TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/20 W126 2155017-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.03.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

20.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §54 Abs2
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W126 2155017-1/30E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sabine FILZWIESER-HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.04.2017, Zl. 1084153304-151178706, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I und II des angefochtenen Bescheides gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG wird eine Rückkehrentscheidung auf Dauer für unzulässig erklärt und XXXX ein Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" gemäß § 55 Abs. 1 iVm § 54 Abs. 2 AsylG für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 25.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, afghanischer Staatsangehöriger zu sein. Die Familie des Beschwerdeführers sei in den Iran gegangen, weil sie von den Taliban überfallen worden sei. Den Iran habe der Beschwerdeführer verlassen, weil er dort illegal und in ständiger Angst gelebt habe.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 28.04.2017 brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass er im Alter von fünf oder sechs Jahren in den Iran gezogen sei, weil der Vater und die Schwestern des Beschwerdeführers von den Taliban überfallen worden seien. Der Vater sei dabei geschlagen worden. Laut Auskunft der Mutter des Beschwerdeführers seien die Schwestern vergewaltigt und getötet worden. Als der Beschwerdeführer zwölf Jahre alt gewesen sei, sei sein Vater zurück nach Afghanistan gegangen und sei dort von seinen Feinden getötet worden.

Im Rahmen der niederschriftlichen Befragung legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung des Projektes "Next" vom 31.03.2017, zwei Empfehlungsschreiben vom 23.03.2017 und vom 24.03.2017, eine Deutschkursbestätigung vom 04.07.2016, eine Urkunde eines Caritas-Projektes vom 06.11.2016 sowie ein Informationsschreiben über die Lage der Hazara vor.

2. Mit angefochtenem Bescheid vom 07.04.2017 wies das BFA den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab und erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

4. Am 16.11.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertreterin teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm (entschuldigt) nicht an der Verhandlung teil.

Der Beschwerdeführer gab in der Beschwerdeverhandlung zusammengefasst an, dass er verlobt sei. Seine Verlobte komme aus Afghanistan, habe aber die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Beschwerdeführer werde für den kommenden Monat einen Termin für die standesamtliche Trauung vereinbaren. Die Religion schreibe vor, dass man zuerst eine islamische Eheschließung vollziehe, das Datum der islamischen Eheschließung stehe aber noch nicht fest. Er habe seine Verlobte bei den Ashura-Feierlichkeiten in der Moschee kennen gelernt. Diese lebe seit 2005 in Österreich. Der Beschwerdeführer habe in Österreich auch viele österreichische Freunde, vor allem aus der Schule. In der österreichischen Sprache habe er das A2-Niveau erreicht. Er verstehe deutsch besser als dass er es sprechen könne, aber er könne es auch sprechen. Er lebe in Österreich von 150 Euro von der Caritas. An Afghanistan könne er sich nicht erinnern, aber im Iran habe er in der Landwirtschaft gearbeitet. Er habe keine Schulbildung und habe in Österreich erstmals lesen und schreiben gelernt. Der Beschwerdeführer besuche derzeit den Vorbereitungslehrgang in der XXXX , danach wolle er eine dreijährige Ausbildung in dieser Schule machen. Wenn er noch zwei Jahre in die Schule gehe, schließe er mit einem Ingenieurtitel ab. Er interessiere sich für Beton- und Spachtelarbeit. In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Verwandten. Seine Mutter lebe im Iran. Weitere Verwandte würde er nicht kennen und wisse nicht, wo diese leben.

In Afghanistan habe der Beschwerdeführer in der Provinz Uruzgan im Distrikt XXXX gelebt. Er sei fünf oder sechs Jahre alt gewesen, als er Afghanistan verlassen habe und könne sich an Afghanistan nicht erinnern. Seine Mutter habe ihm erzählt, dass die Familie einmal von der Hochzeit eines Freundes des Vaters des Beschwerdeführers nach Hause gefahren sei, als sie von den Taliban aufgehalten worden seien. Diese hätten die Schwestern des Beschwerdeführers mitgenommen und seinen Vater zusammengeschlagen. Daraufhin habe der Vater des Beschwerdeführers den Beschwerdeführer und seine Mutter in den Iran geschickt und sei selbst in Afghanistan geblieben, um nach den Schwestern des Beschwerdeführers zu suchen. Gemeinsam mit anderen Leuten, welche ebenfalls an den Taliban Rache nehmen hätten wollen, sei der Vater des Beschwerdeführers zu den Leuten gegangen, die die Schwestern des Beschwerdeführers entführt hätten. Dabei habe sein Vater zwei Taliban getötet. Nachdem der Vater des Beschwerdeführers Rache genommen habe, sei er ebenfalls in den Iran geflüchtet. Bis zum elften oder zwölften Lebensjahr des Beschwerdeführers habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Eltern im Iran gelebt. Zu dieser Zeit habe sein Vater beschlossen, dass die Familie nach Afghanistan zurückgehen werde. Er sei vorab nach Afghanistan gegangen, um sich um alles zu kümmern. Danach habe die Mutter des Beschwerdeführers von einem Freund des Vaters des Beschwerdeführers erfahren, dass der Vater des Beschwerdeführers getötet worden sei.

Der Beschwerdeführer wisse nicht, ob die Taliban, die der Vater des Beschwerdeführers getötet habe, auch jene gewesen seien, die seine Schwestern getötet hätten. Einer der zwei Anführer in diesem Gebiet sei gestorben und der zweite sei noch immer Kommandant der Taliban. Der Vater des Beschwerdeführers habe das Leben im Iran "satt gehabt". Die Familie habe dort keine Aufenthaltspapiere gehabt, weshalb der Beschwerdeführer keine Schule habe besuchen können. Die Familie habe zum Zeitpunkt der Ausreise des Vaters aus dem Iran noch ein Haus in Afghanistan besessen, in das sie ziehen hätten wollen. Dieses Haus sei ihnen weggenommen worden, denn zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters seien seine Mutter und er im Iran gewesen.

Der Beschwerdeführer wisse nichts Genaueres über den Tod seines Vaters. Die Männer, die ihn getötet hätten, hätten sich gerächt. So würden Feindschaften in Afghanistan funktionieren. Diese Männer würden zu den Taliban gehören. Im Fall einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, ebenfalls von den Taliban getötet zu werden. Außerdem würden in ganz Afghanistan Hazara verfolgt und vernichtet werden. Der Beschwerdeführer würde ein sehr großes Risiko eingehen, wenn er zurückkehre.

Zu seiner Mutter habe er seit langem keinen Kontakt. Im Iran habe sie landwirtschaftliche Arbeit geleistet. Sie würde sich mit Handys nicht auskennen, weshalb sie keinen regelmäßigen Kontakt hätten.

Der Beschwerdeführer könne nicht in Kabul leben, weil dort Krieg herrsche und jeden Tag Selbstmordattentate stattfinden würden.

Der Beschwerdeführer legte im Rahmen der mündlichen Verhandlung eine Passkopie seiner Verlobten (österreichische Staatsbürgerin) sowie eine Erklärung der Verlobten über die beabsichtigte Eheschließung im heurigen Jahr, eine Bestätigung der XXXX über die Aufnahme im Schuljahr 2017/2018, ein ÖSD Zertifikat A2 23.06.2017, ein Teilnahme- und Kompetenzzertifikat vom November 2017 sowie ein Empfehlungsschreiben vom Projekt NEXT vom 15.11.2017 vor.

6. Im Schreiben vom 26.01.2018 gab der Beschwerdeführer bekannt, dass er seine Verlobte am 27.01.2018 islamisch und im Lauf der nächsten Wochen auch standesamtlich heiraten werde. Die Organisation des standesamtlichen Termins sei aufgrund der fehlenden Geburtsurkunde des Beschwerdeführers etwas zeitaufwändiger. Unter Berücksichtigung der Heirat des Beschwerdeführers liege durch die Erlassung einer Rückkehrentscheidung jedenfalls ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf sein Privat- und Familienleben vor. Die privaten und familiären Interessen an einem Verbleib in Österreich würden im gegenständlichen Fall schwerer als die öffentlichen Interessen einer Aufenthaltsbeendigung wiegen. Eine Rückkehrentscheidung würde daher einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Schutz des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers darstellen.

Mit Schreiben vom 31.01.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Bestätigung der Organisation für islamische Kultur über die am 27.01.2018 geschlossene muslimische Ehe des Beschwerdeführers mit einer österreichischen Staatsbürgerin vorgelegt.

Am 19.04.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Terminbestätigung des Standesamt Graz für die Eheschließung des Beschwerdeführers am 18.04.2018 ein.

Mit Schreiben vom 23.05.2018 legte des Beschwerdeführer eine Kopie der am 18.05.2018 vom Standesamt Graz ausgestellten Heiratsurkunde vor, woraus hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am 18.05.2018 eine österreichische Staatsangehörige geheiratet hat.

Das Bundesverwaltungsgericht bat den Beschwerdeführer mit Schreiben vom 11.06.2018 um Bekanntgabe, weshalb er nicht mit seiner Ehefrau im gemeinsamen Haushalt wohne bzw. mit seiner Ehefrau und deren Eltern und um Bekanntgabe diesbezüglicher Pläne, weil diese laut Auszügen aus dem Melderegister nach wie vor an getrennten Wohnsitzen leben.

Am 27.06.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Beantwortung der Frage bezüglich des gemeinsamen Wohnsitzes durch den Beschwerdeführer ein. Darin wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer sehr gerne mit seiner Ehefrau im gemeinsamen Haushalt leben würde und er dies auch für die Zukunft plane. Leider scheitere die gemeinsame Haushaltsführung aufgrund der mangelnden finanziellen Ressourcen des Beschwerdeführers und seiner Ehefrau. Der Beschwerdeführer sei derzeit dabei, die Pflichtschule abzuschließen und plane, danach eine Lehre abzuschließen. Er erhalte derzeit einen Betrag von EUR 150 monatlich von der Grundversorgung, habe jedoch sonst kein Einkommen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers habe bereits die Pflichtschule abgeschlossen, danach ein wenig gearbeitet und zunächst eine HTL besucht, sich nun aber doch dafür entschieden, eine Lehre zu absolvieren. Sie habe bereits eine Lehrstelle gefunden und werde voraussichtlich im August 2018 beginnen.

Ein Zusammenleben des Beschwerdeführers mit seiner Ehefrau im Haushalt von deren Eltern sei leider ebenfalls nicht möglich, da in der von den Eltern der Ehefrau gemieteten 3-Zimmer-Wohnung, die etwa 80 m2 groß sei, bereits die Eltern der Ehefrau des Beschwerdeführers, sowie die Ehefrau des Beschwerdeführers und ihr Bruder wohnen würden und daher nicht ausreichend Platz sei, damit auch der Beschwerdeführer in der Wohnung leben könne.

Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau hätten selbstverständlich trotz der getrennten Wohnsitze täglich Kontakt und würden täglich ihre freie Zeit miteinander bzw. mit gemeinsamen Freunden bzw. Verwandten der Ehefrau des Beschwerdeführers verbringen.

In der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 11.07.2018 wurde das Bundesverwaltungsgericht darüber informiert, dass der Beschwerdeführer seit 08.02.2018 nicht mehr den Vorbereitungslehrgang der XXXX , sondern voraussichtlich bis zum 21.12.2018 den Vorbereitungslehrgang für die Pflichtschulabschlussprüfung beim BFI besuche. Außerdem werde auf die aktuelle Judikatur des Bundesverwaltungsgerichts betreffend Iran-Rückkehrer und die aktuelle Sicherheitslage verwiesen. Zum Beweis für die bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohende Verletzung von Art. 3 EMRK werde auf das Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018, welches eine der aktuellsten Erkenntnisquellen zur allgemeinen Lage in Afghanistan darstelle, verwiesen.

Am 23.07.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer und dem BFA das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 und räumte die Möglichkeit einer Stellungnahme dazu ein.

Im Schreiben vom 08.08.2018 nahm der Beschwerdeführer ergänzend Stellungnahme zu den Länderberichten und führte zusammengefasst aus, dass die Feststellungen zur Rückkehrsituation, welche ausschließlich auf dem Fact Finding Mission Report Afghanistan basieren würden, einseitig, nicht ausgewogen und nicht objektiv seien.

Mit der Stellungnahme vom 31.01.2019 legte der Beschwerdeführer sein Zeugnis über die bestandene Pflichtschulabschlussprüfung vom 14.12.2018 vor, brachte die aktualisierten UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 in das gegenständliche Verfahren ein und ergänzte seine bisherigen Ausführungen im Wesentlichen dahingehend, dass UNHCR darauf aufmerksam mache, dass nur wenige Städte von Angriffen regierungsfeindlicher Kräfte, die gezielt gegen Zivilisten vorgehen würden, verschont bleiben. Hinzu komme, dass im Norden und Westen Afghanistans eine der schlimmsten Dürren der letzten Jahrzehnte seit einigen Jahren zu anhaltenden Ernteausfällen führe. UNHCR halte zudem fest, dass aufgrund der aktuellen Situation Kabul in keinem Fall eine interne Schutzalternative darstellen könne. Aus einer aktuellen ACCORD-Anfragebeantwortung zu Afghanistan: Folgen von Dürre in den Städten Herat und Mazar-e Sharif: Landflucht als Folge der Dürre; Auswirkungen der Dürre/Landflucht auf die Versorgung mit Wasser und Lebensmitteln, auf die Wohnraumbeschaffung und die Situation am Arbeitsmarkt für Neuansiedler (insbesondere RückkehrerInnnen) a-10743 vom 12.10.2018 gehe hervor, dass auch Mazar-e Sharif und Herat nicht als innerstaatliche Fluchtalternative in Frage kommen, da es in Herat trotz rasch bereitgestellter Hilfsleistungen an Trinkwasser, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung mangle.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und schiitischer Muslime. Er ist volljährig und im erwerbsfähigen Alter.

Er stammt aus der Provinz Uruzgan, Distrikt XXXX und lebte ab einem Alter von fünf oder sechs Jahren im Iran. Im Iran arbeitete der Beschwerdeführer in einer Landwirtschaft. Die Mutter des Beschwerdeführers lebt im Iran und arbeitete dort ebenfalls in einer Landwirtschaft. Der Beschwerdeführer hat keine weiteren engen Verwandten beziehungsweise keinen Kontakt zu weiteren Verwandten in Afghanistan, welche er nie kennen gelernt hat.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren Krankheiten und ist arbeitsfähig.

1.2. Zur Rückkehrmöglichkeit nach Afghanistan:

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keinen Bedrohungen oder Übergriffen gegen seine Person ausgesetzt; es drohen ihm als Person in Afghanistan weder Probleme mit den Taliban noch droht ihm sonst eine Verfolgung. Es bestehen keine Feindschaften in Afghanistan betreffend den Beschwerdeführer oder seine Familie.

Eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Uruzgan ist nicht zumutbar.

Eine Ansiedlung des Beschwerdeführers in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat ist möglich und zumutbar. Er kann die Städte Kabul, Mazar-e Sharif und Herat von Österreich sicher mit dem Flugzeug erreichen. Der Beschwerdeführer ist im afghanischen Familienverband aufgewachsen und mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und in Afghanistan gesprochenen Sprachen vertraut. Er hat bislang nicht in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat gelebt und verfügt in diesen Städten über keine familiären Anknüpfungspunkte. Angesichts seines guten Gesundheitszustandes und seiner Arbeitsfähigkeit könnte sich der Beschwerdeführer in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen.

1.3. Zur Situation des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Asylantragstellung am 25.08.2015 in Österreich. Er wird im Rahmen der Grundversorgung versorgt und ist bisher in Österreich keiner bezahlten Erwerbstätigkeit nachgegangen.

Er absolvierte seit Beginn seines Aufenthaltes in Österreich einen Deutschkurs Niveau A1.2 und einen Deutschkurs Niveau A2. Am 23.06.2017 bestand er die Prüfung ÖSD Zertifikat A2. Zudem nahm der Beschwerdeführer von September 2016 bis zumindest März 2017 an einem Üb- und Förderunterricht für Deutsch, Englisch, Mathematik und Geographie einer privaten Flüchtlingshilfe zwei Mal wöchentlich für jeweils drei Stunden teil. Von 02.03.2017 bis 22.08.2017 nahm der Beschwerdeführer erfolgreich an einer Bildungsberatung und Begleitung für junge Flüchtlinge im Rahmen von 16 Gruppenstunden pro Woche, welche die Vorbereitung von asylwerbenden Flüchtlingen im Alter von 15 bis 19 Jahren nach absolvierter Schulpflicht auf weiterführende Bildungsangebote und Berufsfelder zum Ziel hat, teil. Danach besuchte der Beschwerdeführer von 11.09.2017 bis 08.02.2018 einen Vorbereitungslehrgang für Bautechnik und danach den Vorbereitungslehrgang für die Pflichtschulabschlussprüfung beim BFI Steiermark. Am 14.12.2018 absolvierte der Beschwerdeführer die Pflichtschulabschluss-Prüfung.

Er hat viele Freunde aus Österreich.

Der Beschwerdeführer ist seit 18.05.2018 mit der österreichischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , verheiratet. Am 27.01.2018 erfolgte die religiöse Eheschließung. Ein gemeinsamer Wohnsitz liegt aus finanziellen Gründen nicht vor, ist aber von beiden Ehepartnern gewünscht und geplant.

Der Beschwerdeführer lernte seine Ehefrau im Jahr 2016 in Österreich kennen. Die Ehefrau des Beschwerdeführers stammt aus Afghanistan und lebt seit 2005 in Österreich. Sie wohnt gemeinsam mit ihren Eltern und ihrem Bruder in Österreich, macht ihren Pflichtschulabschluss und plant eine Lehre zu absolvieren.

Der Beschwerdeführer ist zum Zeitpunkt dieser Entscheidung strafrechtlich unbescholten.

1.4. Zur im konkreten Fall maßgeblichen Lage in Afghanistan:

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Zivilist/innen

Im Jahr 2017 registrierte die UNAMA 10.453 zivile Opfer (3.438 Tote und 7.015 Verletzte) - damit wurde ein Rückgang von 9% gegenüber dem Vergleichswert des Vorjahres 2016 (11.434 zivile Opfer mit 3.510 Toten und 7.924 Verletzen) festgestellt. Seit 2012 wurde zum ersten Mal ein Rückgang verzeichnet: im Vergleich zum Jahr 2016 ist die Anzahl ziviler Toter um 2% zurückgegangen, während die Anzahl der Verletzten um 11% gesunken ist. Seit 1.1.2009-31.12.2017 wurden insgesamt 28.291 Tote und 52.366 Verletzte von der UNAMA registriert. Regierungsfeindliche Gruppierungen waren für 65% aller zivilen Opfer im Jahr 2017 verantwortlich; Hauptursache dabei waren IEDs, gefolgt von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken (UNAMA 2.2018). Im Zeitraum 1.1.2018 - 31.3.2018 registriert die UNAMA

2.258 zivile Opfer (763 Tote und 1.495 Verletzte). Die Zahlen reflektieren ähnliche Werte wie in den Vergleichsquartalen für die Jahre 2016 und 2017. Für das Jahr 2018 wird ein neuer Trend beobachtet: Die häufigste Ursache für zivile Opfer waren IEDs und komplexe Angriffe. An zweiter Stelle waren Bodenoffensiven, gefolgt von gezielten Tötungen, Blindgängern (Engl. UXO, "Unexploded Ordnance") und Lufteinsätzen. Die Bewohner der Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kandahar waren am häufigsten vom Konflikt betroffen (UNAMA 12.4.2018).

Regierungsfeindlichen Gruppierungen wurden landesweit für das Jahr 2017 6.768 zivile Opfer (2.303 Tote und 4.465 Verletzte) zugeschrieben - dies deutet auf einen Rückgang von 3% im Vergleich zum Vorjahreswert von 7.003 zivilen Opfern (2.138 Tote und 4.865 Verletzte). Der Rückgang ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben werden, ist auf einen Rückgang ziviler Opfer, die durch Bodenkonfrontation, IED und ferngezündete Bomben zu Schaden gekommen sind, zurückzuführen. Im Gegenzug dazu hat sich die Anzahl ziviler Opfer aufgrund von Selbstmordangriffen und komplexen Attacken erhöht. Die Anzahl ziviler und nicht-ziviler Opfer, die aufgrund gezielter Tötungen durch regierungsfeindliche Elemente zu Schaden gekommen sind, ist ähnlich jener aus dem Jahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (SIGAR 30.4.2018).

Zu den regierungsfreundlichen Kräften zählten: ANDSF, Internationale Truppen, regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen sowie nicht näher identifizierte regierungsfreundliche Kräfte. Für das Jahr 2017 wurden 2.108 zivile Opfer (745 Tote und 1.363 Verletzte) regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben, dies deutet einen Rückgang von 23% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (2.731 zivile Opfer, 905 Tote und 1.826 Verletzte) an (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018). Insgesamt waren regierungsfreundliche Kräfte für 20% aller zivilen Opfer verantwortlich. Hauptursache (53%) waren Bodenkonfrontation zwischen ihnen und regierungsfeindlichen Elementen - diesen fielen 1.120 Zivilist/innen (274 Tote und 846 Verletzte) zum Opfer; ein Rückgang von 37% gegenüber dem Vorjahreswert 2016 (UNAMA 2.2018). Luftangriffe wurden zahlenmäßig als zweite Ursache für zivile Opfer registriert (UNAMA 2.2018; vgl. HRW 26.1.2018); diese waren für 6% ziviler Opfer verantwortlich - hierbei war im Gegensatz zum Vorjahreswert eine Zunahme von 7% zu verzeichnen gewesen. Die restlichen Opferzahlen 125 (67 Tote und 58 Verletzte) waren auf Situationen zurückzuführen, in denen Zivilist/innen fälschlicherweise für regierungsfeindliche Elemente gehalten wurden. Suchaktionen forderten 123 zivile Opfer (79 Tote und 44 Verletzte), Gewalteskalationen 52 zivile Opfer (18 Tote und 34 Verletzte), und Bedrohungen und Einschüchterungen forderten 17 verletzte Zivilist/innen (UNAMA 2.2018). ...]

Im gesamten Jahr 2017 wurden 3.484 zivile Opfer (823 Tote und 2.661 Verletzte) im Rahmen von 1.845 Bodenoffensiven registriert - ein Rückgang von 19% gegenüber dem Vorjahreswert aus 2016 (4.300 zivile Opfer, 1.072 Tote und 3.228 Verletzte in 2.008 Bodenoffensiven). Zivile Opfer, die aufgrund bewaffneter Zusammenstöße zwischen regierungsfreundlichen und regierungsfeindlichen Kräften zu beklagen waren, sind zum ersten Mal seit 2012 zurückgegangen (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 forderten explosive Kampfmittelrückstände (Engl. "explosive remnants of war", Anm.) 639 zivile Opfer (164 Tote und 475 Verletzte) - ein Rückgang von 12% gegenüber dem Jahr 2016. 2017 war überhaupt das erste Jahr seit 2009, in welchem ein Rückgang verzeichnet werden konnte. Der Rückgang ziviler Opfer ist möglicherweise u.a. auf eine Verminderung des indirekten Beschusses durch Mörser, Raketen und Granaten in bevölkerten Gegenden von regierungsfreundlichen Kräfte zurückzuführen (UNAMA 2.2018).

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa, im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Kabul ist mit den Provinzen Kandahar, Herat und Mazar durch die sogenannte Ringstraße und mit Peshawar in Pakistan durch die Kabul-Torkham Autobahn verbunden. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten (Pajhwok o.D.z): Bagrami, Chaharasyab/Char Asiab, Dehsabz/Deh sabz, Estalef/Istalif, Farza, Guldara, Kabul Stadt, Kalakan, Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar, Mirbachakot/Mir Bacha Kot, Musayi/Mussahi, Paghman, Qarabagh, Shakardara, Surobi/Sorubi (UN OCHA 4-2014; vgl. Pajhwok o.D.z).

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 4.679.648 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt (Pajhwok o.D.z). Menschen aus unsicheren Provinzen, auf der Suche nach Sicherheit und Jobs, kommen nach Kabul - beispielsweise in die Region Shuhada-e Saliheen (LAT 26.3.2018). In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen (TG 15.3.2018).

Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage:

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul:

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul:

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani-Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

Balkh

Die Provinz Balkh liegt in Nordafghanistan; sie ist geostrategisch gesehen eine wichtige Provinz und bekannt als Zentrum für wirtschaftliche und politische Aktivitäten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (CSO 4.2017).

Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3).

Im Juni 2017 wurde ein großes nationales Projekt ins Leben gerufen, welches darauf abzielt, die Armut und Arbeitslosigkeit in der Provinz Balkh zu reduzieren (Pajhwok 7.6.2017).

Nach monatelangen Diskussionen hat Ende März 2018 der ehemalige Gouverneur der Provinz Balkh Atta Noor seinen Rücktritt akzeptiert und so ein Patt mit dem Präsidenten Ghani beendet. Er ernannte den Parlamentsabgeordneten Mohammad Ishaq Rahgozar als seinen Nachfolger zum Provinzgouverneur (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Reuters 22.3.2018). Der neue Gouverneur versprach, die Korruption zu bekämpfen und die Sicherheit im Norden des Landes zu garantieren (Tolonews 24.3.2018).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage:

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Balkh:

Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte führen regelmäßig militärische Operationen durch, um regierungsfeindliche Aufständische zu verdrängen und sie davon abzuhalten, Fuß im Norden des Landes zu fassen (Khaama Press 16.1.2018). Diese militärischen Operationen werden in gewissen Gegenden der Provinz geführt (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT.3.2018, Pajhwok 21.8.2017, Pajhwok 10.7.2017). Dabei werden Taliban getötet (Tolonews 18.3.2018; vgl. PT 6.3.2018, Pajhwok 10.7.2017) und manchmal auch ihre Anführer (Tolonews 18.3.2018; vgl. Tolonews 7.3.2018, PT 6.3.2018, Tolonews 22.4.2017).

Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt (Tolonews 7.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Balkh:

Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben (Khaama Press 16.1.2018). Sowohl Aufständische der Taliban als auch Sympathisanten des IS versuchen in abgelegenen Distrikten der Provinz Fuß zu fassen (Khaama Press 20.8.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden keine IS-bezogenen Vorfälle in der Provinz registriert. Im Zeitraum 16.7.2017 - 31.1.2018 wurden dennoch vom IS verursachten Vorfälle entlang der Grenze von Balkh zu Sar-e Pul registriert (ACLED 23.2.2018).

Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken (Pajhwok o.D.; vgl. NPS o.D.).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

Im Dezember 2017 wurden verschiedene Abkommen mit Uzbekistan unterzeichnet. Eines davon betrifft den Bau einer 400 Km langen Eisenbahnstrecke von Mazar-e Sharif und Maymana nach Herat (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2017).

Mitte März 2018 wurde der Bau der TAPI-Leitung in Afghanistan eingeweiht. Dabei handelt es sich um eine 1.800 Km lange Pipeline für Erdgas, die Turkmenistan, Afghanistan, Pakistan und Indien 30 Jahre lang mit 33 Billionen m³ turkmenischem Erdgas versorgen soll. Die geplante Leitung wird sich entlang der Herat-Kandahar-Autobahn erstrecken. Somit wird sie durch Gegenden, auf die die Taliban einen starken Einfluss haben, verlaufen. Jedoch erklärten die Taliban, TAPI sei ein "wichtiges Projekt" und sie würden es unterstützen (PPG 26.2.2018; vgl. RFE/RL 23.2.2018). Im Rahmen des TAPI-Projekts haben sich 70 Taliban bereit erklärt, an den Friedensprozessen teilzunehmen (Tolonews 4.3.2018). Um Sicherheit für die Umsetzung des TAPI-Projekts zu gewähren, sind tausende Sicherheitskräfte entsandt worden (Tolonews 14.3.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage:

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern (Pajhwok 21.1.2017).

Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (AN 18.2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Herat:

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.1.2017; Khaama Press 15.1.2017). Auch werden Luftangriffe verübt (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017); dabei wurden Taliban getötet (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AJ 25.6.2017; vgl. AAN 11.1.2017). In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (MdD o. D.).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Herat:

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018;

vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Dem Iran wird von verschiedenen Quellen nachgesagt, afghanische Talibankämpfer auszubilden und zu finanzieren (RFE/RL 23.2.2018;

vgl. Gandhara 22.2.2018, IP 13.8.2017, NYT 5.8.2017). Regierungsfeindliche Aufständische griffen Mitte 2017 heilige Orte, wie schiitische Moscheen, in Hauptstädten wie Kabul und Herat, an (FAZ 1.8.2017; vgl. DW 1.8.2017). Dennoch erklärten Talibanaufständische ihre Bereitschaft, das TAPI-Projekt zu unterstützen und sich am Friedensprozess zu beteiligen (AF 14.3.2018; vgl. Tolonews 4.3.2018). Es kam zu internen Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen (D&S 25.10.2017; vgl. NYT 29.8.2017).

Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (UNAMA 2.2018).

ACLED registrierte für den Zeitraum 1.1.2017-15.7.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat (ACLED 23.2.2017).

Uruzgan

Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 362.253 geschätzt (CSO 4.2017). Uruzgan ist mehrheitlich von Paschtunen und ihren Teilstämmen Popalzi, Achakzai, Noorzai, Barakzai, Alkozai, Durrani bewohnt. Weitere in der Provinz lebende Ethnien sind Hazara und Kuchi (Pajhwok o.D.b).

Uruzgan war 2017 die Provinz mit der viert-höchsten Opium-Produktion Afghanistans (UNODC 11.2017). Die Regierung plant das Anlegen von Pistazien-Feldern in Kandahar, Uruzgan und Helmand, um den lokalen Bauern eine Alternative zur Opium-Produktion zu bieten. Die Provinz Uruzgan soll 140 Felder bekommen (Khaama Press 4.3.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage:

Der Provinz Uruzgan - lange Zeit eine der umstrittensten Provinzen im Süden des Landes - wird nachgesagt, der Geburtsort des Talibangründers Mullah Omar zu sein. Im Jahr 2001 war sie Ort einer Guerillaoperation - geführt vom ehemaligen Präsident Karzai - um die Taliban zu vertreiben. Die Provinz hat somit für beide Seiten des Konfliktes symbolischen Wert (TG 19.9.2016). Sowohl im Dezember 2017, als auch im Jänner und März 2018 zählte Uruzgan Berichten zufolge zu den volatilen Provinzen im Süden Afghanistans. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen sind in einer Anzahl von Distrikten aktiv (Khaama Press 5.3.2018; vgl. Khaama Press 7.1.2018, Khaama Press 27.12.2017). Auch zählt Uruzgan zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam (UNAMA 2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 170 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Uruzgan 575 zivile Opfer (87 getötete Zivilisten und 488 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und Luftangriffen. Dies bedeutet einen Rückgang von 26% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Uruzgan gehört zu den Provinzen mit der höchsten Anzahl registrierter Anschläge im Jahr 2017 (Pajhwok 14.1.2018).

Militärische Operationen in Uruzgan:

Die afghanischen Sicherheitskräfte sowie die afghanische Armee führen hartnäckig Anti-Terrorismus Operationen in der Provinz durch, um die Aktivitäten von Aufständischen und Terroristen zu verringern (Khaama Press 5.3.2018; vgl. Khaama Press 12.3.2018, YS 6.3.2018). Insbesondere in den unruhigen Distrikten der Provinz werden regierungsfeindliche bewaffnete Kräfte bekämpft (Republic 12.3.2018).

In den Distriken Chora, Charchino, Gizab und der Hauptstadt Tirinkot werden Antiterror-Operationen durchgeführt, um Aufständische zu bekämpfen (Pajhwok 17.2.2018; vgl. Pajhwok 28.11.2017, Tolonews 11.4.2017, Khaama Press 9.2.2017, Borneo Bulletin 28.1.2017, Tolonews 23.1.2017, Khaama Press 1.1.2017); dabei werden Aufständische getötet - manchmal auch hochrangige Anführer (Khaama Press 16.2.2018; vgl. Pajhwok 28.11.2017, vgl. Pajhwok 26.1.2017, Khaama Press 5.3.2018). Luftangriffe werden durchgeführt (Khaama Press 12.3.2018; vgl. Tolonews 5.3.2018, Tolonews 11.2.2018, Tolonews 14.2.2017, Khaama Press 9.2.2017, Borneo Bulletin 28.1.2017, Khaama Press 1.1.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (Pajhwok 17.2.2018; vgl. Pajhwok 7.2.2018, Khaama Press 28.1.2017, Tolonews 25.1.2017).

Um die nationalen Sicherheitskräfte in ihrem Kampf gegen die Taliban zu unterstützen, greifen Hunderte von Bewohnern der Distrikte Tirinkot, Khasuruzgan, Charchino und Dehrawud Ende Jänner 2018 zu Waffen. Die Maßnahme wurde von der Provinzregierung begrüßt (Salaam Times 23.1.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Uruzgan:

Uruzgan gehört zu den Provinzen des Landes, in denen die Opium-Produktion und dadurch die Präsenz der Taliban im Laufe des Jahres 2017 gestiegen ist (Eurasia Review 9.3.2018). Einige Distrikte der Provinz sind umkämpft (SIGAR 30.1.2018). Berichten zufolge sind in den Distrikten Chora, Charchino, Gizab und Tirinkot die Taliban aktiv (Pajhwok 17.2.2018; Pajhwok 7.2.2018; Pajhwok 28.11.2017). So wurde beispielsweise das Hauptkrankenhaus der Provinz im September aufgrund von Drohungen der Taliban gegenüber Ärzten vorübergehend geschlossen. Im Zeitraum 1.1.2017 - 15.7.2017 wurden im Süden und im Nordosten der Provinz Uruzgan Zusammenstöße zwischen dem IS und den Streitkräften gemeldet, während zwischen dem 16.7.2017 und dem 31.1.2018 keine Vorfälle registriert wurden (ACLED 23.2.2018).

Hazara

Die schiitische Minderheit der Hazara macht etwa 10% der Bevölkerung aus (CIA Factbook 18.1.2018; CRS 12.1.2015). Die Hazara besiedelten traditionell das Bergland in Zentralafghanistan, das sich zwischen Kabul im Osten und Herat im Westen erstreckt und unter der Bezeichnung Hazaradschat (azarajat) bekannt ist. Das Kernland dieser Region umfasst die Provinzen Bamyan, Ghazni, Daikundi und den Westen der Provinz Wardak. Es können auch einzelne Teile der Provinzen Ghor, Uruzgan, Parwan, Samangan, Baghlan, Balkh, Badghis, und Sar-e Pul dazugerechnet werden. Wichtige Merkmale der ethnischen Identität der Hazara sind einerseits ihr ethnisch-asiatisches Erscheinungsbild, woraus gern Schlussfolgerungen über eine turko-mongolische Abstammung der Hazara gezogen werden (BFA Staatendokumentation 7.2016); andererseits gehören ethnische Hazara hauptsächlich dem schiitischen Islam an (mehrheitlich Zwölfer-Schiiten) (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. AJ 27.6.2016, UNAMA 15.2.2018). Eine Minderheit der Hazara, die vor allem im nordöstlichen Teil des Hazaradschat leben, sind Ismailiten (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Ausführliche Informationen zu Angriffen auf schiitische Gedenkstätten, sind dem Kapitel Sicherheitslage zu entnehmen; Anmerkung der Staatendokumentation.

Die Hazara-Gemeinschaft/Gesellschaft ist traditionell strukturiert und basiert auf der Familie bzw. dem Klan. Die sozialen Strukturen der Hazara werden manchmal als Stammesstrukturen bezeichnet; dennoch bestehen in Wirklichkeit keine sozialen und politischen Stammesstrukturen. Das traditionelle soziale Netz der Hazara besteht größtenteils aus der Familie, obwohl gelegentlich auch politische Führer einbezogen werden können (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Nicht weniger wichtig als Religion und Abstammung ist für das ethnische Selbstverständnis der Hazara eine lange Geschichte von Unterdrückung, Vertreibung und Marginalisierung. Jahrzehntelange Kriege und schwere Lebensbedingungen haben viele Hazara aus ihrer Heimatregion in die afghanischen Städte, insbesondere nach Kabul, getrieben (BFA Staatendokumentation 7.2016). Dennoch hat sich die Lage der Hazara, die während der Taliban-Herrschaft besonders verfolgt waren, grundsätzlich verbessert (AA 5.2018; vgl. IaRBoC 20.4.2016); vornehmlich aufgrund von Bildung und vor allem auf ökonomischem und politischem Gebiet (CRS 12.1.2015; vgl. GD 2.10.2017). Hazara in Kabul gehören jetzt zu den am besten gebildeten Bevölkerungsgruppen und haben auch eine Reihe von Dichtern und Schriftstellern hervorgebracht (BFA Staatendokumentation 7.2016). Auch wenn es nicht allen Hazara möglich war diese Möglichkeiten zu nutzen, so haben sie sich dennoch in den Bereichen Bildung, öffentliche Verwaltung und Wirtschaft etabliert (GD 2.10.2017).

So haben Hazara eine neue afghanische Mittelklasse gegründet. Im Allgemeinen haben sie, wie andere ethnische Gruppen auch, gleichwertigen Zugang zum Arbeitsmarkt. Nichtsdestotrotz, sind sie von einer allgemein wirtschaftlichen Verschlechterung mehr betroffen als andere, da für sie der Zugang zu Regierungsstellen schwieriger ist - außer ein/e Hazara ist selbst Abteilungsleiter/in. Einer Quelle zufolge existiert in der afghanischen Gesellschaft die Auffassung, dass andere ethnische Gruppierungen schlecht bezahlte Jobs Hazara geben. Einer weiteren Quelle zufolge, beschweren sich Mitglieder der Hazara-Ethnie über Diskriminierung während des Bewerbungsprozesses, da sie anhand ihrer Namen leicht erkennbar sind. Die Ausnahme begründen Positionen bei NGOs und internationalen Organisationen, wo das Anwerben von neuen Mitarbeitern leistungsabhängig ist. Arbeit für NGOs war eine Einnahmequelle für Hazara - nachdem nun weniger Hilfsgelder ausbezahlt werden, schrauben auch NGOs Jobs und Bezahlung zurück, was unverhältnismäßig die Hazara trifft (IaRBoC 20.4.2016). So berichtet eine weitere Quelle, dass Arbeitsplatzanwerbung hauptsächlich über persönliche Netzwerke erfolgt (IaRBoC 20.4.2016; vgl. BFA/EASO 1.2018); Hazara haben aber aufgrund vergangener und anhaltender Diskriminierung eingeschränkte persönliche Netzwerke (IaRBoC 20.4.2016).

Gesellschaftliche Spannungen bestehen fort und leben lokal in unterschiedlicher Intensität gelegentlich wieder auf (AA 9.2016; vgl. USDOS 20.4.2018); soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten finden ihre Fortsetzung in Erpressungen (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Festnahmen (USDOS 20.4.2018).

Die Hazara sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 10% in der Afghan National Army und der Afghan National Police repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

Rückkehr

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zu

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten