TE Bvwg Erkenntnis 2019/3/29 W115 2166223-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.03.2019
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Entscheidungsdatum

29.03.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §34 Abs2
AsylG 2005 §34 Abs4
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W115 2166232-1/8E

W115 2166223-1/8E

W115 2166219-1/8E

W115 2166228-1/8E

W115 2166226-1/8E

W115 2166216-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

IV. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

V. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

VI. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christian DÖLLINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 idgF wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann, dem Zweitbeschwerdeführer, und ihren vier gemeinsamen Kindern, der volljährigen Drittbeschwerdeführerin, der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin, dem minderjährigen Fünftbeschwerdeführer und dem minderjährigen Sechstbeschwerdeführer unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten sie am XXXX die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.

1.1. Im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX gaben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari übereinstimmend zusammengefasst an, dass sie und ihre Kinder afghanische Staatsangehörige seien und der Volksgruppe der Hazara angehören würden. Sie seien beide in der Provinz XXXX geboren, hätten aber Afghanistan bereits in jungen Jahren verlassen und seither im Iran gelebt. Vom Iran aus seien sie gemeinsam mit ihren Kindern schlepperunterstützt über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich gebracht worden. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Erstbeschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie und ihre Familie in Afghanistan keinen Platz zum Leben hätten. Bei einem weiteren Verbleib im Iran hätte ihr Ehemann in Syrien kämpfen müssen. Zudem seien im Iran ihre Papiere von der Polizei zerstört worden. Aus diesen Gründen hätten sie den Iran verlassen. Befragt zu ihrer Schul- und Berufsausbildung gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie über keine Ausbildung verfüge und nicht lesen könne. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der Zweitbeschwerdeführer zusammengefasst an, dass er und seine Familie in Afghanistan keinen Platz zum Leben hätten. Bei einem weiteren Verbleib im Iran hätte er in Syrien kämpfen müssen. Zudem seien im Iran ihre Papiere von der Polizei zerstört worden. Aus diesen Gründen hätte er gemeinsam mit seiner Familie den Iran verlassen. Befragt zu seiner Schul- und Berufsausbildung gab der Zweitbeschwerdeführer an, dass er über keine Ausbildung verfüge. Er sei Analphabet und habe als Hilfsarbeiter gearbeitet. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan bzw. in den Iran befürchte er kämpfen zu müssen.

Die Drittbeschwerdeführerin gab im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zusammengefasst an, dass sie afghanische Staatsangehörige sei und der Volksgruppe der Hazara angehören würde. Sie sei ledig und habe keine Kinder. Sie sei im Iran geboren und habe dort auch die Schule besucht. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Geschwistern den Iran verlassen habe, da ihr Vater in Syrien hätte kämpfen sollen. Sie und ihre Familie seien vom Iran aus schlepperunterstützt über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich gebracht worden.

Die Viertbeschwerdeführerin gab im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und ihres gesetzlichen Vertreters zusammengefasst an, dass sie afghanische Staatsangehörige sei. Sie sei ledig und habe keine Kinder. Sie sei im Iran geboren und habe dort auch die Schule besucht. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Viertbeschwerdeführerin an, dass sie gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Geschwistern den Iran verlassen habe, da ihr Vater in Syrien hätte kämpfen sollen. Sie und ihre Familie seien vom Iran aus schlepperunterstützt über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich gebracht worden.

Der Fünft- und der Sechstbeschwerdeführer gaben im Verlauf der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am XXXX im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari und ihres gesetzlichen Vertreters zusammengefasst an, dass sie afghanische Staatsangehörige seien und der Volksgruppe der Hazara angehören würden. Sie seien im Iran geboren und hätten dort auch die Schule besucht. Befragt zu ihren Fluchtgründen gaben sie an, dass sie gemeinsam mit ihren Eltern und ihren Geschwistern den Iran verlassen hätten, da ihr Vater in Syrien hätte kämpfen sollen. Sie und ihre Familie seien vom Iran aus schlepperunterstützt über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn bis nach Österreich gebracht worden.

1.2. Eine EURODAC-Abfrage ergab keine Treffer.

1.3. Am XXXX wurde ein Schreiben hinsichtlich der Integrationsbemühungen der Viertbeschwerdeführerin in Vorlage gebracht.

1.4. Nach Zulassung der Verfahren durch Ausfolgung von Aufenthaltsberechtigungskarten wurden die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer und die Drittbeschwerdeführerin am XXXX vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Kurzbezeichnung BFA; in der Folge belangte Behörde genannt) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen.

Die Erstbeschwerdeführerin gab für sich und ihre minderjährigen Kinder im Wesentlichen zusammengefasst an, dass ihre bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Sie sei gesund und würde keine Medikamente nehmen. Sie und ihre Kinder seien afghanische Staatsangehörige und würden der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islams angehören. Sie sei in der Provinz XXXX geboren, habe aber bereits im Alter von ca. sieben Jahren Afghanistan verlassen und sei gemeinsam mit ihrer Familie in den Iran gezogen. Dort habe sie auch ihren Ehemann geheiratet. Im Iran seien auch ihre Kinder geboren worden. Befragt zu ihren Familienangehörigen gab die Erstbeschwerdeführerin ergänzend an, dass ihre Eltern, eine volljährige Tochter sowie ihre drei Brüder und drei von ihren Schwestern im Iran leben würden. Ihre vierte Schwester lebe in Afghanistan, in der Provinz XXXX . Über sonstige Verwandte in Afghanistan verfüge sie nicht mehr. Befragt zu ihrer Schul- und Berufsausbildung gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie keine Schule besucht habe. Sie sei Hausfrau gewesen und habe Teppiche geknüpft. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Erstbeschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie gemeinsam mit ihrem Ehemann, ihren beiden Töchtern sowie ihren beiden Söhnen den Iran verlassen habe, da die Situation dort immer schwieriger geworden sei. So seien ihre Kinder in der Schule nicht akzeptiert worden, da sie afghanische Staatsangehörige seien. Auch hätten ihre Töchter aufgrund der strengen religiösen Vorschriften Probleme bekommen. Befragt, was sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte, gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass es dort sehr unsicher sei und man als Frau nicht respektiert werde. In Afghanistan würden Frauen von den Taliban bedroht, vergewaltigt und auch getötet werden. Zudem herrsche dort Krieg. Zu ihrer Situation in Österreich befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie hier einen Beruf erlernen und arbeiten wolle. Zurzeit besuche sie am Vormittag einen Deutschkurs und helfe am Nachmittag ihren Kindern bei den Hausaufgaben. Sie gehe auch alleine einkaufen. Zu diesem Zweck fahre sie auch gelegentlich alleine nach XXXX . Hier in Österreich sei sehr gut, dass Männer und Frauen die gleichen Rechte hätten. Ihr sei es sehr wichtig, dass Frauen selbstständig Entscheidungen treffen könnten. Weiters gab die Erstbeschwerdeführerin auf Befragung durch die belangte Behörde an, dass sie kein Kopftuch mehr trage. In diesem Zusammenhang wurde von der belangten Behörde im Einvernahmeprotokoll festgehalten, dass die Erstbeschwerdeführerin zur Einvernahme in westlicher Kleidung erschienen ist und ihre Haare offen trägt. Weiters gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihre minderjährigen Kinder keine eigenen Fluchtgründe hätten. Ihre Kinder würden in Österreich die Schule besuchen und hätten auch schon konkrete Berufswünsche.

Der Zweitbeschwerdeführer gab im Wesentlichen zusammengefasst an, dass seine bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Befragt zu seinem Gesundheitszustand gab er an, dass er seit einem Unfall mit dem linken Ohr nicht mehr so gut höre. Weiters leide er seither an Vergesslichkeit. Er sei jedoch in der Lage der heutigen Einvernahme zu folgen und Angaben zu seinen Fluchtgründen zu machen. Medikamente würde er keine nehmen und sei auch nicht in ärztlicher Behandlung. Er sei afghanischer Staatsangehöriger und würde der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islams angehören. Er sei in Afghanistan in der Provinz XXXX geboren worden. Im Alter von ca. fünfzehn Jahren habe er Afghanistan verlassen und sei in den Iran gezogen. Im Iran habe er auch seine Ehefrau geheiratet. Weiters seien dort auch seine Kinder geboren worden. Befragt zu seinen Familienangehörigen gab der Zweitbeschwerdeführer ergänzend an, dass seine Eltern bereits verstorben seien. In Afghanistan würden sich noch ein Halbbruder und eine Halbschwester von ihm in der Provinz XXXX aufhalten. Weiters verfüge er noch über zwei weitere Halbbrüder in Teheran. Auch eine Tochter von ihm lebe im Iran, sie sei dort verheiratet. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab der Zweitbeschwerdeführer zusammengefasst an, dass er gemeinsam mit seiner Ehefrau, seinen beiden Töchtern sowie seinen beiden Söhnen den Iran verlassen habe, da er bei einem weiteren Verbleib entweder in den Krieg nach Syrien oder zurück nach Afghanistan geschickt worden wäre. Befragt, warum er nicht nach Afghanistan zurückkehren könne, gab der Zweitbeschwerdeführer an, dass er schon damals wegen Probleme mit den Taliban in den Iran gegangen sei. Sobald er wieder in Afghanistan sei, würden ihn die Taliban finden und ihn töten. Weiters sei Afghanistan ein unsicheres Land, in dem er und seine Familie nicht leben könnten. Befragt zu seiner Schul- und Berufsausbildung gab der Zweitbeschwerdeführer an, dass er in Afghanistan als Bauer gearbeitet habe. Im Iran habe er eine Werkstatt besessen, in der er Plastik geschmolzen und dann verkauft habe.

Die Drittbeschwerdeführerin gab im Wesentlichen zusammengefasst an, dass ihre bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Sie sei gesund und würde keine Medikamente nehmen. Sie gehöre der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Sie selbst sei im Iran geboren worden, ihre Eltern würden jedoch aus Afghanistan stammen. Sie sei noch nie in Afghanistan gewesen und verfüge dort nur mehr über entfernte Verwandte. Befragt zu ihren Familienverhältnissen gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie ledig sei und keine Kinder haben würde. Sie lebe in Österreich zusammen mit ihren Eltern und ihren Geschwistern. Befragt zu ihrer Schul- und Berufsausbildung gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie im Iran sieben Jahre die Schule besucht habe. Danach habe sie ihrer Mutter zuhause beim Teppichknüpfen geholfen und auch als Schneiderin gearbeitet. Befragt zu ihren Fluchtgründen gab die Drittbeschwerdeführerin zusammengefasst an, dass sie keine eigenen Fluchtgründe haben würde. Sie hätten aufgrund der Probleme ihres Vaters den Iran verlassen. Befragt, warum sie nicht nach Afghanistan zurückkehren könne, gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie noch nie in Afghanistan gelebt hätte. Dort würde ihr eine Gefährdung durch die Taliban drohen, da sie eine Frau sei. Zu ihrer Situation in Österreich befragt gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie sich gerade auf ihren Pflichtschulabschluss vorbereiten würde. Sie sei bis zum Nachmittag in der Schule und wenn sie dann zuhause sei, mache sie ihre Hausaufgaben und helfe anschließend ihrer Mutter im Haushalt. Am Wochenende treffe sie sich mit ihren österreichischen Freunden und spiele mit ihnen z.B. Volleyball. Auf Befragung durch die belangte Behörde gab die Drittbeschwerdeführerin ergänzend an, dass sie ihre täglichen Einkäufe alleine erledigen würde. Hinsichtlich ihrer Freizeitgestaltung würden ihr ihre Eltern auch nichts vorschreiben. Befragt zu ihren Zukunftsplänen gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie gerne als Hebamme in einem Krankenhaus arbeiten wollen würde. Sie wolle auf eigenen Füßen stehen und ihre eigene Wohnung haben. Sie wolle nicht von einem Mann abhängig sein. Auf Befragung durch die belangte Behörde gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie sich ihren zukünftigen Partner selbst aussuchen werde. Zudem schätze sie es sehr, dass es in Österreich eine Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen gebe. Weiters gab die Drittbeschwerdeführerin auf Befragung durch die belangte Behörde an, dass sie kein Kopftuch mehr trage. In diesem Zusammenhang wurde von der belangten Behörde im Einvernahmeprotokoll festgehalten, dass die Drittbeschwerdeführerin zur Einvernahme in westlicher Kleidung erschienen ist und ihre Haare offen trägt.

Weiters wurden den Beschwerdeführern von der belangten Behörde Länderfeststellungen zu Afghanistan vorgehalten und mit ihnen erörtert sowie ihnen die Möglichkeit eingeräumt, dazu Stellung zu nehmen.

Im Zuge der Einvernahme wurde von der Erstbeschwerdeführerin ihre Heiratsurkunde in Vorlage gebracht. Weiters wurden von den Beschwerdeführern im Anschluss an die Einvernahmen integrationsbescheinigende Unterlagen vorgelegt.

1.5. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.); die Anträge bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.); ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegen die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

1.6. Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom XXXX wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine Rechtsberatung zur Seite gestellt.

2. Gegen die im Spruch genannten Bescheide der belangten Behörde erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht eine gemeinsame Beschwerde, mit der die Bescheide vollinhaltlich angefochten wurden. In der Begründung wurde der Beweisführung sowie der rechtlichen Beurteilung der belangten Behörde substantiiert entgegengetreten. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung beantragt.

3. Die gegenständlichen Beschwerden samt Verwaltungsakte langten der Aktenlage nach am XXXX beim Bundesverwaltungsgericht ein. Im Rahmen der Beschwerdevorlage wurde von der belangten Behörde auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht verzichtet.

3.1. In Ergänzung zum Beschwerdevorbringen wurde von den Beschwerdeführern mit Schreiben vom XXXX zusammengefasst vorgebracht, dass der Erst- sowie der Dritt- und Viertbeschwerdeführerin bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine asylrelevante Verfolgung aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Frauen drohe. Die persönliche Haltung der Beschwerdeführerinnen über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft stehe in eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen seien. Zudem habe es die belangte Behörde unterlassen die Viertbeschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen selbst zu befragen. Dies vor dem Hintergrund, als dass sie bereits sehr gut Deutsch spreche, westlich gekleidet sei sowie in Österreich bereits ihren Pflichtschulabschluss absolviert habe. Derzeit besuche sie die fünfte Klasse eines Oberstufenrealgymnasiums als ordentliche Schülerin und wolle danach Medizin studieren und Ärztin werden. Zudem habe die belangte Behörde keinerlei Feststellungen zur Lebensweise der Beschwerdeführerinnen im Entscheidungszeitpunkt getroffen, was jedoch zur Beurteilung des Vorliegens eines Konventionsgrundes erforderlich gewesen wäre. Somit liege auch in dieser Hinsicht eine Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide aufgrund wesentlicher Verfahrensfehler vor.

3.2. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte in der Folge eine mündliche Verhandlung an und übermittelte gleichzeitig aktuelle Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan. Eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen wurde vorab nicht erstattet.

3.3. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX gaben die Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari nach richterlicher Belehrung zu Beginn an, dass sie damit einverstanden seien, dass die heutige Verhandlung ohne die Anwesenheit des Rechtsberaters durchgeführt werde. Nach Erläuterung des bisherigen Verfahrensganges und des Akteninhaltes brachten die Beschwerdeführer auf richterliche Befragung im Wesentlichen zusammengefasst vor, dass ihre bisherigen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Der Zweitbeschwerdeführer gab in diesem Zusammenhang an, dass es bei der Einvernahme vor der belangten Behörde Verständigungsschwierigkeiten mit dem damals anwesenden Dolmetscher gegeben hätte. So habe er in der damaligen Befragung angegeben, Probleme mit den Nomaden gehabt und deswegen Afghanistan verlassen zu haben. Der Dolmetscher habe aber den Begriff "Nomade" mit "Taliban" übersetzt. Er wolle nunmehr die Gelegenheit nutzen, dies richtig zu stellen. Weiters gab die Drittbeschwerdeführerin hinsichtlich ihres Vornamens an, dass dieser im bisherigen Verfahren von der belangten Behörde nicht richtig protokolliert worden sei. Dieser würde richtigerweise " XXXX " und nicht " XXXX " lauten. Auch sei sie nicht am XXXX , sondern am XXXX geboren worden. Von der Viertbeschwerdeführerin wurde in diesem Zusammenhang angegeben, dass sie nicht am XXXX , sondern am XXXX geboren worden sei. Auf richterliche Befragung wurden diese Angaben von der Erstbeschwerdeführerin und dem Zweitbeschwerdeführer bestätigt. Befragt zu ihrem Gesundheitszustand gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie an Depressionen leide und Medikamente dagegen einnehmen würde. Sie könne aber der heutigen Verhandlung ohne Probleme folgen. Die übrigen Beschwerdeführer gaben an, gesund zu sein. Es würden keine Hinderungsgründe für die heutige Verhandlung vorliegen. In weiterer Folge gaben die Beschwerdeführer übereinstimmend an, dass sie afghanische Staatsangehörige seien und der Volksgruppe der Hazara angehören würden. Befragt zu ihrer Religionszugehörigkeit gaben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer übereinstimmend an, dass sie und der Fünft- und der Sechstbeschwerdeführer der schiitischen Glaubensrichtung des Islams angehören würden. Von der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin wurde in diesem Zusammenhang angegeben, dass sie früher ebenfalls der schiitischen Glaubensrichtung des Islams angehört hätten. Nunmehr würden sie jedoch keiner Religionsgemeinschaft mehr angehören. Sie würden zudem nicht nach irgendwelchen Regeln leben, die ihnen die Religion vorgebe. Auf richterliche Befragung gaben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer an, dass sie kein Problem damit haben würden, dass ihre Töchter nicht mehr dem moslemischen Glauben angehören würden. Ihre Töchter könnten in diesen Belangen selbst entscheiden. Weiters gaben die Beschwerdeführer an, dass ihre Muttersprache Dari sei. Sie würden aber auch noch Farsi und Deutsch sprechen. Von der Drittbeschwerdeführerin wurde in diesem Zusammenhang angegeben, dass sie auch noch ein wenig Englisch sprechen könne. Die Viertbeschwerdeführerin gab ergänzend an, dass sie über gute Kenntnisse der englischen Sprache verfüge. Weiters verfüge sie über Grundkenntnisse der italienischen Sprache, da sie diese zwei Jahre in der Schule gelernt habe. Darüber hinaus habe sie im Gymnasium ein Jahr Latein gelernt. Zu ihrer Schul- und Berufsausbildung befragt gaben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer an, dass sie keine Schule besucht hätten. Sie würden in Dari und Farsi weder lesen noch schreiben können. Mittlerweile würden sie aber in Deutsch ein wenig lesen und schreiben können. Die Erstbeschwerdeführerin gab an, im Iran Hausfrau gewesen zu sein und zuhause Teppiche geknüpft zu haben. Der Zweitbeschwerdeführer gab an, ebenfalls keine Berufsausbildung absolviert zu haben. Damals in Afghanistan habe er sich um das Vieh gekümmert bzw. habe seinem Vater bei einfachen Arbeiten geholfen. Im Iran habe er zuerst überwiegend im Baubereich gearbeitet. Später habe er einen kleinen Betrieb gehabt, in dem er Plastik verarbeitet und anschließend verkauft habe. Die Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin gaben in diesem Zusammenhang an, dass sie sowohl in Dari und Farsi als auch in Deutsch lesen und schreiben können würden. Sie führten weiters aus, im Iran sieben bzw. fünf Jahre in die Schule gegangen zu sein. Die Erstbeschwerdeführerin gab an, dass sie in Afghanistan in einem Dorf in der Provinz XXXX geboren worden sei. Als sie noch ein Kind gewesen sei, habe sie gemeinsam mit ihrer Familie Afghanistan verlassen und sei in den Iran gezogen. Zum jetzigen Zeitpunkt würden sich noch ihre Eltern im Iran aufhalten. Kontakt zu ihnen habe sie jedoch nicht. Weiters habe sie noch drei Schwestern und drei Brüder. Kontakt zu ihnen bestehe ebenfalls nicht. Eine weitere Schwester sei bereits verstorben. In Afghanistan verfüge sie über keine Verwandten mehr. Der Zweitbeschwerdeführer gab an, dass er ebenfalls in einem Dorf in der Provinz XXXX geboren worden sei. Dort habe er bis zu seinem 15. Lebensjahr gelebt und sei anschließend in den Iran gezogen. Seine Eltern seien in Afghanistan geblieben, aber mittlerweile verstorben. Außer einer Halbschwester und einem Halbbruder verfüge er in Afghanistan über kein Verwandten mehr. Kontakt zu diesen bestehe aber nicht. Weiters würden noch zwei Halbbrüder von ihm im Iran leben. Übereinstimmend gaben die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer an, dass sie ihre Ehe im Iran geschlossen hätten und auch alle ihre Kinder dort geboren worden seien. Außer ihren Kindern, die mit ihnen zusammen nach Österreich geflüchtet seien, hätten sie noch eine Tochter, die im Iran leben würde. Diese sei dort verheiratet und hätte drei Kinder. Zu ihren Familienverhältnissen in Österreich befragt, gaben die Beschwerdeführer zusammengefasst übereinstimmend an, dass sie zusammen hier leben würden. Sonstige Verwandte von ihnen würden sich in Österreich nicht aufhalten.

Zu ihrer Situation in Österreich befragt gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie bemüht sei hier eine Arbeit zu finden. Sie habe bereits mehrere Deutschkurse besucht und nehme zum aktuellen Zeitpunkt gerade wieder an einem teil. Zudem sei sie bestrebt sich auch EDV-Kenntnisse anzueignen. Ihr Berufswunsch sei es, in einem Kindergarten zu arbeiten. (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurden von der Erstbeschwerdeführerin mehrere Teilnahmebestätigungen von bereits absolvierten Deutschkursen in Vorlage gebracht. Weiters wurde eine Anmeldungsbestätigung lautend auf die Erstbeschwerdeführerin vom XXXX über den laufenden Besuch eines Deutschkurses in Vorlage gebracht.). In diesem Zusammenhang gab die Erstbeschwerdeführerin ergänzend an, dass sie auch Behördenwege und/oder Arztbesuche alleine absolviere. In ihrer Freizeit gehe sie mit ihren österreichischen Freundinnen laufen und schwimmen. Dabei trage sie wie andere österreichische Frauen auch normale Laufbekleidung bzw. einen Badeanzug (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurden von der Erstbeschwerdeführerin Farbfotos in Vorlage gebracht, auf denen sie u.a. in Laufbekleidung bzw. im Badeanzug zu sehen ist.). In Österreich trage sie auch kein Kopftuch und kleide sich wie auch andere österreichische Frauen. Befragt zu ihrer Ehe gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie sich in ihrer Ehe als gleichberechtigt neben ihrem Ehemann sehe. Sie würden sich die Erziehung der Kinder teilen. Weiters sei sie für die Verwaltung des Familieneinkommens zuständig. So würden z.B. ihre Kinder von ihr ein monatliches Taschengeld bekommen und sie erledige auch die Einkäufe alleine. Befragt zur Erziehung ihrer Kinder gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass es ihr sehr wichtig sei, dass diese einen Beruf erlernen würden. Diesbezüglich würden ihre Kinder auch von ihr unterstützt werden. Auch würde sie ihren Kindern keine Regeln hinsichtlich ihrer Familienplanung vorgeben. Sie würden selbst entscheiden können, ob bzw. wen sie später einmal heiraten wollen würden.

Zu seiner Situation in Österreich befragt gab der Zweitbeschwerdeführer zusammengefasst an, dass er in Österreich bereits mehrere Deutschkurse besucht und schon mehrmals gemeinnützige Tätigkeiten übernommen habe (In diesem Zusammenhang wurden vom Zweitbeschwerdeführer ein Konvolut an Bestätigungen hinsichtlich des Besuches von Deutschkursen und der Ausübung gemeinnütziger Tätigkeiten in Vorlage gebracht.).

Zu ihrer Situation in Österreich befragt, gab die Drittbeschwerdeführerin an, dass sie nach ihrer Ankunft in Österreich als außerordentliche Schülerin die fünfte Klasse eines Gymnasiums besucht habe. Daneben habe sie Deutsch gelernt und habe schließlich im Jahr XXXX damit begonnen, dieses Gymnasium als ordentliche Schülerin zu besuchen. Sie habe aber das Gymnasium abgebrochen und besuche seit XXXX die Fachschule für XXXX in XXXX . Im Rahmen dieser Ausbildung wolle sie ihren Pflichtschulabschluss nachholen und anschließend eine Ausbildung als Krankenschwester beginnen. Ihr Ziel sei es die Matura zu machen und anschließend als Hebamme zu arbeiten. Neben ihrer schulischen Ausbildung habe sie auch bereits viele Deutschkurse besucht und mittlerweile die B1-Prüfung erfolgreich absolviert. Sie beabsichtige weiters auch die B2-Prüfung abzulegen (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurde von der Drittbeschwerdeführerin u.a. eine mit XXXX datierte Schulnachricht für das Schuljahr XXXX der XXXX vorgelegt, aus der hervorgeht, dass die Drittbeschwerdeführerin zurzeit die einjährige XXXX besucht. Weiters wurde neben anderen integrationsbescheinigenden Unterlagen das ÖSD-Zertifikat "Deutsch Österreich B1" vom XXXX lautend auf die Drittbeschwerdeführerin mit der Beurteilung "gut bestanden" in Vorlage gebracht.). In ihrer Freizeit spiele sie gerne mit ihren österreichischen Freunden Volleyball, gehe schwimmen, Fahrrad fahren oder spazieren. Auch treffe sie sich öfters mit ihren Freunden zum Billard spielen (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurden von der Drittbeschwerdeführerin Farbfotos in Vorlage gebracht, auf denen sie u. a. im Badeanzug zu sehen ist.). Sie sei auch Mitglied in einer Theatergruppe, wo Themen wie Frauen- oder Menschenrechte behandelt werden. Zudem besuche sie regelmäßig die Kunstuniversität in XXXX und nehme dort an verschiedenen Workshops teil. In Österreich trage sie auch kein Kopftuch und kleide sich wie auch andere österreichische Frauen. Sie schätze an Österreich besonders, dass sie hier zu nichts gezwungen werden könne. So könne sie z.B. über eine eventuelle Familiengründung frei entscheiden. Diesbezüglich habe sie sich aber noch keine Gedanken gemacht. Zum jetzigen Zeitpunkt könne sie nur angeben, dass sie nicht heiraten und auch keine Kinder haben wolle.

Zu ihrer Situation in Österreich befragt, gab die Viertbeschwerdeführerin an, dass sie nach ihrer Ankunft in Österreich die dritte und vierte Klasse der Neuen Mittelschule XXXX besucht und diese Schule auch erfolgreich abgeschlossen habe (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurden von der Viertbeschwerdeführerin das diesbezügliche Jahres- und Abschlusszeugnis der Neuen Mittelschule XXXX in Vorlage gebracht.). Danach habe sie ein Jahr lang als außerordentliche Schülerin ein Gymnasium besucht. Nach diesem Jahr habe sie wie ihre Schwester ebenfalls die XXXX in XXXX besucht. Das erste Semester habe sie erfolgreich abgeschlossen und für das zweite Semester habe sie sich in einem Abendgymnasium angemeldet, um die Matura zu machen (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurde von der Viertbeschwerdeführerin eine mit XXXX datierte Schulbesuchsbestätigung der XXXX in Vorlage gebracht. Weiters wurde von der Viertbeschwerdeführerin eine mit XXXX datierte Bestätigung des Abendgymnasiums XXXX , in Vorlage gebracht, aus der hervorgeht, dass sie seit XXXX ordentliche Studierende dieser Einrichtung ist.). Neben ihrer schulischen Ausbildung habe sie auch bereits viele Deutschkurse besucht und mittlerweile die B1-Prüfung erfolgreich absolviert. Am XXXX beabsichtige sie zur B2-Prüfung anzutreten (Anmerkung: In diesem Zusammenhang wurde von der Viertbeschwerdeführerin neben anderen integrationsbescheinigenden Unterlagen das ÖSD-Zertifikat "Deutsch Österreich B1" vom XXXX lautend auf die Viertbeschwerdeführerin mit der Beurteilung "gut bestanden" in Vorlage gebracht.). Ihr Ziel sei es nach der Matura Medizin zu studieren. Ihr Berufswunsch sei Ärztin zu werden und als Chirurgin zu arbeiten. In ihrer Freizeit spiele sie gemeinsam mit ihrer Schwester Volleyball. So habe ihre Volleyballmannschaft in diesem Jahr auch an einem Schulturnier teilgenommen. Darüber hinaus besuche sie regelmäßig ihre Freunde bzw. Freundinnen in XXXX . Dabei handle es sich um ehemalige Schulkollegen. Seit sie in XXXX wohne, würde sie alleine mit dem Bus zu ihnen fahren. Als eine ihrer Freundinnen Geburtstag gehabt habe, habe sie auch bei dieser übernachtet. Weiters sei sie genauso wie ihre Schwester Mitglied in dieser Theatergruppe. In Österreich trage sie auch kein Kopftuch und kleide sich wie auch andere österreichische Frauen. Hier in Österreich habe sie nunmehr auch einen Freund und sie könne sich vorstellen auch mit diesem zusammenzuziehen. An Heirat denke sie jedoch noch nicht. Ihr sei es wichtig, selbstständig und von niemandem abhängig zu sein.

In weiterer Folge wurden ergänzend zu den mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan durch den verfahrensführenden Richter aufgrund der in der heutigen Verhandlung von der Erst-, der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin geschilderten Lebensweise in Österreich folgende Unterlagen in das Verfahren eingebracht:

? Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, in der Fassung vom 31.01.2019

? UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018

Nach Erörterung dieser Unterlagen und der mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen, gaben die Beschwerdeführer dazu an, dass auf eine Stellungnahme verzichtet werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Das Bundesverwaltungsgericht geht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:

1.1. Zur Person der Beschwerdeführer:

Die Beschwerdeführer tragen die im Spruch genannten Namen und sind am XXXX (Erstbeschwerdeführerin), am XXXX (Zweitbeschwerdeführer), am XXXX (Drittbeschwerdeführerin), am XXXX (Viertbeschwerdeführerin), am XXXX (Fünftbeschwerdeführer) sowie am XXXX (Sechstbeschwerdeführer) geboren. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer sind die Eltern der volljährigen Drittbeschwerdeführerin, der minderjährigen Viertbeschwerdeführerin, des minderjährigen Fünftbeschwerdeführers und des minderjährigen Sechstbeschwerdeführers. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer haben bevor sie nach Österreich eingereist sind, im Iran geheiratet.

Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Islamischen Republik Afghanistan und gehören der Volksgruppe der Hazara an. Die Erstbeschwerdeführerin, der Zweitbeschwerdeführer sowie der Fünft- und der Sechstbeschwerdeführer gehören der schiitischen Glaubensrichtung des Islams an. Die Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin bekannten sich früher ebenfalls zur schiitischen Glaubensrichtung des Islams, folgen nun aber keiner Religion (mehr). Die Erstbeschwerdeführerin ist in Afghanistan geboren und hat in einem Dorf in der Provinz XXXX gelebt. Sie ist bereits als Kind gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern in den Iran gezogen. Im Iran leben nach wie vor die Eltern der Erstbeschwerdeführerin. Weiters verfügt sie noch über drei Schwestern und drei Brüder. Ihre vierte Schwester ist bereits verstorben. Kontakt zu diesen Familienmitgliedern hat die Erstbeschwerdeführerin nicht. In Afghanistan verfügt sie über keine Verwandten mehr. Der Zweitbeschwerdeführer ist in Afghanistan geboren und hat in einem Dorf in der Provinz XXXX gelebt. Im Alter von ca. fünfzehn Jahren hat er Afghanistan verlassen und ist in den Iran gezogen. Sein Vater und seine Mutter sind bereits verstorben. Im Iran leben noch zwei Halbbrüder von ihm. Ein weiterer Halbbruder sowie seine Halbschwester leben in Afghanistan. Kontakt zu diesen besteht nicht. Eine Tochter der Erstbeschwerdeführerin und des Zweitbeschwerdeführers lebt mit ihrer Familie im Iran. Die Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin sowie der Fünft- und der Sechstbeschwerdeführer sind im Iran geboren.

Die Muttersprache der Beschwerdeführer ist Dari. Weiters sprechen sie auch Farsi und Deutsch. Die Drittbeschwerdeführerin verfügt weiters über Kenntnisse der englischen Sprache. Die Viertbeschwerdeführerin verfügt ebenfalls über Kenntnisse der englischen Sprache. Darüber hinaus verfügt sie über Kenntnisse der italienischen Sprache. Die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer verfügen über keine Schul- und Berufsausbildung. Sie können in ihrer Muttersprache nicht lesen und schreiben. Die Erstbeschwerdeführerin war im Iran Hausfrau und hat auch Teppiche geknüpft. Der Zweitbeschwerdeführer hat in Afghanistan Hilfstätigkeiten in der Landwirtschaft ausgeübt. Im Iran hat er dann im Baubereich gearbeitet, bis er schließlich einen eigenen Betrieb besessen hat, in dem er Plastik verarbeitet und anschließend weiterverkauft hat. Die Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin haben im Iran fünf bzw. sieben Jahre die Schule besucht und können in ihrer Muttersprache lesen und schreiben.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation der Erst-, der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan:

Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um eine selbstständige Frau, die in ihrer Wertehaltung und ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert ist. Sie lebt in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition und lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab. Die Erstbeschwerdeführerin ist bemüht trotz ihrer nicht vorhandenen Schul- und Berufsausbildung die deutsche Sprache immer besser zu erlernen und besucht nach bereits absolvierten Deutschkursen derzeit einen weiteren Deutschkurs. Sie beabsichtigt einen Beruf auszuüben, um in Österreich berufliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit zu erlangen. Die Erstbeschwerdeführerin bewältigt ihren Alltag in Österreich selbstständig und sieht sich als gleichberechtigt neben ihrem Ehemann an. So wird das Familieneinkommen von ihr verwaltet und Entscheidungen im Zusammenhang mit der Erziehung der Kinder trifft sie gemeinsam mit ihrem Ehemann. Die Erstbeschwerdeführerin will ihre Kinder frei von Zwängen erziehen und ist sehr darum bemüht, dass ihre Kinder in Österreich eine gute Schul- und Berufsausbildung erhalten, damit sie ein selbstbestimmtes Leben nach ihren eigenen Vorstellungen führen können. Weiters geht die Erstbeschwerdeführerin alleine einkaufen bzw. absolviert falls erforderlich Behördenwege und Arztbesuche selbstständig. In ihrer Freizeit trifft sie sich regelmäßig mit ihren österreichischen Freundinnen zum Laufen und zum Schwimmen. Sie kleidet sich nach westlicher Mode und schminkt sich. Auf das Tragen des Kopftuches wird verzichtet. Die von ihr angenommene Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Die Erstbeschwerdeführerin lehnt die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und kann sich nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die persönliche Haltung der Erstbeschwerdeführerin über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft steht im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Sie würde im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als eine am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierte Frau angesehen werden.

Der Erstbeschwerdeführerin droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund ihrer Wertehaltung eine Verfolgung aus religiösen und/oder politischen Gründen. Vom afghanischen Staat kann sie keinen effektiven Schutz erwarten. Ebenso besteht keine innerstaatliche Fluchtalternative.

Bei der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin handelt es sich um junge selbstständige Frauen, die in ihrer Wertehaltung und ihrer Lebensweise an dem in Europa mehrheitlich gelebten Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert sind. Sie leben in Österreich nicht nach der konservativ-afghanischen Tradition und lehnen die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab. Die Drittbeschwerdeführerin spricht sehr gut Deutsch und hat bereits den B1-Deutschkurs erfolgreich absolviert. Derzeit besucht sie die Schule und beabsichtigt ihren Pflichtschulabschluss nachzuholen, um danach eine Ausbildung als Krankenschwester zu beginnen. Die Drittbeschwerdeführerin beabsichtigt die Matura zu machen und als Hebamme zu arbeiten, um in Österreich berufliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit zu erlangen. In ihrer Freizeit spielt sie gerne Volleyball, geht schwimmen, Fahrrad fahren oder spazieren. Auch trifft sie sich öfters mit ihren Freunden bzw. Freundinnen zum Billard spielen. Sie ist weiters Mitglied in einer Theatergruppe, wo Themen wie Frauen- oder Menschenrechte behandelt werden. Zudem besucht die Drittbeschwerdeführerin regelmäßig die Kunstuniversität in XXXX und nimmt dort an verschiedenen Workshops teil. Die Viertbeschwerdeführerin spricht ebenfalls sehr gut Deutsch und hat bereits den B1-Deutschkurs erfolgreich absolviert. Die Viertbeschwerdeführerin hat die vierte Klasse der Neuen Mittelschule in XXXX erfolgreich abgeschlossen. Derzeit besucht die Viertbeschwerdeführerin ein Abendgymnasium, um die Matura zu machen. Sie beabsichtigt nach der Matura Medizin zu studieren und danach als Fachärztin für Chirurgie zu arbeiten, um in Österreich berufliche und wirtschaftliche Selbstständigkeit zu erlangen. In ihrer Freizeit spielt sie gerne Volleyball und trifft sich mit ihren Freunden bzw. Freundinnen. Zu diesem Zweck fährt sie öfters alleine mit dem Bus zu ihnen und hat auch schon einmal bei einer ihrer Freundinnen übernachtet. Die Viertbeschwerdeführerin ist ebenso wie die Drittbeschwerdeführerin Mitglied in einer Theatergruppe, wo Themen wie Frauen- oder Menschenrechte behandelt werden. Die Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin kleiden sich nach westlicher Mode und schminken sich. Auf das Tragen des Kopftuches wird verzichtet. Die von ihnen angenommene Lebensweise ist zu einem wesentlichen Bestandteil ihrer Identität geworden. Die Dritt- und die Viertbeschwerdeführerin lehnen die Umstände und Lebensverhältnisse für Frauen in Afghanistan ab und können sich nicht vorstellen, nach der konservativ-afghanischen Tradition zu leben. Die persönliche Haltung der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin über die grundsätzliche Stellung der Frau in Familie und Gesellschaft steht im eindeutigen Widerspruch zu den in Afghanistan bislang vorherrschenden gesellschaftlich-religiösen Zwängen, denen Frauen dort mehrheitlich unterworfen sind. Sie würden im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan von dem dortigen konservativen Umfeld als am westlichen Frauen- und Gesellschaftsbild orientierten Frauen angesehen werden. Darüber hinaus hat sich sowohl die Dritt- als auch die Viertbeschwerdeführerin aus freier persönlicher Überzeugung und von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen, von ihrer (bisherigen) Religion des Islams abgewendet. Sie lehnen den konservativen Islam ab und haben für sie Religion und Glauben keine Bedeutung.

Der Dritt- und der Viertbeschwerdeführerin droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund ihrer Wertehaltung und ihrer Abwendung vom islamischen Glauben (Apostasie) eine Verfolgung aus religiösen und/oder politischen Gründen. Vom afghanischen Staat können sie keinen effektiven Schutz erwarten. Ebenso besteht keine innerstaatliche Fluchtalternative.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat der Beschwerdeführer:

Aufgrund der mit der Ladung übermittelten Länderfeststellungen zur Lage in Afghanistan und den in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zusätzlich in das Verfahren eingeführten aktuellen Erkenntnisquellen werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat der Beschwerdeführer getroffen:

1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, in der Fassung vom 31.01.2019:

Politische Lage (Verfassung):

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Sicherheitslage (Allgemein):

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah-Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und -prävention" und das Protokoll V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden:

das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus (USDOD 12.2017).

Im August 2017 wurde berichtet, dass regierungsfeindliche bewaffnete Gruppierungen - insbesondere die Taliban - ihre Aktivitäten landesweit verstärkt haben, trotz des Drucks der afghanischen Sicherheitskräfte und der internationalen Gemeinschaft, ihren Aktivitäten ein Ende zu setzen (Khaama Press 13.8.2017). Auch sind die Kämpfe mit den Taliban eskaliert, da sich der Aufstand vom Süden in den sonst friedlichen Norden des Landes verlagert hat, wo die Taliban auch Jugendliche rekrutieren (Xinhua 18.3.2018). Ab dem Jahr 2008 expandierten die Taliban im Norden des Landes. Diese neue Phase ihrer Kampfgeschichte war die Folge des Regierungsaufbaus und Konsolidierungsprozess in den südlichen Regionen des Landes. Darüber hinaus haben die Taliban hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet (AAN 17.3.2017).

Teil der neuen Strategie der Regierung und der internationalen Kräfte im Kampf gegen die Taliban ist es, die Luftangriffe der afghanischen und internationalen Kräfte in jenen Gegenden zu verstärken, die am stärksten von Vorfällen betroffen sind. Dazu gehören u.a. die östlichen und südlichen Regionen, in denen ein Großteil der Vorfälle registriert wurde. Eine weitere Strategie der Behörden, um gegen Taliban und das Haqqani-Netzwerk vorzugehen, ist die Reduzierung des Einkommens selbiger, indem mit Luftangriffen gegen ihre Opium-Produktion vorgegangen wird (SIGAR 1.2018).

Außerdem haben Militäroperationen der pakistanischen Regierung einige Zufluchtsorte Aufständischer zerstört. Jedoch genießen bestimmte Gruppierungen, wie die Taliban und das Haqqani-Netzwerk Bewegungsfreiheit in Pakistan (USDOD 12.2017). Die Gründe dafür sind verschiedene: das Fehlen einer Regierung, das permissive Verhalten der pakistanischen Sicherheitsbehörden, die gemeinsamen kommunalen Bindungen über die Grenze und die zahlreichen illegalen Netzwerke, die den Aufständischen Schutz bieten (AAN 17.10.2017).

Rechtsschutz/Justizwesen:

Gemäß Artikel 116 der Verfassung ist die Justiz ein unabhängiges Organ der Islamischen Republik Afghanistan. Die Judikative besteht aus dem Obersten Gerichtshof (Stera Mahkama, Anm.), den Berufungsgerichten und den Hauptgerichten, deren Gewalten gesetzlich geregelt sind. (Casolino 2011). Die wichtigste religiöse Institution des Landes ist der Ulema-Rat (Afghan Ulama Council - AUC, Shura-e ulama-e afghanistan, Anm.), eine nationale Versammlung von Religionsgelehrten, die u.a. den Präsidenten in islamrechtlichen Angelegenheiten berät und Einfluss auf die Rechtsformulierung und die Auslegung des existierenden Rechts hat (USDOS 15.8.2017; vgl. AB 7.6.2017, AP o.D.).

Das afghanische Justizwesen beruht sowohl auf dem islamischen [Anm.:

Scharia] als auch auf dem nationalen Recht; letzteres wurzelt in den deutschen und ägyptischen Systemen (NYT 26.12.2015; vgl. AP o.D.).

Die rechtliche Praxis in Afghanistan ist komplex: Einerseits sieht die Verfassung das Gesetzlichkeitsprinzip und die Wahrung der völkerrechtlichen Abkommen, einschließlich Menschenrechtsverträge, vor, andererseits formuliert sie einen unwiderruflichen Scharia-Vorbehalt. Ein Beispiel dieser Komplexität ist das neue Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist (AP o.D.; vgl. vertrauliche Quelle 10.4.2018). Die Organe der afghanischen Rechtsprechung sind durch die Verfassung dazu ermächtigt, sowohl das formelle als auch das islamische Recht anzuwenden (AP o.D.).

Das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren ist in der Verfassung verankert, wird aber in der Praxis selten umgesetzt. Die Umsetzung der rechtlichen Bestimmungen ist innerhalb des Landes uneinheitlich. Dem Gesetz nach gilt für alle Bürger/innen die Unschuldsvermutung und Angeklagte haben das Recht, beim Prozess anwesend zu sein und Rechtsmittel einzulegen; jedoch werden diese Rechte nicht immer respektiert. Bürger/innen sind bzgl. ihrer Verfassungsrechte oft im Unklaren und es ist selten, dass Staatsanwälte die Beschuldigten über die gegen sie erhobenen Anklagen genau informieren. Die Beschuldigten sind dazu berechtigt, sich von einem Pflichtverteidiger vertreten und beraten zu lassen; jedoch wird dieses Recht aufgrund eines Mangels an Strafverteidigern uneinheitlich umgesetzt (USD

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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