und die Ausbildung für ihre Tochter zu finanzieren. Die BF habe deshalb begonnen als Prostituierte zu arbeiten. In Ausübung ihrer Tätigkeit habe Sie einen Mann kennen gelernt, der ihr schließlich geholfen habe aus der Prostitution auszusteigen. Den Namen des Onkels wolle die BF aus Angst um das Leben und Wohlbefinden der Tochter nicht preisgeben. Die belangte Behörde hätte das Beschwerdevorbringen im angefochtenen Bescheid unzureichend gewürdigt. Das Vorbringen im Verfahren der BF entspräche der Wahrheit, sei glaubwürdig, gründlich substantiiert, in sich konsistent und durch Länderberichte belegt. Der Beschwerdeführerin sei im Ergebnis als Opfer von Menschenhandel Asyl zu gewähren. Änderungen des Länderberichtes im Verhältnis zum ersten Verfahren auf internationalen Schutz wurden nicht vorgebracht. Beschwerdeseitig wurde beantragt, das BVwG möge 1.) der BF die Flüchtlingseigenschaft zusprechen, 2.) allenfalls subsidiären Schutz gewähren, 2.) aufschiebende Wirkung gewähren, 3.) das Einreiseverbot aufheben, 4.) einen landeskundigen Sachverständigen beauftragen, der sich mit der aktuellen Situation in China befasst, 5.) zu recherchieren, dass die BF Opfer von Menschenhandel ist, 6.) eine mündlichen Beschwerdeverhandlung anberaumen, damit die BF die Vorwürfe gegen ihr Vorbringen bestreiten kann, 6.) allenfalls feststellen, dass die Rückkehrentscheidung unzulässig ist, 7.) allenfalls einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen, 8.) allenfalls feststellen, dass eine Abschiebung nach China unzulässig ist.
7. Die Beschwerdevorlage vom 27.07.2018 und die Verwaltungsakte langten beim Bundesverwaltungsgericht am 01.08.2018 ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrags der BF auf internationalen Schutz vom 16.02.2018, der Erstbefragung der BF vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 16.02.2018, der niederschriftlichen Einvernahme der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 26.03.2018, der gegenständlichen Beschwerde vom 26.07.2018 gegen den angefochtenen Bescheid vom 26.06.2018, sowie der Einsichtnahme in die Verwaltungsakte, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsbürgerin der Volksrepublik China und wurde am XXXX geboren. Sie gehört der Glaubensrichtung des Buddhismus an. In Österreich halten sich keine Familienangehörige der BF auf. Die Familienangehörigen, in casu Vater, Mutter, Schwester und Tochter, leben im Herkunftsland. Die BF beherrscht chinesisch in Wort und Schrift. Die BF absolvierte Deutschkurse und spricht Deutsch auf einfachem Niveau. Seit Weihnachten 2015 lebt die BF gemeinsam mit ihrem Freund - seit 21.10.2016 auch amtlich gemeldet - in der XXXX . Die BF leistet freiwillige Hilfstätigkeiten in einem Tempel im 10. Bezirk. Die Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und ist zu einer uneingeschränkten Teilnahme am Erwerbsleben fähig, so wie es ihr auch vor ihrer Ausreise aus dem Herkunftsstaat möglich war für sich selbst den Lebensunterhalt zu erwirtschaften. Die BF hatte im Herkunftsstaat eine Konditorei. Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten.
1.2. Zum bisherigen Verfahrensgang und Fluchtvorbringen:
In Österreich wurde zuletzt der Antrag der BF auf internationalen Schutz vom 17.10.2014 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts XXXX vom 23.05.2017 (hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asyl- wie des subsidiär Schutzberechtigten) in der Sache rechtskräftig negativ entschieden und die Erlassung der Rückkehrentscheidung bestätigt. Verfahrensgegenstand war dabei die beschwerdeseitige Behauptung einer "Verfolgung aufgrund von Spielschulden". Die BF hätte sich die Spieleinsätze für das Spiel Ma-Jongg in "Untergrund-Casinos" in der Höhe von 1,5 Millionen RMB ausgeliehen. Die BF hätte das geliehene Geld nicht zurückzahlen können und werde deshalb von ihren Kreditgebern bedroht und verfolgt.
Die BF blieb aber trotz rechtskräftig bestätigter Rückkehrentscheidung im Bundesgebiet. Um eine Abschiebung in ihren Herkunftsstaat zu verhindern, setzte die BF die bereits im ersten Asylverfahren begonnene Verschleierung ihrer Identität fort und machte weiterhin bewusste falsche Angaben zu ihrem Namen und Geburtsdatum. Erst die Haftandrohung zur Erfüllung ihrer Mitwirkungspflichten führte zur Offenlegung einer anderen durch Reisepass untermauernden Identität. Im Angesicht der drohenden Abschiebung stellte die BF den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.
Inhaltlich gab die BF am 16.02.2018 bei ihrer polizeilichen Erstbefragung, nach ihren Fluchtgründen befragt, auf Seite 6 an:
"Ich habe China verlassen, weil ich gehört habe, dass man in Österreich gut arbeiten und Geld verdienen kann. Ich habe auch Angst, dass der Schlepper meine Tochter bedroht, weil ich die ganzen Kosten für die Schleppung noch nicht gezahlt habe." Inhaltlich gab die BF am 26.03.2018 vor dem BFA, nach ihren Fluchtgründen befragt, zusammengefasst an: Sie habe am 16.02.2018 ihren Fluchtgrund falsch erzählt. Es entspreche nicht der Wahrheit, dass die BF die Reisekosten nicht zur Gänze beglichen habe und ihre Tochter bedroht werde. Sie habe China aus wirtschaftlichen Gründen verlassen, weil sie in Österreich Geld verdienen möchte. Die Entscheidung nach Österreich zu kommen, habe die BF selber ohne äußeren Zwang getroffen. Ihr Visum sei ihr von einem Ehepaar in China gegen die Bezahlung von € 10.000 besorgt worden. In Österreich wäre sie dann von einem Chinesen abgeholt worden. Durch den Chinesen habe sie eine Stelle als Babysitterin in Graz vermittelt bekommen. Ich musste als Babysitterin dort jeden Tag ohne Pause arbeiten für nur € 800 im Monat. Danach habe sie als Prostituierte gearbeitet. Deshalb sehe sie sich als Opfer von Menschenhandel. Sie sei in Österreich allerdings nie gezwungen worden, etwas zu tun.
Die BF begründete ihren gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz mit einer Gefährdungslage, welche ihr bereits zum Zeitpunkt des ersten Asylverfahrens der BF bekannt gewesen sei und machte keinen seit rechtskräftigem Abschluss ihres vorangegangenen Verfahrens neu entstandenen Sachverhalt geltend. Darüber hinaus wohnt ihrem nunmehrigen Vorbringen kein glaubwürdiger Kern inne.
Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung in Bezug auf die die Beschwerdeführerin betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person der Beschwerdeführerin gelegenen Umständen.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation ist nicht eingetreten. Es kann also nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach China Drohungen oder Gewalthandlungen von staatlicher oder privater Seite zu erwarten hätte. Ebenso kann nicht festgestellt werden, dass sie in eine ihre Existenz bedrohende Notläge geraten wird.
In diesem Zusammenhang wird betreffend die maßgebliche Situation in China festgestellt:
"Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 05.02.2018: Festnahme des regierungskritischen Anwaltes Yu Wensheng, betrifft Abschnitt 10. Allgemeine Menschenrechtslage. Yu Wensheng, ein regierungskritischer Anwalt, wurde nach Angaben seiner Frau am Morgen des 19.1.2018 festgenommen, als er mit seinem Sohn zur Schule ging (The Guardian 19.1.2018). Wenige Stunden vor seiner Verhaftung forderte Yu Wensheng von Präsident Xi Jinping in einem offenen Brief Verfassungsreformen (DW 19.1.2018). International bekannt wurde der prominente Kritiker, als er 2017 gemeinsam mit fünf anderen Anwälten versuchte, die Regierung seines Landes wegen des gesundheitsschädlichen Smogs zu verklagen (DZ 29.1.2018). Als Anwalt hat Yu mehrere andere Menschenrechtsanwälte und Demonstranten aus Hongkong vertreten, die dort für mehr Demokratie auf die Straße gegangen sind und festgenommen worden waren (DW 1.2.2018). Im Oktober vergangenen Jahres wurde Yu Wensheng vorübergehend inhaftiert, weil er in einem offenen Brief Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping wegen dessen Stärkung des Totalitarismus als für das Amt nicht geeignet bezeichnet hatte (NZZ 1.2.2018). Der Verbleib von Yu Wensheng war zunächst unklar (DP 19.1.2018); nach Angaben von Amnesty International übernahm die Polizei von Xuzhou in der ostchinesischen Provinz Jiangsu den Fall. Der Anwalt werde derzeit unter "Hausarrest an einem ausgesuchten Ort festgehalten, ohne dass dieser Ort bekannt wäre, so Amnesty International (DZ 29.1.2018). Gemäß Amnesty International sei der chinesische Menschenrechtsanwalt der "Anstiftung zur Untergrabung der Staatsgewalt" beschuldigt worden (DP 19.1.2018). Der Vorwurf der Subversion ist eine schwerwiegende Anklage, die eine Haftstrafe von bis zu 15 Jahren bedeuten kann. Im vergangenen Dezember war etwa der regierungskritische Blogger Wu Gan deswegen zu acht Jahren Gefängnis verurteilt worden (DZ 29.1.2018). Der kritische Jurist ist das jüngste Opfer der seit mehr als zwei Jahren anhaltenden Verfolgungswelle gegen Anwälte, Mitarbeitern von Kanzleien, Aktivisten und deren Familienmitgliedern. Mehr als 300 wurden nach Angaben von Menschenrechtsgruppen seit Juli 2015 inhaftiert, verhört, unter Hausarrest gestellt oder an der Ausreise gehindert. Vier wurden verurteilt, 16 warten noch auf ihren Prozess (DP 19.1.2018). Mindestens eine Person aus der angeführten Gruppe sei verschwunden (BBC 16.1.2018).
Quellen:
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BBC News (16.1.2018): China rights lawyer Yu Wensheng loses licence, http://www.bbc.com/news/world-asia-china-42702731, Zugriff 22.1.2018
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DP - Die Presse (19.1.2018): Haft für Anwalt: China setzt Verfolgungswelle gegen Kritiker fort, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5356682/Haft-fuer-Anwalt_China-setzt-Verfolgungswelle-gegen-Kritiker-fort, Zugriff 19.1.2018
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DW - Deutsche Welle (1.2.2018): China weist deutsche Kritik an Festnahme von Menschenrechtsanwalt zurück, http://www.dw.com/de/china-weist-deutsche-kritik-an-festnahme-von-menschenrechtsanwalt-zur%C3%BCck/a-42403119, Zugriff 2.2.2018
-
DW - Deutsche Welle (19.1.2018): Chinesischer Bürgerrechtsanwalt Yu Wensheng festgenommen,
http://www.dw.com/de/chinesischer-b%C3%BCrgerrechtsanwalt-yu-wensheng-festgenommen/a-42214185, Zugriff 22.1.2018
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DZ - Die Zeit (29.1.2018): China beschuldigt Menschenrechtsanwalt der Subversion,
http://www.zeit.de/politik/ausland/2018-01/yu-wensheng-buergerrechtsanwalt-peking-anklage-haftstrafe, 30.1.2018
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NZZ - Neue Züricher Zeitung (1.2.2018): Ein kämpferischer Geist in den Fängen der chinesischen Behörden, https://www.nzz.ch/international/ein-kaempferischer-geist-in-den-faengen-der-chinesischen-behoerden-ld.1352463, Zugriff 1.2.2018
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The Guardian (19.1.2018): Outspoken Chinese human rights lawyer Yu Wensheng held by police
https://www.theguardian.com/world/2018/jan/19/outspoken-chinese-human-rights-lawyer-yu-wensheng-arrested , Zugriff 22.1.2018
Politische Lage
Die Volksrepublik China ist mit geschätzten 1,374 Milliarden Einwohnern (Stand Juli 2016) und einer Fläche von 9.596.960 km² der bevölkerungsreichste Staat der Welt (CIA 26.7.2017). China ist in 22 Provinzen, die fünf Autonomen Regionen der nationalen Minderheiten Tibet, Xinjiang, Innere Mongolei, Ningxia und Guangxi, sowie vier regierungsunmittelbare Städte (Peking, Shanghai, Tianjin, Chongqing) und zwei Sonderverwaltungsregionen (Hongkong, Macau) unterteilt. Nach dem Grundsatz "Ein Land, zwei Systeme", welcher der chinesisch-britischen "Gemeinsamen Erklärung" von 1984 über den Souveränitätsübergang im Jahr 1997 zugrunde liegt, kann Hongkong für 50 Jahre sein bisheriges Gesellschaftssystem aufrecht erhalten und einen hohen Grad an Autonomie genießen. Trotz starker öffentlicher Kritik in Hongkong hält die chinesische Regierung bezüglich einer möglichen Wahlrechtsreform für eine allgemeine Wahl des Hongkonger Regierungschefs (Chief Executive) an den Vorgaben fest, die der Ständige Ausschuss des Pekinger Nationalen Volkskongresses 2014 zur Vorabauswahl von Kandidaten gemacht hat. Dies hat in Hongkong zur Blockade der vorgesehenen Reform geführt und zu einem Erstarken von Bestrebungen nach größerer Autonomie, vereinzelt sogar zu Rufen nach Unabhängigkeit, auf die Peking scharf reagiert. Nach einem ähnlichen Abkommen wurde Macau am 20. Dezember 1999 von Portugal an die Volksrepublik China zurückgegeben. Die Lösung der Taiwanfrage durch friedliche Wiedervereinigung bleibt eines der Hauptziele chinesischer Politik (AA 4.2017a). Gemäß ihrer Verfassung ist die Volksrepublik China ein "sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht" (AA 4.2017a). China ist ein autoritärer Staat, in dem die Kommunistische Partei (KP) verfassungsmäßig die höchste Autorität ist. Beinahe alle hohen Positionen in der Regierung sowie im Sicherheitsapparat werden von Mitgliedern der KP gehalten (USDOS 3.3.2017). Die KP ist der entscheidende Machtträger. Nach dem Parteistatut wählt der alle fünf Jahre zusammentretende Parteitag das Zentralkomitee (376 Mitglieder, davon 205 mit Stimmrecht), das wiederum das Politbüro (25 Mitglieder) wählt. Ranghöchstes Parteiorgan und engster Führungskern ist der zurzeit siebenköpfige "Ständige Ausschuss" des Politbüros. Dieser gibt die Leitlinien der Politik vor. Die Personalvorschläge für alle diese Gremien werden zuvor im Konsens der Parteiführung erarbeitet (AA 4.2017a; vgl. USDOS 3.3.2017). An der Spitze der Volksrepublik China steht der Staatspräsident, der gleichzeitig Generalsekretär der KP und Vorsitzender der Zentralen Militärkommission ist und somit alle entscheidenden Machtpositionen auf sich vereinigt. Der Ministerpräsident (seit März 2013 Li Keqiang) leitet den Staatsrat, die eigentliche Regierung. Er wird von einem "inneren Kabinett" aus vier stellvertretenden Ministerpräsidenten und fünf Staatsräten unterstützt. Der Staatsrat fungiert als Exekutive und höchstes Organ der staatlichen Verwaltung. Alle Mitglieder der Exekutive sind gleichzeitig führende Mitglieder der streng hierarchisch gegliederten Parteiführung (Ständiger Ausschuss, Politbüro, Zentralkomitee), wo die eigentliche Strategiebildung und Entscheidungsfindung erfolgt (AA 4.2017a). Der 3.000 Mitglieder zählende Nationale Volkskongress (NVK) wird durch subnationale Kongresse für fünf Jahre gewählt. Er wählt formell den Staatspräsidenten für fünf Jahre und bestätigt den Premierminister, der vom Präsidenten nominiert wird (FH 1.2017a). Der NVK ist formal das höchste Organ der Staatsmacht. NVK-Vorsitzender ist seit März 2013 Zhang Dejiang (AA 4.2017a). Der NVK ist jedoch vor allem eine symbolische Einrichtung. Nur der Ständige Ausschuss trifft sich regelmäßig, der NVK kommt einmal pro Jahr für zwei Wochen zusammen, um die vorgeschlagene Gesetzgebung anzunehmen (FH 1.2017a). Eine parlamentarische oder sonstige organisierte Opposition gibt es nicht. Die in der sogenannten Politischen Konsultativkonferenz organisierten acht "demokratischen Parteien" sind unter Führung der KP Chinas zusammengeschlossen; das Gremium hat lediglich eine beratende Funktion (AA 4.2017a).
Beim 18. Kongress der KP China im November 2012 wurde, nach einem Jahrzehnt, ein Führungswechsel vollzogen (AI 23.5.2013). Bei diesem Parteitag wurden die Weichen für einen Generationswechsel gestellt und für die nächsten fünf Jahre ein neues Zentralkomitee, Politbüro und ein neuer Ständiger Ausschuss bestimmt (AA 4.2017a). Xi Jinping wurde zum Generalsekretär der KP und zum Vorsitzenden der Zentralen Militärkommission gekürt. Seit dem 12. Nationalen Volkskongress im März 2013 ist Xi Jinping auch Präsident Chinas (AA 4.2017a; vgl. FH 1.2017a). Er hält damit die drei einflussreichsten Positionen (USDOS 3.3.2017). Die neue Staatsführung soll - wenngleich die Amtszeit offiziell zunächst fünf Jahre beträgt - mit der Möglichkeit einer Verlängerung durch eine zweite, ebenfalls fünfjährige, Amtsperiode bis 2022 (und möglicherweise auch darüber hinaus) an der Macht bleiben (HRW 12.1.2017). Vorrangige Ziele der Regierung sind eine weitere Entwicklung Chinas und Wahrung der politischen und sozialen Stabilität durch Machterhalt der KP. Politische Stabilität gilt als Grundvoraussetzung für wirtschaftliche Reformen. Äußere (u.a. nachlassende Exportkonjunktur) und innere (u.a. alternde Gesellschaft, Umweltschäden, Wohlfahrtsgefälle) Faktoren machen weitere Reformen besonders dringlich. Die Rolle der Partei in allen Bereichen der Gesellschaft soll gestärkt werden. Gleichzeitig laufen Kampagnen zur inneren Reformierung und Stärkung der Partei. Prioritäten sind Kampf gegen die Korruption und Verschwendung, Abbau des zunehmenden Wohlstandsgefälles, Schaffung nachhaltigeren Wachstums, verstärkte Förderung der Landbevölkerung, Ausbau des Bildungs- und des Gesundheitswesens, Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und insbesondere Umweltschutz und Nahrungsmittelsicherheit. Urbanisierung ist und bleibt Wachstumsmotor, bringt aber gleichzeitig neue soziale Anforderungen und Problemlagen mit sich. Erste Ansätze für die zukünftige Lösung dieser grundlegenden sozialen und ökologischen Entwicklungsprobleme sind sichtbar geworden, haben deren Dimension aber zugleich deutlich aufgezeigt (AA 4.2017a).
Quellen:
-
AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017
-
AI - Amnesty International (23.5.2013): Amnesty International Annual Report 2013 - China,
http://www.refworld.org/docid/519f51a96b.html, Zugriff 2.8.2017
-
CIA - Central Intelligence Agency (26.7.2017): The World Factbook
-
China,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ch.html, Zugriff 2.8.2017
-
FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/339947/483077_de.html, Zugriff 2.8.2017
-
HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - China, http://www.ecoi.net/local_link/334766/476520_de.html, Zugriff 28.8.2017
-
USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 2.8.2017
Sicherheitslage
Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Reports on Human Rights Practices 2016 - China (includes Tibet, Hong Kong, and Macau), http://www.ecoi.net/local_link/337277/480051_de.html, Zugriff 31.8.2017
Rechtsschutz/Justizwesen
Die Führung unternimmt Anstrengungen, das Rechtssystem auszubauen. Dem steht jedoch der Anspruch der Kommunistischen Partei (KP) auf ungeteilte Macht gegenüber. Gewaltenteilung und Mehrparteiendemokratie werden ausdrücklich abgelehnt. Von der Verwirklichung rechtsstaatlicher Normen und einem Verfassungsstaat ist China noch weit entfernt. Im Alltag sind viele Chinesen weiterhin mit Willkür und Rechtlosigkeit konfrontiert (AA 4.2017a). Eine unabhängige Strafjustiz existiert in China folglich nicht. Strafrichter und Staatsanwälte unterliegen der politischen Kontrolle von staatlichen Stellen und Parteigremien (AA 15.12.2016). Die Kontrolle der Gerichte durch politische Institutionen ist ein verfassungsrechtlich verankertes Prinzip (ÖB 11.2016). Die KP dominiert das Rechtssystem auf allen Ebenen und erlaubt Parteifunktionären, Urteile und Verurteilungen zu beeinflussen. Die Aufsicht der KP zeigt sich besonders in politisch heiklen Fällen durch die Anwendung sog. "Leitlinien". Während Bürger in nicht-politischen Fällen ein gewisses Maß an fairer Entscheidung erwarten können, unterliegen diejenigen, die politisch sensible Fragen oder die Interessen mächtiger Gruppen berühren, diesen "Leitlinien" der politisch-juristischen Ausschüsse (FH 1.2017a). Seit dem vierten Jahresplenum des 18. Zentralkomitees 2014 betont die Führung die Rolle des Rechts und ergriff Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität gerichtlicher Verfahren und zum Aufbau eines "sozialistisches Rechtssystem chinesischer Prägung" unter dem Motto "yi fa zhi guo", wörtlich "den Gesetzen entsprechend das Land regieren". Echte Rechtsstaatlichkeit im Sinne der Achtung des Legalitätsprinzips in der Verwaltung und der Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit wird dabei aber dezidiert abgelehnt. Das in den Beschlüssen reflektierte Verständnis von Recht soll die Macht des Staates, dh. der Partei, keinesfalls einschränken, sondern vielmehr stärken (ÖB 11.2016). Die wichtigste Einrichtung der KP zur Kontrolle des Rechtssystems ist die Kommission des Zentralkomitees für Politik und Recht (ZKPR). Das ZKPR ist in unterschiedlichen Unter-Formaten auf jeder gerichtlichen Ebene verankert, wobei die jeweiligen Ebenen der übergeordneten Ebene verantwortlich sind. Die Macht des Komitees, das auf allen Ebenen auf Verfahren Einfluss nimmt, wurde auch seit den Beschlüssen des Vierten Plenums der KP im Oktober 2014 bewusst nicht angetastet (ÖB 11.2016). Die Richter-Ernennung erfolgt auf Provinzebene durch Rechtskomitees, welchen hochrangige Partei-Funktionäre angehören und welche von einem KP-Inspektorat überwacht werden. Richter sind verpflichtet, über Einflussnahmen seitens lokaler Politiker auf Verfahren Bericht zu erstatten. Es ist für Richter schwierig, zwischen "Unabhängigkeit" von lokalen politischen Einflüssen, und Loyalität zur KP-Linie (welche regelmäßig miteinander und mit einflussreichen Wirtschafts- und Privatinteressen verbunden sind) zu navigieren. Trotz laufender Reformbemühungen gibt es - vor allem auf unterer Gerichtsebene - noch immer einen Mangel an gut ausgebildeten Richtern (ÖB 11.2016). Ein umfassender Regelungsrahmen unterhalb der gesetzlichen Ebene soll "Fehlverhalten" von Justizbeamten und Staatsanwälten in juristischen Prozessen unterbinden. Das Oberste Volksgericht (OVG) unter seinem als besonders "linientreu" geltenden Präsidenten und die Oberste Staatsanwaltschaft haben in ihren Berichten an den Nationalen Volkskongress im März 2014 in erster Linie gefordert, "Falschurteile" der Gerichte zu verhindern, die Richterschaft an das Verfassungsverbot von Folter und anderen Zwangsmaßnahmen bei Vernehmungen zu erinnern und darauf hinzuweisen, dass Verurteilungen sich nicht allein auf Geständnisse stützen dürfen. Die Regierung widmet sowohl der juristischen Ausbildung als auch der institutionellen Stärkung von Gerichten und Staatsanwaltschaften seit mehreren Jahren große Aufmerksamkeit (AA 15.12.2016). Das umstrittene System der "Umerziehung durch Arbeit" ("laojiao") wurde aufgrund entsprechender Beschlüsse des 3. Plenums des ZK im November 2013 offiziell am 28.12.2013 abgeschafft. Es liegen Erkenntnisse vor, wonach diese Haftanstalten lediglich umbenannt wurden, etwa in Lager für Drogenrehabilitation, rechtliche Erziehungszentren oder diese als schwarze Gefängnisse weiter genutzt werden (AA 15.12.2016). Mit der letzten großen Novellierung 2013 sieht die Strafprozessordnung genaue Regeln für Festnahmen vor, führt den "Schutz der Menschenrechte" an und verbietet Folter und Bedrohung bzw. Anwendung anderer illegaler Methoden zur Beweisermittlung. Es besteht jedoch eine teilweise erhebliche Divergenz zwischen den Rechtsvorschriften und deren Umsetzung, und werden diese zum Zwecke der Unterdrückung von politisch unliebsamen Personen instrumentalisiert. Laut Strafprozessordnung müssen auch im Falle einer Festnahme wegen Terrorismus, der Gefährdung der Staatssicherheit oder der schwerwiegenden Korruption die Angehörigen von in Untersuchungshaft sitzenden Personen innerhalb von 24 Stunden über die Festnahme informiert werden, nicht jedoch über den Grund der Festnahme oder über den Aufenthaltsort. Zudem besteht diese Informationspflicht nicht, wenn durch diese Information die Ermittlungen behindert würden - in diesen Fällen müssen Angehörige erst nach 37 Tagen informiert werden. Was eine "Behinderung der Ermittlung" bedeutet, liegt im Ermessen der Polizei, es gibt kein Rechtsmittel dagegen. Da Verdächtige sich formell in Untersuchungshaft befindet, muss der Ort der Festhaltung laut Gesetz auch in diesen Fällen eine offizielle Einrichtung sein. Der Aufenthaltsort kann auch außerhalb offizieller Einrichtungen liegen. Diese Möglichkeit wurde mit der Strafprozessnovelle 2012 eingeführt und von Rechtsexperten wie dem Rapporteur der UN-Working Group on Enforced or Involuntary Disappearances wegen des inhärenten Folterrisikos als völkerrechtswidrig kritisiert (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017). Willkürliche Verhaftungen oder Hausarrest ("soft detention") ohne gerichtliche Verfahren kommen häufig vor. Die Staatsorgane griffen verstärkt auf den "Hausarrest an einem festgelegten Ort" zurück - eine Form der geheimen Inhaftierung ohne Kontakt zur Außenwelt, die es der Polizei erlaubt, eine Person für die Dauer von bis zu sechs Monaten außerhalb des formellen Systems, das die Inhaftierung von Personen regelt, und ohne Zugang zu einem Rechtsbeistand der eigenen Wahl, zu Familienangehörigen oder anderen Personen der Außenwelt festzuhalten. Dadurch wurden diese Personen der Gefahr ausgesetzt, gefoltert oder anderweitig misshandelt zu werden. Diese Inhaftierungspraxis dient dazu, die Tätigkeit von Menschenrechtsverteidigern - einschließlich der von Rechtsanwälten, politisch engagierten Bürgern und Angehörigen von Religionsgemeinschaften - zu unterbinden (ÖB 11.2016; vgl. AA 15.12.2016, AI 22.2.2017).
Im Zusammenhang mit verwaltungsstrafrechtlich bewehrten rechtswidrigen Handlungen kann die Polizei zudem "Verwaltungsstrafen" verhängen. Diese Strafen reichen von Ermahnungen über Geldbußen bis hin zu einer "Verwaltungshaft" (ohne richterliche Entscheidung) von bis zu 15 Tagen. Der Aufenthalt in den offiziell nicht existenten "black jails" kann zwischen wenigen Tagen und in einigen Fällen langjährigen Haftaufenthalten variieren (AA 15.12.2016). Das 2013 in Kraft getretene revidierte Strafverfahrensgesetz verbessert v.a. die Stellung des Verdächtigen/Angeklagten und der Verteidigung im Strafprozess; die Umsetzung steht aber in der Praxis in weiten Teilen noch aus. Auch der Zeugenschutz wird gestärkt. Chinesische Experten gehen davon aus, dass die Durchsetzung dieser Regeln viele Jahre erfordern wird (AA 15.12.2016). Der Schutz jugendlicher Straftäter wurde erhöht (ÖB 11.2014). 2014 wurden schrittweise weitere Reformen eingeleitet, darunter die Anordnung an Richter, Entscheidungen über ein öffentliches Onlineportal zugänglich zu machen sowie ein Pilotprojekt in sechs Provinzen um die Aufsicht über Bestellungen und Gehälter auf eine höhere bürokratische Ebene zu verlagern. Beim vierten Parteiplenum im Oktober 2014 standen Rechtsreformen im Mittelpunkt. Die Betonung der Vorherrschaft der Partei über das Rechtssystem und die Ablehnung von Aktionen, die die Unabhängigkeit der Justiz erhöhen würden, wurde jedoch beibehalten. Dies führte zu Skepsis hinsichtlich der tatsächlichen Bedeutung der Reform (FH 1.2015a). Das chinesische Strafgesetz hat die früher festgeschriebenen "konterrevolutionären Straftaten" abgeschafft und im Wesentlichen durch Tatbestände der "Straftaten, welche die Sicherheit des Staates gefährden" (Art. 102-114 chin. StG) ersetzt. Danach können vor allem Personen bestraft werden, die einen politischen Umsturz/Separatismus anstreben oder das Ansehen der VR China beeinträchtigen. Gerade dieser Teil des Strafgesetzes fällt durch eine Vielzahl unbestimmter Rechtsbegriffe auf (AA 15.12.2016). Die Regierung hat weitere Gesetze zur nationalen Sicherheit ausgearbeitet und verabschieden lassen, die eine ernste Gefahr für den Schutz der Menschenrechte darstellen. Das massive landesweite Vorgehen gegen Menschenrechtsanwälte und politisch engagierte Bürger hielt das ganze Jahr über an (AI 22.2.2017). Prozesse, bei denen die Anklage auf Terrorismus oder "Verrat von Staatsgeheimnissen" lautet, werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt. Was ein Staatsgeheimnis ist, kann nach chinesischer Gesetzeslage auch rückwirkend festgelegt werden. Angeklagte werden in diesen Prozessen weiterhin in erheblichem Umfang bei der Wahrnehmung ihrer Rechte beschränkt. U.a. wird dem Beschuldigten meist nicht erlaubt, Verteidiger seiner Wahl zu beauftragen; nur in seltenen Ausnahmefällen wird vom Gericht überhaupt eine Verteidigung bestellt (AA 15.12.2016). Auch 2016 setzten sich die Übergriffe der Behörden auf Menschenrechtsanwälte das ganze Jahr hindurch mit Verhaftungen und strafrechtlichen Verfolgungen fort (FH 1.2017a). Rechtsanwälte, die in kontroversen Fällen tätig wurden, mussten mit Drangsalierungen und Drohungen seitens der Behörden rechnen, und in einigen Fällen wurde ihnen die weitere berufliche Tätigkeit verboten. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Zugang der Bürger zu einem gerechten Gerichtsverfahren sehr stark eingeschränkt war. Mangelhafte nationale Gesetze und systemische Probleme im Strafrechtssystem hatten weitverbreitete Folter und anderweitige Misshandlungen sowie unfaire Gerichtsverfahren zur Folge (AI 22.2.2017). Seit der offiziellen Abschaffung der administrativen "Umerziehung durch Arbeit" im Jänner 2014 werden Menschenrechtsaktivisten vermehrt auf Basis der Strafrechtstatbestände der Unruhestiftung oder des Separatismus verurteilt und somit in Strafhaft gesperrt, wobei aufgrund der vagen Tatbestände ein strafrechtsrelevanter Sachverhalt relativ leicht kreiert werden kann (ÖB 11.2016). Häufig wurden Anklagen wegen "Untergrabung der staatlichen Ordnung", "Untergrabung der Staatsmacht", "Anstiftung zum Separatismus" "Anstiftung zu Subversion" oder "Weitergabe von Staatsgeheimnissen", sowie "Weitergabe nachrichtendienstlicher Informationen an das Ausland" erhoben und langjährige Gefängnisstrafen verhängt (ÖB 11.2016; vgl. AI 22.2.2017). Wegen der mangelnden Unabhängigkeit der Justiz wählen viele Betroffene von Behördenwillkür den Weg der Petition bei einer übergeordneten Behörde (z.B. Provinz- oder Zentralregierung). Petitionen von Bürgern gegen Rechtsbrüche lokaler Kader in den Provinzen nehmen zu. Allein in Peking versammeln sich täglich Hunderte von Petenten vor den Toren des staatlichen Petitionsamts, um ihre Beschwerde vorzutragen. Chinesischen Zeitungsberichten zufolge werden pro Jahr landesweit ca. 10 Mio. Eingaben eingereicht. Petenten aus den verschiedenen Provinzen werden häufig von Schlägertrupps im Auftrag der Provinzregierungen aufgespürt und in ihre Heimatregionen zurückgebracht. Zwischen Februar und April 2014 wurden verschiedene Reformen des Petitionssystems verabschiedet, die eine schnellere Bearbeitung und Umstellung auf mehr Online-Plattformen beinhaltet. Das 4. Plenum des Zentralkomitees der KP hat im Oktober 2014 weitere Schritte zur Regelung des Petitionswesens getroffen, deren Umsetzung aber noch aussteht. Diese Reformen werden von Beobachtern dafür kritisiert, dass sie die Effektivität der Bearbeitung der Petitionen kaum steigern, sondern vor allem dazu dienen, Petitionäre von den Straßen Pekings fernzuhalten (AA 15.12.2016).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): China - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/China/Innenpolitik_node.html#doc334570bodyText5, Zugriff 2.8.2017
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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Volksrepublik China
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AI - Amnesty International (22.2.2017): Amnesty International Report 2016/17 - The State of the World's Human Rights - China, http://www.ecoi.net/local_link/336465/479116_de.html, Zugriff am 18.8.2017
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FH - Freedom House (1.2017a): Freedom in the World 2017 - China, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2017/china, Zugriff 17.8.2017
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FH - Freedom House (1.2015a): Freedom in the World 2015 - China, http://www.ecoi.net/local_link/295269/430276_de.html, Zugriff 20.8.2015
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ÖB Peking (11.2016): Asylländerbericht Volksrepublik China
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ÖB Peking (11.2014): Asylländerbericht Volksrepublik China
Sicherheitsbehörden
Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit, und die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Die BVP ist in 45 Divisionen unterteilt, bestehend aus Innensicherheitspolizei, Grenzüberwachung, Regierungs- und Botschaftsbewachung, sowie Funk- und Kommunikationsspezialisten. Ein wesentlicher Anteil der in den letzten Jahren vorgenommenen Truppenreduktionen in der Volksbefreiungsarmee war in Wahrheit eine Umschichtung von den Linientruppen zur BVP. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen Zivilisten vor. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit beaufsichtigt alle innerstaatlichen Aktivitäten der zivilen Sicherheitsbehörden (außer derjenigen, die in die Zuständigkeit des Staatssicherheitsministeriums fallen), sowie die BVP. Konkret umfassen seine Aufgaben innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Zuständigkeit für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen. Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger "Blockwarte" die Bewegungen der Bewohner einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 11.2016). Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.4.2017). Zivile Behörden behalten die Kontrolle über Militär- und Sicherheitskräfte bei (USDOS 3.3.2017). Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes (AA 15.12.2016). Nach dem Gesetz zur Landesverteidigung von 1997 sind die Streitkräfte nicht dem Staatsrat, sondern der Partei unterstellt (AA 4.2017a). Für die innere Sicherheit sind zuständig sind (1) Polizei und Staatsanwaltschaften, die Rechtsverstöße des Normalbürgers verfolgen; (2) Disziplinar-Kontrollkommission der KPCh, die gegen Verstöße von KP-Mitgliedern einschreitet; (3) Einheiten des Ministeriums für Verwaltungskontrolle, die für Pflichtverletzungen im Amt zuständig sind; (4) Staatsschutz (Guobao) für die Beobachtung und Verfolgung politischer bzw. als potentiell staatsgefährdend wahrgenommener Aktivitäten von Bürgern und Ausländern (AA 15.12.2016). Für den Bereich der Gefahrenabwehr ist primär das dem Staatsrat unterstehende Ministerium für Öffentliche Sicherheit mit seinen Polizeikräften verantwortlich, das daneben auch noch für Strafverfolgung zuständig ist und in Teilbereic