TE OGH 2019/2/26 8Ob93/18m

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Insolvenzsache der Schuldnerin A***** H*****, vertreten durch Buchberger Rechtsanwalts KG in Gmunden, über den Revisionsrekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 11. April 2018, GZ 21 R 92/18f-66, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Gmunden vom 19. Jänner 2018, GZ 8 S 6/10x-62, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit Beschluss des Erstgerichts vom 25. 2. 2010 das Schuldenregulierungsverfahren ohne Eigenverwaltung eröffnet. Die Gesamthöhe der festgestellten Forderungen betrug 2.591.837,26 EUR. In der Tagsatzung vom 6. 5. 2011 legte der Schuldnervertreter ein Vermögensverzeichnis nach § 185 IO vor, in dem die verfahrensgegenständlichen Ansprüche der Schuldnerin gegen eine liechtensteinische Stiftung nicht angegeben waren.

Bei der Schlussverteilung konnten nicht einmal alle Masseforderungen berichtigt werden. Der von der Schuldnerin angebotene Zahlungsplan mit einer Quote von 7 %, zahlbar in sieben gleichen Jahresraten, wurde von den Gläubigern angenommen und am 13. 7. 2011 die Rechtskraft der Aufhebung des Schuldenregulierungsverfahrens bekanntgemacht.

Am 8. 8. 2011 teilte der ehemalige Masseverwalter dem Erstgericht mit, dass die Schuldnerin am 15. 3. 2011 beim Fürstlichen Landgericht Vaduz eine Klage auf Zahlung von 100 Mio CHF aus dem Titel des Pflichtteilsanspruchs nach ihrem verstorbenen Vater gegen eine Stiftung nach liechtensteinischem Recht eingebracht habe. Sollte ein solcher Anspruch zu Recht bestehen, handle es sich um nachträglich hervorgekommenes Vermögen iSd § 138 Abs 2 KO.

Das Erstgericht trug dem ehemaligen Masseverwalter auf, den Fortgang des in Liechtenstein anhängigen Verfahrens zu beobachten und gegebenenfalls Mitteilung über ein Ergebnis zu erstatten.

In der Folge berichtete der Masseverwalter mehrmals über Auskünfte der Rechtsvertreter der Stiftung. Am 3. 9. 2014 teilte er mit, dass die Liechtensteinischen Gerichte ihre Zuständigkeit verneint hätten. Ein Aktenvermerk des Erstgerichts vom 10. 7. 2015 weist auf die Einleitung eines Prozesses in der Schweiz hin. Über erneute Anfrage des Gerichts am 8. 8. 2017 berichtete der ehemalige Masseverwalter am 6. 11. 2017, dass die Vertreter der Liechtensteinischen Stiftung ihm nunmehr unter Berufung auf ihre Verschwiegenheitspflicht keine Auskünfte mehr erteilen würden. Er ersuche das Gericht um Entscheidung, ob eine Nachtragsverteilung über die „offenkundig zu einem Teil zu Recht bestehende“ Geldforderung einzuleiten sei. Das Erstgericht leitete diese Eingabe dem ehemaligen Schuldnervertreter am 18. 12. 2017 weiter, ohne ihn zu einer Stellungnahme aufzufordern. Eine Reaktion der Schuldnerin erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 19. 1. 2018 ordnete das Erstgericht die Eröffnung des Nachtragsverteilungsverfahrens analog § 138 IO über die der Schuldnerin gegen die Liechtensteinische Stiftung zustehende Geldforderung an und ermächtigte den ehemaligen Masseverwalter, diese Forderung einbringlich zu machen und sodann einen Schlussverteilungsentwurf vorzulegen.

Das Rekursgericht gab dem gegen diesen Beschluss erhobenen Rechtsmittel der Schuldnerin Folge und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Die Schuldnerin sei zur Wahrung ihres rechtlichen Gehörs zur Stellungnahme aufzufordern. Weiters seien Feststellungen über die konkrete Höhe der Forderung und darüber, ob ihre Durchsetzung wirtschaftlich vertretbar möglich ist, zu treffen. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Entscheidung zur Frage vorliege, ob eine Nachtragsverteilung noch angeordnet werden darf, wenn seit dem Bekanntwerden eines verheimlichten Massebestandteils mehr als sechs Jahre verstrichen sind und das Gericht in diesem Zeitraum nie einen Anlass zur Verfahrenseinleitung erblickt hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Schuldnerin ist aus den vom Rekursgericht ausgesprochenen Gründen, deren Bedeutung über den Anlassfall hinausgeht, zulässig. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

1. Festzuhalten ist, dass auf das am 25. 2. 2010 eröffnete Verfahren nach § 273 Abs 1 IO die Bestimmungen des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes BGBl I 29/2010 noch nicht anzuwenden sind. Der im vorliegenden Verfahren maßgebliche § 138 KO entspricht aber inhaltlich unverändert dem geltenden § 138 IO.

2. Wenn nach dem Vollzug der Schlussverteilung Beträge, die bei Gericht erlegt worden sind, für die Masse frei werden oder wenn sonst bezahlte Beträge in die Masse zurückfließen, sind sie nach § 138 Abs 1 KO aufgrund des Schlussverteilungsentwurfs vom Masseverwalter mit Genehmigung des Konkursgerichts zu verteilen. Das Gleiche gilt, wenn nach der Schlußverteilung oder nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens Vermögensstücke ermittelt werden, die zur Insolvenzmasse gehören. Das Konkursgericht kann von einer nachträglichen Verteilung nach allfälliger Einvernehmung des Masseverwalters und des Gläubigerausschusses absehen und den zur Verfügung stehenden Betrag dem Gemeinschuldner überlassen, wenn dies mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Betrags und die Kosten einer nachträglichen Verteilung entsprechend erscheint (§ 138 Abs 2 und 3 KO).

3. Gemäß § 193 Abs 2 IO muss vor der Annahme des Zahlungsplans zwingend das Vermögen des Schuldners verwertet werden. Dem Schuldner wird damit die Verpflichtung auferlegt, sein Vermögen als Vorleistung für eine Restschuldbefreiung an die Konkursgläubiger aufzuteilen. Wer mittels Zahlungsplans von seinen Verbindlichkeiten loskommen will, muss vorher sein exekutionsunterworfenenes Vermögen bekannt geben und zur Verfügung stellen, und das im Rahmen eines gerichtlichen Verwertungs- und Verteilungsverfahrens nach den Bestimmungen der KO (IO) (Konecny, Zahlungsplan und Nachtragsverteilung, ZIK 2001/241, 146; 8 Ob 232/00a; 8 Ob 1/08t; 8 Ob 104/18d).

Der Oberste Gerichtshof ist der vom Revisionswerber zitierten, einer Anwendung des § 138 KO im Zahlungsplanverfahren kritisch gegenüberstehenden Lehrmeinung (von Kodek, Nachträgliches Hervorkommen von Schuldnervermögen beim Zahlungsplan, RdW 2001/363, 329; auch Privatkonkurs2 Rz 375 f) ausdrücklich nicht gefolgt und judiziert in ständiger Rechtsprechung, dass Nachtragsverteilungen auch nach Annahme des Zahlungsplans zulässig sind (RIS-Justiz RS0114344 mwN; 8 Ob 232/00a; 8 Ob 1/08t; 8 Ob 65/16s; 8 Ob 104/18d).

Durch den rechtskräftigen Beschluss des Insolvenzgerichts, dass der Zahlungsplan bestätigt, das Abschöpfungsverfahren eingeleitet oder aus sonstigen Gründen das Konkursverfahren aufgehoben wird, tritt der Schuldner nach § 59 KO wieder in das Recht ein, über sein Vermögen frei zu verfügen, soweit das Gesetz nicht eine Einschränkung festlegt. Die Verstrickung des Schuldnervermögens endet daher nicht völlig, sondern besteht in jenem Umfang weiter, der sich aus den anzuwendenden Verfahrensvorschriften zwingend ergibt. Insbesondere gilt dies für zur Insolvenzmasse gehörendes Vermögen, das erst nach der Schlussverteilung zum Vorschein kommt und das gemäß § 138 KO nachträglich zu verteilen ist, sodass es ungeachtet der Aufhebung des Verfahrens nur bedingt der freien Verfügung des Schuldners unterliegt (RIS-Justiz RS0114344; 8 Ob 240/02f; 8 Ob 104/18d). Durch die beschlussmäßige Anordnung einer Nachtragsverteilung wird die Konkursverstrickung hinsichtlich dieses Massebestandteils wiederhergestellt (vgl 9 ObA 9/06y mwN).

In die Wirksamkeit des Zahlungsplans wird durch die Anordnung der Nachtragsverteilung entgegen der Auffassung des Revisionsrekurses nicht eingegriffen, sondern es wird damit eine planwidrige Unvollständigkeit des vorangegangenen Verwertungsverfahrens nachträglich saniert.

4. Die KO (IO) enthält keine Bestimmung, die eine das Gericht bindende Höchstfrist für die Einleitung des Nachtragsverteilungsverfahrens setzt, und zwar weder ab dem nachträglichen Bekanntwerden eines massezugehörigen Vermögensstücks, noch ab dem Datum der Aufhebung des Insolvenzverfahrens (vgl 8 Ob 65/16s – drei Jahre). Es besteht auch kein schutzwürdiges Vertrauen des Schuldners darauf, dass ein zur Masse gehörender, aber verheimlichter Vermögensgegenstand nicht mehr entdeckt werden wird.

Davon abgesehen trifft es nach dem dargestellten Verfahrensgang auch nicht zu, dass das Erstgericht unbegründet mit seiner Entscheidung nach § 138 KO sechs Jahre zugewartet hat. Zunächst versetzte es die Information über die Tatsache einer Klagserhebung noch nicht in die Lage, an Stelle des angerufenen liechtensteinischen Gerichts die Berechtigung und Werthaltigkeit der Forderung zu beurteilen. Umso weniger war die im September 2014 berichtete Unzuständigkeitsentscheidung dazu angetan, die Unsicherheit über eine wirtschaftlich sinnvolle Geltendmachung und Befriedigungstauglichkeit der fraglichen Forderung zu beenden.

Erst der förmlich erklärte plötzliche Abbruch des Informationsflusses von Seiten der jahrelang auskunftsbereiten Rechtsvertreter der Stiftung begründete die Überzeugung, dass die Schuldnerin wenigstens einen Teil ihres erhobenen Anspruchs tatsächlich durchsetzen konnte. Auf diese Wendung hin hat das Erstgericht das Nachtragsverteilungsverfahren umgehend eingeleitet.

5. Den Rechtsmittelausführungen kann auch darin nicht gefolgt werden, dass die der Schuldnerin zuerkannte Pflichtteilsforderung (deren Existenz sie im Rechtsmittelverfahren auch gar nicht bestreitet) alleine schon deswegen nicht in das Insolvenzverfahren einbezogen werden dürfe, weil ihre Beurteilung aufgrund des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers dem liechtensteinischen Recht unterlegen sei.

Nach § 237 Abs 1 KO erstrecken sich die Wirkungen eines in Österreich eröffneten Konkurses auch auf im Ausland gelegenes Vermögen, es sei denn, der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners liegt in einem anderen Staat, in diesem Staat wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet und das Auslandsvermögen ist in dieses Insolvenzverfahren einbezogen. Der Schuldner ist nach § 237 Abs 2 KO außerdem verpflichtet, in Abstimmung mit dem Masseverwalter an der Verwertung ausländischen Vermögens, auf das sich die Konkurswirkungen erstrecken, mitzuwirken.

Da die Schuldnerin hier nicht behauptet, dass auch in Liechtenstein über ihr Vermögen ein Insolvenzverfahren durchgeführt und die Forderung gegen die Stiftung in dieses einbezogen worden wäre, ist es für die Erstreckung der Wirkungen des inländischen Verfahrens nicht relevant, ob sie – wie im Revisionsrekurs vorgebracht – bei der Eröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens ihren hauptsächlichen Interessenmittelpunkt in Liechtenstein hatte.

Für die Qualifikation einer zu Recht bestehenden Geldforderung als Vermögenswert im Rahmen eines inländischen Insolvenzverfahrens spielt es auch keine Rolle, nach welchem nationalen materiellen Recht die Anspruchsgrundlage zu beurteilen war.

6. Wenn das Rekursgericht – wie im vorliegenden Fall – der Ansicht ist, dass der Sachverhalt in der von ihm dargestellten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, hat der Oberste Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, dies nicht zu überprüfen (RIS-Justiz RS0007236 [T5]; RS0042179).

Dem Revisionsrekurs war daher nicht Folge zu geben.

Textnummer

E124860

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00093.18M.0226.000

Im RIS seit

11.05.2019

Zuletzt aktualisiert am

19.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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