TE Bvwg Beschluss 2019/3/25 W205 2131174-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.03.2019
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Entscheidungsdatum

25.03.2019

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W205 2124699-1/6E

W205 2131171-1/2E

W205 2131174-1/2E

B E S C H L U S S

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. SCHNIZER-BLASCHKA nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 01.04.2016, Zl. Damaskus-OB/KONS/0580/2016 (zu 1.) bzw. vom 01.06.2016, Zl. Damaskus-OB/KONS/0827/2016 (zu 2. und 3.), aufgrund des Vorlageantrags vom 07.04.2016 von 1.) B XXXX , geb. XXXX 1980, StA:

staatenlos, Palästinenserin aus Syrien, sowie vom 15.06.2016 von 2.) mj. Y XXXX , geb. XXXX 2009, und 3.) mj. Z XXXX XXXX , geb. XXXX 2014, beide StA. Syrien, über die Beschwerden gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 13.01.2016, Damaskus-ÖB/KONS/0033/2016 (zu 1.) bzw. vom 22.03.2016, Damaskus-ÖB/KONS/0529/2016 (zu 2. und 3.), beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide und die Beschwerdevorentscheidungen behoben und die jeweilige Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Österreichische Botschaft Damaskus zurückverwiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführer, eine staatenlose Palästinenserin aus Syrien (Erstbeschwerdeführerin) sowie syrische Staatsangehörige (Zweit- und Drittbeschwerdeführer), stellten am 01.09.2015 bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (künftig: "ÖB") Anträge auf Erteilung von Visa zur Einreise nach Österreich gemäß § 35 AsylG 2005, um das Familienleben mit einer namentlich genannten Bezugsperson (im Folgenden "A") in Österreich fortzusetzen. Die Erstbeschwerdeführerin ist die zweite Ehefrau der Bezugsperson, die Zweit- und Drittbeschwerdeführer sind deren gemeinsame minderjährige Kinder. Zweit- und Drittbeschwerdeführer werden im Einreiseverfahren von der Erstbeschwerdeführerin vertreten.

Der Bezugsperson wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 23.06.2015, Zl. 1046633806-140221155/BMI-BFA_STM_RD, gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Mit Schriftsatz vom 03.12.2015 (übernommen am 29.12.2015) wurde die Erstbeschwerdeführerin zur Stellungnahme bezüglich ihres Einreiseantrages aufgefordert. Darin wurde ihr vorgehalten, das BFA habe nach Prüfung ihres Einreiseantrages mitgeteilt, dass die Stattgebung ihres Antrags auf internationalen Schutz nicht wahrscheinlich sei, da Doppel- oder Mehrfachehen mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbar und daher nicht gültig seien. Hier sei lediglich die zeitlich erste erfolgte Eheschließung als gültig anzusehen. Eine Wahlmöglichkeit, welche Ehefrau nach Österreich kommen solle, bestehe nicht.

Am selben Tag wurde der Erstbeschwerdeführerin telefonisch mitgeteilt, dass bezüglich der Einreise der Zweit- und Drittbeschwerdeführer eine schriftliche Einverständniserklärung für deren alleinige Einreise nach Österreich sowie eine Übertragung der alleinigen Obsorge an den Kindesvater benötigt werde.

Die Erstbeschwerdeführerin gab in der Folge keine Stellungnahme ab.

Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 13.01.2016, zugestellt am 01.02.2016, wurde der Antrag der Erstbeschwerdeführerin abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Stattgebung eines Antrags auf internationalen Schutz nicht wahrscheinlich sei, da Dopple- oder Mehrfachehen mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbar und daher nicht gültig seien. Hier sei lediglich die zeitlich erste erfolgte Eheschließung als gültig anzusehen. Eine Wahlmöglichkeit, welche Ehefrau nach Österreich kommen solle, bestehe nicht. Zu dem diesbezüglichen Vorhalt habe die Erstbeschwerdeführerin keine Stellungnahme abgegeben. Daraus ergebe sich, dass ihr Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 Abs. 4 AsylG abzulehnen sei. Es werde darauf hingewiesen, dass jederzeit eine Neuantragstellung gemäß § 35 AsylG möglich sei.

2. Im Verfahren zu den Einreiseanträgen der Kinder teilte die Erstbeschwerdeführerin am 21.01.2016 telefonisch mit, dass sie die schriftliche Einverständniserklärung für die alleinige Einreise der Zweit- und Drittbeschwerdeführer nach Österreich sowie eine Übertragung der alleinigen Obsorge an den (in Österreich befindlichen) Kindesvater nicht vorlegen werde.

Mit Schreiben der ÖB vom 22.01.2016, übernommen am 09.03.2016, wurden Zweit- und Drittbeschwerdeführer zur Stellungnahme aufgefordert. Darin wurde ihnen vorgehalten, das BFA habe nach Prüfung ihrer Einreiseanträge mitgeteilt, dass die Stattgebung eines Antrags auf internationalen Schutz nicht wahrscheinlich sei, da "die Vorlage von Unterlagen und /oder Dokumenten verweigert" worden sei.

3. Gegen den die Erstbeschwerdeführerin betreffenden Bescheid vom 13.01.2016 wurde mit Schriftsatz vom 26.02.2016 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Einreiseverfahren den Bestimmungen der Richtlinie 2003/86/EG betreffend das Recht auf Familienzusammenführung folge. Art. 4 Abs. 4 regle das Verfahren von Mehrehen. Laut diesem Artikel dürfe ein Mitgliedstaat keinem weiteren Ehegatten die Familienzusammenführung gestatten, wenn bereits ein Ehegatte mit dem Zusammenführenden im Hoheitsgebiet lebe. Art. 17 verpflichte die Mitgliedstaaten im Fall der Ablehnung eines Antrags dazu, die Art und Stärke der familiären Bindungen sowie das Vorliegen familiärer, kultureller und sozialer Bindungen in ihrem Herkunftsland in gebührender Weise zu berücksichtigen. Diesen Anforderungen sei im vorliegenden Verfahren nicht genüge getan worden. Derzeit lebe keine der beiden Ehefrauen der Bezugsperson in Österreich. Art. 4 Abs. 4 beziehe sich nur auf die Reihenfolge der Einreise, nicht auf den Zeitpunkt der Eheschließung. Dies impliziere, dass beide Ehen als gültige Ehen angesehen würden, aber nur einem Ehepartner die Familienzusammenführung ermöglicht werde. Es sei somit tatsächlich von einer Wahlmöglichkeit auszugehen. Die erste Ehefrau wolle ihrem Mann nicht nachziehen. Somit hätte die (einreiseantragstellende) Beschwerdeführerin das Recht auf Einreise. Hätte die Behörde am Willen der ersten Ehefrau gezweifelt, hätte sie dies im Rahmen der amtswegigen Ermittlungspflicht, etwa durch Einvernahme oder durch Einholung einer notariell beglaubigten Bestätigung, ermitteln müssen.

Im vorliegenden Fall sei der Erstbeschwerdeführerin das Visum verweigert worden, den minderjährigen Kindern sei aber mitgeteilt worden, dass das Einreisevisum erteilt werden könne. Der VfGH habe in einem derartigen Fall ausgesprochen, dass bei einer möglichen Trennung der Familie die Auswirkungen auf das Recht auf Privat- und Familienleben zu berücksichtigen seien. Bei einem unverhältnismäßigen Eingriff müsse auch trotz fehlender Angehörigeneigenschaft womöglich ein Einreisetitel erteilt werden. Seitens der Behörden seien aber keine dahingehenden Erhebungen getätigt worden.

4. Am 14.03.2016 wurde eine Stellungnahme der Zweit- und Drittbeschwerdeführer übermittelt. Darin wird vorgebracht, dass die Beschwerdeführer nicht aufgefordert worden seien, Dokumente vorzulegen. Somit hätten sie die Vorlage auch nicht verweigern können. Sofern die Botschaft konkretisiere, welche Dokumente vorgelegt werden sollten, werde dies selbstverständlich geschehen. Angefügt werde, dass es den Beschwerdeführern aufgrund ihres Alters und infolge der Abweisung des Antrages der Kindesmutter nicht möglich sei, ihrem Vater nachzuziehen, da sie den Flug nicht alleine antreten könnten. Dies mindere aber auf keinen Fall den Rechtsanspruch auf Erteilung eines Einreisetitels und sei ebenso wenig als Grund der Abweisung des Antrags tauglich. Es werde daher der Antrag gestellt, die ÖB möge konkret benennen, welche Unterlagen nachgereicht werden sollten, und eine angemessene Frist zur Nachreichung setzen.

Diese Stellungnahme wurde an das BFA übermittelt, welches mitteilte, dass die negative Wahrscheinlichkeitsprognose aufrecht bleibe, da die Kindesmutter die schriftliche Einwilligung der Einreise (der Kinder) ohne sie verweigert habe und den Kindern daher nicht gegen den offensichtlich ausdrücklichen Willen der Mutter die Einreise gestattet werden könne.

Mit Bescheiden vom 22.03.2016 wurden die Einreiseanträge der Zweit- und Drittbeschwerdeführer abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Vorlage von Dokumenten verweigert worden sei. Der Erstbeschwerdeführerin sei am 03.12.2015 telefonisch mitgeteilt worden, dass bezüglich der Zweit- und Drittbeschwerdeführer eine schriftliche Einverständniserklärung zur Einreise sowie eine Übertragung der alleinigen Obsorge auf den Kindesvater benötigt werde. Es sei eine Frist bis 30.12.2015 gesetzt worden. Am 21.01.2016 habe sie telefonisch mitgeteilt, dass sie diese Dokumente nicht vorlegen werde. Da die Kindesmutter die schriftliche Einwilligung zur Einreise verweigert habe, könne den Kindern nicht gegen den offensichtlich ausdrücklichen Willen der Mutter die Einreise gestattet werden.

5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 01.04.2016, zugestellt am selben Tag, wies die ÖB Damaskus die Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden im Ausland bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des BFA hinsichtlich der Prognose einer Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes komme daher nicht in Betracht. Auch die Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit habe daran nichts geändert. Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführer einen Antrag nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt hätten und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ergangen sei. Auch sei die Stellungnahme der Beschwerdeführer ordnungsgemäß dem BFA zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung vorgelegt und erst in der Folge bescheidmäßig abgesprochen worden. Als alleintragender Grund für die Abweisung des von den Beschwerdeführern gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. §35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführer auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden.

Im Hinblick auf diese Bindung der Vertretungsbehörde sei daher auf die Ausführungen in der Beschwerde hinsichtlich inhaltlicher Rechtswidrigkeit nicht einzugehen.

Mit Schriftsatz vom 07.04.2016 wurde die Vorlage der Beschwerde der Erstbeschwerdeführerin an das Bundesverwaltungsgericht beantragt.

6. Gegen die die Zweit- und Drittbeschwerdeführer betreffenden Bescheide vom 22.03.2016 wurde am 28.04.2016 Beschwerde erhoben. Darin wurde ausgeführt, dass die Konkretisierung der Behörde, welche Dokumente vorzulegen seien, erst mit dem angefochtenen Bescheid erfolgt sei. Somit sei es der Erstbeschwerdeführerin aufgrund des Neuerungsverbotes des § 11a FPG nicht mehr möglich, dazu Stellung zu nehmen, was eine Verletzung des Parteiengehörs darstelle.

Die Erstbeschwerdeführerin verweigere nicht die Ausreise ihrer Kinder. Diese sei allerdings aufgrund der Ablehnung ihres Einreiseantrags tatsächlich nicht möglich, da es den Zweit- und Drittbeschwerdeführern aufgrund ihres Alters momentan nicht möglich sei, ihrem Vater nachzuziehen, da sie den Flug nicht alleine antreten könnten.

Die Erstbeschwerdeführerin müsse daher die Entscheidung über ihren eigenen Antrag abwarten, bevor eine etwaige Ausreise der Zweit- und Drittbeschwerdeführer organisiert werden könne. Darüber hinaus müsse gerügt werden, dass im Verfahren an keinem Punkt eine allfällige Verletzung des Art. 8 EMRK durch die beabsichtigte Trennung der Mutter von den Zweit- und Drittbeschwerdeführern geprüft worden sei.

7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 01.06.2016 wies die ÖB die Beschwerden der Zweit- und Drittbeschwerdeführer gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden im Ausland bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes komme daher nicht in Betracht. Auch die Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit habe daran nichts geändert. Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführer einen Antrag nach §35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt hätten und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ergangen sei. Auch sei die Stellungnahme der Beschwerdeführer ordnungsgemäß dem BFA zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung vorgelegt und erst in der Folge bescheidmäßig abgesprochen worden. Als alleintragender Grund für die Abweisung des von den Beschwerdeführern gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. § 35 Abs. 1 AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführer auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden.

Zum Vorbringen in der Beschwerde, dass in der Aufforderung zur Stellungnahme nicht darauf eingegangen worden sei, welche Unterlagen verweigert worden seien, sei den Beschwerdeführern beizupflichten, dass eine genauere Konkretisierung zur Abgabe einer entsprechenden Stellungnahme hilfreich gewesen wäre. In den Ablehnungsbescheiden sei jedoch sehr wohl konkretisiert worden, um welche Unterlagen es sich handle. Es sei ständige Rechtsprechung des VwGH, dass ein allfälliger Verfahrensmangel des Verfahrens in erster Instanz saniert werde, wenn der Einschreiter Gelegenheit gehabt habe, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid Stellung zu nehmen und davon, wie im vorliegenden Fall, Gebrauch gemacht habe. Ebenso habe der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass die entsprechenden Feststellungen in der Beschwerdevorentscheidung als Vorhalt anzusehen seien, durch den das Parteiengehör gewahrt sei.

Unabhängig von der dargestellten Bindungswirkung sei nochmals anzumerken, dass die Mutter der minderjährigen Beschwerdeführer die Zweitfrau der Bezugsperson sei, die Einreise nach Österreich aufgrund der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA verweigert worden sei und sie die von ihr geforderten Bestätigungen iZm der Einreise ihrer Kinder nicht erbracht habe. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass eine alleinige Einreise der Kinder nach Österreich gegen den Willen der Kindesmutter sei.

Mit Schriftsatz vom 15.06.2016 wurde die Vorlage der Beschwerden der Zweit- und Drittbeschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht beantragt.

8. Mit den am 13.04.2016 und am 26.07.2016 eingelangten Schreiben des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres wurden dem Bundesverwaltungsgericht diese Vorlageanträge samt Verwaltungsakten übermittelt.

9. Neben mehreren Ersuchen der Beschwerdeführer um rasche Entscheidung teilte A (die Bezugsperson der Beschwerdeführer) im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz 19.02.2018 mit, er habe sich von seiner Erstfrau scheiden lassen (OZ 2). Zum Beweis dafür legte er unter einem einen syrischen Gerichtsbeschluss eines islamischen Gerichts vom 24.04.2016 über die Legalisierung der Auflösung dieser (Erst)ehe im gegenseitigen Einvernehmen beider Ehegatten sowie einen staatlichen Auszug aus dem Familieneintrag vom 25.04.2016 vor, bei dem in der Spalte des Namens der Erstfrau in der Rubrik "Familienstand" "geschieden" vermerkt ist (allerdings in der Spalte des Namens der Erstbeschwerdeführerin in der Rubrik "Familienstand" kein Eintrag aufscheint ).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Erstbeschwerdeführerin ist staatenlose Palästinenserin aus Syrien und die Mutter der minderjährigen Zweit- und Drittbeschwerdeführer, die syrische Staatsangehörige sind. Sie stellten am 01.09.2015 bei der ÖB Damaskus Anträge auf Erteilung von Visa zur Einreise nach Österreich gemäß § 35 AsylG 2005, um das Familienleben mit ihrer als Ehegatten bzw. Vater bezeichneten Bezugsperson A in Österreich fortzusetzen.

Die Erstbeschwerdeführerin ist (bei Beschwerdeerhebung) die zweite Ehefrau der Bezugsperson, die Zweit- und Drittbeschwerdeführer sind deren gemeinsame minderjährige Kinder.

Der Bezugsperson wurde mit Bescheid des BFA vom 23.06.2015, Zl. 1046633806-140221155/BMI-BFA_STM_RD, gemäß § 3 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführer im Zusammenhalt mit den von ihnen vorgelegten Urkunden und dem Akt der Österreichischen Botschaft Damaskus.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

1. Rechtslage:

Der mit "Begriffsbestimmungen" übertitelte § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 idgF lautet:

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

[....]

-22. Familienangehöriger: wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits im Herkunftsland bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat;

[....]

Der mit "Familienverfahren im Inland" übertitelte § 34 AsylG 2005 idgF lautet:

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

----------

-1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

-2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

-3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

-1. dieser nicht straffällig geworden ist;

-2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist und

-3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

----------

-1. dieser nicht straffällig geworden ist;

-2. die Fortsetzung eines bestehenden Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK mit dem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, in einem anderen Staat nicht möglich ist;

-3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

-4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

----------

1.-auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

-2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

§ 35 AsylG 2005 in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung lautet (gemäß § 75 Abs. 24 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 sind aufgrund der Anhängigkeit des gegenständlichen Verfahrens vor dem 1. Juni 2016 die Abs. 1, 2 und 4 noch idF BGBl. I. Nr. 68/2013, die Abs. 3 und 5 mangels entsprechender Übergangsbestimmungen im FrÄG 2017 aufgrund des § 73 Abs. 18 idF BGBl. I Nr. 145/2017 anzuwenden):

"Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.

(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

----------

-1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und

-2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

[....]

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

[....]

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

[....]

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 6 und 17) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten:

"Form der Eheschließung

§ 16 (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.

(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.

Vorbehaltsklausel (ordre public)

§ 6 Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden."

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet:

"§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und es kommt ihr diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).

Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem abschließenden Ergebnis, weil die Prognose des BFA nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes im Ergebnis hinsichtlich dem Zweit- und Drittbeschwerdeführer unzutreffend ist und hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin auf einem nicht ausreichenden Ermittlungsergebnis basiert:

3. Das Bundesverwaltungsgericht hat wiederholt, zuletzt in BVwG 13.02.2019, W239 2184410-1/3E und W239 2184412-1/2E, in einem vergleichbaren Fall einer Mehrfachehe, in dem - wie hier - die "Zweitfrau" mit Kind dem asylberechtigten Ehegatten/Vater nachreisen wollte und hierfür jeweils einen Einreisetitel nach § 35 AsylG beantragt hatte, unter Verweis auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes folgendes wörtlich ausgeführt (dort werden die "Zweitfrau" der Bezugsperson/Mutter des gemeinsamen Kindes als "Erstbeschwerdeführerin", ihr mit der Bezugsperson gemeinsames mj.

Kind als "Zweitbeschwerdeführer" bezeichnet):

"Vorweg ist zur gegenständlich festgestellten Mehrfachehe Folgendes festzuhalten:

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geht in seiner bisherigen Rechtsprechung vom traditionellen Bild der Ehe zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts aus (vgl. EGMR 24.01.1986. Rees, Serie A 106, Z 49 f.; EGMR 27.09.1990, Cossey, Serie A 184, Z 43; EGMR 11.07.2002 [GK], Christine Goodwin, RJD 2002-VI, Z 98). Es entspricht damit dem Ehebegriff aller europäischen Rechtsordnungen, in denen übereinstimmend unter "Ehe" eine auf Dauer angelegte, unter Beachtung bestimmter staatlicher Formvorschriften geschlossene Bindung eines Mannes und einer Frau verstanden wird. Die Regelung der Ausübung der Eheschließungsfreiheit muss durch Gesetz erfolgen. Anerkannte Ehehindernisse sind beispielsweise Blutsverwandtschaft, Geschäftsfähigkeit und auch die fehlende freie Zustimmung.

Im vorliegenden Fall wurden die Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich Asylberechtigte M XXXX StA. Syrien, als Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und als Vater des Zweitbeschwerdeführers genannt.

Es bestehen jedoch gravierende Zweifel am Vorliegen einer in Österreich gültigen Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson. Wie bereits in der Beweiswürdigung unter Punkt II. 2. dargelegt, gab die Bezugsperson vor dem BFA XXXX zu Protokoll, mit S XXXX , verheiratet zu sein und mit ihr fünf Kinder zu haben. Der älteste Sohn aus dieser Beziehung habe in Österreich bereits den Status eines Asylberechtigen erhalten und habe daher die Restfamilie im Zuge einer Familienzusammenführung nachgeholt. Die Bezugsperson habe zwei Frauen und von der "Zweitfrau" noch ein Kind. Die "Zweitfrau" heiße N XXXX und sei etwa 38 Jahre alt; sie seien nur traditionell verheiratet. Das Kind aus dieser Beziehung heiße F XXXX und sei etwa ein Jahr und drei Monate alt.

Die Erstbeschwerdeführerin ist diesen Angaben im gegenständlichen Verfahren nicht entgegengetreten, woraus folgt, dass es sich bei der Erstbeschwerdeführerin somit jedenfalls nicht um die einzige Ehefrau der Bezugsperson handelt. Eine Mehrfachehe widerspricht jedoch in Österreich dem ordre public.

Der Oberste Gerichtshof hat jeweils unter Verweis auf Art. 16 Haager Minderjährigenschutzabkommen und § 6 IPRG in seinen Entscheidungen zu den Zahlen 7 Ob 600/86, 9 Ob 34/10f und 6 Ob 138/13g dargelegt, dass außerhalb der verfassungsrechtlich geschützten Grundwertungen etwa die Einehe, das Verbot der Kinderehe und des Ehezwanges, der Schutz des Kindeswohles im Kindschaftsrecht oder das Verbot der Ausbeutung der wirtschaftlichen und sozial schwächeren Partei zum Inhalt der geschützten Grundwertungen des österreichischen Rechts zählen.

Es ist daher im gegenständlichen Verfahren davon auszugehen, dass keine rechtskonforme Ehe gemäß dem Internationalen Privatrechtsgesetz mit einem Asylberechtigten in Österreich besteht. Nach § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechtes dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Eine Mehrfachehe widerspricht eindeutig den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung, und folgt aus § 6 IPRG, dass die von der Erstbeschwerdeführerin angegebene und angeblich in Syrien geschlossene Ehe hier keinen Rechtsbestand hat. Von daher ist auf die vorgelegten Unterlagen zur behaupteten Eheschließung gar nicht näher einzugehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt bei einem ähnlichen Sachverhalt in Bezug auf eine traditionell nach islamischem Recht geschlossene Ehe in seiner Entscheidung vom 11.10.2016, Ra 2016/01/0025 bis 0026-11, die Revision gegen eine Entscheidung, in welcher eine "Ehe auf Zeit" als dem ordre public im Sinne des § 6 IPRG widersprechend angesehen wurde, zurückgewiesen.

Ungeachtet dieser Überlegungen ist jedoch hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers (und letztlich auch hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin) Folgendes maßgeblich:

In einem ähnlich gelagerten Fall, in dem seitens der Behörde das Vorliegen einer dem ordre public widersprechenden Kinderehe festgestellt wurde und der Erstbeschwerdeführerin aus diesem Grund kein Einreisetitel gewährt wurde sowie der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin und dem minderjährigen Drittbeschwerdeführer mangels Vorliegen einer Zustimmung der Obsorgeberechtigten [nämlich der Erstbeschwerdeführerin] zur Ausreise kein Einreisetitel gewährt wurde, hob der Verfassungsgerichtshof die bestätigende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes mit Erkenntnis vom 11.06.2018, Zl. E 3362-3364/2017-19, auf und stellte fest, dass die Beschwerdeführer durch das angefochtene Erkenntnis im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichstellung von Fremden untereinander verletzt worden seien.

In den Erwägungen dieses Erkenntnisses führte der Verfassungsgerichtshof insbesondere aus: "Das Bundesverwaltungsgericht hegt im angefochtenen Erkenntnis keine Zweifel, dass es sich bei der mj. Zweitbeschwerdeführerin und dem mj. Drittbeschwerdeführer um die Kinder der in Österreich lebenden subsidiär schutzberechtigten Person handelt. Gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ist auch Familienangehöriger, wer zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde. Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes, dass - wie sich aus der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt - zur Ausreise der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers jedenfalls auch die Zustimmung der Erstbeschwerdeführerin als Obsorgeberechtigte notwendig und diese nicht erteilt worden sei, sind in keiner Weise nachvollziehbar, weil - bereits nach der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides - die Erstbeschwerdeführerin als gesetzliche Vertreterin die Anträge gemäß § 35 AsylG 2005 für ihre Kinder selbst bei der Österreichischen Botschaft Teheran gestellt hat und die alleinige Zustimmung der Erstbeschwerdeführerin zur Ausreise der Zweitbeschwerdeführerin und des Drittbeschwerdeführers ausreicht. Das Bundesverwaltungsgericht hat daher das angefochtene Erkenntnis hinsichtlich der Verweigerung der Einreiseerlaubnis für die minderjährigen Kinder mit Willkür belastet (vgl. VfGH 27.11.2017, E 1001-1005/2017).

Bei diesem Ergebnis ist das angefochtene Erkenntnis auch hinsichtlich der Verweigerung der Einreiseerlaubnis für die Erstbeschwerdeführerin aufzuheben, weil vor diesem Hintergrund zu prüfen gewesen wäre, ob - ungeachtet des eventuellen Nichtvorliegens einer Ehe - Art. 8 EMRK gebieten würde, der Erstbeschwerdeführerin die Einreise zur Wahrung des Familienlebens zu gestatten (vgl. VfGH 06.06.2014, B 369/2013-13; 23.11.2015, E 1510/2015; 27.11.2017, E 1001-1005/2017)."

Der Verfassungsgerichtshof vertritt in dieser Entscheidung somit (implizit) die Auffassung, dass die Stellung eines Antrages auf Gewährung eines Einreisetitels durch den Obsorgeberechtigten für ein minderjähriges Kind der Zustimmung zur (auch alleinigen) Ausreise dieses Kindes gleichkommt. Vor dem Hintergrund dieser Entscheidung ist im gegenständlichen Fall - in dem der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels ebenfalls durch die Erstbeschwerdeführerin als Obsorgeberechtigte gestellt wurde - der Beschwerde hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers stattzugeben. Im fortgesetzten Verfahren wird die Behörde feststellen müssen, ob es sich beim minderjährigen Zweitbeschwerdeführer um den leiblichen Sohn der Bezugsperson handelt.

Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin hat die Behörde vor dem Hintergrund der zitierten Entscheidung zu prüfen, ob - trotz festgestelltem Vorliegen einer dem ordre public widersprechenden Mehrfachehe - Art. 8 EMRK gebieten würde, allenfalls auch der Erstbeschwerdeführerin ein Visum zur Einreise zu erteilen. Von daher ist der Beschwerde auch hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin stattzugeben. Im fortgesetzten Verfahren wird die Behörde Ermittlungen zum Familienleben im Sinne von Art. 8 EMRK anstellen müssen.

Aufgrund der Besonderheiten und der verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens kann die Durchführung der notwendigen Ermittlungen nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch das erkennende Gericht selbst durchgeführt werden. Es war daher mit der Behebung der gegenständlichen Bescheide vorzugehen."

4. Das Bundesverwaltungsgericht legt auch der gegenständlichen Entscheidung die oben dargestellte Rechtsprechung zugrunde. Daraus folgt, dass bei den mj. Zweit- und Drittbeschwerdeführer, die unbestrittenermaßen die leiblichen minderjährigen ledigen Kinder der Bezugsperson sind, - sofern die übrigen Voraussetzungen des § 35 AsylG dann noch vorliegen - eine Stattgebung ihres Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten wahrscheinlich ist, und zwar - da die obsorgeberechtigte Erstbeschwerdeführerin den Einreiseantrag für die Kinder selbst gestellt hat - ohne dass zusätzlich noch Zustimmungserklärungen/Obsorgeübertragungen seitens der Mutter erforderlich wären. Dementsprechend hat die ÖB die entsprechenden Visa zu erteilen.

Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin werden BFA bzw. ÖB iSd oben angeführten Judikatur des VfGH zu prüfen haben, ob Art. 8 EMRK es gebieten würde, allenfalls auch der Erstbeschwerdeführerin das beantragte Visum zu erteilen.

Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass das erst im Beschwerdeverfahren erstattete Vorbringen zu einer in der Zwischenzeit erfolgten Ehescheidung der Bezugsperson von der "Erstfrau" - ungeachtet dessen, was diese Scheidung für die Gültigkeit der "Zweitehe" bedeuten mag - dem Neuerungsverbot des § 11 a Abs. 2 FPG unterliegt und daher hier keiner Würdigung unterzogen wird.

5. Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls hinsichtlich des Einreiseantrages der Erstbeschwerdeführerin die zu lösende Rechtsfrage, ob in den Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen ist oder nicht, in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet worden zu sein scheint bzw. scheint die Rechtslage nicht klar zu sein:

Im Jahr 2016 hat sich der Verwaltungsgerichtshof noch - allerdings ohne nähere eigene Begründung - der auch im gegenständlichen Erkenntnis dargestellten Auffassung des VfGH zur Berücksichtigung von Art. 8 EMRK auch im Bereich des Einreiseverfahrens nach § 35 AsylG angeschlossen und z.B. in VwGH 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, sowie in VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002, hierzu folgendes ausgeführt:

"Hinzu kommt, dass der Verfassungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung - wie das BFA in der Revisionsbeantwortung zutreffend aufzeigt - bereits wiederholt gefordert hat, im Visaverfahren nach § 35 AsylG 2005 auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. VfGH vom 6. Juni 2014, B 369/2013, und vom 23. November 2015, E 1510- 1511/2015-15)."

Demgegenüber scheint der Verwaltungsgerichtshof in seiner neueren Judikatur zu den Verfahren nach § 35 AsylG (hier vor allem im Hinblick auf volljährig gewordenen asylberechtigte Bezugspersonen) dieses Prüfungserfordernis nach Art. 8 EMRK (trotz gegebenen familiären Konnexes zwischen den Einreiseantragstellern bzw. zwischen diesen und den im Inland befindlichen Bezugspersonen) nicht mehr in dieser Deutlichkeit zu sehen, sondern vielmehr davon auszugehen, dass diese Interessen in jenen Einreiseverfahren wahrzunehmen sind, die in Umsetzung der unionsrechtlichen Vorgaben zum Familiennachzug/zur Familienzusammenführung normiert wurden (zB dem NAG). So führte der Verwaltungsgerichtshof beispielsweise in seinem Erkenntnis VwGH 03.05.2018, Ra 2017/19/0609, unter Bezugnahme auf VwGH 22.11.2017, Ra 2017/19/0218, und weitere Vorjudikatur folgendes aus:

"27 Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 22. November 2017, Ra 2017/19/0218 (Rn. 32 bis 40), auf das sich die Revision bezieht und von dem sie (der Sache nach) ein Abgehen fordert, Folgendes zur Regelung des § 35 AsylG 2005 festgehalten:

"Soweit in der Revision die Familienzusammenführungsrichtlinie angesprochen wird, ist darauf hinzuweisen, dass das Kapitel V (‚Familienzusammenführung von Flüchtlingen') dieser Richtlinie jene Vorschriften enthält, die auf die Familienzusammenführung von Flüchtlingen, die von den Mitgliedstaaten anerkannt worden sind, Anwendung finden (Art. 9 Abs. 1 Familienzusammenführungsrichtlinie).

Gemäß Art. 9 Abs. 3 dieser Richtlinie lässt dieses Kapitel Rechtsvorschriften, nach denen Familienangehörigen der Flüchtlingsstatus zuerkannt wird, unberührt.

Schon daraus ergibt sich, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht regelt, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen eines Asylberechtigten selbst der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist. Die Erlangung eines Visums nach § 35 AsylG 2005 zielt aber gerade darauf ab, dem Drittstaatsangehörigen einen Einreisetitel zum Zweck des Stellens eines Antrages auf internationalen Schutz im Inland zu ermöglichen.

Zwar nahm der Gesetzgeber mit der Regelung des § 35 AsylG 2005 auch auf unionsrechtliche Regelungen der Familienzusammenführungsrichtlinie Bedacht (vgl. dazu etwa VwGH 28.1.2016, Ra 2015/21/0230), was letztlich dazu führen kann, dass in bestimmten Konstellationen der Familienzusammenführung dem Familienangehörigen weitergehende Rechte - etwa durch die Gewährung des Status des Asylberechtigten - eingeräumt werden als es die Familienzusammenführungsrichtlinie vorsieht. Dies lässt diese Richtlinie auch ausdrücklich zu. Gemäß Art. 3 Abs. 5 Familienzusammenführungsrichtlinie berührt diese Richtlinie nicht das Recht der Mitgliedstaaten, günstigere Regelungen zu treffen oder beizubehalten.

Somit ist festzuhalten, dass die Bestimmungen des § 34 und § 35 AsylG 2005 Fälle erfassen können, die an sich der Familienzusammenführungsrichtlinie unterliegen würden, gleichzeitig aber den Familienangehörigen eine günstigere Rechtsstellung einräumen als es diese Richtlinie verlangt.

Dann kann es allerdings nicht als unionsrechtswidrig angesehen werden, wenn nicht allen Angehörigen von Asylberechtigten dieser Status eingeräumt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seiner Rechtsprechung darauf hingewiesen, dass die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 nur eine von mehreren im österreichischen Recht vorgesehenen Möglichkeiten der Familienzusammenführung darstellt, und zwar mit dem asylspezifischen Zweck, für die nachziehenden Personen nach Einreise in das Bundesgebiet ein Familienverfahren iSd § 34 AsylG 2005 zu eröffnen und ihnen denselben Schutz wie dem bereits in Österreich aufhältigen Angehörigen zu gewähren. Diesem Zweck wird aber - beispielsweise - nicht entsprochen, wenn den Eltern eines im Lauf des Verfahrens nach § 35 AsylG 2005 volljährig gewordenen Asylberechtigten die Einreise nach Österreich gestattet würde, weil sie bei Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr dem Familienverfahren nach § 34 AsylG 2005 unterliegen würden. Der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 erweist sich daher (etwa) in einer solchen Konstellation von vornherein als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen eines Fremden auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich befindlichen (bereits volljährig gewordenen) Sohn zu entsprechen; sie sind vielmehr auf andere - im NAG und im Fremdenpolizeigesetz 2005 eröffnete - Möglichkeiten der Familienzusammenführung und der Erteilung von entsprechenden Einreisetitel zu verweisen (vgl. VwGH 21.2.2017, Ra 2016/18/0253, 0254).

Ausgehend davon, dass die Familienzusammenführungsrichtlinie nicht zum Regelungsinhalt hat, wann einem Familienangehörigen eines anerkannten Flüchtlings ebenfalls der Flüchtlingsstatus zuzuerkennen ist, sondern (nur) Vorgaben dazu enthält, unter welchen Voraussetzungen einem Familienangehörigen ein für den Zweck der Familienzusammenführung vorgesehener Aufenthaltstitel zu erteilen ist (vgl. Art. 13 Abs. 2 iVm Art. 2 lit. e dieser Richtlinie), ist es somit unschädlich, wenn für die Erteilung eines Visums nach § 35 AsylG 2005, dessen Erteilung nicht nur die Familienzusammenführung ermöglichen soll, sondern auch dazu dient, dem Familienangehörigen die Gelegenheit einzuräumen, zwecks Erlangung eines besonderen Schutzstatus im Weg des § 34 AsylG 2005 eine - wie oben unter Hinweis auf die Rechtsprechung dargelegt wurde: nur im Inland zulässige - Antragstellung auf internationalen Schutz vornehmen zu können, gegenüber der Familienzusammenführungsrichtlinie weitergehende Voraussetzungen festgelegt werden.

Sofern sich eine Familienzusammenführung durch Inanspruchnahme des § 35 AsylG 2005 als nicht möglich erweist, ist von einem Antragsteller - wie bereits erwähnt - ein anderer Weg im Rahmen weiterer - ebenfalls die Familienzusammenführungsrichtlinie umsetzender - Vorschriften zu beschreiten, um die Familienzusammenführung zu erreichen. Insbesondere ist hier (nochmals) § 46 NAG zu erwähnen, der im Rahmen der Familienzusammenführung die Erteilung eines Aufenthaltstitels an einen Familienangehörigen ermöglicht, wenn der Zusammenführende (wie im vorliegenden Fall) Asylberechtigter ist und § 34 Abs. 2 AsylG 2005 nicht gilt (§ 46 Abs. 1 Z 2 lit. c NAG). Dass einem Drittstaatsangehörigen die Zuerkennung desselben Schutzstatus wie dem bereits in Österreich lebenden Fremden versagt bleibt, kann somit von vornherein nicht zur Verletzung der Familienzusammenführungsrichtlinie führen. Schon deshalb muss hier nicht geprüft werden, ob einzelne für die Erteilung eines Visums nach § 35 AsylG 2005 maßgebliche Voraussetzungen in Widerspruch zu

dieser Richtlinie stehen könnten. ......."

Weiters ist angesichts der bestehenden Rechtslage und der bisher ergangenen Judikatur des VwGH nicht klar, wie in einem Fall wie dem vorliegenden vorzugehen wäre, wenn eine Prüfung nach Art. 8 EMRK im Verfahren nach § 35 AsylG eine gemeinsame Anreise der Einreiseantragsteller gebieten sollte: Ausgehend von der - in der Rechtsprechung der Höchstgerichte in dieser Verfahrensart bisher nie relativierten - Bindungswirkung der Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA müsste nämlich

-

entweder das BFA die Frage des Art. 8 EMRK schon im Rahmen seiner Wahrscheinlichkeitprognose prüfen und gegebenenfalls eine positive Wahrscheinlichkeitsprognose abgeben, dies mit der Konsequenz, dass ein Personenkreis in den Genuss desselben Schutzes wie die Bezugsperson käme, der in den §§ 34, 35 AsylG ausdrücklich nicht vorgesehen ist (was allerdings den in den Materialien zu den jeweiligen AsylG-Novellen, mit denen dieser Personenkreis bewusst immer weiter eingeschränkt wurde, dargelegten Zielen des Gesetzgebers zuwiderliefe);

-

oder die Vertretungsbehörden müssten die Zusammenhänge des Art. 8 EMRK in diesem Verfahren - ungeachtet einer negativen Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA - im Einreiseverfahren selbst prüfen und gegebenenfalls trotz negativer Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA die Einreise auf Grundlage des § 26 FPG gestatten, was zum einen implizieren würde, dass in einem solchen Fall entgegen der bisherigen Judikatur eben keine Bindungswirkung der Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA bestünde, und zum andern zur Folge hätte, dass der Einreisewerber zunächst zwar - zweckgebunden - einreisen dürfte, dann aber nicht dem Familienverfahren nach § 34 AsylG unterliegen würde, womit sich der Einreisetitel nach § 26 FPG in einer solchen Konstellation von vornherein als ungeeignetes Mittel erwiese, um dem Anliegen des Fremden auf Familienzusammenführung mit seiner in Österreich befindlichen Bezugsperson zu entsprechen.

Andere Aufenthaltsmöglichkeiten (zB nach dem NAG) wären aber diesfalls vor der Einreise von den hierfür zuständigen Behörden nie geprüft worden, das BFA wäre zudem zur Überprüfung de

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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