TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/25 W255 2187957-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.03.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

25.03.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W255 2187957-1/25E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.01.2018, Zl. 1073479206/150666800, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.07.2018 und 11.12.2018 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am 13.06.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, afghanischer Staatsangehöriger, Paschtune, sunnitischer Muslim und in der Stadt XXXX geboren zu sein. Der BF habe zehn Jahre in XXXX , XXXX , XXXX , XXXX die Schule besucht und als Schneider gearbeitet. Er spreche Paschtu, Dari, Urdu und Englisch. Sein Vater sei verstorben, als der BF fünf Jahre alt gewesen sei. Seine Schwester sei vor ca. zehn Jahren verstorben. Seine Mutter lebe in der Provinz XXXX , in der Stadt XXXX , und ein Bruder in XXXX , Deutschland.

Der BF habe Afghanistan aufgrund der schlechten Sicherheitslage verlassen. Da er bald 18 Jahre alt werde, würde er entweder zur afghanischen Nationalarmee einrücken oder die Taliban unterstützen müssen. In beiden Fällen sei sein Leben in Gefahr. Außerdem habe er in Afghanistan finanzielle Probleme gehabt. Mit seiner Arbeit als Schneider habe er seine Mutter und sich nicht versorgen können.

1.3. Am 03.10.2015 wurde der BF zwecks Feststellung seiner Minder- bzw. Volljährigkeit einer Untersuchung durch einen vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) beauftragten Sachverständigen unterworfen. Laut gerichtsmedizinischem Gutachten vom 03.10.2015 ergebe sich zum Zeitpunkt der Untersuchung ein Mindestalter von 18,29 Jahren. Das vom BF im Zuge der Erstbefragung angegebene Geburtsdatum ( XXXX ) sei mit dem festgestellten Mindestalter nicht vereinbar. Das errechnete fiktive Geburtsdatum des BF laute XXXX .

1.4. Am 25.01.2018 wurde der BF vor dem BFA, Regionaldirektion Niederösterreich, einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er die Sprachen Paschtu, Dari, Urdu, Englisch (auf B2 Niveau) und Deutsch spreche. Er besuche derzeit die 7. Klasse eines Gymnasiums. In seiner Freizeit gehe er ins Fitnessstudio und einmal in der Woche nehme er Nachhilfe in Anspruch. Jeden Sonntag sei er zu Besuch bei seiner Gastfamilie. Er gehe auch hin und wieder mit seinen Mitschülern in die Disco. Seine Freundin stamme aus Afghanistan, habe aber die österreichische Staatsbürgerschaft. Der BF beziehe Leistungen aus der Grundversorgung.

Der BF gehöre der Volksgruppe der Paschtunen, Stamm der XXXX , an und sei sunnitischer Muslim. Der BF sei am XXXX in der Stadt XXXX geboren und in der Provinz XXXX , Stadt XXXX , Distrikt XXXX , Dorf XXXX , aufgewachsen. Warum er in XXXX geboren sei, wisse er nicht, das habe Gott entschieden. Er habe immer im Dorf XXXX gelebt und die Schule bis zur 10. Klasse besucht. Nachdem sein Vater verstorben sei, als der BF sieben Jahre alt gewesen sei, habe der BF seiner Mutter beim Schneidern geholfen. Als der Vater noch gelebt habe, habe die Familie des BF ein normales Leben gehabt. Nach dem Tod des Vaters sei es der Familie finanziell nicht gut gegangen. Der Vater sei Oberst bei der Polizei in XXXX gewesen. Nach dem Tod des Vaters hätten der BF und seine Mutter mit den Söhnen des Onkels väterlicherseits (= Cousins väterlicherseits) gelebt. Einer der Cousins sei damals das Oberhaupt der Familie gewesen, da der Onkel auch schon verstorben gewesen sei. Dieser Cousin habe zum BF gesagt, dass der BF den Tod seines Vaters rächen müsse.

Die Mutter des BF lebe derzeit in XXXX . Auch der Cousin väterlicherseits des BF lebe mit seiner Familie in XXXX und arbeite im Innenministerium. Zwei Tanten väterlicherseits des BF würden (jeweils verheiratet) in XXXX leben; ebenso ein Onkel mütterlicherseits, der Kommandant der Taliban sei. Drei Tanten mütterlicherseits des BF würden in XXXX leben und eine in XXXX . Ein Cousin des BF lebe in XXXX . Der BF habe zuletzt gestern mit seiner Mutter Kontakt gehabt.

Der BF habe 2015 Afghanistan verlassen. Sein Vater sei unter XXXX Beamter gewesen. Als die Taliban gekommen seien, sei er von den Taliban mitgenommen, gefoltert und verprügelt worden. Ihm sei vorgeworfen worden, ein "Kafir" zu sein, da er für die kommunistische Regierung gearbeitet habe. Der Onkel mütterlicherseits des BF sei Vorgesetzter der Taliban. Mit seiner Hilfe sei der Vater freigelassen worden. Der Vater habe dann nicht mehr für die Regierung gearbeitet. Als Karzai an die Macht gekommen sei, habe der Vater wieder für die Regierung gearbeitet. Auf dem Heimweg sei er von den Taliban angehalten und getötet worden. Der BF sei damals sieben Jahre alt gewesen. Die Familie väterlicherseits habe Rache für die Ermordung des Vaters des BF üben wollen. Der Cousin väterlicherseits des BF habe unbedingt wollen, dass der BF zum Militär gehe und den Tod seines Vaters räche. Väterlicherseits hätten alle für das Militär oder die Regierung gearbeitet. Der BF hätte am Onkel mütterlicherseits, dem Anführer der Taliban, Rache üben sollen.

Als der Onkel mütterlicherseits vom Druck des Cousins väterlicherseits des BF erfahren habe, habe er die ganzen Bücher und die Kleidung des BF verbrannt, während der BF mit seiner Mutter und einem Freund seines Vaters in XXXX gewesen sei.

Wäre der BF in Afghanistan geblieben, hätte er entweder für die Regierung oder für die Taliban arbeiten müssen. Er wäre auf jeden Fall getötet worden. Er sei in der Mitte der beiden Familien gestanden, auf der einen Seite sein Cousin väterlicherseits und auf der anderen Seite sein Onkel mütterlicherseits. Der BF habe nicht nach XXXX gehen können, da sein Onkel und seine Cousins ihn kennen würden. Die Taliban seien überall.

Sein Cousin väterlicherseits sei deshalb in XXXX , weil er etwa eine Woche nach der Beerdigung des Vaters den Onkel mütterlicherseits des BF angegriffen und dabei dessen Sohn (= Cousin mütterlicherseits des BF) getötet habe. Sein Cousin väterlicherseits sei beim Innenministerium und habe eine hohe Position. Die Taliban könnten nicht so einfach ins Ministerium und ihn töten.

Befragt, ob es korrekt sei, dass der Vater des BF vor 13 Jahren getötet worden sei, der Cousin väterlicherseits des BF daraufhin den Cousins mütterlicherseits des BF getötet habe, dann nichts mehr passiert sei und der BF ausgereist sei, antwortete der BF: "Ja, aber es waren auch immer wieder Gefechte zwischen Armee und den Taliban. Bei einem dieser Gefechte ist auch meine Schwester getötet worden, das habe ich schon bei der Erstbefragung gesagt." Der Onkel mütterlicherseits habe den BF nur gewarnt, nicht zum Cousin väterlicherseits oder zum Militär zu gehen, sonst habe er dem BF nichts gemacht. Es sei ein normales familiäres Verhältnis gewesen.

Der BF legte die folgenden Dokumente vor:

* Bestätigung der XXXX vom 29.09.2015 über seit 02.07.2015 ehrenamtlich geleistete Arbeit des BF;

* Bestätigung des Vereins XXXX vom 27.01.2017 über seit 2016 einbis zweimal wöchentlich ehrenamtlich geleistete Arbeit des BF;

* Urkunde des Vereins XXXX vom 18.11.2016 für den BF aufgrund seines ehrenamtlichen Engagements;

* Kursbesuchsbestätigung des XXXX vom 27.06.2017 ("16 Stunden für das Leben Kurs");

* Bestätigung des Pflegeheims " XXXX " vom 28.10.2017 über von 01.06.2017 bis 30.09.2017 ein- bis zweimal wöchentlich ehrenamtlich geleistete Arbeit des BF;

* Schulbesuchsbestätigung des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums XXXX vom 30.11.2015 (Besuch der 6. Klasse als außerordentlicher Schüler);

* Schulbesuchsbestätigung des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums XXXX vom 07.11.2016 (Besuch der 6. Klasse als außerordentlicher Schüler);

* Schulbesuchsbestätigung des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums XXXX vom 08.01.2018 (Besuch der 7. Klasse als außerordentlicher Schüler);

* Ersatzbestätigung des Bundesministeriums für Bildung (der Republik Österreich) vom 26.06.2017 betreffend den erfolgreichen Abschluss der 9. Schulstufe an der Gesamtschule " XXXX " durch den BF im Schuljahr 2010/2011;

* Unterstützungsschreiben einer Privatperson vom 22.12.2017;

* Unterstützungsschreiben einer Privatperson vom 09.01.2018;

* undatiertes Empfehlungsschreiben einer Privatperson.

1.5. Das BFA wies den Antrag des BF auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 29.01.2018, Zl. 1073479206/150666800, bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.). Das BFA erteilte dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde für die freiwillige Ausreise eine Frist von 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung bestimmt (Spruchpunkt VI.).

1.6. Gegen den unter Punkt 1.5. genannten Bescheid richtet sich die vom BF fristgerecht erhobene Beschwerde. Darin wiederholte der BF im Wesentlichen sein Vorbringen, dass er in Afghanistan einer Gefährdung durch seinen Onkel mütterlicherseits (einem Mitglied der Taliban) und dem Cousin väterlicherseits ausgesetzt wäre. In der Provinz XXXX würde zudem eine allgemeine Gefährdungslage vorliegen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative liege nicht vor.

1.7. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 02.03.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.8. Mit Schreiben vom 05.06.2018 wurden dem BF vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderfeststellungen betreffend Afghanistan übermittelt.

1.9. Mit Schreiben vom 27.06.2018 nahm der BF zu den am 05.06.2018 übermittelten Länderinformationen Stellung und brachte eine Gefährdung in Afghanistan aufgrund seines Verwandtschaftsverhältnisses zu Mitgliedern der afghanischen Streitkräfte sowie aufgrund seiner "Verwestlichung" vor. Eine Rückkehr nach Afghanistan sei für den BF nicht möglich.

1.10. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 02.07.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Paschto sowie im Beisein des BF und seiner Rechtsvertreterin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Im Zuge der Verhandlung wurde auch die vom BF stellig gemachte Zeugin XXXX einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er am XXXX in XXXX geboren sei. Nach seiner Geburt seien seine Eltern mit ihm in sein Heimatdorf in die Provinz XXXX , Distrikt XXXX , Dorf XXXX , zurückgekehrt. Der BF habe mit seinen Eltern, seinem Cousin väterlicherseits und seiner Schwester zusammengelebt. Seine Schwester sei im Zuge des Krieges getötet worden und zwar ca. zwei bis drei Monate nach dem Tod seines Vaters. Konkret sei sie im Heimatdorf im Zuge einer bewaffneten Auseinandersetzung zwischen dem Cousin väterlicherseits und dem Onkel mütterlicherseits des BF erschossen worden. Die Schwester sei damals ein Kind gewesen, habe draußen gespielt und der BF wisse nicht, wer auf sie geschossen habe.

Der BF sei sieben Jahre alt gewesen, als sein Vater gestorben sei. Danach sei seine Schwester ums Leben gekommen. Sein Vater habe für den Staat gearbeitet und sei auf dem Heimweg von der Arbeit vom Onkel mütterlicherseits des BF und dessen Gruppierung (Taliban) angehalten, zusammengeschlagen und erschossen worden. Der Vater sei Polizeibeamter, im Rang eines Obersts gewesen. Er habe nicht im Dorf arbeiten können, da dieses von den Taliban kontrolliert worden sei und habe daher in der Provinzhauptstadt XXXX gearbeitet. Er sei an den Wochenenden und Feiertagen zu Hause gewesen.

Der Familie des BF sei es nicht möglich gewesen, nach XXXX zu gehen, da sich ihr Haus und Grundstück im Heimatdorf befunden hätten. Sein Cousin väterlicherseits habe damals auch im Heimatort des BF gelebt. Niemand habe von seiner Arbeit für das Ministerium gewusst. Der Cousin väterlicherseits habe dann als Racheakt für den Tod des Vaters des BF einen Cousin mütterlicherseits getötet. Dann sei er nach XXXX geflüchtet. Konkret sei der Cousin väterlicherseits bewaffnet zum Onkel mütterlicherseits nach Hause gegangen und habe dessen Sohn erschössen.

Die Mutter des BF habe auch nach XXXX gehen müssen. Sie habe vier Schwestern, drei davon würden in XXXX leben und eine in XXXX . Nun lebe die Mutter bei der Tante des BF in XXXX .

Der BF habe weder ein gutes noch ein schlechtes Verhältnis zu seinem Onkel mütterlicherseits gehabt. Der Onkel habe versucht, den BF auf seine Seite zu bringen. Er habe wollen, dass sich der BF dem Dschihad verpflichte. Der Onkel habe den BF nie tätlich angegriffen.

Der Cousin väterlicherseits des BF sei über 30 Jahre alt. Genaueres wisse der BF nicht. Er habe immer zusammen mit der Familie des BF im Heimatort gelebt, da der Vater des Cousins des BF (Onkel väterlicherseits des BF) im Krieg getötet worden sei. Der Cousin habe wollen, dass der BF die Schule abschließe, anschließend zur Armee gehe und als Sicherheitsmann ausgebildet werden. Für den BF sei nicht das Problem die Arbeit für die Armee gewesen, sondern die Absicht des Cousins, dass der BF damit den Tod seines Vaters rächen sollte.

Der BF könne heute nicht nach XXXX reisen und dort mit seiner Mutter bei seiner Tante leben, da er österreichische Werte angenommen und sich der österreichischen Kultur angepasst habe. Er habe eine Schulausbildung bekomme und könne sich absolut nicht vorstellen, in sein damaliges Leben zurückzugehen. Der BF gehe in Österreich in einen Club und besuche die Kirche, ohne die Absicht einer Konversion. Er esse fast nur noch österreichische Gerichte, feiere mit Freunden Weihnachten und religiöse Feste und respektiere die österreichischen Gesetze. Er respektiere jeden Glauben. Der BF sei zwar Moslem, aber nicht sehr gläubig. Er trinke Alkohol und rauche. Der BF habe eine Freundin. Sie stamme aus Afghanistan und habe die österreichische Staatsbürgerschaft. Sie studiere an der Universität. Die Familie der Freundin wisse nichts von der Beziehung, da ihre Eltern streng gläubig seien. Der BF sei ihr schon nähergekommen, habe aber noch keinen Geschlechtsverkehr mit ihr gehabt; dies aus Rücksicht auf die streng gläubige Familie seiner Freundin.

Nicht der Bruder, sondern ein Cousin mütterlicherseits des BF lebe in Deutschland. Der BF wisse nicht, warum der Cousin Afghanistan verlassen habe. Da der BF noch sehr jung gewesen sei, habe er mit dem BF nicht über seine Fluchtgründe gesprochen. Der Cousin sei ca. 25 Jahre alt und viel früher geflüchtet als der BF. Er sei ca. drei oder vier Jahre vor dem BF aus Afghanistan geflüchtet. Er habe im selben Dorf gelebt wie der BF.

Im Zuge der Verhandlung gab die vom BF stellig gemachte Zeugin XXXX an, dass sie den BF seit 2015 kenne, dreimal in der Woche per WhatsApp und einmal wöchentlich persönlich mit dem BF Kontakt habe. Die Zeugin unternehme viele Freizeitaktivitäten mit dem BF. Der BF sei ein sehr offener, hilfsbereiter, junger Mann, der sich bei allem, was er tue, bemühe. Soweit die Zeugin durch den BF informiert sei, habe er Afghanistan verlassen, da ein Teil der Familie Taliban und ein anderer beim Militär sei und alle wollen hätten, dass der BF in den Krieg ziehe. Der BF habe der Zeugin erzählt, dass sein Vater und auch Cousins getötet worden seien; er habe der Zeugin nie erzählt, dass seine Schwester ums Leben gekommen sei. Laut Kenntnisstand der Zeugin halte der BF derzeit keinen Kontakt nach Afghanistan. Zur Mutter manchmal, aber nicht konstant. Der BF habe einmal erwähnt, dass er einen Bruder in Deutschland habe. Der BF halte den Ramadan ein, sei aber sehr weltoffen. Er feiere z.B. mit der Familie des BF Weihnachten. Der BF akzeptiere auch, dass die Zeugin mit einer Frau zusammenlebe. Er erwähne oft, dass er nichts damit zu tun haben wolle, wenn es um Terroranschläge und extremistische Angelegenheiten gehe. Der BF sei sehr zurückhaltend gegenüber anderen Afghanen und wolle wenig mit ihnen zu tun haben. Der BF habe eine Freundin gehabt. Da sein Aufenthaltsstatus nicht sicher sei, hätten sie die Beziehung aber beendet und seien nur noch gut befreundet. Der BF wolle in Österreich arbeiten und Geld verdienen.

1.11. Mit Schreiben vom 27.09.2018 verwies der BF auf die UNCHR Richtlinien betreffend Afghanistan vom 30.08.2018, denen laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken sei. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei dem BF nicht zumutbar, da hierfür Sicherheit sowie der Zugang zu Unterbringung, grundlegender Infrastruktur, Trinkwasser, Bildung und Erwerbsmöglichkeit gesichert sein müssten.

1.12. Mit Schreiben vom 15.10.2018 wurden dem BF vom Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderfeststellungen betreffend Afghanistan übermittelt (aktualisierte Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 11.09.2018, UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und zwei Anfragebeantwortungen von ACCORD und Staatendokumentation zur Situation in den Städten XXXX und Mazar-e Sharif) und dem BF die Möglichkeit eingeräumt, hierzu Stellung zu nehmen.

1.13. Mit Schreiben vom 22.10.2018 nahm der BF zu den vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten Länderfeststellungen Stellung und hielt insbesondere fest, dass im Umland von Mazar-e Sharif Wasserknappheit und unzureichende Wasserversorgung vorliege. Aktuellen Berichten sei zu entnehmen, dass momentan ca. 45% der afghanischen Bevölkerung keinen gesicherten Zugang zu Lebensmitteln hätten. Aufgrund der Dürre sei es zu einer Landflucht nach XXXX -Stadt gekommen. Es mangle an Trinkwasser, Lebensmitteln und medizinischer Versorgung. In Mazar-e Sharif sei keine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln gegeben. Das übermittelte LIB der Staatendokumentation betreffend Afghanistan zeichne ebenfalls ein sehr düsteres Bild von der Sicherheitslage in Afghanistan würde abermals die volatile Situation in Afghanistan bestätigen. Der BF könne in Afghanistan nicht auf ein familiäres Unterstützungsnetzwerk zugreifen. Es würden ihm finanzielle Eigenmittel sowie Eigentum iSv Grundbesitz fehlen. Es sei jedenfalls davon auszugehen, dass der BF im Fall der Rückkehr nach Afghanistan in eine existentielle Notlage geraten würde, was eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde.

1.14. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 11.12.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Paschto sowie im Beisein des BF und seines Rechtsvertreters eine weitere öffentliche mündliche Verhandlung durch. Dabei gab der BF an, dass er mit seiner Mutter regelmäßig in Kontakt stehe. Der BF habe nach wie vor Angst, dass ihm etwas passieren könne, falls in Afghanistan jemand herausfinden würde, dass er sich in Österreich aufhalte. Jeder aus Afghanistan könne dann nach Europa kommen und den BF finden. Daher wisse nur seine Mutter, wo er sich aufhalte. Auf entsprechenden Vorhalt durch den erkennenden Richter gab der BF schließlich an, dass er seit vielen Jahren über einen Account auf Facebook lautend auf " XXXX " verfüge, auf dem zahlreiche Fotos von ihm und sein jeweiliger Aufenthaltsort zu sehen sind. Dem BF wurden Fotos von Personen vorgelegt, mit denen er aus Österreich aus über Facebook kommuniziert hat und der BF befragt, um wen es sich dabei handelt. Der BF gab hierzu an, dass es sich 1.) um einen Verwandten von ihm aus der Provinz XXXX handle, der Bescheid gewusst habe, dass der BF ins Ausland gehen würde; 2.) einen Freund des BF, der ein bisschen weiter entfernt vom Heimatdorf des BF lebe, handle; 3.) einen Cousin mütterlicherseits des BF handle, der hauptsächlich in XXXX , derzeit vermutlich aber in XXXX lebe und dort arbeite; 4.) einen Bewohner des Heimatdorfes des BF handle, der derzeit in XXXX lebe; 5.) einen weiteren Bewohner des Heimatdorfes des BF handle. Weiters gab der BF hierzu an, dass es zwar stimme, dass auf seinem Facebook-Profil ersichtlich sei, wo er lebe, dass er aber auf Facebook nicht mit jenen Personen, von denen er geflüchtet sei, befreundet sei. Im Übrigen sei " XXXX " nicht der echte Name des BF. Diesen verwende er in den sozialen Medien. Er habe auch im gegenständlichen Asylverfahren nicht seinen echten Namen angegeben. Sein echter Name laute " XXXX ". Den Namen " XXXX " habe er sich selbst in Afghanistan ausgedacht und fortan weiter in sozialen Medien verwendet.

Der BF führe in Österreich eine Beziehung mit XXXX . Er teile nicht den gemeinsamen Wohnsitz mit seiner Freundin, sehe sie aber wöchentlich. Der BF habe sich letztes Jahr nach seinem Zeugnis von der Schule abgemeldet, da er arbeiten wollen habe. Er arbeite nun auch ehrenamtlich für eine Firma namens XXXX . Der BF lebe im XXXX in XXXX und habe ein Zimmer in einer Wohnung, die Österreichern gehöre. Er zahle EUR 150,- monatlich für das Zimmer.

Auf Befragung durch seinen Rechtsvertreter gab der BF an, dass seine Kernfamilie nicht so groß sei, in Afghanistan aber fast jeder Zweite mit dem Nachnamen " XXXX " heiße. Diese würden aber nicht alle zu seiner Familie gehören, sondern nur den selben Nachnamen tragen.

Der BF legte die folgenden Dokumente vor:

* Empfehlungsschreiben des Leiters des Vereins XXXX vom 04.12.2018;

* Empfehlungsschreiben einer Privatperson vom Dezember 2018.

1.15. Mit Schreiben vom 20.12.2018, 05.03.2019 und 20.03.2019 übermittelte der BF dem Bundesverwaltungsgericht die folgenden Dokumente:

* Einstellungszusage der XXXX für den BF für 30h/Woche ohne Gehaltsangabe;

* E-Mail, in der ausgeführt wird, dass der BF im Zuge eines Bewerbungsverfahrens als "Peer Mentor für jugendliche Geflüchtete" des Projekts " XXXX " ausgewählt worden sei;

* Empfehlungsschreiben der Magistratsabteilung 17 für den BF im Zusammenhang mit dem Projekt " XXXX ".

2. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des gegenständlich erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahme des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vom 02.07.2018 und 11.12.2018, der Länderberichte zu Afghanistan sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1. Zur Person des BF:

2.1.1. Der BF führt den Namen XXXX und ist am XXXX in der Stadt XXXX geboren. Der BF ist in der Provinz XXXX , Stadt XXXX , Distrikt XXXX , Ort XXXX , aufgewachsen.

2.1.2. Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Muslim. Der BF betrachtet sich als nicht strenggläubigen sunnitischen Muslim, der religiöse Rituale und Vorschriften zum Großteil einhält. Der BF fastet beispielweise während des Ramadan, respektiert es aber beispielsweise, wenn Freunde neben ihm Alkohol trinken und geht gerne in die Disco. Die Muttersprache des BF ist Paschto. Der BF beherrscht neben Paschto auch Dari und Urdu. Er spricht ein bisschen Englisch und Deutsch.

2.1.3. Der BF besuchte in Afghanistan zehn Jahre die Grundschule. Der BF war in Afghanistan viele Jahre als Schneider tätig.

2.1.4. Der BF ist gesund, ledig, arbeitsfähig und im erwerbsfähigen Alter.

2.1.5. Die Mutter des BF lebt bei einer der Tanten mütterlicherseits des BF in der Stadt XXXX . In der Stadt XXXX lebt auch der Cousin väterlicherseits des BF mit seiner Familie und arbeitet im Innenministerium. Ein Cousin mütterlicherseits des BF lebt und arbeitet ebenso in XXXX .

Zwei Tanten väterlicherseits, drei Tanten mütterlicherseits und ein Onkel mütterlicherseits des BF leben mit ihren Familien in XXXX .

Ein Bruder oder Cousin des BF lebt in XXXX .

2.1.6. Der BF verfügt über ein Facebook-Profil lautend auf " XXXX ". Dieses Profil wurde vom BF bereits während seines Aufenthalts in Afghanistan (daher vor seiner Reise nach Österreich) erstellt. Auf diesem Profil veröffentlichte der BF seit seiner Einreise in Österreich zahlreiche Fotos, die ihn deutlich erkennbar in XXXX zeigen. Der BF gibt auf seinem Profil seinen Aufenthaltsort XXXX bekannt. Der Facebook-Account des BF unterliegt keinen Einsichtsbeschränkungen (etwa für Freunde, die vom BF bestätigt wurden) und ist für jeden Facebook-Benutzer einsehbar (inklusive aller vom BF veröffentlichten Fotos und Postings). Der BF steht mit Hilfe dieses Facebook-Accounts in regelmäßigem Kontakt mit mehreren Freunden und Verwandten, die in XXXX , XXXX , XXXX und XXXX leben. Mit seiner in XXXX lebenden Mutter steht er auch telefonisch regelmäßig in Kontakt.

2.1.7. Der BF stellte nach unrechtmäßiger Einreise im österreichischen Bundesgebiet am 13.06.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2.2. Zur Integration des BF in Österreich:

2.2.1. Der BF besuchte in den Schuljahren 2015/16 und 2016/17 als außerordentlicher Schüler jeweils die sechste Klasse und im Schuljahr 2017/18 als außerordentlicher Schüler die siebente Klasse des Bundesgymnasiums und Bundesrealgymnasiums XXXX . Nach dem Schuljahr 2017/2018 meldete sich der BF freiwillig von der Schule ab, da er es bevorzugte, statt dem Besuch einer Schule einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachzugehen. Der BF wurde als außerordentlicher Schüler nicht benotet. Der BF hat in Österreich bisher keine Deutschprüfung abgelegt.

2.2.2. Der BF leistete im Jahr 2015 ehrenamtliche Tätigkeiten für die XXXX und in den Jahren 2016 und 2017 ehrenamtliche Tätigkeiten für den Verein XXXX . Von 01.06.2017 bis 30.09.2017 leistete der BF ehrenamtliche Tätigkeiten in den Hausgemeinschaften XXXX .

2.2.3. Der BF verrichtet seit Juli 2017 in der Regel zweimal wöchentlich, teils drei- oder viermal wöchentlich, ehrenamtliche Tätigkeiten für den Verein XXXX .

2.2.4. Der BF nahm vom 21.03.2017 bis 23.06.2017 am Kurs "16 Stunden für das Leben", durchgeführt durch den XXXX , teil.

2.2.5 Der BF nimmt 2019 am Projekt "Ausbildung von Jugendlichen zu Peer - Buddies" der XXXX teil.

2.2.6. Der BF verfügt über eine - für den Fall der Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung mit Arbeitszugang bedingten - Einstellungszusage der XXXX " im Ausmaß von 30h/Woche. Der Einstellungszusage sind keine Angaben zum Gehalt des BF und zur Dauer der Anstellung zu entnehmen.

2.2.7. Der BF führt seit maximal ca. einem Jahr eine Beziehung mit einer Frau namens XXXX . Der BF und seine Freundin teilen sich keinen gemeinsamen Wohnsitz. Die Freundin des BF lebt bei ihren Eltern, die bisher nicht über die Beziehung informiert sind. Der BF informierte auch eine ihm laut eigenen Angaben besonders nahestehende österreichische Bezugsperson, die als Zeugin vor dem Bundesverwaltungsgericht einvernommen wurde, nicht über diese Beziehung. Der BF und seine Freundin treffen sich wöchentlich. Es besteht kein finanzielles Abhängigkeitsverhältnis und/oder finanzielle Unterstützung zwischen den Beiden.

2.2.8. Der BF bewohnt ein Zimmer einer Privatwohnung und zahlt hierfür EUR 150,- monatlich. Der BF bezieht seit seiner Ankunft in Österreich durchgehend Leistungen aus der Grundversorgung (derzeit Leistungen für die private Miete, Krankenversicherung, und Verpflegung).

2.2.9. Der BF geht in seiner Freizeit gerne ins Fitnessstudio. Er ist nicht Mitglied eines Vereins.

2.2.10. Der BF geht keiner bezahlten regelmäßigen Erwerbstätigkeit nach und verfügt nicht über den eigenen Lebensbedarf deckende finanzielle Mittel.

2.2.11. Der BF wird von österreichischen Vertrauenspersonen als offen, hilfsbereit, verlässlich und freundlich beschrieben. Der BF besucht jeden Sonntag eine befreundete Familie.

2.2.12. Der BF hat keine Verwandten in Österreich. Der BF verfügt über keine weiteren als den unter 2.2.1. bis 2.2.11. dargestellten familiären und sozialen Bindungen in Österreich.

2.2.13. Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.3. Zu den Fluchtgründen des BF und einer Rückkehr nach Afghanistan:

2.3.1. Der Grund für das Verlassen des Herkunftsstaates Afghanistan konnte nicht festgestellt werden.

2.3.2. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass es sich bei seinem Onkel mütterlicherseits um einen Kommandanten der Taliban handelt, der den BF für die Dienste der Taliban rekrutieren hätte wollen. Der BF war in Afghanistan keiner physischen und/oder psychischen Gewalt oder anderen erheblichen Eingriffen durch Mitglieder der Taliban und/oder seines Onkels mütterlicherseits ausgesetzt. Der BF wäre in Afghanistan im Falle der Rückkehr keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung durch Mitglieder der Taliban und/oder seinen Onkel mütterlicherseits ausgesetzt.

2.3.3. Der BF war in Afghanistan keiner physischen und/oder psychischen Gewalt oder anderen erheblichen Eingriffen durch Mitglieder seiner Familie väterlicherseits ausgesetzt. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass ihn seine Familienmitglieder väterlicherseits gezwungen hätten oder zwingen würden, Verwandte mütterlicherseits tätlich zu attackieren und/oder für die afghanische Armee zu dienen. Der BF wäre in Afghanistan im Falle der Rückkehr keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung durch seine Verwandten väterlicherseits ausgesetzt.

2.3.4. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass sein Vater durch die Taliban (durch Beteiligung des Onkels mütterlicherseits des BF) getötet wurde. Der BF konnte nicht glaubhaft machen, dass seine Schwester im Rahmen einer Auseinandersetzung zwischen Verwandten mütterlicherseits und väterlicherseits des BF getötet wurde.

2.3.5. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF über eine "westliche Lebensausrichtung", die der konservativ-islamischen Gesellschaftsordnung widerspricht, verfügt. Es kann nicht festgestellt werden, dass eine "westliche Lebensführung" bzw. "westliche Lebensausrichtung" zu einem wesentlichen Bestandteil der Identität des BF geworden ist. Weiters kann nicht festgestellt werden, dass konkret der BF auf Grund der Tatsache, dass er sich 3 3/4 Jahre in Europa aufgehalten und hier - unterstelltermaßen - eine "westliche Wertehaltung" angenommen hat, bzw. dass jeder afghanische Staatsangehörige, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt, in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt ist.

2.3.6. Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder auf Grund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme. Der BF war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Es gibt insgesamt keinen stichhaltigen Hinweis, dass der BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer (asylrelevanten) Verfolgung ausgesetzt wäre.

2.3.7. Dem BF droht im Fall der Rückkehr in seine Herkunftsprovinz XXXX ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

2.3.8. Der BF wäre im Falle der Rückkehr in die Städte XXXX , XXXX oder Mazar-e Sharif keiner konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung ausgesetzt.

2.3.9. Der BF ist gesund, volljährig, anpassungsfähig, mobil, arbeitsfähig und hat keine Kinder. Er verfügt über zehnjährige Schulbildung und mehrjährige Berufserfahrung in Afghanistan. Er wuchs in XXXX in einem afghanischen Familienverband auf und ist mit den Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und mit einer in Afghanistan gesprochenen Sprache vertraut. Neben seiner Muttersprache Paschtu verfügt er über Sprachkenntnisse in Dari, Urdu, Englisch und Deutsch. Angesichts seiner Bildung/Ausbildung, seiner Sprachkenntnisse, seiner Arbeitsfähigkeit und seiner Berufserfahrung könnte er sich in den Städten XXXX , XXXX und Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen und diese - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist in der Lage, in den Städten XXXX , XXXX und Mazar-e Sharif eine einfache Unterkunft zu finden. Im Ergebnis ist von einer Selbsterhaltungsfähigkeit des BF in Afghanistan auszugehen. Er hat zudem die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF hält zudem regelmäßig Kontakt zu diversen Freunden und Verwandten, die in verschiedenen Teilen Afghanistans leben. Zahlreiche Verwandte leben - wie oben erwähnt - in der Hauptstadt XXXX , darunter die Mutter des BF. Weitere Verwandte leben in XXXX , XXXX und XXXX . Verwandte des BF arbeiten unter anderem im Innenministerium und wären in der Lage, den BF zumindest vorübergehend finanziell zu unterstützen. In einer Gesamtbetrachtung sind XXXX , XXXX und Mazar-e Sharif für Normalbürger, die nicht mit Ausländern zusammenarbeiten, vergleichsweise sichere und über die jeweiligen Flughäfen gut erreichbare Städte.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach XXXX , Mazar-e Sharif oder XXXX ausschließen, konnten nicht festgestellt werden.

Dem BF droht im Falle der Rückkehr in die Städte XXXX , XXXX oder Mazar-e Sharif somit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit und er läuft auch nicht Gefahr, im Falle der Rückkehr in die Städte XXXX , XXXX oder Mazar-e Sharif grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

2.3.10. Im Falle der Rückkehr nach XXXX , XXXX oder Mazar-e Sharif läuft der BF auch nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

2.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Aufgrund der im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des BF getroffen:

2.4.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation mit Stand vom 19.10.2018:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Global Incident Map zufolge wurden im Berichtszeitraum (1.5.2018 - 30.9.2018) 1.969 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Wahlen

Zwischen 14.04.2018 und 27.7.2018 fand die Wählerregistrierung für die Parlaments- sowie Distriktwahlen statt. Offiziellen Angaben zufolge haben sich im genannten Zeitraum 9,5 Millionen Wähler registriert, davon 34% Frauen (UNGASC 10.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Parlaments- sowie Distriktwahlen endete am 12.6.2018 bzw. 14.6.2018 und die Kandidatenliste für die Parlamentswahlen wurde am 2.7.2018 veröffentlicht (UNGASC 10.9.2018). Am 25.9.2018 wurde vom Sprecher der Independent Electoral Commission (IEC) verkündet, dass die landesweiten Distriktwahlen sowie die Parlamentswahlen in der Provinz Ghazni am 20.10.2018 nicht stattfinden werden (im Rest des Landes hingegen schon). Begründet wurde dies mit der niedrigen Anzahl registrierter Kandidaten für die Distriktwahlen (nur in 40 von 387 Distrikten wurden Kandidaten gestellt) sowie mit der "ernst zu nehmenden Sicherheitslage und anderen Problematiken". Damit wurden beide Wahlen (Distriktwahlen landesweit und Parlamentswahlen in Ghazni) de facto für 2018 abgesagt. Obwohl noch nicht feststeht, wann diese nachgeholt werden sollen, ist der 20.4.2019, an dem u.a. die Präsidentschafts- sowie Provinzwahlen stattfinden sollen, als neuer Termin wahrscheinlich (AAN 26.9.2018). Die Registrierung der Kandidaten für die Präsidentschaftswahl ist für den Zeitraum 11.11.2018 - 25.11.2018 vorgesehen; die vorläufige Kandidatenliste soll am 10.12.2018 bereitstehen, während die endgültige Aufstellung am 16.1.2019 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018). Ohne die Provinz Ghazni sank die Zahl der registrierten Wähler mit Stand Oktober 2018 auf ungefähr 8.8 Milionen (AAN 9.10.2018; vgl. IEC o. D.). Die Verkündung der ersten Wahlergebnisse für die Parlamentswahlen (ohne Provinz Ghazni) ist für den 10.11.2018 vorgesehen, während das Endergebnis voraussichtlich am 20.12.2018 veröffentlicht werden soll (AAN 9.10.2018).

Im April und Oktober 2018 erklärten die Taliban in zwei Stellungnahmen, dass sie die Wahl boykottieren würden (AAN 9.10.2018). Angriffe auf mit der Ausstellung von Tazkiras sowie mit der Wahlregistrierung betraute Behörden wurden berichtet. Sowohl am Wahlprozess beteiligtes Personal als auch Kandidaten und deren Unterstützer wurden von regierungsfeindlichen Gruppierungen angegriffen. Zwischen 1.1.2018 und 30.6.2018 wurden 341 zivile Opfer (117 Tote und 224 Verletzte) mit Bezug auf die Wahlen verzeichet, wobei mehr als 250 dieser Opfer den Anschlägen Ende April und Anfang Mai in Kabul und Khost zuzuschreiben sind. Auch wurden während des Wahlregistrierungsprozesses vermehrt Schulen, in denen Zentren zur Wahlregistrierung eingerichtet worden waren, angegriffen (39 Angriffe zwischen April und Juni 2018), was negative Auswirkungen auf die Bildungsmöglichkeiten von Kindern hatte (UNAMA 15.7.2018). Seit dem Beginn der Wählerregistrierung Mitte April 2018 wurden neun Kandidaten ermordet (AAN 9.10.2018).

Von den insgesamt 7.366 Wahllokalen werden aus Sicherheitsgründen letztendlich am Tag der Wahl 5.100 geöffnet sein (AAN 9.10.2018; vgl. UNAMA 17.9.2018, Tolonews 29.9.2018). Diese sollen während der fünf Tage vor der Wahl von 54.776 Mitgliedern der Afghan National Security Forces (ANSF) bewacht werden; 9.540 weitere stehen als Reserven zur Verfügung (Tolonews 29.9.2018; vgl. AAN 9.10.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i-Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018; (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz-Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).

IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018

Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).

IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018

Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).

2. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

[...]

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 20

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten